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Archiv "Medizin und Medien: Eine „verlässlichere Brücke“ gefordert" (28.09.2001)

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iegt es an der Würde und Erhabenheit der Medizin, dass sich das Arbeitsfeld des Arztes lange in einer Aura medianer Schonung befand?

Ist das Spannungsfeld zwi- schen Medien und Medizin dadurch begründet, dass Ärz- te – genau wie Journalisten – daran gewöhnt sind, eine Machtposition innezuhaben und Nachrichten zu vermit- teln, anstatt selbst Teil einer Nachricht zu sein? Journali- sten sind für Mediziner Laien, doch trifft nicht auch das Um- gekehrte zu? Die Fragen ver- deutlichen den Facettenreich- tum der Thematik „Medizin und Medien“. Diese wurde am 15. September bei einer Vor- tragsreihe anlässlich des 125- jährigen Jubiläums der Klini- ken Dortmund diskutiert.

Zumindest in einer Hin- sicht waren sich die Referen- ten einig: Im so genannten Medienzeitalter ist es wichtig, dass sich Mediziner mit Medi- en auseinander setzen. Denn die Ärzteschaft wird zuneh- mend Teil der öffentlichen und veröffentlichten Mei- nung. „Wir brauchen eine verlässlichere Brücke zwi- schen der Medizin und den Medien“, betonte Professor Dr. phil. Ulrich Plät- zold, Ordinarius für Journalistik in Dort- mund. Dafür sei eine erfolgreiche Kommuni- kation zwischen sozial kompetenten, verant- wortungsbewussten Jour- nalisten und Ärzten uner- lässlich. Demzufolge müssten Vertreter beider Berufsgrup- pen aber zuerst an ihrer Persönlichkeit arbeiten, eige- nes Verhalten hinterfragen und sich aktiv mit der Um- welt auseinander setzen, sag- te Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Faix, Direktor der Steinbeiß- akademie und -hochschule in Berlin. Im Widerspruch dazu stünde deren Gewohnheit, eher Fragen zu beantworten, anstatt sich selbst infrage zu stellen. Sowohl eine ärztli- che Diagnose als auch eine Publikation in den Medien wolle Menschen aufklären.

Diese Aufklärerposition könn- ten jedoch weder Journalisten

noch Ärzte im Gespräch mit- einander erfolgreich beibe- halten.

Als großer Störfaktor der Kommunikation erweist sich die Zeit: Obwohl unumstrit- ten ist, dass die „sprechende Medizin“ als wichtiger Be- standteil einer Therapie zur Genesung des Patienten bei- tragen kann, bleibt einem Arzt häufig nicht die Zeit, auf jeden einzelnen Patienten persönlich einzugehen. Einer in Dortmund zitierten Studie zufolge variiert die Konsulta- tionsdauer eines Patienten bei einer Visite zwischen 1,4 und 8 Minuten. Sind aber Ärzte, die noch nicht einmal mit ihren Patienten ein einge- hendes Gespräch führen kön- nen, in der Lage,

mit Journalisten erfolgreich zu kommunizie- ren? Die Diskrepanz zwi- schen medizinischer Aus- und Weiterbildung und dem Be- ruf als Arzt wird deutlich:

„45 000 Multiple- Choice-Fra- gen, die ein Arzt im Laufe sei- ner Ausbildung angekreuzt hat, können nicht bei der Ver- ständigung mit späteren Pati- enten helfen“, sagte Dr. phil.

Dr. med. Torsten Haferlach, Privatdozent für Innere Me- dizin, Oberarzt am Universi- tätsklinikum Großhadern in München. „Die Forderung und Überforderung von Ärz- ten in der Öffentlichkeit wird zunehmen“, prophezeite Dr.

med. Ernst-Wilhelm Schwar- ze,

Professor für Patholo- gie und Initiator der Veran- staltung. Der Spagat zwi- schen den Rollen eines erst- klassigen Forschers im Rah- men der Doktorarbeit, eines berechnenden Ökonoms zur Entlastung der Kassen und eines einfühlsamen Psycholo- gen im Kommunikationsver- halten könne nur den wenig- sten gelingen. Häufig würden sich gerade die Ärzte an die Presse wenden, die verfrühte Sensationsmeldungen in Um- lauf bringen wollten. „Und die Presse springt zu häufig darauf an“, beklagte Dr.

Schwarze. „Der komplexe medizinische Sektor bietet leider kaum Informationen im Stil der Hard News, die Journalisten am besten verar- beiten können: kurz, knapp und präzise.“ Schwarze wies darauf hin, dass eine verallge- meinerte und vereinfachte Darstellung von Themen wie Qualitätssicherung im Ge- sundheitswesen oder der so genannten Zwei-Klassen-Me- dizin „verheerend“ sei. Des- wegen appelliert er an die Journalisten, solch komplexe Sachverhalte zu meiden, wenn sie sich nicht umfassender da- mit auseinander setzen woll- ten.

Diese Forderung ist leich- ter gestellt als umgesetzt. So betonten die Medienvertre- ter, dass sie mit der Zeit gehen müssten. „Wartet man mit ei- ner sensationellen Meldung so lange, bis sie ausrecher- chiert ist, wird sie ein anderer

früher bringen.“ Auch Dr.

phil. Gabriele Krone-Schmalz frühere ARD-Korresponden- tin, jetzt freie TV-Journalistin und Autorin, kennt kein Pa- tentrezept für den Ausweg aus dem Dilemma. Auf der ei- nen Seite könne sich eine gute Recherche sicher auszahlen.

Nichtsdestotrotz müsse die je- weilige Nachricht zeitlich an- gemessen übermittelt werden – zumal das Interesse am Journalismus groß und der Markt hart umkämpft sei. So ist der Numerus clausus für das Studienfach Journalismus in Dortmund mit der Note 1,2 sogar höher als der für Medi- zin. Krone-Schmalz sieht als Zukunftssicherung einer Re- daktion „gute Ressourcen“, also Mitarbeiter, die sich de- tailliert in ihren Themenge- bieten auskennen.

Zwischen Wirtschaftlichkeit und Allgemeinwohl

Fest steht für Frau Krone- Schmalz, dass eine Nachricht, die nicht in die Vorstellungen der Bürger passt, besser ge- schrieben sein muss als ei- ne klischeekonforme, weil sie genauer hinterfragt werde.

„Trotzdem sollten Journalisten unbequem sein und nicht nur das schreiben, was die Konkur- renz bringt oder die Bürger er- warten.“ Die Presse als „Grad- messer der Freiheit“, wie es Dr.

lic. phil. Roger Blum, Philoso- phieprofessor aus Bern, aus- drückt, müsse anprangern, die Öffentlichkeit wachrütteln.

In der Diskussion zu den gehaltenen Vorträgen wurde deutlich, dass sich ein Journa- list prinzipiell in der gleichen Zwickmühle befindet wie ein Arzt, wenn auch auf unter- schiedlichen Ebenen: Beide leisten Arbeit am Menschen, die einen an dessen Geist, die anderen vor allem an dessen Körper. Obwohl sie nach be- stem Wissen und Gewissen handeln sollen, muss ihre Ar- beit wirtschaftlich sein, im Sinne der Kassen, im Sinne der Redaktion. Weder Arzt noch Journalist sind für diese Aufgabe geschult, die im Be- rufsleben eine große Rolle spielt. Tanja Anheier M E D I E N

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A2468 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 39½½28. September 2001

Medizin und Medien

Eine „verlässlichere Brücke“ gefordert

Appell an soziale Kompetenz und Verantwortung

Forscher sehen Durchbruch

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