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Archiv "Quecksilberbelastung durch Amalgam-Füllungen?" (15.02.1990)

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DAS EDITORIAL

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Quecksilberbelastung

durch Amalgam-Füllungen?

Wolfgang Forth

D

aß Amalgam-Füllungen zur durch- schnittlichen Quecksilberbelastung des Menschen beitragen, ist wohl nicht ernstlich in Frage zu stellen (8).

Diese Untersuchungen bestätigen in etwa das, was schon früher zu dem Thema bekannt war, aus derselben Arbeitsgruppe beziehungsweise von anderen Forschern (5, 2).

Interessant an den Untersuchungen von Schiele und Kröncke (8) ist zweierlei. Zum einen ergab sich bei sieben bis zwölf Amalgam-Füllun- gen eine Hg-Ausscheidung im 24-Stunden-Urin, die, wohlgemerkt, ohne Provokation mit einem Komplexbildner unterhalb von 5µg lag. Mit an- deren Worten heißt das, daß die durchschnitt- liche Ausscheidung von Hg im 24-Stunden-Urin weniger als 10 lig beträgt, mit anderen Worten weniger als bei der gegenwärtigen Durch- schnittsbelastung der Bevölkerung in industriali- sierten Nationen noch als normal betrachtet wird (1). Die toxische Grenze wird bei etwa 35 [tg/24 h im Urin gezogen. Oberhalb dieses Wertes ist bei empfindlichen Personen hie und da schon mit dem Auftreten von Vergiftungserscheinungen zu rechnen, die allerdings nur mit subtilen Untersu- chungsmethoden festgestellt werden können.

Die BAT-Werte für den Urin beruflich Expo- nierter liegen bei 200 µg/24-h-Urin, ohne daß es dabei schon zu klinisch faßbaren Vergiftungser- scheinungen kommt.

Die Hg-Ausscheidung kann durch Komplex- bildner, beispielsweise DMSA 1 , DMPS2 oder BAL3, gesteigert werden. In diesem Zusammen- hang ist nun die zweite Botschaft der Arbeit von Schiele und Kröncke (8) wichtig, die unter dem Einfluß von DMPS (Dimaval®) ebenfalls eine Steigerung der Ausscheidung von Hg gefunden haben. Das bedeutet natürlich keineswegs, daß jetzt toxische Werte erreicht werden, sondern viel-

mehr, daß, wie bekannt, unter dem Einfluß von Komplexbildnern die Hg-Ausscheidung ansteigt.

Mit anderen Worten, auch bei normalen, nicht mit Hg belasteten Individuen ist unter die- sen Bedingungen die durchschnittlich im Urin

Dimercaptopropansulfonsäure 2 Dimercaptobemsteinsäure 3 Di- mercaprol

ausgeschiedene Hg-Menge höher als ohne Korn- plexbildner. Nach der Gabe von 300 mg DMPS p. o. wurde bei zwölf Amalgam-Füllungen der höchste Wert für Hg im 24-Stunden-Urin mit rund 64 itg bestimmt.

An der Frage der Menge der Hg-Ausscheidung mit oder ohne DMPS haben sich die Geister ge- schieden. Fest steht, daß die Belastung mit Hg oder auch mit anderen Metallen ohne die äußere Zufuhr von Komplexbildnern in Urin und Blut recht gut beurteilt werden kann. Die Diskrepanz zwischen den Werten von Schiele und Kröncke (8) mit denjenigen von Daunderer (3) beruht auf dem methodischen Vorgehen. So ist die Ausscheidung von Hg zuverlässig nur im 24-Stunden-Urin zu be- urteilen, oder sie sollte doch wenigstens auf 1 g Kreatinin bezogen werden. Es geht nicht an, wenn man Spitzenkonzentrationen, auch noch nach der i.v. Applikation eines Komplexbildners, mißt und dann die Konzentrationen ohne das zugehörige Urinvolumen beurteilt oder gar auf den 24-Stun- den-Urin hochrechnet.

Wir wollen hier gar nicht in Zweifel ziehen, daß es durchaus vereinzelt Menschen gibt, die ei- ne hohe Dauerbelastung mit Quecksilber auf- weisen. Hier ist allerdings zu ergründen, woher diese Belastung kommt; ohne eingehende Prü- fung ist die Extrapolation auf vorhandene Amal- gam-Füllungen nicht zulässig. Dabei soll gar nicht in Frage gestellt werden, daß es hochgradig korrodierte Füllungen oder Füllungen aus be- stimmten Amalgamen gibt, die einmal höhere Hg-Ausscheidungen und Hg-Blutgehalte verur- sachen können. Darunter waren aber bisher noch keine, die in den erwiesenermaßen toxi- schen Bereich dieser Werte geführt hätten.

Jeder Einzelfall verdient unsere Aufmerksam- keit, denn es gibt nicht nur Erfahrungen mit Aller- gien gegen Quecksilber, toxischen Zeichen bei ex- orbitanten Belastungen oder auch die Ausbildung von Spannungsreihen, dann nämlich, wenn im Mund Füllungen verschiedener Metalle einge- setzt worden sind. Es wird außerdem nicht in Fra- ge gestellt, daß Träger von Amalgamfüllungen je nach der Güte der Oberflächen und je nach der Zahl der Füllungen beim Kauen Quecksilber ab- reiben. In der Atemluft der Träger von Amalgam- A-472 (48) Dt. Ärztebl. 87, Heft 7, 15. Februar 1990

(2)

füllungen, die Kaugummi kauen, sind erhöhte Quecksilberwerte gemessen worden (2). Trotz- dem geht kein Weg an der Einsicht vorbei, daß die- se Belastung eben zu der durchschnittlichen Grundbelastung hierzulande gehört und keines- falls in toxischen Bereichen anzusiedeln ist. Wich- tig ist, daß die Belastung, wie Schiele und Kröncke 1989 gezeigt haben, mit der Zahl der Füllungen zu- nimmt Wichtig ist außerdem, daß möglicherweise die durch Amalgam-Füllungen verursachte Zu- fuhr etwa in derselben Größenordnung liegt wie diejenige im normalen Nahrungsangebot (2). Nur etwa lhoo der Menge des anorganischen Hg wird aus dem Magen/Darm-Trakt resorbiert (4).

Jeder dürfte sofort dem Ziel zustimmen kön- nen, die Hg-Belastung des Menschen solle so niedrig wie möglich sein. Dabei kann es dereinst auch dazu kommen, daß Amalgam als Füllmate- rial von Zahnkavitäten in Frage zu stellen ist.

Dies kann aber doch wohl nur im Rahmen einer normalen Risikoabschätzung und einer Kosten- Nutzen-Analyse gegenüber der Alternative vor- genommen werden. Bislang war der Markt ei- gentlich immer gut dafür, daß sich das Bessere durchsetzt: Das Füllmaterial muß gleich strapa- zierfähig sein, genau so gut verarbeitet werden und darf keine höheren Kosten verursachen als Amalgam. Wenn die Zahl der Füllungen maß- geblich für die Belastung ist, dann darf man an- nehmen, daß bei 15 bis 20 Füllungen und mehr die Grenze erreicht sein könnte, ab der Vorsicht geboten ist. Vorsicht wiederum im Hinblick auf die Belastung des Menschen mit Quecksilber, die noch keineswegs notwendigerweise zu toxi- schen Symptomen führt. Außerdem darf daran

erinnert werden, daß in Leichenmaterial die Hg- Konzentration im Gehirn von Trägern von Amalgamfüllungen bei etwa einem Zwanzigstel derjenigen lag, die als toxisch anzusehen ist (6).

Das Problem der Amalgamfüllungen ver- dient unsere Aufmerksamkeit. Es ist aber kei- neswegs ein besonders drückendes Problem, und wir sollten die Zeit nutzen, das Für und Wider von Alternativen zu erörtern, ohne Panik zu ma- chen.

Literatur

1. Berlin, M.: Mercury. In: Handbook of the Toxicology of Metals.

(L. Friberg, G. F. Nordberg, V. B. Vouk, Eds.) Vol. II, 387-445.

Elsevier; Amsterdam, New York, Oxford (1986)

2. Brune, D.; Evje, D. M.: Man's mercury loading from a dental amalgam. Sci. total Environm. 44 (1985) 51-63

3. Daunderer, M.: Quecksilbervergiftung durch Amalgam. Leit- symptom: Kopfschmerzen. Forum d. Prakt. u. Allg.-Arztes 28, Nr. 3 (1989) 89-91

4. Henschler, D.; Lehnert, G.: Biologische Arbeitsstoff-Toleranz- werte - Arbeitsmedizinisch-toxikologische Begründung (Queck- silber). Verlag Chemie; Weinheim (1983)

5. Ott, K. H. R.; Loh, F.; Kröncke, A.; Schaller, K.-H.; Valentin, A.; Weltle, D.: Zur Quecksilberbelastung durch Amalgamfül- lungen. Dtsch. Zahnärztl. Z. 39 (1984) 199-205

6. Schiele, R.; Schellmann, B.; Schrödl, R.; Schaller, K.-H.: Unter- suchungen zum Quecksilber-Gehalt von Gehirn und Nieren in Abhängigkeit von Zahl und Zustand der Amalgamfüllungen.

Symposion Köln 12.3. 1984: Amalgam - Aussagen von Medizin und Zahnmedizin

7. Schiele, R.; Albert, M.; Schaller, K.-H.; Weltle, D.; Valentin, H.; Kröncke, A.: Quecksilbergehalt der Pulpa von ungefüllten und amalgamgefüllten Zähnen. Dtsch. Zahnärztl. Z. 42 (1987) 885-889

8. Schiele, R.; Kröncke, A.: Quecksilber-Mobilisation durch DMPS (Dimaval®) bei Personen mit und ohne Amalgamfüllun- gen. Zahnärztl. Mitteilungen 79, Heft 7 (1989) 1866-1868

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Wolfgang Forth

Vorstand des Walther-Straub-Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universität München, Nußbaumstraße 26, 8000 München 2

Juvenile Polypose, eine Präkanzerose?

Bislang sind juvenile Polypen als nicht-neoplastisch eingestuft wor- den. Somit schien keine Gefahr einer malignen Entartung zu bestehen.

Die Autoren berichten über ihre Er- gebnisse bei 87 Patienten mit juveni- ler Polypose, wobei sich ihre Daten auf 1032 Polypen stützen. In 840 Fäl- len handelt es sich um typische sphä- rische juvenile Polypen, während bei 169 eine villöse Konfiguration vorlag.

Von diesen wiederum enthielt knapp die Hälfte Herde einer Epitheldys- plasie, während dies nur bei neun Prozent der typischen juvenilen Poly- pen der Fall war. 21mal lag ein Ade- nom und zweimal ein metaplasti- scher Polyp vor.

Offensichtlich ist die Epitheldys- plasie bei einer adenomatösen Teil- komponente die Basis für die Ent- wicklung eines kolo-rektalen Karzi- noms, das bei 18 Patienten mit juve- niler Polypose mit einem Durch- schnittsalter von 34 Jahren zur Beob- achtung kam. Die Prognose dieser Karzinome war auffallend schlecht.

Die Autoren schlagen deshalb vor, bei Patienten mit juveniler Poly- pose gezielt nach einem kolorektalen Karzinom zu suchen. Sie definieren das Krankheitsbild der juvenilen Po- lypose dann, wenn erstens mehr als fünf juvenile Prolypen im Kolorek- talbereich zu finden sind, wenn juve- nile Polypen im gesamten Gastroin-

FÜR SIE REFERIERT

testinaltrakt nachweisbar sind und wenn drittens juvenile Polypen bei einer familiären Belastung einer ju- venilen Polypose nachweisbar sind.

Aufgrund dieser Erfahrungen ist es sicher nicht mehr gerechtfertigt, ju- venilen Polypen generell ein mali- gnes Potential abzusprechen.

Jass, J. R., C. B. Williams, H. J. R. Bussey, B. C. Morson: Juvenile polyposis - a pre- cancerous condition. Histopathology 13:

619-630, 1988.

Department of Pathology, University of Auckland School of Medicine, Private Bag, Auckland, New Zealand.

Dt. Ärztebl. 87, Heft 7, 15. Februar 1990 (51) A-473

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