Am 29. April 1996 wurde das „Cécile und Oskar Vogt- Archiv“ an dem nach diesem Forscherehepaar benannten Institut für Hirnforschung der Heinrich-Heine-Univer- sität Düsseldorf eröffnet.
Oskar Vogt, 1870 in Hu- sum geboren, gründete be- reits 1898 ein eigenes For- schungsinstitut, die Neurolo- gische Zentralstation in Ber- lin, das später als Neurobiolo- gisches Institut von der Uni- versität Berlin übernommen wurde. Daraus entstand 1931 das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin- Buch, das damals mit elf Ab- teilungen das größte multidis- ziplinäre Hirnforschungsin- stitut der Welt war. 1935 wur- de Vogt wegen Differenzen
mit den damaligen Machtha- bern seines Postens entho- ben.
Er gründete noch im sel- ben Jahr mit Unterstützung von Krupp von Bohlen und Halbach die Deutsche Hirn- forschungs GmbH, die 1936 ein neues Institut in Neu- stadt/Schwarzwald errichtete, an dem Cécile Vogt (geb. 1875 in Annecy, Savoyen) und Oskar Vogt bis zu ihrem Tod (1959 beziehungsweise 1962) aktiv forscherisch tätig waren.
Das Institut übersiedelte 1970 nach Düsseldorf, nach- dem die Gesellschaft von Freunden und Förderern der Universität Düsseldorf die Hirnforschungs GmbH über- nommen hatte. Die Univer- sität Düsseldorf errichtete
nach eigenen Angaben den ersten Lehrstuhl für Hirnfor- schung in der Bundesrepu- blik Deutschland. Vogt wur- de einer weiteren Öffentlich- keit bekannt durch die Unter- suchung von Lenins Gehirn und Gründung des Moskauer Hirnforschungsinstituts. Cé- cile und Oskar Vogt veröf- fentlichten die meisten Ar- beiten gemeinsam. Sie liefer- ten grundlegende Beiträge zur Architektonik der Hirnrinde, schufen eine diffe- renzierte funktionelle Rin- dengliederung auf Grund elektrischer Reizungen beim Affen, die weitgehend auf den Menschen übertragen werden konnte, und beschrie- ben als erste zusammenfas- send das extrapyramidal-mo-
torische System.
Ihre Hirnschnitt- sammlung zählt, so die Heinrich-Hei- ne-Universität, zu den größten der Welt und umfaßt zahlreiche
„Elitegehirne“.
Der Nachlaß von Cécile und Oskar Vogt besteht aus rund 70 000 Blättern, die in mühseliger Arbeit gesichtet werden mußten, da sie mehrsprachig sind, wobei das Französische überwog (Cécile Vogt war Französin) und es sich auch um handschriftliche Notizen, teilweise in Sütterlin, handelte. Außer Instituts- akten und wissenschaftlicher Korrespondenz umfaßt der Nachlaß auch Unterlagen über Patienten und eine priva- te Korrespondenz. Hinzu kommen ein Bildarchiv, eine Bibliothek von rund 2 000 Bänden und eine Sammlung von etwa 20 000 wissenschaft- lichen Sonderdrucken. WZ
A-1728 (84) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 25, 21. Juni 1996
V A R I A FEUILLETON
Cécile und Oskar Vogt-Archiv
Hinter einer hohen Hecke im Landschaftsschutzgebiet der schwäbischen Kleinstadt Nürtingen liegt Nord-Würt- tembergs außergewöhnlich- stes Kulturdenkmal: der Be- tonbungalow, den sich der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Ottomar Dom- nick 1967 als Wohnhaus und als Museum für seine Samm- lung mit etwa 250 Werken der abstrakten Nachkriegsmo- derne bauen ließ. Nach dem Tod von Domnicks Witwe und Arztkollegin Greta gin- gen 1991 das Anwesen mit dem von Domnick angeleg- ten Park der Eisenplastiken, die Gemäldekollektion und das Vermögen des Ehepaares an das Land Baden-Württem- berg. Nach einer Renovie- rungsphase ist das Privatmu- seum jetzt der Öffentlichkeit zugänglich.
Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg hat Ottomar Dom- nick mit dem Aufbau seiner
Sammlung zeitgenössischer abstrakter Kunst und mit der Vermittlung der damals noch gewöhnungsbedürftigen Bil- der eines Willi Baumeister (1889 bis 1955), eines Fritz Winter (1905 bis 1976) oder ei- nes Hans Hartung (1904 bis 1989) begonnen. Als Museen und Ausstellungsinstitute noch in Schutt und Asche la- gen, lud Domnick in die Räu- me seiner Stuttgarter Praxis ein, die er mit seiner Frau Gre- ta betrieb. Dort veranstaltete er einen Vortrags- und Aus- stellungszyklus zur abstrakten Malerei. Er gab im Eigenver- lag die erste Monografie über den in Paris lebenden Hans Hartung, einen der Hauptver- treter der „Ecole de Paris“, heraus, organisierte in Paris die erste Nachkriegsausstel- lung mit Werken zeitgenössi- scher deutscher Künstler und stellte Bilder französischer Gegenwartsmaler für eine Wanderschau durch sieben
deutsche Städte zusammen.
Als besessener Kunstsammler hatte der Psychiater von An- fang an ein Faible für schwar-
ze Bilder und für die Frühwer- ke der Maler. In ihnen erblick- te der „abstrakte Dominika- ner“, wie er nicht nur bei sei- nen Kollegen genannt wurde, den bildnerischen Ausdruck
für seelische Gestimmtheiten.
Im Gegensatz zu anderen Kunstsammlern war Domnick auch selbst kreativ tätig: Der Film wurde ihm adäquates Medium, um eine an der Kunst geschulte abstrahieren- de Sicht in bewegte Bilder zu übersetzen: Nach seinem di- daktischen Kurzfilm „Neue Kunst – Neues Sehen“ (1951) und seinem Dokumentarfilm über Willi Baumeister, der mit 19 Arbeiten in der Sammlung Domnick vertreten ist, feierte der Psychiater internationale Erfolge mit seinem ersten Spielfilm „Jonas“ (1957).
In dem quadratischen, fast fensterlosen, nach außen ab- weisenden Domnickschen Haus, dessen asketischer In- nenraum auf verschiedenen, offenen Ebenen ganz der Kunst untergeordnet ist, empfangen die Besucher jetzt Bilder, Kleinplastiken und die sachlich-moderne Mö- blierung als ein Gesamtwerk Domnicks.
Die Stiftung Domnick ist dienstags und donnerstags von 15 bis 18 Uhr und sonn- tags von 13 bis 18 Uhr geöff-
net. Ruth Händler
Stiftung Domnick
Schwarze Psychogramme Eine der größten
Hirnschnittsammlungen
Ottomar Domnick Foto: Eberhard Fiebig