(1862—1937) Von Enno Littmann-Tübingen
Am 4. Juli 1937 wurde Georg Jacob nach einem kurzen
Krankenlager, dem aber schon mancherlei Beschwerden des
Alters vorausgegangen waren, seinen Freunden und der
Wissenschaft durch den Tod entrissen. Mit ihm ist eine der
eigenartigsten, schaffensfreudigsten und vielseitigsten Per¬
sönlichkeiten unter den deutschen Orientalisten dahingeschie¬
den. Auf den verschiedensten Gebieten der Forschung über
Morgenland und Abendland ist er seine eigenen Wege ge¬
gangen; er leistete Pionierarbeit, gewann — oft durch müh¬
samste Einzelarbeit — neue Erkenntnisse, die er immer
wieder zu vervollkommnen und zu einer Gesamtschau zu
vereinigen suchte, und streute überallhin fruchtbarste An¬
regungen aus. Analyse und Synthese schlössen in ihm einen
harmonischen Bund, wie er einem Gelehrten, den seine Inter¬
essen so mannigfaltige Wege führen, nur selten beschieden ist.
Jacob wurde am 26. Mai 1862 in Königsberg geboren ; er
verlor seinen Vater schon früh und wuchs auf unter der sorg¬
samen Pflege durch seine Mutter und seine beiden älteren
Schwestern. Der hochbegabte Knabe mag durch die Liebe
der Mutter und der Schwestern etwas zu nachsichtig erzogen
worden sein, und dadurch würden sich manche Züge seiner
späteren Eigenwilligkeit erklären. Sein Studium begann er
als Theologe und Orientalist; aber er wandte sich der Theo¬
logie bald ab und widmete sich der Orientalistik, Germanistik
und Völkerkunde. Er studierte in Leipzig, Straßburg, Breslau
und Berlin ; in Erlangen genügte er seiner Militärpflicht, indem
er zugleich bei Spiegel persische Studien trieb. Von seinen
Lehrern haben Reuss und Nöldekb am meisten auf ihn ge-
E. Littmann, Georg Jacob f 487
wirkt; er wohnte in Straßburg als Student in dem oberen
Stockwerk eines Hauses am Sandplätzchen, in dessen unterem
Teil die Familie Nöldeke wohnte, und die kleine Tochter
Nöldeke's wunderte sich, daß einer der Studenten ihres
Vaters immer ohne Hut zu den Übungen in die Wohnung
kam. Aber auch durch Fleischer gewann Jacob eine gute
Schulung, wenngleich ihm dessen philosophische Art der
Sprachbetrachtung nicht zusagte; das Interesse für die Ver¬
bindung Arabisch-Persisch-Türkisch, die drei Hauptsprachen
des Islams, wird in ihm auch durch Fleischer geweckt sein.
Im Jahre 1887 promovierte er in Leipzig mit der Dissertation:
„Der nordisch-baltische Handel der Araber im Mittelalter",
nachdem er bereits 1886 seine Erstlingsschrift ,, Welche
Handelsartikel bezogen die Araber des Mittelalters aus den
nordisch-baltischen Ländern?" hatte erscheinen lassen. Der
Dissertation setzte er als Motto einen Vers aus Fischart
voran: ,, Arbeit vnd fleisz, das sind die flügel. So füren vber
Stram vnd hügel." Die Erstlingsschrift erschien schon 1891
in zweiter, verbesserter Auflage. Die Wahl und die Aus¬
führung seines Themas sowie das Motto sind charakteristisch
für den jungen Gelehrten. Seine Gabe, sprachliche Forschun¬
gen mit der Kulturgeschichte im weitesten Sinne des Wortes
zu verbinden, zeigte sich schon hier; ,, Arbeit und Fleiß"
waren sein Wahlspruch bis in die letzten Tage seines Erden¬
lebens, bis zu der letzten, schweren Erkrankung.
Nach seiner Promotion war er eine Zeitlang Hilfsarbeiter
an der Königl. Bibliothek in Berlin, wie es auch Nöldeke etwa
30 Jahre vor ihm gewesen ist. Im Jahre 1892 habilitierte er
sich in Greifswald unter Ahl wardt. Von dort aus unternahm er
seine erste Reise nach Konstantinopel, um das türkische
Volksleben kennenzulernen; durch seine Beobachtungen des
Schattenspiels während des Fastenmonats Ramadän legte er
den Grund zu weitreichenden späteren Forschungen, für die
seine „Geschichte des Schattentheaters im Morgen- und
Abendland" in der 2. Auflage 1925 ein glänzendes Zeugnis
ist. Die erste Auflage seines Buches über das altarabische
Beduinenleben erschien während seiner Greifswalder Zeit.
Im Jahre 1896 siedelte er als Privatdozent nach Halle über,
wo er zugleich als Bibliothekar der Deutschen Morgenländi¬
schen Gesellschaft tätig war. Von seiner Hallenser Zeit ab
lebte er mit Mutter und Schwestern wieder zusammen. Nach
Erlangen wurde er 1901 zunächst als außerordentlicher Pro¬
fessor berufen; die dortige Professur wurde für ihn später in
ein Ordinariat verwandelt. Hier konnte er nun seine großen
Gaben in Lehrtätigkeit, in wissenschaftlicher Produktion und
im menschlichen Verkehr entfalten. Um ihn scharte sich ein
Kreis von Gelehrten und Schülern, dessen Mittelpunkt or
bildete. Und so war es auch in Kiel, wohin er 1911 als Nach¬
folger von G. Hoffmann berufen wurde. Sowohl in Erlangen
wie in Kiel bemühte er sich eifrig um die Schaffung einer guten
Seminarbibliothek. Während des Weltkrieges hatte er in Kiel
aucb alttestamentliche Vorlesungen zu halten, und er tat
dies mit demselben Eifer, mit dem er alle an ihn herantreten¬
den Aufgaben erfüllte, solange ihn diese Aufgaben beschäf¬
tigten. In Kiel verlor er Mutter und Schwestern durch den
Tod, so daß er zuletzt einsam in seinem Heime war. Aber
seine Arbeit, der er sich auch nach der Emeritierung mit un¬
verminderter Begeisterung hingab, und der Verkehr mit
Freunden und Fachgenossen ließen ihn diese Einsamkeit
nicht empfinden. Es ist bewundernswert, wie er sich in dieser
Zeit noch in das Sanskrit und in das Chinesische einarbeitete,
um eine tiefere Einsicht in das indische und das chinesische
Schattenspiel zu gewinnen. In seinen beiden letzten Lebens¬
jahren beschäftigte er sich aber mit einem ganz anderen
Studium: mit Shakespeare, und zwar besonders mit Shake¬
speares Verhältnis zur Natur. Für seine Realienstudien auf
orientalistischem Gebiet hatte er schon früher gründlich
Botanik und Zoologie getrieben; in Greifswald hörte er
botanische Vorlesungen und machte Exkursionen mit. Well¬
hausen meinte einmal, es müsse ein botanischer und zoolo¬
gischer Garten des Orients in Deutschland geschaffen und
Jacob zu dessen Direktor ernannt werden. Andererseits
hatte Jacob, wie sich in vielen kleineren Veröffentlichungen
und in seinem praktischen Interesse für Theatermuseen und
E. Littmann, Georg Jacob f 489
Theaterdarstellungen zeigte, ein feines Verständnis für die
Schauspielkunst. So konnte er denn manches Neue zum Ver¬
ständnis des großen englischen Dramatikers beitragen. Seine
letzte kurze Veröffentlichung vom Mai 1937 beschäftigte sich
auch mit diesem. Zu seinem 70. Geburtstage wurde Jacob
eine umfangreiche Festschrift gewidmet, die ein Abbild der
von ihm ausgehenden wissenschaftlichen Anregungen dar¬
stellt. Zu seinem 75. Geburtstage erhielt er eine sehr große
Anzahl von Glückwünschen seiner Schüler, Kollegen und
Freunde. Niemand ahnte, daß er nach wenigen Wochen nicht
mehr unter uns weilen sollte.
In der „Festschrift Georg Jacob zum siebzigsten Geburts¬
tag 26. Mai 1932 gewidmet von Freunden und Schülern"
steht als erster Beitrag ein Aufsatz von C. H. Becker mit
der Überschrift „Georg Jacob als Orientalist". Dort wird
die wissenschaftliche Persönlichkeit des Gefeierten in klarer
und feiner Weise geschildert; seine Hauptwerke werden
treffend charakterisiert. Es ist aber auch wohl hier am Platze,
eine kurze Übersicht über das so außerordentlich vielseitige
Schaffen Jacob's zu geben. Freilich ist es schwer, die ein¬
zelnen Gruppen der Werke, Aufsätze, kurzen Mitteilungen zu
scheiden, da sie so oft ineinander übergreifen; Jacob war
eben eine vielfach gegensätzliche und doch einheitlich ge¬
schlossene Persönlichkeit: er war Gelehrter und Künstler,
Romantiker und Kritiker, Dichter und Nachdichter, leiden¬
schaftlicher Gegner und milder Freund.
Mit Werken aus dem Gebiete des Arabischen begann
seine wissenschaftliche Tätigkeit. In seiner Doktordissertation
stellt er an die Spitze seiner Untersuchungen einen Ausspruch
von A.Müller: ,,Wir sind heutzutage im Vollbewußtsein
unserer modernen zivilisatorischen Überlegenheit über den
im Verfall begriffenen Orient wenig geneigt, uns davon eine
richtige Vorstellung zu machen, daß in der ersten Hälfte des
Mittelalters das Verhältnis zwischen Ost und West ungefähr
das Umgekehrte war." Das Problem des Einflusses des Morgen¬
landes auf das Abendland beschäftigte ihn sein ganzes Leben
hindurch; dabei erstreckten sich seine Untersuchungen bis
nach China und Hinterindien einerseits und bis nach Island
andererseits. Zunächst blieb er bei den Arabern. Die Arbeiten
über die Handelsartikel der Araber (1886) und den nordisch¬
baltischen Handel der Araber (1887) wurden schon oben ge¬
nannt. Daran schlössen sich in rascher Folge seine „Studien
in arabischen Geographen" und „Studien in arabischen
Dichtern". Zu seinen geographisch-historischen Arbeiten ge¬
hört auch seine Schrift „Ein arabischer Berichterstatter aus
dem 10. Jahrhundert über Fulda, Schleswig, Soest, Pader¬
born und andere Städte des Abendlandes", die 1896 in dritter
Auflage erschien und 1927 durch das Heft ,, Arabische Be¬
richte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe aus dem
9. und 10. Jahrhundert" ergänzt und gewissermaßen zum
Abschluß gebracht wurde. Von den Dichterstudien beziehen
sich die ersten beiden Hefte auf die Mu'allaqät, die berühm¬
testen Heldenlieder der alten Araber. Hier war Jacob dem
Manne, dessen Ausgabe er kritisierte (Dr. L. Abel), an sprach¬
lichem, sachlichem und dichterischem Verständnis durchaus
überlegen. Als drittes Heft erschien „Das Leben der vorislämi-
schen Beduinen nach den Quellen geschildert" (1895), das aber
schon 1897 als eigenes Buch herausgegeben wurde : „Altarabi¬
sches Beduinenleben nach den Quellen geschildert. Zweite um
mehrere Kapitel und Zusätze vermehrte Ausgabe." Er sagt in
der Vorrede: „Nicht eine neue Auflage, sondern eine zweite
Ausgabe stellt der vorliegende Band dar; nur S. I —38, 163
bis Schluß sind neugedruckt; im übrigen ist der alte Be¬
stand verwertet." Diese Arbeitsweise war charakteristisch für
Jacob; in vielen Fällen hat er seinen Erstausgaben Zusätze,
Berichtigungen oder neue Ausgaben folgen lassen, da er
unablässig an den Problemen, die er sich gestellt hatte,
weiter arbeitete. Noch in seiner späteren Kieler Zeit hatte
er den Plan, eine dritte Auflage seines Beduinenlebens zu
bearbeiten; es ist schade, daß er nicht mehr dazu kam, aber
auch in der zweiten Ausgabe ist es noch immer ein unent¬
behrliches Hilfsmittel für das sachliche Verständnis der alt¬
arabischen Dichtung. Da Jacob sich seit etwa 1896 in seinen
Veröffentlichungen immer mehr dem Türkischen zuwandte,
E. Littmann, Georg Jacob f 491
trat das Arabische hinter diesem zurück. Als viertes Heft der
Dichterstudien gab er 1897 die 25 Seiten umfassenden „Alt¬
arabischen Parallelen zum Alten Testament" heraus. Seine
Kenntnis der arabischen Poesie machte er dann weiter nutz¬
bar durch seine Schrift „Das Hohelied auf Grund arabischer
und anderer Parallelen untersucht" (1902). In einem kleinen
Heftchen von 8 Seiten, „Zum arabischen Unterricht" (1905),
machte er praktische Vorschläge für die Vereinfachung
einiger Regeln der arabischen Grammatik. Vom türkischen
Schattenspiel kam er zur arabischen Schattenspieldichtung.
Er hatte entdeckt, daß ein ägyptischer Arzt Mohammed ibn
Dänijäl, der 1311 n. Chr. starb, drei Stücke für die Schatten¬
bühne verfaßt hat, die bisher die einzigen Reste der dramati¬
schen Poesie des islamischen Mittelalters darstellen. Es stellte
sich heraus, daß von diesen Stücken drei Handschriften vor¬
handen sind, im Escorial, in Konstantinopel und in Kairo.
Jacob verschaffte sich Photographien und Abschriften dieser
Manuskripte und verwandte viel Mühe auf die Lesung und
Erklärung dieser schwierigen Texte. Mit welchen Schwierig¬
keiten er hier zu kämpfen hatte, erfuhren auch seine Schüler
in Erlangen, mit denen er einzelne Abschnitte aus den Hand¬
schriften durchnahm. Von Zeit zu Zeit kehrte er immer
wieder zu diesen einzigartigen Literaturdenkmälern zurück,
und jedesmal drang er tiefer in das Verständnis ein. Er plante
eine Gesamtausgabe und Übersetzung, die leider nicht zu¬
standegekommen ist. Die drei Hefte „Stücke aus Ibn Dä-
nijäls Taif al-hajäl" und der Akademiebericht „Ein ägyp¬
tischer Jahrmarkt im 13. Jahrhundert" (München 1910) ge¬
währen einen lehrreichen Blick in diese Schauspiele und in
die Werkstatt ihres Bearbeiters. In Kiel kehrte er noch einmal
zur altarabischen Poesie zurück, und zwar zu einem der
berühmtesten Lieder der Beduinenzeit, als dessen Verfasser
asch-Schanfarä gilt. Schon Jacob's Straßburger Lehrer
Rkuss hatte eine feinsinnige Übersetzung dieses Liedes ver¬
öffentlicht, und der Gedanke hieran mag ihn veranlaßt haben,
sich nun eingehend damit zu beschäftigen. In seiner Schrift
„Das Wüstenlied Schanfaräs des Verbannten" (1913) druckte
3
er die Übertragung von Reuss neben der von Rückert und
seiner eigenen ab; von der letzteren hatte er bereits Auszüge
in drei kurz aufeinanderfolgenden Drucken veröfientlicht.
Der mehr literarischen Abhandlung und metrischen Über¬
setzung folgten zwei philologische Untersuchungen, wie sie
gründlicher nicht hätten sein können: Schanfarä-Studien,
1. Teil, Der Wortschatz der Lämija nebst Übersetzung und
beigefügtem Text (1914), und 2. Teil, Parallelen und Kom¬
mentar zur Lämija, Schanfarä-Bibliographie (1915).
Auf dem Gebiete des Türkischen liegen vielleicht die
Hauptverdienste Jacob's um die Wissenschaft. Er war der
eigentliche Begründer der Türkologie in Deutschland; wäh¬
rend die meisten deutschen Orientalisten, die sich mit dem
Türkischen beschäftigten, dies nur nebenher taten, mit Aus¬
nahme von Nöldeke, der in den sechziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts eine Zeitlang ausschließlich Türkisch trieb und
daran dachte, Turkologe zu werden, machte Jacob das Stu¬
dium des Türkischen zum Selbstzweck. Er begründete die
„Türkische Bibliothek", von der bisher 26 Bände erschienen
sind, und veröffentlichte eine große Anzahl von größeren und
kleineren Schriften, Aufsätzen und Mitteilungen zur türki¬
schen Volkssprache, Volksliteratur, Volksrcligion und Volks¬
kunde. Das waren größere und kleinere Ausgaben und Über¬
setzungen von Texten, Untersuchungen über literarische,
kulturgeschichtliche, religionsgeschichtliche Fragen, mehrfach
auch kürzere oder längere zusammenfassende Darstellungen.
Dazu kamen die Ausgaben der Diwane zweier Sultane, das
„Türkische Hilfsbuch" und die Bearbeitung türkischer Ur¬
kunden. Nachdem er in seiner Schrift über den Ramadän
zum ersten Male das türkische Schattentheater ausführlich
besprochen hatte, gab er zunächst drei Hefte von „Karagöz-
Komödien" heraus, teils türkische Texte mit Anmerkungen
und Einleitungen, teils Inhaltsbesprechungen. Dann folgten
eine Darstellung des türkischen Schattentheaters als Heft 1
einer „Türkischen Litteraturgeschichte in Einzeldarstel¬
lungen" (1900), und ein erweiterter Vortrag ,, Türkische
Volkslitteratur" (1901). Einen kurzen Überblick über „Die
E. LiTT>fANN, Georg Jacob t 493
Literatur der osmanischen Türken" gab er 1918 in der Gie¬
ßener Hochschulgesellschaft. Die „Türkische Bibliothek"
wurde 1904 eröffnet mit einem Bande vom Herausgeber:
„Vorträge türkischer Meddäh's (mimischer Erzählungskünst¬
ler)"; schon 1906 kam als S.Band wieder eine Arbeit von
ihm „Xoros Kardasch (Bruder Hahn). Ein orientalisches
Märchen- und Novellenbuch aus dem Türkischen zum ersten¬
mal ins Deutsche übertragen." Er schuf auch Hilfsmittel zur
Einführung in das Studium des Türkischen. Im Jahre 1903
stellte er ein „Türkisches Lesebuch zunächst für Vorlesungs¬
zwecke" zusammen; es enthält in Umschrift Märchen und
Schwänke, Proben aus der hohen Dichtkunst und aus der
Volkspoesie, Dialektproben und Teile aus den Vorträgen
eines öffentlichen Erzählers — eine charakteristische Aus¬
wahl. Aus diesem „Lesebuch" entstand später sein „Türki¬
sches Hilfsbuch", das in mehrere Teile zerlegt wurde, von denen
der I. Teil in dritter Auflage, der II. Teil in zweiter Auflage
1916 erschien; es enthält auch einen bibliographischen Weg¬
weiser, der aber keine bloße Aufzählung von Büchertiteln ist,
sondern vielfach eine kritische Würdigung des Inhaltes der
Bücher gibt. Die Stoffe wurden immer reichhaltiger; auch
Stücke in türkischer Schrift kamen hinzu. Ein eigenartiges
Erzeugnis von Jacob's didaktischem Schrifttum ist sein
„Deutsch-Türkisches Aushilfs-Vokabular für Marine und
Krankenschwestern" (1916); es sollte den deutschen See¬
soldaten und Krankenschwestern, die während des Welt¬
krieges in der mit Deutschland verbündeten Türkei Dienste
leisteten, innerhalb ihres Dienstbereiches die Verständigung
mit den Türken erleichtern. So war es wohl ein ad hoc ge¬
schaffenes Büchlein; aber es unterschied sich doch von einem
großen Teile der damals in Deutschland hochmodernen
Türkenliteratur durch seine wissenschaftliche Gründlichkeit.
Um jene Zeit begann Jacob in seinem unermüdlichen, leb¬
haften Forscherdrang das Studium der türkischen Urkunden.
Hier hat er zusammen mit seinen Kieler Schülern, denen sich
aber auch frühere Schüler von ihm anschlössen, wichtige
Werte geschaffen. Er selbst erklärte diese Urkunden in meh-
reren Einzeluntersuchungen; mit seinen Schülern gab er
sieben Hefte „Deutsche Übersetzungen türkischer Urkunden"
heraus (1919—1922). An die „Urkunden aus Ungarns Türken¬
zeit" (1916) schloß sich sein Vortrag „Aus Ungarns Türken¬
zeit" (1917), der auch ins Türkische übersetzt wurde LS^y
^t-yk .X-- 1918).
Aus der hohen türkischen Poesie veröffentlichte er die
Diwane Sultan Solimans des Großen (in Auswahl, 1903) und
Sultan Mehmeds des Zweiten (1904) mit sachlichen und
grammatischen Einleitungen und Erläuterungen sowie voll¬
ständigem Glossar. Das Verhältnis dieser Dichtkunst zu
ihrem Vorbilde, der persischen, setzte er dabei in meister¬
hafter Weise auseinander.
Das Wesen der türkischen Volksreligion und des Derwisch¬
tums wurde von ihm ganz neu beleuchtet durch seine Schriften
über den Bektaschi-Orden. Die „Beiträge zur Kenntnis des
Derwisch-Ordens der Bektaschis" (1908) bildeten Band 9 der
Türkischen Bibliothek; sein Werk „Die Bektaschijje in ihrem
Verhältnis zu verwandten Erscheinungen" erschien 1909 in
den Abhandlungen der Kgl. Bayer. Akademie der Wissen¬
schaften. Auch hier hat er, wie schon so oft, Neuland urbar
gemacht. In meiner Besprechung der zweiten Schrift (DLZ
1910, Nr. 3) wies ich darauf hin, wie Jacob die bektaschiti-
schen Lehren in ihrem Zusammenhange mit den verwandten
Erscheinungen in das Licht einer wirklich historischen Be¬
trachtung setzte, wie er überraschende Beziehungen zwischen
altem und modernem Orient, zwischen Heidentum, Christen¬
tum, Judentum und Islam erkannte, die von der größten
religionsgeschichtlichen Bedeutung sind. Das Urteil von
Religionshistorikern wie C. H. Becker und H. H. Schaeder
über diese Werke ist in sehr schöner Weise auf S. 6 der „Fest¬
schrift Georg Jacob" zimi Ausdruck gekommen.
Die Bedeutung des Persischen für die islamische Kultur
war auch früher schon öfters erkannt und betont worden.
Aber gerade Jacob war es, der das Zusammengehören der
organischen Einheit Arabisch-Persisch-Türkisch über alle
Sprachgrenzen hinaus immer wieder hervorhob und zur Gel-
E. Littmahn, Georg Jacob f 495
tung brachte zu einer Zeit, in der die ,, semitische Philologie"
das Übergewicht in der Kunde des Nahen Ostens hatte; so
ist er mit Goldziher und Snouck Hurgronje der Begründer
der modernen Islamkunde geworden, obwohl er sich mit der
offiziellen theologischen Literatur nicht gern abgab. Dagegen
beschäftigte er sich gern mit der islamischen Mystik in ihrer
persischen und osmanischen Gestalt; die letztere hat er als
einer der ersten erschlossen und kongenial nachgebildet. In der
neupersischen Literatur interessierte ihn besonders die Dicht¬
kunst. Aus ihr schenkte er uns Deutschen formvollendete
Nachbildungen: „Unio mystica. Sehnsucht und Erfüllung.
Hafisische Lieder in Nachbildungen" (1922) und „Auszüge
aus Iskenders Warägerfeldzug aus Nizämi's Iskendernäme
metrisch übertragen" (1933 in Maschinenschrift, 1934 in neuer
Fassung gedruckt). Ein Stück persischer Prosaliteratur über¬
setzte und erklärte er in seinem Artikel „Aus Näsireddin
Schäh's Keibelä-Reise S. 13911. (Der Islam, 1915). Eine der
wenigen Buchbesprechungen, die er schrieb, wer die von
„Salemann und Shukowski, Persische Grammatik" (1891).
Mit islamischer Kunst beschäftigte er sich in'einem kleinen
Heft „Die Herkunft der Silhouettenkunst {ojmadschylyk) aus
Persien" und in seinem Aufsatze über das Heiligtum des
Sejjid Gazi in Kleinasien. Hierbei sei auch darauf hingewiesen,
daß er als erster die archäologische und volkskundliche Be¬
deutung von Evlijas türkischem Reisewerk erkannte. Alle,
die ihm näher standen, wußten, ein wie genauer Kenner
persischer Teppiche er war; über die Teppichknüpf kunst,
deren Heimat bei den Türken zu suchen ist, die sich
aber in Persien zur höchsten Blüte entfaltete, über das
Material, die Farben, die Technik und die Muster hat er
jedoch nur in kurzen Mitteilungen geschrieben. In einer
solchen sagt er: „Die gewaltig überschätzten Araber haben
sich auch auf diesem Gebiet an der Kunstbetätigung der
Türken und Perser höchstens mit ganz minderwertigen Ver¬
suchen beteiligt." Waren die Araber früher überschätzt
worden, so hat Jacob sie vielleicht etwas unterschätzt; aber
er hat doch sehr zu der Erkenntnis beigetragen, daß ein
3 :! •
großer Teil der islamischen Literatur und Kultur auf andere
Völker als die Araber zurückgeht und daß die islamische
Literatur in arabischer Sprache vielfach von Leuten verfaßt
wurde, die ihrer Herkunft nach keine Araber waren.
Bis hierher heßen sich die Werke Jacob's einigermaßen
nach Gruppen ordnen. Aber wie er die Grenzen einseitiger
Schulbetrachtung in der Wissenschaft vom vorderen Orient
sprengte, so wanderte er im Geiste noch weiter nach dem
Fernen Osten, dessen Bedeutung für die Kultur der Mensch¬
heit er frühzeitig würdigte, und überall, wohin ihn sein
Forscherdrang führte, suchte er, was Menschengeist und
Menschenhand geschaffen hatte. Probleme und Ideen ström¬
ten ihm in ungewöhnlicher Vielheit und Buntheit zu. So schrieb
er über den Namen der Spielkarte, über den Ursprung des
Spitzbogens, über die Vorgeschichte der Null, über Quellenbei¬
träge zur Geschichte islamischer Bauwerke, über Säulen vom
Theater in Athen als Spolien im Vorhof der Selimje zu Adria¬
nopel, über die Schattenspielfiguren des Kieler Theater¬
museums u. a. m. Besondere Aufmerksamkeit wandte er in
den letzten Kieler Jahren dem chinesischen Schattenspiel zu,
dessen Stoffe und Figuren er verschiedene Male im einzelnen
untersuchte, zu dem er aber aucb eine kurze allgemeine Ein¬
führung verfaßte. Alle Einzelheiten genau aufzuführen ist
Aufgabe einer Bibliographie der Schriften Georg Jacob's,
wie sie Th. Menzel für die Zeit bis 1932 in seinem ,, Versuch
einer Jacob-Bibhographie" (Festschrift Georg Jacob, S. 369
bis 381) geliefert hat. Unter seinen Schriften allgemeineren In¬
halts ragen vor allem hervor die Bücher „Märchen und Traum,
mit besonderer Berücksichtigung des Orients" (1923), ,,Der
Einfluß des Morgenlandes auf das Abendland vornehmlich
während des Mittelalters" (1924) und die 2. völlig umgear¬
beitete „Geschichte des Schattentheaters im Morgen- und
Abendland" (1925). Im Vorworte zu „Märchen und Traum"
sagt er: „Der Traum ist ja unbewußte Dichtung. Der Träumer
schafft ein Drama, in dem Personen auftreten, denen er ihre
Rollen vorschreibt. Das Märchen beginnt seinen Werdegang
bei Übertragung des Traumerlebnisses in den wachen Zu-
E. Littmann, Georg Jacob f 497
stand." Und so sucht er durch den Vergleich von Traum und
Märchen „dem wissenschaftbchen Verständnis des Werdens
der Poesie überhaupt" näher zu kommen. Über „Östliche
Kulturelemente im Abendland" hatte Jacob schon 1902
einen Vortrag gehalten; dieser Vortrag wurde ins Englische
übersetzt (Smithsonian Report, Washington 1903). Sein
Buch über das gleiche Thema ist gegenüber dem Vortrag
außerordentlich erweitert und enthält eine fast unübersehbare
Fülle von Material. Am Schlüsse sagt der Verf.: ,,Für den
modernen Menschen und für den Germanen insbesondere,
umfaßt der Idealbegriff ,Mensch' die mannigfache Entwick¬
lung sämtlicher Völker und ihrer Entwicklungsmöglich-
keiten. Und auf dieses Ziel weist uns auch das Wort ,Uni-
versität'." Die „Geschichte des Schattentheaters" führt von
Ostasien und Indonesien über Indien, Persien, die Araber und
die Türken zum Abendlande ; und bier werden vor uns lebendig
das italienische Schattentheater, die Schattenbühne als
deutsche Volksbelustigung, das deutsche Schattenspiel bei
den Romantikern und der schwäbischen Dichterschule, die
französische Schattenbühne und die Schwabinger Schatten¬
bühne, an der Jacob selber während seiner Erlanger Zeit
tätigen Anteil nahm. Die „Schlußbetracbtung" gewährt in
großen Zügen einen meisterhaften Überblick über die ganze
Entwicklung. Dies Buch, aus kleinen Anfängen geschaffen
und zu einem standard work geworden, eine ureigenste Schöp¬
fung Jacob's, ist, neben all dem andern, ein Abbild seiner
unermüdlichen Forschertätigkeit, seiner Treue im einzelnen
und seiner Universalität in der Gesamtanschauung.
Im Jahre 1930 begründete er mit Kahle zusammen eine
Serie „Das orientalische Schattentheater", von der bisher
drei Bände erschienen sind. An dem 2. Bande „Das indische
Schattentheater" (1931) und am 3. „Das chinesische Schatten¬
theater" (1933) hat er selbst eifrig mitgearbeitet, und zum
1. Bande „Der Leuchtturm von Alexandrien" hat er Beiträge
geliefert.
Wie rastlos er nach seiner Emeritierung weiter arbeitete
und wie er dabei einerseits zu früheren Problemen zurück-
kehrte, um sie immer noch weiter zu fördern, andererseits
aber auch sich in neue Probleme vertiefte, ersieht man aus
der Fülle von kleinen Schriften, die er in den Jahren 1930 bis
1937 mit Maschinenschrift schreiben ließ und an seine Freunde
versandte. Es konnten natürlich jedesmal nur wenige Durch¬
schläge gemacht werden, und so war es nicht möglich, einem
jeden alle Exemplare zu senden. Eine ziemlich vollständige
Sammlung jedoch liegt vor mir; im folgenden gebe ich die
Titel der nach 1932 erschienenen Schriften dieser Art; bis
1932 sind sie in der genannten Bibliographie von Th. Mknztkl
enthalten. Bibliothekarisches (Oktober 1932); Der Name Jacob
(Dezember 1932); Auszüge aus Iskenders Warägerfeldzug
(März 1933; die spätere Fassung erschien gedruckt als „Isken¬
ders Warägerfeldzug, ein iranischer Heldensang des Mittel¬
alters", Glückstadt 1934); Offenbacher Studien (Juni 1933);
Chinesische Schattenspiel-Studien in Offenbach und Hamburg
(Oktober 1933); Zur Geschichte des Bindungsreims (Dezember
1933) ; Reimstudien (März 1934); Das Rubä'i-Schnadabüpfl
in der Weltliteratur (Mai 1934); Nachtrags-Bibliographie
zum Schattentheater im Morgenland (Mai 1934); Reim¬
studien, Materialien und Gedanken zu einer ersten Ge¬
schichte des Reims auf vergleichender Grundlage (Juni
1934) ; Neue Mitteilungen aus Ibn Dänijäl (Oktober 1934, mit
mehreren Nachträgen); 12 Anregungen aus Beantwortungen
von Briefen, die mich um Vorschläge von Themen zu Ar¬
beiten, meist aus dem Gebiete der Literaturgeschichte, er¬
suchten (Oktober 1934; solche Vorschläge hatte Jacob schon
1897 auf S. IV seines Altarab. Beduinenlebens gemacht);
Vorläufige Zusammenstellungen eingehender Besprechungen
und Voranzeigen der Tournee der San mej hua pan im März
1935 (April 1935; in verschiedenen Städten Deutschlands und
auch in der Schweiz ließ Jacob chinesische Schattenspiele
aufführen, wobei er einen lichtvollen Vortrag zur Einführung
hielt); Das Drama von der Gezüchtigten Prinzessin (Juni
1935; ein gedruckter Aufsatz, der dies Thema ausführlicher
behandelte, erschien in der ZDMG, N. F. Bd. 14: Das Drama
„Eine Kaisertochter wird geschlagen" im Vergleich zu dem
E. Littmann, Georg Jacob f 499
denselben Stoff behandelnden Schattenspiel); Kleine Mit¬
teilungen aus der Philipp-Festschrift. I. Bab el-mandeb,
nicht Tor der Tränen, sondern des Schakalgeheuls; II. Zur
Bildung deutscher Famihennamen ; III. Der Heerführer am
Ende des Festlands (November 1935. Diese Mitteilungen er¬
schienen gedruckt in der „Karl-Philipp-Festschrift", Weimar
1936); Gerhart Hauptmanns Roman „Im Wirbel der Be¬
rufung" (1936); Shakespeares Verhältnis zur Natur (No¬
vember 1936). Mit der letzten Studie in engem Zusammen¬
hange steht der Vortrag ,, Shakespeares Naturverbundenheit
im Vergleich mit Schillers und Goethes Verhältnis zur Natur"
(1937); dieser Vortrag konnte zu seiner Freude gedruckt
werden im Verlag von J. J. Augustin und ist somit der All¬
gemeinheit zugänglich. Zu ihm schrieb Jacob noch im Mai
1937 einen „Nachtrag zu dem Vortrag , Shakespeares Natur¬
verbundenheit'", der wieder durch Maschinenschrift in we¬
nigen Exemplaren vervielfältigt wurde.
In dem Teile von Jacob's wissenschaftlichem Nachlaß,
den er P. Kahle vermacht hat und der jetzt in Bonn ist,
befindet sich auch eine „Bibliographie meiner Veröffent¬
lichungen 1932—1935". Kahle sandte mir diese Bibliographie
während des Druckes meines Nachrufes freundlicherweise zu.
Sie weicht in einigen Einzelheiten von meiner Zusammen¬
stellung ab; doch sie ändert das Gesamtbild nicht. In ihr
sagt Jacob: ,,Von jeder nicht im Buchhandel erschienenen
Arbeit habe ich meist ein bis zwei Exemplare bald dieser,
bald jener öffentlichen Bibhothek gestiftet."
Das Schaffen eines so reichen Geistes erfüllt uns mit Be¬
wunderung. C. H. Becker führt in seiner Charakterisierung
aus, wie Universalität und Lebensnähe das Lebenswerk
Jacob's kennzeichnen, wie Jacob aber auch eben durch seine
Forderung der Universalität einseitig gegen das Griechen- und
Römertum wurde, und wie er andererseits seine Welt volks¬
kundlicher Wirklichkeit aus dem Text, nicht aus der Beobach¬
tung erbaute. Jacob war kein eigentlicher Forschungsreisender ;
wohl war er nach seiner ersten Reise noch ein paarmal in
der Türkei, und auf diesen Reisen machte er einige wichtige
ZeltschrUt d. DMG Bd. 91 (Neue Folge Bd. 16) 34
Beobachtungen. Aber er wußte seine staunenswerte Belesen¬
heit in vorbildlicher Weise in die Wirklichkeit umzusetzen.
Botanische Exkursionen hat er mitgemacht; aber als er und
ich den Spalthuf des Kamels im Hamburger Zoologischen
Garten beobachten wollten (1916), erschrak er beim Auf¬
stehen des etwas bösartigen Tieres so sehr, daß er die auf¬
gehobene Sohle nicht sah; dennoch hat er den Kamelfuß
richtig beschrieben. Als Romantiker hatte er ein lebhaftes
Interesse für das Mittelalter, zumal für das morgenländische
und abendländische Rittertum und für die ritterliche Kunst
der Falkenjagd. Da sich in Jacob viele Gegensätze ver¬
einten, so konnten sich in ibm auch Lebensnähe mit Welt¬
fremdheit vertragen. Zur selben Zeit, in der er das prak¬
tische Aushilfsvokabular für die Deutschen in der Türkei
während des Weltkrieges schrieb, hielt er Vorlesungen über
Altes Testament und war ganz von theoretischer Wissenschaft
erfüllt; aber auch diese Theorie war bei ihm mehr als reine
Linguistik. Die reine Linguistik konnte er überhaupt nicht
leiden und gegen ihre Vertreter war er manchmal ungerecht.
Seine Leidenschaft ging zuweilen mit ihm durch; und das
hat er später auch hie und da eingesehen. Wkllhauskn sagt
von Ewald in der Festschrift zur Feier des 150jährigen Be¬
stehens der K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, S. 81: „Wenn er
nicht liebenswürdig und nicht leicht zu behandeln war, weil
er Person und Sache gar zu leicht identifizierte, so war er
doch ein Mann aus Einem Guß und von ungewöhnlicher Art ...
Seine Schüler verdanken ihm mehr, als sie begreiflich machen
können." Jacob konnte bei aller Schärfe auch rührend
feinfühlig sein; er war auch nicht immer leicht zu be¬
handeln. Aber er war wie Ewald ein Mann aus Einem Guß
und von ungewöhnlicher Art. Ibm gilt mein dauernder, un¬
auslöschlicher Dank für alles das, was er mir seit 1894 als.
Lehrer und Freund gewesen ist.
Bücherbesprechungen
David Diringer, L'Alfabeto nella Storia della Civiltä. Firenze:
S. A. G. Barbera Editore 1937. Gr.-8°. LXVII + 800 S.
mit 327 Abb. 150.— Lire.
Nocb sind erst knapp zwei Jahre vergangen, seit Hans
Jensen die Neubearbeitung seiner ,,Geschichie der Schrift"
unter dem Titel „Die Schrift in Vergangenheit und Gegen¬
wart" (Glücksladt und Hamburg [1935]) veröffentlichte, da
beschert uns Diringer diese neue Darstellung des Gegen¬
standes m italienischer Sprache. Aber wie schon die ver¬
schiedene Betitelung zeigt, ist die Problemstellung bei beiden
Verfassern durchaus verschieden, und so haben auch beide
Bücher nebeneinander Daseinsberechtigung.
Jensen will die Schrift als solche in ihren nach Raum und
Zeit wechselnden Gestalten zeigen. Daher ist seine Darstel¬
lung nur zum Teil historisch-genetisch, teilweise reiht sie
vielmehr die Tatsachen rein äußerlich nach geographischen
Gesichtspunkten oder gar ohne erkennbaren Zusammenhang
aneinander. So wird die entwicklungsgeschichtlich doch recht
primitive Nsibidi-Schrift mit den viel entwickelteren Schriften
der Bamum und Vai zusammengekoppelt, die Indusschrift
vor den alphabetischen Schriften Indiens lose angereiht, und
die Schrift der Osterinsel wird überhaupt nicht in einem
eigenen Kapitel, sondern bei der Indusschrift mit behandelt,
nur weil man neuerdings Ähnlichkeiten in der Zeichengestalt
beider Schriften festgestellt hat.
Dagegen legt Diringer das Hauptgewicht auf „das
Alphabet", d. h. unsere europäischen Alphabete und deren
Vorstufe, die semitische Buchstabenschrift, und stellt diese
Schrift in die allgemeine Kulturgeschichte hinein. So stehen
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