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Archiv "Ernüchterung und Kritiklosigkeit gegenüber dem Medizin-Computer" (10.03.1977)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

Heft 10 vom 10. März 1977

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Ernüchterung und Kritiklosigkeit gegenüber dem Medizin-Computer

Gedanken und Beobachtungen bei der „Medcomp 77" in Berlin

In der Berliner Kongreßhalle fand vom 7. bis zum 9. Februar unter dem Titel „Medcomp 77" ein internationaler Kongreß über die elektroni- sche Datenverarbeitung in der Medizin statt. Die Veranstaltung bot einen hervorragenden Überblick über die möglichen Leistungen ebenso wie die möglichen Gefahren bei Computerverarbeitung im medizinischen Bereich.

„Vertrauensvolles Gespräch"

zwischen Arzt und Computer

Den „Dr. med. Computer" — den gibt es nicht. Aber die elektronische Da- tenverarbeitung dringt unaufhalt- sam in den Medizinbetrieb ein, wenn auch langsamer, als viele noch vor kurzem erwarteten (und wohl auch langsamer, als es die Industrie sich erhofft, die in der Medizin einen at- traktiven Wachstumsmarkt sieht).

So aber werden kostspielige Fehler vielleicht von vornherein vermieden

— ist das ein Verdienst der Skeptiker, die immer wieder zur Besinnung aufrufen?

Das sind so einige Gedanken, die dem Beobachter bei der Abreise von der „Medcomp 77" in Berlin durch den Kopf gehen — von einem Kon- greß, zu dem sich in der John-Fo- ster-Dulles-Halle im Tiergarten rund 650 medizinische Computerspeziali- sten aus zahlreichen Ländern An- fang Februar getroffen hatten. Und mit einem skeptischen Pauken- schlag ging es schon am ersten Morgen los: Der als Begrüßungs- festredner eingeladene Hauptge- schäftsführer der Bundesärztekam- mer, Prof. J. F. Volrad Deneke, stellte in Gegenwart des ebenfalls als Begrüßungsfestredner anwesen- den Regierenden Bürgermeisters Klaus Schütz die politischen Zusam- menhänge heraus:

Kontrolle von der Geburt an — eine Mißachtung des Patienten!

„. . Im Jahre 1973 hat mein Vorgän- ger im Amt des Hauptgeschäftsfüh- rers der Bundesärztekammer, Prof.

Dr. Josef Stockhausen, in einem noch immer gültigen Referat vor dem Weltärztebund in München auf die Gefahren elektronischer Daten- verarbeitung für die Persönlichkeits- rechte der Patienten hingewiesen.

Der Deutsche Bundestag hat inzwi- schen mit dem ausdrücklichen Ver- weis auf die Persönlichkeitsrechte der Bürger einen Gesetzentwurf zur Einführung von Personenkennzif- fern für die Bevölkerung der Bun- desrepublik Deutschland abgelehnt.

Gerade diejenigen, die sich von Be- rufs wegen täglich mit der Speiche- rung und Verarbeitung medizini- scher Daten beschäftigen, wissen um die ethischen und politischen Prämissen der Anwendung dieser neuen Technik.

Dennoch nehmen die Versuche, zu- gunsten der Datenverarbeitung den Schutzwall unseres Grundgesetzes zu unterminierern und zu durchbre- chen, kein Ende. Der neueste Ver- such dieser Art liegt in der Form des Referentenentwurfs eines ,Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenent-

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Medizin-Computer

wicklung und zur Strukturverbesse- rung der gesetzlichen Krankenversi- cherung' seit dem 24. Januar 1977 auf dem Tisch. Die beabsichtigte Kontrolle des Patienten und die vor- gesehene Speicherung personenge- bundener Gesundheitsdaten miß- achten unveräußerliche Persönlich- keitsrechte der versicherten Patienten ... Ich verkenne nicht, welche Chancen eine vollständige Transparenz aller personenbezoge- nen gesundheitlich relevanten Da- ten für eine erfolgreiche medizini- sche Betreuung der Bevölkerung bietet. Ich verkenne nicht, daß auch große wissenschaftliche Fortschritte aus einer solchen vollständigen Transparenz eines umfassenden und komplexen Informationssy- stems zu erwarten sind. Ich verken- ne schließlich nicht, daß die Proble- me der Datenverarbeitung und des sönlichkeitsschutzes in der giganti- schen Aufgabe der Sanierung der Rentenversicherung Detailprobleme darstellen, denen der Bürger zu- nächst noch relativ wenig Beach- tung schenkt.

Wer es aber mit den Grundrechten des Bürgers im freiheitlichen Rechtsstaat ernst nimmt, der kann an dieser Stelle des Gesetzesvorha- bens einen besonders bezeichnen- den Kristallisationspunkt der politi- schen System- und Grundsatzent- scheidung erkennen. Gerade hier in Berlin ist jeder — und also auch jeder Diskussionsteilnehmer an wissen- schaftlichen Beratungen — zur Ant- wort auf die Frage gefordert: Wird unsere Gesellschaft auch morgen eine freiheitliche Ordnung leben können, oder wird sie totalitär er- faßt, verplant und verwaltet werden?

Hüten wir uns vor dem Irrtum, die totalitäre Gefahr könne nur aus der radikalen linken oder aus der radika- len rechten Ecke kommen! Der tota- litäre Perfektionismus kann auch aus wissenschaftlich wohlmeinen- der Akribie, aus pragmatischem Nützlichkeitsdenken und auch aus der sozialpolitischen Profilneurose der Mitte kommen.

Jeder, der einen Arzt in Anspruch nimmt, hat das Recht auf Verschwie-

genheit des Arztes gegen Dritte.

Dies gehört zu den unveräußerli- chen Rechten des Bürgers in unse- rem Lande. Ein Gesetzentwurf, der dieses Bürgerrecht mißachtet, wen- det sich demnach gegen die in unserem Grundgesetz verankerte Rechtsordnung. Es mag ungewöhn- lich sein, eine internationale wissen- schaftliche Tagung mit einem so speziellen und so tagesaktuellen po- litischen Akzent einzuleiten. Es ge- schieht jedoch in der Hoffnung, durch das aktuelle Beispiel zeitnahe und anschaulich auf die moralische und politische Verantwortung auch jeder wissenschaftlichen Diskussion hinzuweisen. Möge der Tagungsort Berlin daran mahnen, daß für uns Freiheit und Persönlichkeitsrechte den Vorrang sogar vor Fortschritts- chancen von Forschung und Tech- nik haben!"

Lernprobleme...

Soweit J. F. Volrad Deneke. Ein eng- lischer Kongreßteilnehmer sagte nach dieser Eröffnungssitzung dem Berichterstatter, er habe wohl be- merkt, daß diese Begrüßungsrede eine gut berechnete politische De- monstration gewesen sei. Er nahm dies übrigens trotz der Ungewöhn- lichkeit des Verfahrens nicht übel:

Immerhin hat man in Großbritannien ebenfalls darauf verzichtet, ein Per- sonenkennzeichen einzuführen. Ein amerikanischer Kongreßteilnehmer dagegen war erst am letzten Tage der Veranstaltung bereit, Abstriche an seiner Computergläubigkeit zu machen, nachdem nämlich in einer Diskussion über Datenschutz und Vertraulichkeit ein deutscher Spre- cher darauf hingewiesen hatte, daß wir hierzulande immerhin über be- herzigenswerte Erfahrungen mit to- talitären Machthabern verfügen. Um so erschreckender war es denn, daß ausgerechnet eine (junge) deutsche Diskutantin ihre Ablehnung, den Bürger über das zu informieren, was über ihn gespeichert ist, mit der Be- gründung versah, „die Leute" seien nicht reif dafür, zu verstehen, was solche Daten enthielten. Offenbar ist selbst bitterste Erfahrung nicht vererbbar.. .

Schnelligkeit und Zuverlässigkeit

Die „Medcomp", veranstaltet von ei- ner britischen Organisation zusam- men mit der Deutschen Gesellschaft für medizinische Dokumentation und Statistik, soll nach dem ersten Versuch regelmäßig stattfinden, möglicherweise alle zwei Jahre und möglicherweise ständig in Berlin. Da das erste Experiment geglückt zu sein scheint, ist eine Realisierung dieses Vorhabens zu erhoffen.

Denn: Die drei Tage geben eine gute Übersicht über den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft in der elek- tronischen Datenverarbeitung auf medizinischem Gebiet und über den gegenwärtigen Erfahrungsstand.

Um noch einmal auf den „Dr. med.

Computer" zu kommen: An die Computerdiagnose, großes Thema vor fünf oder acht Jahren, denkt kaum jemand mehr, selbst die com- putergestützte Diagnose ist kein Ta- gesthema. Man ist nüchterner ge- worden. Die elektronische Datenver- arbeitungsanlage macht genau die gleichen Rechen- und Denkarbeiten wie der menschliche Kopf, nur bei gehöriger Programmierung schnel- ler, vielleicht sogar zuverlässiger.

Und so kommt es logischerweise dazu, daß der Computer da einge- setzt wird, wo menschliche Kopfar- beit langwierig und langweilig ist, nämlich bei der Auswertung von ausführlich aufgelisteten Zahlen — oder wo der Kopf allein ohnehin un- zuverlässig ist oder gar versagen muß, nämlich bei der variierenden Zuordnung von Werten. Also: vor- nehmlich in der Verwaltung und im Labor.

Für die Zuverlässigkeit auch des Computers muß allerdings zunächst einmal gesorgt werden. Deshalb spielten bei den Erfahrungsberich- ten über EDV-Anlagen in Kranken- häusern immer wieder die Probleme der Patientenidentifikation eine große Rolle: Wenn man den Compu- ter bei der Versorgung der Patienten mitwirken läßt, dann muß hundert- prozentig sichergestellt sein, daß die Maschine die Daten auch immer dem richtigen Patienten zuordnet.>

672 Heft 10 vom 10. März 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Medizin-Computer

Die sprechende Maschine

Beispielhaft sei hier ein besonders originelles System aus Youngstown/

Ohio referiert, das sein Autor, Dr.

Rapaport, vorstellte. Dort haben zwei Krankenhauseinheiten ein zen- trales Labor, wo auch der Computer steht. Jeder neu aufgenommene Pa- tient wird dort mit Namen und mit einer Nummer gespeichert, der Pa- tient bekommt ein Armband, an dem eine größere Anzahl von Klebestrei- fen mit seiner Nummer befestigt ist.

Wenn dem Computer ein Auftrag ge- geben oder eine Frage gestellt wird, so kann man das mit der Nummer tun; der Computer gibt als Kontrolle zunächst einmal die ersten sechs Buchstaben des Namens an.

Und das tut er auch „mündlich": Er versteht und spricht (dies von Band- schnipseln, die der lokale Fernseh- ansager besprochen hat) 850 Worte aus dem Laborbereich einschließ- lich der Buchstaben des englischen Alphabets, einiger griechischer Buchstaben und der Zahlen von 0 bis 9. Von einer Station aus kann dem Computer deshalb ein Labor- auftrag per Telefon gegeben wer- den. Der Auftraggeber — Arzt oder Schwester — sagt die Patientennum- mer an, der Computer sucht den Pa- tienten in seinem Speicher auf und antwortet, indem er den Patienten- namen buchstabiert — die ersten sechs Buchstaben. Dann nimmt er den gesprochenen Auftrag entge- gen und speichert ihn.

Einer der Klebestreifen vom Patien- tenarmband ist nun auf dem Blut- oder Urinfläschchen, das ins Labor gegeben wird. So können Auftrag und Probe zusammengeführt, der Auftrag ausgeführt, die Ergebnisse dem Computer eingegeben werden, wo sie auf Abruf zur Verfügung ste- hen. Und man ruft sie wieder per Telefon mit der gleichen Identifika- tionstechnik ab. Zusätzlich: Ist der Auftrag „urgent", dringend, gege- ben worden oder mit einer bestimm- ten Uhrzeit, dann ruft der Computer von sich aus in der entsprechenden Station an, um die Ergebnisse durchzusagen. Und um das Drin- gende deutlich zu machen, tönen

vor der Durchsage im Telefon die ersten beiden Takte von Beethovens Fünfter.. .

Das ganze sieht fast aus wie eine Spielerei, und die „Fünfte" ist auch ein besonderer Gag. Aber: Man hat damit einen der teuersten und kom- pliziertesten Bauteile eines Kran- kenhaus-Computersystems einge- spart, nämlich die unzähligen Termi- nals mit den dazugehörigen Leitun- gen: Das ohnehin vorhandene Tele- fon (mit einer kleinen Zusatzeinrich- tung) ist das Terminal!

Computer

beim niedergelassenen Arzt Die Administration und die Doku- mentation sind auch die Anwen- dungsgebiete, für die die elektroni- sche Datenverarbeitung in erster Li- nie in der Praxis des niedergelasse- nen Arztes in Frage kommt. In der den Kongreß begleitenden Ausstel- lung zeigte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Köln) einen Praxiscomputer, den es für eine internistische Praxis in Essen entwickelt hat.

Dieser Internist hatte sich geraume Zeit vor seiner Praxiseröffnung schon überlegt, ob er nicht neben den notwendigen medizin-techni- schen Einrichtungen auch seine Praxisadministration durch Einsatz moderner Technologie nachhaltig rationalisieren könne. Geplant war die Einrichtung einer Gemein- schaftspraxis mit angegliederter Ap- parategemeinschaft am Stadtrand von Essen. Auf Grund des zu erwar- tenden Patientenklientels und auf Grund einer weiteren Spezialisie- rung auf Röntgenuntersuchungen wurden entsprechende Räumlich- keiten gemietet und qualifiziertes Personal eingestellt. Dabei wurden die installationstechnischen Voraus- setzungen für die Labor- und EDV- Ausrüstung bereits von vornherein berücksichtigt. Nach einer umfas- senden Marktanalyse wurde ein EDV-Konzept erarbeitet, mit dem so- wohl das automatische Labor als auch die administrativen Vorgänge der Praxis abgewickelt werden kön-

nen. Dem Gedanken dieses inte- grierten Arzt-Computer-Systems la- gen — so heißt es in einer Darstellung Vorhabens durch das Zentralinstitut

— folgende Ziele zugrunde:

• Rationalisierung des Praxisab- laufs,

> Abschaffung der Kartei und ihre Ersetzung durch eine automatisch geführte Datei,

> schnelles Auffinden von Patien- tendaten,

> optimale Auslastung der Res- sourcen,

> Reduktion der Patientenwarte- zeit,

> ausführliche Information mitbe- handelnder Ärzte, zum Beispiel bei Überweisungsfällen,

• Transparenz des praxisinternen Leistungsanfalls, zum Beispiel durch interne Statistiken,

> automatische Abrechnung,

• optimaler Datenschutz.

Die Verwirklichung dieses Zielbün- dels erfordert natürlich neben um- fassenden medizinischen Kenntnis- sen auch entsprechende Erfahrung auf den Gebieten der Organisation, der Programmierung und der EDV- Technologie. Zur Realisation des Projektes wurde daher zwischen dem Arzt, dem Bereich Informatik des Zentralinstituts für die kassen- ärztliche Versorgung in der Bundes- republik Deutschland und der Firma Röntgenmüller (Philips-Tochter) ein Kooperationsvertrag geschlossen.

Der Arbeitsverteilunsplan sieht vor, daß der Arzt die praxisablaufbeding- ten Organisationsstrukturen vorgibt und die relevanten medizinischen Begriffskataloge von der Anamnese bis zur Therapie strukturiert. Den EDV-Spezialisten des Zentralinsti- tuts fällt die Aufgabe zu, die aus der Organisationsanalyse abzuleitenden Funktionen des EDV-Systems in Programmvorgaben umzuwandeln.

Zur Vermeidung fachgruppenspezi- fischer oder praxisstrukturbezoge- ner Individuallösungen werden diese Vorgaben im Zentralinstitut standardisiert und generalisiert; zu- sätzlich stellt das Zentralinstitut die gültigen Gebührenordnungen und Regelwerke bereit.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 10. März

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Medizin-Computer

Die Programmierung und der Test der Funktionen erfolgt arbeitsteilig zwischen dem Zentralinstitut und der Firma Röntgenmüller. Hierzu steht in Köln und in Harnburg jeweils ein Computer Philips 857 zur Verfü- gung. Die Datenverarbeitungsent- wicklung für diese Arztpraxis ist als förderungswürdig anerkannt und wird im Rahmen des Demonstra- tionsprojektes Dominig 111 vom Bun- desministerium für Forschung und Technologie unterstützt.

Als Resultat der bisherigen Koope- ration wird stufenweise ein Pro- grammpaket entwickelt und nach Einarbeitung des Praxispersonals in Essen eingesetzt. Das Programmpa- ket enthält Terminplanung, Patien- tenannahme, Erfassung von Ana- mnese-, Befund-, Diagnose- und Therapiedaten, Arztbriefschreibung, Beschei nigu ngsdruck, Kassenab- rechnung, Privatabrechnung und in- terne ~tatisti ken.

Die Handhabung des Praxiscompu- ters ist denkbar einfach. Der Zugriff auf die gespeicherten Daten kann wahlweise patientenbezogen, pro- blembezogen oder terminbezogen erfolgen. Die Suchbegriffe werden über eine alphanumerische Tastatur in deutscher Sprache abgesetzt, wo- bei Kürzel zulässig sind. Zur Erleich- terung des Dialogs bietet der Com- puter auf Bildschirmgeräten Funk- tionen an und weist auf erforder- liche Eintragungen hin. Sämtliche Dateneingaben werden vom Com- puter unmittelbar auf formale Zuläs- sigkeit und Richtigkeit geprüft. Das System paßt sich dem Ablauf der aktuellen Notwendigkeiten in der Praxis an.

Wettbewerb der Systeme

Die Programmiersprache, die in die- sem Projekt angewandt wird, heißt

"MUMPS", recht passend für einen

Internisten, aber der Name setzt sich aus den Initialen des Erfinders zu- sammen: Massachusetts General Hospital Utility Multi-Programming System. ln Berlin hat ein Internist ein anderes Programm einer anderen Firma (Sperry Rand/Univac) einge-

führt, dessen Programmsprache MADAP heißt. Prinzipien und Ergeb- nisse sind ähnlich; eine Sprachver- wirrung erscheint nicht ausge- schlossen. Aber: Obwohl eine ge- wisse Kompatibilität der Systeme angestrebt und durch Vorschaltung gewisser Mikroprozessoren möglich gemacht wird- der Wettbewerb un- terschiedlicher Systeme und Spra- chen schützt uns (vorläufig) noch vor der Allmacht der Computer.

Die besondere Qualität der Computer-Daten

Denn dies ist das wirkliche Problem, das Prof. Deneke zu Beginn an- sprach, das aber noch allzu wenige bisher erkannt haben (oder auch: er- kennen wollen!?). Die elektronische Datenverarbeitungsanlage im ein- zelnen Krankenhaus, in der einzel- nen Arztpraxis kann die Arbeit von Arzt und Assistenzpersonal erleich- tern, sie sogar sicherer machen, von administrativen Umtrieben (Quar- talsabrechnung !) weitgehend be- freien.

Der Segen aber kann zum Fluch werden, wenn die Daten aus diesem jeweils abgeschlossenen Bereich herauskommen. Es war ein Berliner Krankenhaus-Chefarzt, der dies mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck brachte: Selbst die Tatsache, daß ich- so sagte er- Beamter bin, wird mich nicht dazu bringen, die Daten aus meinem Krankenhaus in das vom Berliner Senat geplante zentra- le Informationssystem einzubringen.

Der Beifall der Sitzungsteilnehmer hat in sicherlich in dieser Entschlos- senheit gestärkt und mag Nachah- mer anfeuern, den Datenstreik zu praktizieren. Ungewollt machte ein anderer Diskussionsteilnehmer das Problem deutlich: Er äußerte seine Verwunderung, daß man sich so auf- rege; die Krankenkassen hätten ja schon seit jeher beispielsweise alle Rezepte gesammelt und ausgewer- tet - bisher nur, um die Verschrei- bungsgewohnheiten der Ärzte zu prüfen, aber das Material sei ja vor- handen, man könne ebenso auch die Konsumgewohnheiten der Pa- tienten kontrollieren.

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~ Eben: Die bisherige Auswertung war legitim, weil sie zur Überprüfung der in der RVO postulierten Wirt- schaftlichkeit diente. Erst der Com- puter- und das ist die neue Qualität dieses Hilfsmittels - ermöglicht es, die Daten auch in beliebig anderer Form zusammenzuführen und ne- ben dem Arzt nun auch den Patien- ten durchsichtig zu machen. Eine Erfahrung aus vielen Diskussionen am Rande dieses Kongresses: Es ist fast unmöglich, den von ihrem Me- tier so begeisterten Computerexper- ten diese besondere Qualität ihres Werkzeuges vor Augen zu führen; sie verharmlosen das "Ding", das ja nach ihrer Aussage doch nichts an- deres mache als die "manuelle" Kar- tei von Arzt, Krankenhaus oder Krankenkasse.

Die Zähmung der Informatiker Vielleicht, so fragt sich der betroffe- ne Staatsbürger, ist unser Ausbil- dungssystem falsch. Prof. Koeppe, FU Berlin, schilderte den Ausbil- dungsgang "Medizinische Informa- tik", der an verschiedenen Stellen der Bundesrepublik in unterschied- licher Weise existiert (und bewies übrigens, daß der Bedarf an medizi- nischen Informatikern etwa halb so groß ist wie die gegenwärtige Kapa- zität dieser Ausbildungsstätten). Bei uns ist es so: Es werden Informatiker ausgebildet, die im "Nebenfach"

über Medizin informiert werden. Das sind Leute, die die Möglichkeiten der Informatik voran-, die Notwen- digkeiten der Medizin aber hinten- anstellen. Grundsätzlich anders in Großbritannien: Da wird - so die Zielplanung, die in London schon verwirklicht ist - jeder Medizinstu- dent so weit in der Computerhand- habung ausgebildet, daß er mit die- sen Geräten umzugehen imstande ist - den in der Medizin nebenbei ausgebildeten Informatiker gibt es dort einfach nicht!

~ Wir sollten in Deutschland sehr schnell überlegen, ob wir nicht die- sem Beispiel folgen sollen, ehe die Informatiker - nun wirklich als Dr.

med. Computer - die Herrschaft über die Medizin antreten. bt/ZI

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