• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Experten diskutieren über Amalgam: Einen sanften Ausstieg vorbereiten" (09.01.1995)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Experten diskutieren über Amalgam: Einen sanften Ausstieg vorbereiten" (09.01.1995)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

POLITIK

„Mit Sicherheit ist Amalgam nicht der Füllungswerkstoff für Zäh- ne im dritten Jahrtausend. Anderer- seits haben wir zur Zeit nichts Besse- res und besser Untersuchtes zur Fül- lung im Backenzahnbereich", erklär- te Prof. Dr. Alfred Hildebrandt, Di- rektor des Berliner Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinproduk- te (BfArM), aus Anlaß der zweiten öffentlichen Expertenanhörung

„Zahnärztliche Füllungstherapie".

Das Hearing fand statt im Rahmen des eingeleiteten Stufenplanverfah- rens nach dem Arzneimittelgesetz.

Zu drei vorgegebenen Fragen wurden in Berlin die Experten gehört:

1. Ist ein Ausstieg aus der Amal- gam-Therapie in absehbarer Zeit möglich?

2. Welche Alternativ- oder Er- satzmaterialien zum Amalgam bieten sich mittelfristig an?

3. Welche Forschungen sind not- wendig, um einen beschleunigten Ausstieg aus der Amalgam-Therapie zu ermöglichen?

Wie Prof. Hildebrandt betonte, habe Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern die restriktivsten Vorschriften in bezug auf Amalgam.

Für ein von einigen Interessengrup- pen gefordertes Verbot bedürfe es laut Arzneimittelgesetz des „begrün- deten Verdachts". Für einen derart schwerwiegenden Eingriff lägen kei- ne hinreichenden Daten vor.

Dr. Siegried Halbach (Institut für Toxikologie, GSF Forschungszen- trum Neuherberg) erklärte, seit den siebziger Jahren sei Amalgam unter- sucht worden. Eine toxikologische Wirksamkeit der Quecksilberbela- stung sei anhand zahlreicher Human- daten nicht dokumentiert worden.

Amalgam sei die am meisten und am besten untersuchte Substanz in der Zahnheilkunde. Dagegen wüßte man über Alternativen wie Kunststoffe nur sehr wenig und könne deren Risi- ko noch weniger abschätzen.

AKTUELL

Dr. Tamara Zinke (BfArM) be- richtete, lediglich aufgrund von da- maligen Tierexperimenten habe sich das ehemalige BGA 1987 dazu ent- schlossen, vorsorglich eine Empfeh- lung auszusprechen, bei Schwangeren keine umfangreiche Amalgam-The- rapie durchzuführen, da metallisches Quecksilber diaplazentar übertragen

Arbeit in einem Münchener Dentallabor. Foto:amw

wird. In Spontanberichten durch Pati- enten an das BGA und in einer Doku- mentation der Internationalen Ge- sellschaft für Ganzheitliche Zahn- medizin wurden Fälle dokumentiert, in denen es nach Legung von Amal- gam-Füllungen zu klinischen Sympto- men wie nervösen Erscheinungen, Kopfschmerzen, Rheuma, Krebs und Multipler Sklerose gekommen sein soll. Diese Spontanberichte erfüllten jedoch nicht die internationalen Mini- malkriterien, um eine Ursächlichkeit des Amalgams zu bejahen.

1992 wurde neuerlich Amalgam als Mittel der dritten Wahl nur für Zähne im kautragenden Bereich empfohlen, wenn andere plastische Füllungswerkstoffe nicht indiziert sind und andere Restaurationstechni-

ken nicht in Frage kommen Amal- gam soll nicht zur retrograden Wur- zelfüllung eingesetzt werden. Ferner sollen Kinder bis zum sechsten Le- bensjahr, Schwangere und Patienten mit Nierenfunktionsstörungen nicht mit Amalgam behandelt und Amal- gam insgesamt auf das absolut nötige Maß reduziert werden.

Einig war man sich in Berlin, daß es sinnvoll sei, die Quecksilberbe- lastung des Menschen und damit auch der Umwelt zu reduzieren und einen

„sanften Ausstieg" aus Amalgam vor- zubereiten; dies jedoch ohne Hast und Hysterie. Noch seien andere Werkstoffe weitaus weniger im Risiko abschätzbar, so zum Beispiel Kunst- stoffe, die Allergien auslösen können.

Zur Zeit gibt es kein Material, das Amalgam komplett ersetzen kann.

Zudem sind Alternativen, wie Composites und Gußlegierungen, Ke- ramiken, Gold etc., in ihrer Nutzen- Risiko-Relation weniger umfassend untersucht, wesentlich teurer und in der Handhabung für Labor und Zahnarzt aufwendiger. Hier bedarf es noch umfangreicher Forschung, um eine gleichermaßen generell einsetz- bare und haltbare Substanz wie Amalgam zu entwickeln.

Prof. Hildebrandt machte deut- lich, daß viele deutsche Zahnärzte den Umgang mit Alternativmateriali- en erst noch erlernen müßten. Ande- re Staaten, in denen weniger Amal- gam verwendet würde, seien hier fort- schrittlicher. Frau Dr. Zinke forderte ein Rahmenprüfschema für alle Le- gierungen, um ein toxikologisches Ri- siko abschätzen zu können, und eine Information für jeden Patienten über die Art der in den Zahn eingebrach- ten Legierung.

Dr. Peter Kuttruf (Kassen- zahnärztliche Bundesvereinigung) er- klärte, rund 200 bis 300 Millionen Amalgam-Füllungen lägen derzeit in deutschen Zähnen. Ein Austausch würde 140 Milliarden Mark kosten.

Nach derzeitiger Gesetzgebung müß- ten andere Füllungsmaterialien vom Kassenpatienten selbst bezahlt wer- den. Insofern wäre auch eine Ände- rung der rechtlichen Basis für einen behutsamen Ausstieg aus der Amal- gam-Versorgung nötig, um Kassen- patienten nicht im Übermaß finanzi- ell zu belasten. Dr. Barbara Nickolaus

Experten diskutieren über Amalgam

Einen sanften Ausstieg vorbereiten

A-30 (30) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 1/2, 9. Januar 1995

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ein Vergleich der verschiedenen Therapie- möglichkeiten für subjektiv amalgamgeschä- digte Patienten war für die Forscher überra- schend: Einerseits führt die Entfernung

Für diese weitere Kommentarebene war keiner der drei „Autoren“ des Buchs verantwortlich, sondern die Herausgeberin Jennifer Sigler, wie das Im ­ pressum notiert.42 Die

Laborveränderungen von klinischem Be- lang wie Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaus- haltes, Blutbildveränderungen (Leukopenie, Anämie, Panzytopenie), besonders bei Patienten

Wich- tig ist, daß die Belastung, wie Schiele und Kröncke 1989 gezeigt haben, mit der Zahl der Füllungen zu- nimmt Wichtig ist außerdem, daß möglicherweise die

Würde der Autor dies unter seinem Thema „Präventi- on“ betrachten, so muß er davon aus- gehen, daß eine erfolgreiche Krebs- prävention auch zur Vorbeugung ei- nes erheblichen

Dagegen ist grund- sätzlich nichts einzuwenden, solange nicht davon ausgegangen wird, daß komplexe Erkrankungen, die eine Fülle von sozialen Aspekten be- rühren, auch zwangsläufig

Der von uns zur Überprüfung die- ses Ergebnisses durchgeführte Epiku- tantest mit dem praxisüblichen Amal- gamblock (Amalgam, Quecksilber- amidchlorid, Amalgam-Legierungs-

Wenn sich schon eine Ärzte- kammer wie die westfälisch- lippische als Pressure-group für die Angestellten im Ge- sundheitsbereich versteht, wie soll dann ein Funktionär der