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er in diesem Sommer der Expo-Stadt Hannover einen Besuch abstattet, wird im Zentrum gleich neben der Oper auf das Standbild Georg Friedrich Louis Stromeyers treffen (Ab- bildung 1). Er hatte sich schon zu Lebzeiten mit seinen Errungenschaften für die orthopädische Chirurgie und die Kriegs- chirurgie über das Land hinaus einen Namen gemacht (3), sodass dieses Denkmal bereits acht Jahre nach sei- nem Tod von den Bürgern der Stadt errichtet wurde.Jugend und Studium
Georg Fried- rich Louis Stro- meyer wurde am 6. März 1804 als älte- ster Sohn des Chir- urgen Christian Fried- rich Stromeyer (1761 bis 1824) in Hannover ge- boren. Er wurde der berühmteste Vertreter dieser großen nieder- sächsischen Ärzte- und Gelehrtenfamilie, aus der innerhalb eines Jahrhunderts insge- samt acht Ärzte her- vorgingen (1).
Sein Vater war in Hannover ein be- kannter und angese- hener Militärarzt und galt als besonders ge- schickter Chirurg auf dem Gebiet der Kie- feroperationen. In
seiner Geburtsstadt machte er sich um das Schwefelbad Limmer verdient und wurde durch die Einführung von Jenners Kuhpockenimpfung in Deutschland im Jahr 1799 berühmt. Seine Mutter Loui- se Louis, die Tochter eines Lotteriedirektors und Kauf- manns, entstammte einer Hannoveraner Hugenotten- familie (1, 4).
In Hannover besuchte Stromeyer die Vorschule und das Institut Thierbach, wo er sein Abitur erlangte. Geprägt durch seinen Vater, der ihm Wissen und praktische Erfah- rungen der Medizin vermit- telte, begann der junge Stro- meyer bereits im Alter von 17 Jahren am „Collegium Ana- tomico Chirurgicum“, der Königlichen Chirurgenschule in Hannover, Medizin zu stu- dieren. 1823 wechselte er für zwei Jahre zum Medizinstudi- um nach Göttingen und setzte dieses dann in Berlin fort. Ein Jahr später, 1826, promovier- te er dort mit seiner Disserta- tion „De hydroceles cura per injectionem“ zum Doktor der Medizin (4, 9).
Ärztliche Tätigkeit Die folgenden zwei Jahre waren von zahlreichen wis- senschaftlichen Reisen ge- prägt, die den jungen Stro- meyer nach Wien, München und Würzburg führten, von wo er intensive Anregungen mitbrachte. 1827 kehrte er in seine Geburtsstadt zurück und legte dort vor dem
„Obermedizinalkollegium“
die medizinische Staatsprü- fung ab (4). Danach verließ er Deutschland und ging nach England und Paris, wo er be-
deutende Chirurgen seiner Zeit besuchte, wie Guillaume Dupuytren, Jean Dominique Larrey, Philibert-Joseph Roux und Joseph François Mal- gaigne. Ein Jahr später kehrte er nach Hannover zurück und wurde hier im Alter von 24 Jahren Distriktarzt in einem ärmlichen Viertel der Stadt.
Am 14. Mai 1829 gründete er den noch heute bestehenden Hannoveraner Ärzteverein und lehrte unentgeltlich meh- rere Jahre an der Chirurgi- schen Schule. Im selben Jahr gründete er mit Hilfe seiner Mutter eine orthopädische Anstalt in Hannover (1). Hier vollzog Stromeyer im Jahr 1831 erstmalig die Durch- führung der subkutanen Te- notomie der Achillessehne zur Beseitigung des Klump- fußes, mit der er über die Grenzen des Landes hinaus in ganz Europa sowie auch in Amerika Bewunderung und Aufmerksamkeit erlangte.
1836 heilte er durch diesen Eingriff den englischen Arzt William John Little (1810 bis 1894), der an einem Pes equi- novarus litt (4, 5).
Im Jahr 1838 wurde Stro- meyer auf den Lehrstuhl für Chirurgie an der Universität Erlangen berufen, wo er bis 1840 blieb und dann einer zweiten Berufung nach Mün- chen als Ordinarius für Chir- urgie folgte. 1842 nahm Stro- meyer letztlich den Ruf nach Freiburg an, wo er seinen or- thopädischen Ruhm festigte.
1848 verließ er aufgrund sei- ner kriegschirurgischen und nationalpatriotischen Neigun- gen Freiburg und wurde in Kiel Professor für Chirur- gie und Generalstabsarzt der schleswig-holsteinischen Ar- A-1611 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 23, 9. Juni 2000
V A R I A GESCHICHTE DER MEDIZIN
Abbildung 1: Denkmal Georg Friedrich Louis Stro- meyers (1804 bis 1876)
Georg Friedrich Louis Stromeyer
ORTHOPÄDE, MILITÄRARZT UND LITERAT
Ein berühmter Sohn der Expo-Stadt Hannover
Foto:
Fotohaus Schaft, Hannover
mee. Nach 16-jähriger Abwe- senheit kam er in seine Hei- matstadt zurück und wurde 1854 bis zur Auflösung der Armee im Jahr 1866 zum Ge- neralstabsarzt der Hanno- veraner Armee ernannt. Er organisierte das hiesige Mi- litär- und Sanitätswesen und schuf in dieser Zeit ein neues Militär-Generalhospital. Zu- dem verschaffte er erstmals in Deutschland den Ärzten in der Armee den Rang eines Offiziers (1). 1867 verließ Stro- meyer den aktiven Dienst und arbeitete bis kurz vor seinem Tod 1876 nur noch in pri- vatärztlicher Tätigkeit.
Stromeyer und Hannover
Sowohl seine gesamte Ju- gend als auch seinen letz- ten Lebensabschnitt zwischen 1854 bis zu seinem Tod 1876 verbrachte Georg Friedrich Louis Stromeyer in seiner Geburtsstadt Hannover. Im Jahr 1831 heiratete er eine Tochter des Hamburger Ban- kiers Bartels, mit der er eine
glückliche Ehe führte, aus der drei Töchter hervorgingen.
Seine älteste Tochter Anna sollte später Stromeyers be- rühmten Schüler Johann Friedrich August von Esmarch (1823 bis 1908) heiraten.
In seiner Geburtsstadt ge- denkt man immer noch des großen Meisters der Chirur- gie: Von seinen Freunden und Verehrern wurde Stromeyer acht Jahre nach seinem Tod am 16. September des Jahres 1884 das Denkmal des Bild- hauers Rassau im Zentrum Hannovers an der belebten Georgsstraße nahe dem Opernhaus errichtet. Neben diesem Standbild gibt es im Stadtteil Hannover-List noch heute eine Stromeyer-Straße.
Am 6. April 1876 feierte er in Hannover in Anwesen- heit namhafter Vertreter der deutschen Chirurgen sein 50- jähriges Doktorjubiläum. An- lässlich dieser Feier wurde das wiedergegebene Festblatt verfasst (Abbildung 2), auf dem neben einem Porträt alle seine Lebensstationen aufge- führt sind. Nur zwei Monate
später, am 15. Juni 1876, starb er im Alter von 72 Jahren ge- nau wie sein Freund Johann Friedrich Dieffenbach „in- mitten ärztlichen Handelns“
(4). Georg Friedrich Louis Stromeyer wurde auf dem Stadtfriedhof Engesohde in Hannover beigesetzt.
Wissenschaftliches Werk
Stromeyer war auf litera- rischem Gebiet außerordent- lich fleißig. Seine Werke wa- ren von „sprachlicher Ele- ganz und Gewandtheit“ (10) sowie klar und präzise darge- stellt.
Sein größtes wissenschaft- liches Verdienst ist die Eta- blierung der subkutanen Myotomie und Tenotomie in der Chirurgie. Der erste Band seines Lebenswerkes „Hand- buch der Chirurgie“, den er seinem Freund Johann Fried-
rich Dieffenbach (1792 bis 1847) widmete, erschien 1850 während seiner Freiburger Tätigkeit; der zweite Band folgte im Jahre 1868 (6).
Mit seinem zweibändigen Werk „Maximen der Kriegs- heilkunst“ (1855/1866) (7), die einen „der wertvollsten Edelsteine der deutschen Chirurgie“ (2) darstellen, wur- de er zu einem der bedeu- tendsten Militärchirurgen. Als Nachtrag zu diesem Werk er- schien 1867 „Erfahrungen über Schusswunden“ (8). Zu sei- nen letzten großen Arbei- ten zählt seine Autobiografie in zwei Bänden „Erinnerun- gen eines deutschen Arztes“
(1875) (9).
Literatur bei den Verfassern Anschrift für die Verfasser Wibke Knöner
Dirk Schultheiss Koblenzer Straße 12 30173 Hannover A-1612 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 23, 9. Juni 2000
V A R I A GESCHICHTE DER MEDIZIN
Abbildung 2: Faltblatt „50-jähriges Doktorjubiläum Dr. Louis Stromeyer“
Foto: Historisches Museum Hannover
Theater wie vor 300 Jahren
Das Ekhof-Theater in Gotha ist nach eigenen Angaben das älteste noch existierende Barocktheater der Welt. Auf seinem Spielplan stehen Opern, Konzerte und Literatur aus dem 18. Jahrhundert. Bühneneffekte, beispielsweise Donner und Wind, werden am Ekhof-Theater heute noch per Hand erzeugt, wie schon vor 300 Jahren. Für den se- kundenschnellen Umbau der Kulissen sorgt die „Kulissen- verwandlungsmaschine“ aus dem 17. Jahrhundert. Auch sie wird mit Muskelkraft angetrieben.
Die Barockstücke des Theaters haben jedes Jahr im Sommer Saison, aufgeführt werden sie vor der Kulisse des barocken Schlosstheaters Gothas. Im Mittelpunkt des dies- jährigen „Ekhof-Festivals 2000“ stehen Jubiläen, beispiels- weise das 250. Todesjahr von Johann Sebastian Bach oder der 280. Geburtstag Conrad Ekhofs, der 1775 in Gota das erste ständige deutsche Hoftheater gründete. Die Spielzeit beginnt am 30. Juni mit dem Opernintermezzo „Il Maestro di Musica“ oder „Wer zuletzt lacht. . .“ von Pietro Auletta in einer Inszenierung der Tübinger Kammeroper: ein Drei- ecksspiel mit vielen Verwechslungen und Komplikationen um die junge Sängerin Lauretta. Das Festival endet am 27. August. Das detaillierte Programm ist über Telefon 0 36 21/40 66 66 erhältlich, zusätzliche Informationen gibt es im Internet unter www.gotha.de oder per E-mail:
info@gotha.de. Karten können reserviert werden bei der Gotha-Information, Blumenbachstraße 1-3, Telefon: 0 36 21/
22 21 38, Fax: 0 36 21/ 22 21 34. AE