• Keine Ergebnisse gefunden

AEPInformationen FRAUEN, SEHT HER, SO SÜSS SCHMECKT DER FREIE MARKT

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "AEPInformationen FRAUEN, SEHT HER, SO SÜSS SCHMECKT DER FREIE MARKT"

Copied!
48
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft e.V. 32. Jahrgang, Nr. 2/2005, Preis  3,75 Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft e.V. 32. Jahrgang, Nr. 2/2005, Preis  3,75

Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft AEP Informationen

Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft

FRAUEN, SEHT HER,

SO SÜSS SCHMECKT DER

FREIE MARKT

FRAUEN, SEHT HER,

SO SÜSS SCHMECKT DER

FREIE MARKT

(2)

AEP Informationen

2 Heft 2/05 3

IMPRESSUM

Herausgeber und Verleger: Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft, Müllerstraße 26, 6020 Innsbruck Für den Inhalt verantwortlich: die Redaktion – Grafik: büro54 – Druck: dps Arnold

Die in den namentlich gekennzeichneten Artikeln vertretenen Meinungen müssen nicht identisch sein mit denen der Redaktion.

Redaktionsschluss für diese Ausgabe war der 30.4.2005. Das nächste Heft erscheint Anfang September 2005, Redaktionsschluss 31. Juli 2005.

Redaktion: Elisabeth Grabner-Niel, Monika Jarosch, Katerina Haller, Christine Klapeer, Brigitte Messner, Karin Oberaigner, Alexandra Weiss Fotos: Katerina Haller, Karin Oberaigner

Offenlegung nach dem Mediengesetz:

Medieninhaber und Verleger: AEP (s. Impressum). Die AEP-Informationen sind eine feministische Zeitschrift, die zur Auseinandersetzung mit der pa- triarchalen Mitwelt und zum Widerspruch anregen wollen. Sie möchten dazu beitragen, die widerständigen Kämpfe von Frauen zu dokumentieren und die vielfältigen Existenzweisen von Frauen sowie die Freiräume, die sich Frauen immer schaffen und geschaffen haben, sichtbar zu machen. Unser Anspruch ist es, Hierarchien in den Geschlechterverhältnissen aufzudecken sowie der Marginalisierung und Diskriminierung von Frauen und den ge- walttätigen Strukturen in Ökonomie, Politik und Gesellschaft entgegenzuwirken. Damit wenden sich die AEP-Informationen gegen alle Gewalt- und Herrschaftsverhältnisse, die weibliche Lebensmöglichkeiten einschränken und streben eine umfassende Veränderung des von Herrschaft gekenn- zeichneten Geschlechterverhältnisses an.

ZU DEN FOTOSERIEN:

„von früh bis spät“ – die Fotoserien stehen repräsentativ für den Einzug der Weltkonzerne in unseren Alltag. „Seht her, so süß schmeckt der freie Markt“ – die Banane als politisches Symbol für die freie Marktwirtschaft und der Vereinigung Deutschlands.

Katerina Haller

(3)

AEP Informationen

2 Heft 2/05 3

Stefanie Kron Konzeptuelle Blindstellen − Schwierigkeiten feministischer Globalisierungskritik

Elisabeth Klatzer Globalisierung aus feministischer Sicht, Neoliberale Globalisierung und Geschlechterverhältnisse Manuela Dobeiner/Angelika Hofmann Welchen Platz haben Frauen in der verfassten EU?

Karin Lukas/Bettina Urbanek Wieviel Feminismus braucht Attac? Über den Versuch, Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit in einem gemischtgeschlechtlichen Netzwerk umzusetzen

Judit Wlaschitz „Alltagsbetroffenheit“

Bettina Haidinger Migrantinnen in der Haushaltsarbeit. Über ein informelles und hierarchisiertes Arbeitsverhältnis zwischen Frauen Eva Häfele Feministische Lehre an der Universität Innsbruck. frauenbewegten Aufbrüchen und neoliberalen Abbrüchen Ilse Korotin Frauenportrait: Goldy Elisabeth Charlotte Parin-Matthèy

Johanna Dohnal 60 Jahre Frauenpolitik Elli Sporer Freiraum für tRAUMfrauen

Monika Jarosch „Wenn, dann sicher!“ Diskussion zum Schwangerschaftsabbruch in Tirol Leserinnenbrief „Arm, krank und alt – das gilt längst nicht mehr“

Rezensionen Termine Neue Bücher Aktuell

LIEBE LESERINNEN!

Die feministische Politikwissenschafterin Eva Kreisky nannte das Projekt Neoliberalismus eine „Ramboisierung der Ökonomie“, in dem der freie Markt wieder zu einem maskulinen Kriegsschauplatz werde und „wilder Kapitalismus und wilde Männlichkeit wieder eins zu werden scheinen.“

Mit dem Titel unseres Hefts „Frauen, seht her, so süß schmeckt der freie Markt“ wollen wir auf die Widersprüchlichkeit der Verstrickung von Frauen in die Entwicklung einer neoliberalen globalisierten Welt hinweisen. Denn Frauen sind bei näherem Hinsehen nicht nur „pas- sive“ Opfer. Sie tragen auch durch ihr Konsumverhalten, durch die unkritische Annahme traditionell weiblich konnotierter Aufgabenfelder und ihrer Abkehr von widerständigen feministischen Bewegungen diese Entwicklungen aktiv mit. In diesem Heft werden aus durchaus di- vergierenden Perspektiven die zentralen feministischen Kritikpunkte an der ökonomischen Globalisierung herausgearbeitet. Viel Spass und widerständige Impulse wünscht

Die Redaktion

INHALTSVERZEICHNIS

(4)

Heft 2/05 In den meisten linken Debatten um die Glo-

balisierungskritik spielen feministische Po- sitionen weder als Instrument der Kritik noch als Angriffsfläche eine Rolle. Doch auch in feministischen oder genderfokus- sierten globalisierungskritischen Diskursen gibt es blinde Flecken und immer wieder re- produzierte Mythen.

Worin bestehen diese, und wie ließe sich ihnen begegnen?

Globalisierungskritische Stimmen mit femi- nistischen Tönen wurden erst ab Ende der 1990er Jahre laut. Die Politikwissenschaft- lerin Brigitte Young führt das lange Schwei- gen feministischer Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen zu den Globalisierungs- prozessen auf eine „‚conceptual silence‘

über den Zusammenhang zwischen Glo- balisierung, Gender und Staat“ sowie auf den hartnäckigen Widerstand der meisten Feministinnen gegen ökonomische Themen (Young 1998) zurück. Hier sollen die wich- tigsten der mittlerweile entstandenen po- litischen und wissenschaftlichen Strömun- gen zum Thema Frauen und Globalisierung − oder weiter gefasst: Geschlecht und Globa- lisierung − umrissen werden.

Eine der ersten globalisierungskritischen Wissenschaftlerinnen war die feministi- sche Entwicklungsexpertin Christa Wichte- rich. Ihr Buch „Die globalisierte Frau“ (1998) ist als Versuch zu sehen, aus rein akademi- schen Kreisen herauszutreten und eine Ver- bindung zwischen den Auswirkungen markt- liberaler Umstrukturierungen auf Frauen in den westlichen Industrienationen und in den so genannten Ländern des Südens her- zustellen. Das Buch spiegelt dabei die klas- sische Form des Standpunktfeminismus der 1980er Jahre. Mit Bezug auf eine internati- onalistische, bewegungsorientierte Traditi- on und beeinflusst durch Ökofeministinnen

wie Maria Mies und Veronika Bennholdt- Thomsen, entwirft Wichterich ein düsteres Bild von den Auswirkungen der Globalisie- rungsprozesse auf Frauen weltweit − qua Geschlecht sind sie in der Opferrolle: „In unterschiedlichen Ländern und Kulturen stellen Frauen eine zunehmende Anglei- chung ihrer Lebens- und Arbeitswelten fest:

mehr Beschäftigung, aber überwiegend in niedrig entlohnten, ungesicherten Arbeits- verhältnissen, Zuwachs sozialer Aufgaben, Zunahme von Konkurrenz und sexistischer Gewalt.“

GENDER-ORDNUNGEN

Gegen diese These betonte Brigitte Young bereits 1998, man müsse die sozialen Aus- wirkungen der Globalisierung auf Frauen und Männer betrachten, sowie die zuneh- mende „Überlagerung von Klassen- und Geschlechterverhältnissen, von Migration und rassistischer Diskriminierung.“ Denn

„unter dem Druck der Globalisierung“ wür- den „ganz neue Abhängigkeits- und Aus- beutungsverhältnisse“ entstehen, die unter anderem zu einer hierarchischen Ausdiffe- renzierung des sozialen Geschlechts „Frau“

führten.

Im Gegensatz zu Wichterich verwendet Young aber nicht nur den Begriff Gender, um damit ein herrschaftsförmiges soziales Struktur- und Ordnungsprinzip zu charakte- risieren. In Anlehnung an den aus der Re- gulationstheorie stammenden Begriff des Akkumulationsregimes unterscheidet sie zu- dem zwischen Genderregimen und Gender- ordnungen. (Genderregime als ein Geflecht institutionalisierter Geschlechterpraktiken und -formen, Genderordnungen als die in- stitutionalisierten Praktiken auf der symbo- lischen Ebene). Im Fordismus beispielsweise schlägt sich die Vorstellung vom männlichen

„Versorger“ oder Haupternährer des familiä- ren Haushalts in der Familien- und Arbeits- gesetzgebung nieder wie die Anbindung der Frauen als Mitversicherte des Mannes. Dies ist Teil eines Genderregimes, das wiederum die Genderordnung prägt, das heißt die Ide- al-Vorstellung von der Kleinfamilie, in der der Mann produktiv arbeitet, die Familie er- nährt und repräsentiert, während die so ge- nannte Hausfrau für die Reproduktion des Haushalts und seiner Mitglieder zuständig ist. Genderregime sind Young zufolge jedoch nicht statisch, sondern bilden ein umkämpf- tes Terrain, auf dem im Rahmen gesell- schaftlicher Transformationsprozesse die Definition des Geschlechterverhältnisses immer wieder neu erkämpft werden muss.

Obwohl sie die Vieldimensionalität, die Widersprüchlichkeiten und Ungleichzeitig- keiten der Globalisierungsprozesse betont, leitet sich Youngs Analyse der weltweiten Veränderung von Genderregimen und -ord- nungen aus der Transformation vom Fordis- mus zum Postfordismus ab. Der Fordismus ist jedoch ein Akkumulationsregime, das in der von Young beschriebenen Form auf die westeuropäischen und nordamerikanischen Industriestaaten beschränkt blieb. Wich- terichs Perspektive ist in diesem Aspekt weiter gefasst. Statt den Übergang vom Fordismus zum Postfordismus als globales Phänomen zu universalisieren, unterschei- det sie zwischen der „Demontage des sozi- alen Wohlfahrtsstaates“ in den westlichen Industrienationen und den Strukturanpas- sungsprogrammen im Süden.

UMDEUTUNG VON FEMINISTISCHEN ZIELEN

Eine kulturwissenschaftliche und poststruk- turalistisch inspirierte Antwort sowohl auf standpunktfeministische Ansätze als auch

4 AEP Informationen

KONZEPTUELLE BLINDSTELLEN − SCHWIERIGKEITEN FEMINISTISCHER GLOBALISIERUNGSKRITIK

STEFANIE KRON

(5)

Heft 2/05

auf den makroökonomischen Determinis- mus von genderfokussierten Positionen gibt der von Sabine Hess und Ramona Lenz her- ausgegebene Sammelband „Geschlecht und Globalisierung“ (2001), in dem ein „gender- sensibler“ Blick auf „Alltagspraxen, Sub- jektpositionierungen und Identitätskonst- ruktionen in globalisierten Alltagswelten“

gerichtet wird. Zu den diesbezüglich in- novativsten Beiträgen gehört der Aufsatz

„Gouvernementalität und Geschlecht“ von Katharina Pühl und Susanne Schultz. Sie sehen die von Foucaults Begriff der Gouver- nementalität geprägten Studien zur so ge- nannten „Ökonomisierung des Sozialen“ als Angebot für eine Reflexion und Erweiterung bisheriger feministischer Perspektiven. Mit- tels dieses Ansatzes sei es möglich zu erklä- ren, wie die verschiedenen Forderungen der zweiten deutschen Frauenbewegung nach mehr Autonomie und Selbstbestimmung von neoliberalen Programmen umgedeutet, indi- vidualisiert und kooptiert werden konnten.

Paradox erscheinende Zusammenhänge zwischen Flexibilisierungstendenzen in Be- zug auf Geschlechterrollen einerseits und der Zementierung der Geschlechterordnung andererseits können so nach Ansicht der beiden Autorinnen zusammen gedacht wer- den: Zunächst werden im Neoliberalismus alle Individuen ungeachtet des Geschlechts als UnternehmerInnen ihrer selbst angeru- fen. Doch die „Sorge für andere“ und die unbezahlte Reproduktionsarbeit, die in den westlichen Industrienationen früher zum Teil durch staatliche Einrichtungen über- nommen oder durch den Familienlohn des Mannes zumindest indirekt entlohnt wur- de, werde „in eine an Frauen herangetra- gene individualisierte Handlungsrationali- tät, also eine ‚feminisierte Verantwortung‘

umformuliert“.

„VERANTWORTUNG FÜR SICH/FÜR AN- DERE“: KONTRÄRE INTERPRETATIONEN Pühl/Schultz führen Bevölkerungspo- litik und Gesundheitsdiskurse als Bei- spiel dafür an, wie das Anforderungspaar

„Selbstverantwortung/Sorge für andere“

zwar an alle Frauen herangetragen, aber je nach Kontext eine unterschiedliche, ja sogar rassistisch motivierte Auslegung erfahren kann. So wird beispielsweise in den westli- chen Industrienationen der Grad der Selbst- bestimmung von Frauen über ihren Körper daran gemessen, wie viele individuelle Ressourcen sie zur Optimierung einer „ge- sunden“ und „verantwortlichen“ Schwan- gerschaft und Geburt mobilisieren können.

Die Frauen in den Ländern des Südens wer- den im Gegensatz dazu aufgrund von „Si- cherheitsrisiken“ wie „Überbevölkerung“

danach beurteilt, ob sie ausreichend indi- viduelle Ressourcen mobilisieren können, um sich gegen strukturelle Zwänge zum Kin- derkriegen zur Wehr zu setzen. Die gegen- wärtigen Strategien zur „Reorganisation der Geschlechterordnung“ scheinen also auf der

„Gleichzeitigkeit repressiv-überwachender und individualisierend-beweglicher Forma- tionen entlang von Klassen-, ethnischen und Geschlechterkategorien zu beruhen“.

DIE ABWESENHEIT DES MANNES Während standpunktfeministische Globa- lisierungskritikerinnen dazu neigen, in ne- oliberalen Restrukturierungsprozessen vor allem eine weltweite Modernisierung des Patriarchats zu sehen, verfolgen die Vertre- terInnen genderfokussierter Ansätze zwar den Anspruch, den Veränderungen der Ge- schlechterordnungen in Globalisierungs- prozessen nachzuspüren. Doch sowohl bei Young als auch bei Hess/Lenz bleiben die Umbrüche für Männer und männliche Ge-

NEUES GLEICHBEHANDLUNGS- GESETZ IN TIROL

Das neue Gleichbehandlungsge- setz und das brandneue Antidis- kriminierungsgesetz im Landes- dienst sind da! Zum downloaden:

http://www.tirol.gv.at/themen/

gesellschaftundsoziales/frauen/

gleichbehandlung.shtml

Literatur im Internet Frauen, denkt ökonomisch!

Unter diesem Titel hat die berühmte feministische Sozialwissenschafterin und Philosophin Nancy Fraser einen ausführlichen Artikel verfasst – er- schienen in der „taz“ vom 7.4.2005.

Der Artikel kann nachgelesen wer- den: http://www.taz.de/pt/2005/04/

07/a0157.nf/text.

Neuer Feminismus.

Identisch? Gleich!

In der linken online Wochenzeitung woz hat die deutsche feministische Soziologin Ute Gerhard einen lesens- werten Aufsatz zum neuen Feminis- mus verfasst. Nachzulesen: http:

//www.woz.ch/artikel/2005/nr09/

wissen/11473.html

Gender-Konzept in der Krise. Die Reprivatisierung des Geschlechts Mit dem Aufsatz von Nancy Fraser setzt sich Tove Soiland n der linken online Wochenzeitung woz ausein- ander: http://www.woz.ch/artikel/

2005/nr18/wissen/11766.html Johanna Dohnal im Internet http://www.johanna-dohnal.at. Das Wissen über die Frauenpolitik unter der früheren Frauenministerin Jo- hanna Dohnal soll nicht in Verges- senheit geraten. „Ich bin im heftigen Unruhestand“.

AKTUELL

5

(6)

AEP Informationen

6 Heft 2/05

6 AEP Informationen

schlechtsidentitäten weitgehend ausgeblen- det. Diesem Aspekt widmete sich hingegen der australische Soziologe Robert Connell mit „Der gemachte Mann“ (1999). Er spricht von einer Legitimationskrise des Patriar- chats und der Herausbildung hegemonialer, untergeordneter und marginalisierter Männ- lichkeiten entlang der Kategorien Klasse, Hautfarbe und sexueller Orientierung. Über Frauen schreibt er wenig, kommt jedoch mit Bezug auf sie zu zwei Erkenntnissen: Zum einen sei eine Zunahme von Gewalt gegen Frauen unter den männlichen Globalisie- rungsverlierern zu beobachten. Zum anderen erweise sich die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung mit der Feminisierung der un- bezahlten Versorgungsarbeit und der nach- haltigen Hausarbeitsabneigung und -absti- nenz der Männer als „bedeutendste patri- archale Dividende“. Interessant wäre es je- doch, den Blick auf die Verschränkungen der hierarchischen Ausdifferenzierungprozesse zu richten, gerade in den Bereichen, die der

„Feminisierung der Beschäftigung“ unterlie- gen. Denn auch männliche Erwerbsbiogra- phien funktionieren zunehmend nach dem Vorbild der weiblichen Beschäftigung.

MAQUILAS – AUSBEUTUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN

Dies lässt sich am Paradebeispiel für den Horror der „Feminisierung der Beschäfti- gung“ − die Weltmarktfabriken (Maquilas) in den so genannten Freien Produktionszonen − illustrieren. Bislang hieß es in der einschlä- gigen Literatur meist, die dortigen ungesi- cherten, deregulierten und schlecht bezahl- ten Jobs würden ausschließlich von jungen Frauen übernommen. Die Recherchen der So- ziologin Leslie Salzinger zur Maquilaindust- rie in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juarez bezeugen jedoch eine andere Reali-

tät. Schon 1990 waren die Maquilas so an- gewachsen, dass die weiblichen Arbeitskräf- te nicht mehr ausreichten. Heute ist dort der Anteil von Männern und Frauen etwa gleich hoch. Die meisten von ihnen sind zwischen 16 und 17 Jahre alt. Viele der Jugendlichen sind zu den HaupternährerInnen ihrer Famili- en geworden.

Die in den Maquilas beschäftigten jungen Männer werden hinsichtlich Ort und Art der Arbeit, aber auch durch die Farbe ihrer Ar- beitsanzüge meist strikt von ihren Kollegin- nen separiert. Dies markiert sie zwar als unterschiedlich, trotzdem verdienen sie das Gleiche wie die Frauen. Das wird von vielen als Schande gesehen, da es die traditionel- le maskuline Identität untergräbt, der zufolge der Mann der Haupternährer in der Familie sein muss. Dieses Rollenbild, das im Norden Mexikos durch die explodierende Entwick- lung der Weltmarktfabriken schon seit vielen Jahren keine reale Grundlage mehr besitzt, wurde von Maquila-Betreibern lange als Be- gründung für die niedrigen Löhne der weibli- chen Beschäftigten angeführt. Diese Abwer- tung der Frauen lebt nun fort, wenn auch in anderen Formen: Männer, die nicht gut ge- nug arbeiten oder sich auflehnen, werden zur Strafe in die Frauen-Werkhalle geschickt und damit für alle KollegInnen erkennbar zur Frau herabgestuft − eine öffentliche Demütigung in der vom Macho-Kult geprägten mexikani- schen Kultur. Männliche Arbeiter fühlen sich deshalb häufig von den Managern in ihrer Maskulinität abgewertet. Doch Ciudad Jua- rez hat inzwischen aus einem anderen Grund traurige Berühmtheit erlangt. Seit Jahren werden fast wöchentlich ermordete Frauen in der Wüste rund um die Stadt aufgefunden.

Salzinger behauptet, dass die eskalieren- de Gewalt gegen Frauen unter anderem auf die Demaskulinisierungsprozesse im sozialen

Setting der Maquila-Industrie zurückzuführen sei. Auch wenn dies sicherlich eine zu mono- kausale Sichtweise ist, so lässt sich doch die auch von Connell konstatierte Zunahme der Gewalt gegen Frauen im Globalisierungskon- text plausibler erklären, wenn die Restruktu- rierungen von Männlichkeiten in die Analyse mit einbezogen werden.

NEOLIBERALES EMPOWERMENT Ein besonders eindrückliches Beispiel für die Kooptierung ehemals feministischer und herrschaftskritischer Forderungen durch ne- oliberale Programme ist die Karriere des Begriffs Empowerment (Ermächtigung), der Mitte der 1980er Jahre von Feministinnen aus dem Süden als herrschaftskritisches Konzept in die entwicklungspolitische De- batte eingebracht wurde. Er zielte auf die Selbstermächtigung marginalisierter Grup- pen im Kontext einer grundlegenden Trans- formation von Herrschafts- und Machtver- hältnissen. In den darauf folgenden Jahren durchlief das Empowermentkonzept die ent- wicklungspolitischen Institutionen, wo ihm der herrschaftskritische Charakter abge- schliffen wurde. Heute ist Empowerment ein Teil entwicklungspolitischer Strategien rund um das Nachhaltigkeitspostulat und in allen Durchführungsorganisationen administra- tiv der Armutsbekämpfung zugeordnet. Ar- mut wird in diesem Kontext jedoch nicht als

„menschenrechtswidrige Blockierung von Grundbedürfnissen verstanden, sondern als ein Sicherheitsrisiko“ (Claudia von Braun- mühl). Heute gleichen Empowermentansätze deshalb häufig Anleitungsprogrammen zur marktförmigen Selbstverwaltung der Armut unter Einbeziehung von Frauen. Selbsthilfe- gruppen und billige Dienstleisterinnen wer- den somit für soziale Maßnahmen herange- zogen, die der Staat nicht (mehr) leistet.

(7)

AEP Informationen

6 Heft 2/05

ABGEHEN VON STRUKTURELLER KRITIK Pühl/Schultz weisen am Beispiel bevölke- rungspolitischer Diskurse nach, dass die dortige Art der Verwendung des Begriffes Empowerment mittels Individualisierung und Umkehrung eine Kooptierung des Wis- sens frauenpolitischer Bewegungen bewirkt.

Um eine grundsätzliche Kritik an strukturel- len Zwängen geht es in den herrschaftsför- migen bevölkerungspolitischen Diskursen − im Gegensatz zu den Forderungen der Frau- enbewegungen − allerdings nicht mehr.

Auch in den entwicklungspolitischen Kon- zepten für nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherheit spielen das Empower- ment von Frauen und das Anforderungspaar

„Selbstverantwortung/Sorge für andere“

eine zentrale Rolle. In deren praktischer Um- setzung werden aber nicht das Agrarexport- modell und seine geschlechtsspezifischen sozioökonomischen Auswirkungen kritisiert.

Statt dessen wird der Versuch unternom- men, ein Gleichgewicht zwischen der Pro- duktion für den Weltmarkt und der lokalen Ernährungssituation herzustellen. Letzteres schreibt man als „weiblichen“ Aufgabenbe- reich den Frauen zu.

Standpunktfeministischen Ansätzen ist ne- ben der Tendenz zur Vernachlässigung von Kategorien wie Klasse und Ethnizität ein weiteres Problem eigen: Sie neigen in ihrer Parteinahme für Frauen zur Reproduktion der bürgerlichen Essentialisierung von binären geschlechtsspezifischen Eigenschaften. Vor allem in entwicklungspolitischen Kontexten werden die aus der Not geborenen Zwänge, innovative Überlebensstrategien zu entwi- ckeln, als weiblich codiertes Potenzial für Gegenmacht von unten idealisiert. Armuts- management − und sei es noch so kreativ und ökologisch − ist aber kein Empower- ment im herrschaftskritischen Sinne, son-

dern erweitert lediglich den angestammten Platz von Frauen: die Reproduktionssphäre.

Männer hingegen sind in standpunktfeminis- tischen Ansätzen nur als Vertreter des patri- archalen Blocks ein Thema.

Aber auch Positionen, die sich auf den Be- griff Gender beziehen, blenden die gesell- schaftlichen Realitäten von Männern meist aus ihren Analysen aus, wenn sie die Re- strukturierung oder Kontinuität asymmet- rischer Geschlechterordnungen in Globali- sierungsprozessen zuungunsten von Frauen nachweisen. Die Herausforderung für eine feministische Globalisierungskritik besteht deshalb darin, sich von der Vorstellung zu lösen, dass Frauen per se Globalisierungs- verliererinnen und ihre (Überlebens-)Stra- tegien und Forderungen per se emanzipa- torisch sind.

Der ungekürzte Artikel ist zu finden un- ter: blätter des informationszentrums 3.

welt – iz3W, Sonderheft Globalisierungs- kritik, S. 44-47. Sowie im Internet: http:

//www.linksnet.de/artikel.php?id=832. Wir danken dem Informationszentrum 3. Welt für die Abdruckgenehmigung.

AUTORIN

Stefanie Kron ist freie Journalistin, sie stu- dierte Literatur- und Medienwissenschaf- ten, Politikwissenschaft und Spanisch in Berlin und Marburg. Bis 1994 Arbeit in der Fantifa-Marburg, ab 1994 Redakteurin bei der alternativen Stadt- und Unizeitung Mar- burg Virus.

AKTUELL

AH − GENDER!

Die EQUAL-Entwicklungspartner- schaft NORA in Zusammenarbeit mit dem thematischen Netzwerk A-Gen- der. hat ein Broschüre „ah − gender!

Tipps und Tricks aus der österreichi- schen Gender Mainstreaming-Praxis (112 Seiten, ISBN 3-200-00340-5) he- rausgegeben. Grundlage der Publika- tion sind die Erfahrungen von acht ös- terreichischen EQUAL-Entwicklungs- partnerschaften im Bereich „Struk- turelle Verankerung und Implemen- tierung von GM in Politiken und Orga- nisationen“ in der Zeit zwischen 2002 und 2005. Diese Erfahrungen werden dokumentiert, reflektiert und analy- siert und sowohl „best practices“ als auch Hemmnisse und Schwierigkei- ten bei Gender Mainstreaming-Um- setzungsprozessen in verschiedenen Kontexten (in Ämtern, Betrieben, För- dervergabestellen, Gemeinden, Schu- len, in der Regionalentwicklung etc.) beschrieben. Ein diesen Praxisteil er- gänzendes Kapitel enthält außerdem Anleitungen für Projektverantwortli- che. Die Publikation wird auf Bestel- lung vom Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstel- len kostenlos zugesandt. Bestell- formular: http://www.netzwerk- frauenberatung.at/nfb/Dokumente/

broschuere_agender.pdf.

7

(8)

AEP Informationen

8 Heft 2/05

Auch im Zeitalter der Globalisierungskritik zeigen sich keine nachhaltigen Tendenzen, die hierarchischen Geschlechterverhältnisse zu überwinden. Gerade innerhalb der globa- lisierungskritischen Bewegung machen Frau- en und feministische Gruppen immer wieder die Erfahrung, dass der Einsatz für Emanzipa- tion und Geschlechtergerechtigkeit nicht „au- tomatisch“ auf der Agenda fortschrittlicher Bewegungen steht. Und das, obwohl welt- weit, sowohl in Ländern des Südens als auch in der westlichen Welt, Frauen aufgrund der ihnen zugewiesenen wirtschaftlichen und ge- sellschaftlichen Position von den vielfältigen Tendenzen, die unter dem Schlagwort „Glo- balisierung“ zusammengefasst werden, in besonderer Weise betroffen sind. Darüber hi- naus setzen sie sich bereits seit Jahrzehnten als mutige Akteurinnen gegen die Unterdrü- ckung durch Neoliberalismus und die damit einhergehenden neopatriarchalen Tenden- zen zur Wehr.

Die Politik der neoliberalen Globalisierung betrifft alle Menschen. Aber die mit der ne- oliberalen Politik einhergehenden Verände- rungen sind nicht für alle gleich. Es gibt ei- nige wenige, die diese Form der Globalisie- rung als positiv erleben, als Erweiterung der Möglichkeiten, und auch als persönliche Be- reicherung – in der doppelten Bedeutung des Wortes. Für die überwiegende Mehrheit aber bedeutet die mit der Globalisierung einher- gehende Dynamik der Vermarktung aller Le- bensbereiche zunehmende Belastungen und Einschränkung persönlicher Freiheiten.

ATTRAKTIVER VATER STAAT?

Globalisierung ist kein natürlicher oder zwin- gender Prozess, sondern das Ergebnis politi- scher Gestaltung. Wesentlich daran betei- ligt sind nach wie vor Nationalstaaten, de- ren patriarchale Strukturierung seit langem

Ziel feministischer Kritik ist. Paradoxerweise richten sich gerade jetzt feministische For- derungen zur Erhaltung des „sozialen Wohl- fahrtsstaates“ oft an diesen patriarchalen Staat, weil er in seiner „Schutz- und Ver- sorgungsfunktion“ Frauen gewisse Vorteile bieten kann. Das trifft beispielsweise auf die Beschäftigung im öffentlichen Dienst im Ver- gleich zu privatwirtschaftlichen Arbeitsver- hältnissen zu. Der Abbau öffentlicher Dienst- leistungen ruft in Erinnerung, dass staatliche Leistungen Solidaraspekte beinhalten, die für Frauen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Si- tuation besonders wichtig sein können (z.B.

Pensionssystem). Feministinnen stehen im Spannungsfeld zwischen Staatskritik und emanzipatorischen Ansprüchen an den öf- fentlichen Sektor.

DAS NEOLIBERALE PROGRAMM Eckpfeiler der politischen Weichenstellung zur Durchsetzung der neoliberalen Politik sind Liberalisierung von Handel mit Waren, Dienstleistungen und Kapital, Privatisie- rung öffentlicher Leistungen und Unterneh- men, Vorrang für private Gewinninteressen in praktisch allen Bereichen von Produktion und Dienstleistungen. Zentral ist überdies die einseitige Geldwertstabilitätsorientie- rung und Budgetkonsolidierung, verbunden mit dem Abbau sozialstaatlicher Leistungen sowie Flexibilisierung, d.h. der Abbau von Regulierungen zum Schutze von BürgerInnen, KonsumentInnen und ArbeiterInnen. Das ist eine Politik, die vor allem im Dienste multi- nationaler Großunternehmen und der Kapital- besitzerInnen steht. Multis fahren astronomi- sche Gewinne ein, zahlen aber mittlerweile vielfach keine Steuern mehr. Die personellen Verknüpfungen zwischen Politik- und Wirt- schaftselite werden enger. Politik bedient die Interessen einer kleinen Minderheit.

HERRSCHAFT NEU GEMISCHT UND DOCH GLEICH

Diese Dynamik der Machtverschiebungen ist nicht loszulösen von der Entwicklungslogik des Patriarchats. Neoliberale Globalisierung ist Geschlechterpolitik schlechthin (Eva Kreisky).

Die patriarchale Struktur ruht auf der Ausbeu- tung von Frauen als tragendem Element. Die unbezahlte Arbeit von Frauen ist die Voraus- setzung für das Funktionieren des derzeitigen Systems. Die Unterschiede in der Lebens- und Arbeitssituation von Frauen und Männern sind gewaltig. Das betrifft nicht nur die Ungleich- verteilung von bezahlter und unbezahlter Ar- beit, sondern darüber hinaus gibt es nach wie vor eklatante Unterschiede im Zugang zu wirt- schaftlichen Ressourcen wie Einkommen und Vermögen, Wissen, Information und Technik, Transport, Kredit und Geschäftsbeziehungen, Land und Immobilien. Zusätzlich zeigt sich eine ungleiche Verteilung von Macht und Einfluss, sowohl innerhalb der Haushalte als auch in allen anderen Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft. Veränderungen sind zwar zu beo- bachten, die grundlegenden Geschlechterhier- archien bleiben aber bestehen.

Neoliberale Globalisierung und Geschlechter- verhältnisse stehen in einer komplexen Be- ziehung zueinander. Einerseits kommt es zum Aufbrechen tradierter Männlichkeitsmuster und Strukturen patriarchaler Herrschaft, insbe- sondere im Kontext der Erosion staatlicher In- stitutionen. Das könnte theoretisch neue Spiel- räume für individuelle Emanzipation und eman- zipatorische Politik eröffnen. Aber es zeigt sich gleichzeitig das Erstarken neuer Muster und institutioneller Arrangements, die männliche Macht und Einflusssphären wieder ausweiten.

Formale staatliche Strukturen, in denen Frauen zumindest ein wenig Fuß fassen konnten, wie nationale Parlamente, verlieren an Einfluss zu- gunsten informeller Strukturen (z.B. World Eco-

GLOBALISIERUNG AUS FEMINISTISCHER SICHT

NEOLIBERALE GLOBALISIERUNG UND GESCHLECHTERVERHÄLTNISSE

ELISABETH KLATZER · FEMINISTATTAC

(9)

AEP Informationen

8 Heft 2/05 9

nomic Forum1), die fernab von gleichstellungs- politischem Geplänkel Institutionen und Spiel- regeln schaffen, die fest in Männerhand sind.

Und diese erstarkten Männerbastionen sind neue Zentren der Macht. Die internationalen Finanzinstitutionen2 und die WTO3 sind ge- wichtige Akteure in der Durchsetzung neolibe- raler Interessen. Das verbale Geplänkel um Ar- mutsbekämpfung und Gender-Politik dient da- bei der Behübschung, ist eine Beschäftigungs- therapie für unverbesserliche OptimistInnen und eine hervorragende Ablenkungsstrategie.

Die Herausforderung für Feministinnen ist – wie schon so oft – der Spagat zwischen Ver- änderungsanspruch und kritischer Ablehnung.

Bedauerlicherweise hat sich eine „Arbeitstei- lung“ in der Bewegung herausgebildet, die oft wenig Raum für Dialog zwischen Anhängerin- nen unterschiedlicher Strategien lässt.

Zu Recht ist oft der Einwand zu hören, dass im Kontext von Globalisierung und den ge- schlechtsspezifischen Implikationen nicht von

„Frauen“ an sich gesprochen werden sollte.

Frauen sind keine homogene Gruppe, und im Zusammenhang mit der Globalisierung zeigen sich viele Einflussebenen, Trennlinien sind vor allem auch sozio-ökonomische Stellung und ethnische Zugehörigkeit. Trotz aller Heteroge- nität zeigen sich aber patriarchale Muster der Domination in unterschiedlichen Sub-Gruppen, nicht zuletzt sind auch privilegierte Frauen der gesellschaftlichen Elite mit unterschiedlichs- ten Ausschlussmechanismen konfrontiert. Die hierarchische Konstruktion der Geschlechter- verhältnisse findet auf allen Ebenen und Kon- texten auch unter veränderten Bedingungen nach altbekannten Grundmustern statt.

FRAU SCHAFFT NEUEN REICHTUM Die gegenwärtige Wirtschafts- und Handels- politik manifestiert sich auch konkret in sich verändernden Geschlechterverhältnissen. Das

zeigt sich besonders deutlich auf den Arbeits- märkten. Frauenarbeit ist das Rückgrat der ne- oliberalen Globalisierung. Abgesehen von der unbezahlten Arbeit sind Frauen auch in der liberalisierten und flexibilisierten formellen Ökonomie Ziel von Ausbeutung.

Eine (schlecht) bezahlte Arbeit zu haben be- deutet für Frauen immer öfter sklavenähnli- che Abhängigkeit. In vielen Ländern des Sü- dens werden Freihandelszonen eingerichtet, in denen westliches Kapital abseits von Ar- beits- und Arbeitsschutzgesetzen junge, fle- xible, gefügige und spottbillige Arbeitskräfte – überwiegend Frauen – zu ausbeuterischen Be- dingungen sucht. Ein Beispiel dafür sind die in Mexiko an der Grenze zu den USA errichteten Maquiladoras, wo ca. 80 % der Arbeitskräfte Frauen, bevorzugt jung und unverheiratet, sind.

Gewerkschaften sind unerwünscht, es wird ein Hungerlohn bezahlt, der Arbeitstag dauert oft 12 Stunden und mehr, unbezahlte Überstun- den sind die Regel. Die oft als Vorteil verkaufte zunehmende Integration von Frauen in den Ar- beitsmarkt ist zumeist kein Ausweg aus patri- archaler Domination, Diskriminierung und Ar- mut, vielmehr entstehen neue Abhängigkeiten und Unsicherheiten.

Auch in Westeuropa sind Frauen diejenigen, die vor allem und als erste in miese Arbeits- verhältnisse gedrängt werden. Präkarisierung der Arbeitsverhältnisse, Arbeitseinkommen, das nicht zum Überleben reicht, Arbeit auf Abruf, Jobs mit niedrigem Prestige und Ein- kommen… Frauen sind „Vorreiterinnen“ einer allgemeinen Tendenz am Arbeitsmarkt, die all- gemein als „Feminisierung der Arbeitsmärkte“

bezeichnet wird. Damit soll der Trend charak- terisiert werden, dass die traditionell abge- sicherten Vollzeitarbeitsplätze von Männern immer mehr den bereits seit jeher strukturell unsicheren, schlecht bezahlten Arbeitsverhält- nissen von Frauen ähneln. Der Begriff Femini-

sierung verschleiert aber die Realität insofern, als im Zuge der neoliberalen Globalisierung zwar insgesamt eklatante Verschlechterungen für die Arbeitenden zu beobachten sind, die re- lative Benachteiligung von Frauen aber damit nicht verringert wird; im Gegenteil, Frauen ver- lieren weiter an Terrain.

Eine wesentliche Funktion von Frauen im pa- triarchalen System ist es, für die Überlebens- sicherheit zu sorgen. In Zeiten wirtschaftlicher und sozialer Krisen sind es Frauen, die für das Überleben ihrer Familien und der Gemein- schaft aufkommen. Das zeigte sich seit den 1990ern auch im Gefolge der zahlreichen Fi- nanzkrisen als Folge der rücksichtslosen Libe- ralisierung der Finanzmärkte, so auch in Südo- stasien 1997/98, wo Frauen in jeder Hinsicht die Hauptbetroffenen waren (vgl. Klatzer/Lu- kas 2002). Gleichzeitig aber stellen in solchen Krisen gerade Frauen ein Auffangnetz bereit, indem sie Einkommen für die Familie herbei- schaffen, zum Teil durch Migration und Sexar- beit, den Ausfall öffentlicher Dienstleistungen kompensieren und den sozialen Zusammenhalt durch Engagement in der Nachbarschaft si- cherstellen. Ähnliches ist im Zuge der Auswir- kungen der Strukturanpassungsprogramme in vielen Ländern des Südens zu beobachten.

SKLAVINNEN UNSERER ZEIT

Gewalt gegen Frauen ist ein konstitutives Ele- ment der patriarchalen Herrschaft und dieses Herrschaftsinstrument ist verstärkt im Kontext der gegenwärtigen ökonomischen Zwänge zu analysieren. Vergewaltigungen und andere Formen der sexuellen Gewalt gegen Frauen nehmen weltweit zu (UNFPA). Nicht nur Frau- en sind betroffen, zunehmend auch Kinder, ins- besondere Mädchen. Vier Millionen Frauen werden jährlich in die Ehe, Prostitution oder Sklaverei verkauft. Zehn Millionen Kinder sind derzeit weltweit versklavt, die meisten arbei-

(10)

AEP Informationen

10 Heft 2/05 11

ten in Privathaushalten (ÖLfM 2004, 21). Aber auch multinationale Unternehmen profitieren.

So konnte Global March Against Child Labour in einer Studie nachweisen, dass Monsanto, Unilever, Advanta, Synergia und Bayer über Subunternehmer Kindersklaven auf indischen Baumwollfeldern arbeiten lassen. Verantwor- tung dafür übernehmen sie keine. 27.000.000 SklavInnen gibt es heutzutage weltweit, 80%

davon sind Frauen (ÖLfM 2004, 16f). Die UNO bezeichnet den Menschenschmuggel als das

„am schnellsten wachsende kriminelle Ge- schäft der Welt“. Diese Formen der Gewalt an Frauen und Kindern sind eng mit dem wirt- schaftlichen System steigender individueller Unsicherheit und wirtschaftlichen Krisen ver- bunden. Im Gefolge der Asienkrise beispiels- weise ist die Prostitution zu einer der größten

„Beschäftigungsindustrien“ in Südostasien an- gewachsen. Schätzungen gehen von jährlich sieben bis zwölf Milliarden Dollar Einnahmen aus dem Menschenhandel aus.

GLOBALISIERUNG UND FEMINISTISCHE BEWEGUNG

Die gegenwärtige Globalisierung hat viele Ge- sichter und Aspekte. Die technischen Voraus- setzungen für rasche und billige Kommunikati- on haben neue Möglichkeiten geschaffen. Das stellt für Frauen in unterschiedlichsten Lebens- situationen und Regionen der Welt ein wichti- ges Instrument für neue Wege und Strategien der politischen Arbeit dar. Das letzte Jahrzehnt war auch gekennzeichnet von zunehmenden Vernetzungen zwischen Frauen und emanzi- patorischen AktivistInnen in allen Kontinenten, die enormes Potenzial und Energien freisetzen und ein Zeichen der Hoffnung darstellen.

Aus Frauensicht besteht aufgrund der vielfäl- tigen Rückwirkungen ein Interesse an einem stabilen Wirtschafts- und Gesellschaftssys- tem, in dem die derzeitige hochgradige syste-

mimmanente Krisenanfälligkeit reduziert wird.

Allerdings greift eine Politik der Systemstabili- sierung viel zu kurz, da damit auch herrschen- de patriarchale Muster verfestigt werden. An- kerpunkt wäre eine grundlegende Transfor- mation des gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaftssystems. Die Umverteilung öko- nomischer und gesellschaftlicher Ressourcen zugunsten von Frauen ist eine essentielle Vor- aussetzung für emanzipatorische Alternativen.

Die gegenwärtige globalisierungskritische Be- wegung zeigt Tendenzen, feministische Akti- vistinnen zu absorbieren bzw. zu vereinnah- men, ohne gleichzeitig ihre Strukturen, Arbeits- weisen und Forderungen im Kern feministisch zu gestalten. Das ist bei den Sozialforen auf al- len Ebenen zu beobachten, ebenso wie bei glo- balisierungskritischen Organisationen wie bei- spielsweise ATTAC. Die Herausforderung ist eine altbekannte: Wieweit lohnt es sich, Wege gemeinsam mit anderen zu gehen bzw. wo sind die autonomen Handlungsräume?

Gleichzeitig hat das globalisierungskritische Engagement den feministischen Bewegungen weltweit neue Impulse gegeben. Eine nahezu unüberschaubare Vielfalt ist entstanden. Eine feministische Welt ist möglich!

LITERATUR

Klatzer, Elisabeth/Lukas, Karin (2002). Ein feministischer Blick auf Finanzmärkte, Kurs- wechsel 4/2002, BEIGEWUM, Wien.

Mascha, Madörin. Frauen und Welthandel.

Nachhilfe in Wirtschaftstheorie, WoZ-online, http://www.woz.ch/wozhomepage/oekon/

femoek10j01.html.

Kreisky, Eva (2001). Die maskuline Ethik des Neoliberalismus – die neoliberale Dynamik des Maskulinismus, in: femina politica. Zeit- schrift für feministische Politik-Wissenschaft, 10. Jg., 2/2001, 76-91.

Österreichische Liga für Menschenrechte

(11)

AEP Informationen

10 Heft 2/05 1111

(2004). Ware Mensch, Zeitschrift der ÖLfM, Nummer 4/2004, Wien.

Wichterich, Christa (2002). Krieger-Män- ner, Ernährer-Frauen, Heinrich Böll Stiftung, www.boell.de/downloads/zukunftsgruen/

wichterich_krieger.pdf.

Wichterich, Christa (2003). Femme global, Globalisierung ist nicht geschlechtsneutral, Hamburg.

ANMERKUNGEN

1) Das Weltwirtschaftsforum (WEF), eine pri- vate Organisation, wurde in den 1970er Jahren gegründet und dient vor allem der Vernetzung, der Anbahnung profitabler Geschäfte und der Entwicklung von Strategien zur Beeinflussung der Politik. Das WEF brüstet sich damit, dass das in der Schweiz (berühmt wurde damit Da- vos) stattfindende Jahrestreffen als “der globa- le Gipfel angesehen werde, der die politische, wirtschaftliche und unternehmerische Agenda des Jahres bestimme”. Im Leitbild bezeichnet sich der WEF als “unabhängige, unparteiische, nicht auf Profit ausgerichtete Organisation, die mit Unternehmensgeist im Interesse der welt- weiten Öffentlichkeit handelt, um wirtschaft- liches Wachstum und sozialen Fortschritt zu fördern”. Tatsächlich versammelt sich dort die Finanz-Elite unter Anwesenheit zahlrei- cher Staats- und Regierungschefs. Obwohl in keiner Weise demokratisch legitimiert, dik- tierten einige wenige mächtige Konzerne und Männer (denn zu 90 Prozent handelt es sich um weiße Männer) dem Rest der Welt ihre Vorga- ben. Das WEF wird heute von den ca. 600 pro- fitabelsten, wachstumsstärksten und einfluss- reichsten privaten Wirtschaftsunternehmen, davon allein 228 aus den USA, getragen.

2) Die einflussreichsten Finanzinstitutionen sind Weltbank und IWF (Internationaler Wäh- rungsfonds), beide spielen eine wesentliche Rolle dabei, die weltweite Liberalisierung

der Finanzmärkte voranzutreiben und neoli- berale Politiken durchzusetzen. So wird bei- spielsweise die Auszahlung von Geldern an Entwicklungsländer an strikte Konditionen wie die Schrumpfung des öffentlichen Sektors, de facto Privatisierung öffentlicher Dienstleis- tungen, Liberalisierungen und Schaffung un- ternehmerfreundlicher Bedingungen geknüpft (z.B. mittels der so genannten „Strukturanpas- sungsprogramme“).

3) Die WTO (World Trade Organisation), deutsch: Welthandelsorganisation, wurde 1995 gegründet, basierend auf Vorarbeiten mittels internationaler Freihandelsabkom- men, mit denen der Welthandel seit Mitte des 20. Jahrhunderts zunehmend liberalisiert wurde. Die WTO ist wohl die mächtigste in- ternationale Wirtschaftsorganisation. Die we- sentlichen Säulen sind die Liberalisierung des Handels mit Gütern (GATT) und Dienstleistun- gen (GATS) sowie der Schutz geistiger Eigen- tumsrechte (TRIPS). Ein Schiedsgericht ent- scheidet verbindlich über internationale Han- delsstreitigkeiten (z.B. haben die USA die EU erfolgreich gegen das Importverbot von Hor- monfleisch geklagt): Die WTO greift mit ihren Politiken weitgehend in das Leben aller ein (z.B. steht auch die Liberalisierung öffentli- cher Dienstleistungen auf der Tagesordnung).

Obwohl in der WTO im Prinzip jedes Land eine Stimme hat und im Konsens beschlossen wird, sind in der Praxis die großen Industriestaaten tonangebend.

AUTORIN

Dr.in Elisabeth Klatzer, MPA Harvard Univer- sity: Sozial- und Wirtschaftswissenschafterin;

Aktivistin bei feministATTAC; Arbeitsschwer- punkte als Aktivistin/Wissenschafterin: fe- ministische Ökonomie, Globalisierung und gesellschaftliche Veränderungsprozesse, Ge- schlechtergerechte Budgetgestaltung.

(12)

AEP Informationen 12

Beim Geld hört die Gleichstellung auf! Dies ist der Eindruck vieler Frauen, wenn sie sich Geld- verteilung, Sozialpolitik oder Gleichstellungs- politik in der Europäischen Union ansehen.

Triebfeder für diese Politik sind jedoch nicht der Abbau von Macht- und Herrschaftsverhält- nissen, sondern wirtschaftlicher Wettbewerb und sein Ausbau in allen nur möglichen Facet- ten. Unter diesem Aspekt ist z.B. die Integrati- on von vor allem jungen und gebildeten Frauen in den Arbeitsmarkt zu sehen. Sie sind als billi- ge und flexible Arbeitskräfte eine Notwendig- keit, um eine konkurrierende Wirtschaftsmacht gegenüber den USA aufzubauen.

Auch die uns allen bekannte und als „frau- enfreundlich“ wahrgenommene Forderung

„Gleicher Lohn für gleiche bzw. gleichwerti- ge Arbeit“ entstand unter anderen Voraus- setzungen. Da die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland höher waren/sind als in Frankreich und aus der Befürchtung, Frauen könnten durch Lohndum- ping Wettbewerbsverzerrungen verursachen, gab es plötzlich unerwartete Unterstützung für langjährige Forderungen von Frauen.

Und frau stellte bald auch fest, dass durch diesen Erwerbs- bzw. Wettbewerbsbezug die Möglichkeiten für reale Gleichstellungspolitik von Frauen extrem eingeschränkt war, denn ausschließlich das, was in Marktbegriffen de- battierbar war, wurde auf die frauenpolitische Agenda gesetzt – Instrumente der Überwin- dung struktureller Geschlechterungleichheit gehörten hier nicht dazu. Nun kann frau zwar zugestehen, dass Gleichstellungsmaßnahmen, von denen auch die Wirtschaft profitiert, be- grüßenswert sind, bedenklich wird es jedoch dann, wenn eine Gleichstellungspolitik beim Geld beginnt – und auch gleichzeitig dort en- det. Dass dies leider so ist, wollen wir anhand der EU-Verfassung, mit seiner Festschreibung der neoliberalen Marktwirtschaft und der Mi-

litarisierung, den Zielen der Europäischen Zen- tralbank und deren Folgen sowie dem damit verbundenen Demokratiedefizit aufzeigen.

DIE ZIELE DER EUROPÄISCHEN

ZENTRALBANK, DER STABILITÄTSPAKT UND SOZIALABBAU

Das vorrangige Ziel der Europäischen Zen- tralbank (EZB) ist die Preisstabilität, also eine geringe Inflationsrate. Ein Reagieren auf Kon- junkturtiefs durch den Staat ist, entgegen frü- herer europäischer Wirtschaftspolitik, nicht mehr vorgesehen. Auch die Regeln des „ma- gischen Vielecks“ der Volkswirtschaft mit sei- ner Forderung, eine Ausgewogenheit der Ziele Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Le- bensqualität (Umwelt), außenwirtschaftliches Gleichgewicht, gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung und Geldwertstabilität zu erreichen, werden außer Acht gelassen. Von der neuen, einseitigen Zielsetzung profitieren nun vor allem die Besitzenden. Und für eine niedrige Inflationsrate ist es unter anderem notwendig, dass die Nationalstaaten ein nied- riges Budgetdefizit aufweisen. – Das Stichwort

„Null-Defizit“ ist uns allen noch im Ohr.

Da Geldpolitik auf europäischer Ebene ent- schieden wird, die Finanzpolitik (Budgetpo- litik) aber nationalstaatliche Angelegenheit ist, wurde mit dem Vertrag von Maastricht der Stabilitätspakt ins Leben gerufen. Mit diesem EU-weiten Pakt und der Verpflich- tung zur Reduzierung des Staatsdefizits wird der Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften argumentiert. Tiefer liegende Gründe jedoch sind in der neoliberalen Wirtschaftspolitik im Generellen, in der konservativen Fiskalpolitik sowie in der Verlagerung von vormals Öffent- lichem ins Private zu finden. All das ist auch der Motor für fortgesetzte Umverteilung von unten nach oben.

Dafür wurde auch die oft gehörte „Unabhän-

gigkeit“ jener obersten Bank der EU, der Euro- päischen Zentralbank in Frankfurt (EZB), instal- liert, die als Hüterin über die Geldpolitik der EU wacht. – „Unabhängigkeit“ bedeutet in diesem Zusammenhang, frei von Einflüssen der Politik und damit von parlamentarischen Mehrheits- verhältnissen, sowie frei von demokratischen Wahlen und von Änderungsmöglichkeiten.

Eine Vorstellung einer für immer richtigen und gültigen, wissenschaftlich exakten und von Veränderungen unberührbaren Welt, spiegelt sich in diesen Gedanken wider.

DIE AUSWIRKUNGEN AUF FRAUEN Was eine Sparpolitik und Budgetkonsoli- dierung für Frauen bedeutet, das wissen wir bereits.

Vom Abbau des Sozialstaates sind Frauen drei- fach betroffen: Als Arbeitnehmerinnen verlie- ren sie gut bezahlte Arbeitsplätze im öffent- lichen Dienst, als Konsumentinnen ist ihnen der Zugang zum freien Markt erschwert oder verwehrt, da sie sich hohe Preise diesbezüg- lich meist nicht leisten können, und als „Re- parateurinnen“ werden ihnen als nicht mehr finanzierbar bezeichnete, gesellschaftlich not- wendige Arbeiten als unbezahlte Arbeit ver- mehrt zugeschoben. Denn die Reduzierung öffentlicher Dienstleistungen (z.B. im Bereich der Altersvorsorge, im Gesundheitsbereich und im Bereich der Kinderbetreuung, aber auch die Ausdünnung der Infrastruktur wie Post, Bahn usw.) bedeutet, dass diese Leistungen wieder der privaten Sphäre zugeordnet werden und damit den Frauen vermehrt jene unbezahlte Arbeit beschert.

Zudem werden durch die (Re-)Privatisierung dieser Dienstleistungen die zentralen Bedin- gungen zerstört, die es Frauen ermöglichen, zwischen „außerhäuslicher“ Lohnarbeit und unbezahlter Reproduktionsarbeit zu wählen.

Frauen kennen die Zerstörungen und Auswir-

WELCHEN PLATZ HABEN FRAUEN IN DER VERFASSTEN EU?

MANUELA DOBEINER/ANGELIKA HOFMANN · FEMINISTATTAC

(13)

AEP Informationen

12 13

AKTUELL

WEGWEISERECHT VERFASSUNGS- RECHTLICH BETRACHTET

Ein männlicher Journalist hatte die Be- fürchtung, das Wegweiserecht könne kre- ative Kundgebungsformen beeinträchtigen.

Hierauf erwiderte die Verfassungsjuristin Brigitte Hornyik, dass die Ausübung jedes Menschenrechtes immer nur soweit geht, als nicht andere Menschen in der Ausü- bung anderer Menschenrechte dadurch be- einträchtigt werden. Einen legalen Schwan- gerschaftsabbruch ungehindert von Psycho- Terror und unzumutbarer Belästigung vor- nehmen lassen zu können gehört zur durch Artikel 8 der Menschenrechtskonvention geschützten Privatsphäre der Frauen; und wenn Meinungsäußerungen diese Privat- sphäre verletzen, sind sie vom Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit nicht mehr um- fasst. Warum soll es AbtreibungsgegnerIn- nen unter dem Mantel der Meinungsäuße- rungsfreiheit erlaubt sein, Frauen Kindsmör- derinnen und Ärzte KZ-Schergen des Baby- Holocaust bzw. - wie im Februar in kreuz.net nachzulesen - Dr. Christian Fiala „Exekutiv- direktor eines Kinderschlachthofes“ zu nen- nen? Psycho-Terror und Belästigungen durch einzelne Personen haben mit dem Versamm- lungsrecht gar nichts zu tun. (dieStandard.at 29.4.05)

POLITIKERINNEN 1919-2004

Erstmals seit Einführung des Wahlrechts auch für Frauen 1919 steht der Landeshaupt- stadt Innsbruck eine Frau als Bürgermeiste- rin vor; im 40 Sitze umfassenden Gemein- derat sind 17 Frauen zu finden. Aber schon 1919 konnten drei Frauen in den Gemeinde- rat einziehen. Eine Broschüre der Stadt Inns- bruck gibt Auskunft über alle Politikerinnen in Innsbruck seit 1919, zusammen mit histo- rischen und aktuellen Informationen. Zu be- ziehen unter Tel.: 0512/5360-4204.

kungen nur allzu gut. Sie sind diejenigen, die mit immer knapper werdenden Mitteln versu- chen müssen, das Leben aufrecht zu erhalten, Kinder groß zu ziehen, die Familie zu ernäh- ren, auf Gesundheit zu achten, die Alten zu pflegen, u.v.a.m., weil jene Institutionen und Strukturen immer mehr Geld für „ihre“ Zwe- cke und Interessen abziehen und für sich in Anspruch nehmen.

Die EU geht nun in ihrer institutionen-Bildung und deren Absicherung, bzw. auch in der Ge- staltung und Umsetzung ihrer Ziele einen gro- ßen Schritt weiter. Dazu soll die EU-Verfas- sung dienen, die zuerst im EU-Konvent erörtert wurde und nun als unterzeichnetes Vertrags- werk vorliegt. Von den Gestaltern der EU wird erwartet, dass alle Länder Europas diesen zwi- schenstaatlichen Vertrag möglichst reibungs- los ratifizieren und umsetzen.

DIE ZIELE DER EU: WETTBEWERB- MARKTWIRTSCHAFT-NEOLIBERALIS- MUS UND SICHERUNG-ERWEITERUNG -MILITARISIERUNG

„(1) Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völ- ker zu fördern.

(2) Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Bin- nengrenzen und einen Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem Wett- bewerb.

(3) Die Union wirkt auf die nachhaltige Ent- wicklung Europas auf der Grundlage ei- nes ausgewogenen Wirtschaftswachs- tums und von Preisstabilität, eine in ho- hem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäf- tigung und sozialen Forschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität

hin. Sie fördert den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.

Sie bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Män- nern, die Solidarität zwischen den Ge- nerationen und den Schutz der Rechte des Kindes.

Sie fördert den wirtschaftlichen, sozi- alen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mit- gliedstaaten.

Sie wahrt den Reichtum ihrer kulturel- len und sprachlichen Vielfalt und sorgt für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas.

(4) In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union ihre Wer- te und Interessen. Sie leistet einen Bei- trag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechtem Han- del, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte, insbeson- dere der Rechte des Kindes, sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwick- lung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.

(5) Die Union verfolgt ihre Ziele mit geeig- neten Mitteln entsprechend den Zu- ständigkeiten, die ihr in der Verfassung übertragen sind.“

Zusammengefasst geht es also um die Stär- kung des Binnenmarktes und um die Eta- blierung, bzw. Festschreibung der Freien Marktwirtschaft. Wobei hier widersprüch- liche Formulierungen im ersten („Wettbe- werbsfähige soziale Marktwirtschaft“) und

Heft 2/05

(14)

AEP Informationen 14

im dritten Teil („Offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ / Art. III/177) der Ver- fassung zu finden sind. Das zweite Ziel, die EU als Friedenskonzept, verkehrt sich bei nä- herem Hinsehen rasch ins Gegenteil – und frau sieht Militarisierung, die Verpflichtung

„ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Art. I/41-3), die Einführung eines Überwachungs-Staates nach innen, sowie die Abschottung nach außen.

GERINGER AKTIONSRADIUS FÜR DIE NATIONALSTAATEN

Wettbewerb bzw. wirtschaftliches Konkur- renzdenken ist die Triebfeder, Neolibera- lismus und seine Festigung das politische, wirtschaftliche und ideologische Konzept.

Dabei ist Neoliberalismus nicht nur ein wirt- schaftspolitisches Konzept, sondern, nach eigenen Aussagen, ein alle Bereiche umfas- sendes Prinzip.

Gleichzeitig mit der Installierung von großen Institutionen zur Durchsetzung dieser Ziele findet eine Transformation des Staates statt.

Durch sie werden einerseits Teile seiner ur- sprünglichen Aufgaben eine Ebene nach un- ten, sprich auf die Ebene der Kommunen (oder Bundesländer), verschoben, andere Teile in die nächste Ebene hinauf, in die Zuständigkeit der EU übergeben. Als „Kernfunktionen“ des Staates verbleiben so eher die „weicheren“

Teile der Politik wie etwa Frauenpolitik, die unter konservativen Vorzeichen immer mehr zu Familienpolitik mutiert, sowie Reste einer Sozial-, Gesundheits- oder Bildungspolitik.

Dass jenen „Nebenschauplätzen“ als Randge- bieten immer weniger Bedeutung zugemessen wird, während die „harten“ Teile der Politik, nämlich Wirtschaft, Militär-, Sicherheits- und Justizpolitik, an Wichtigkeit und Einflussmög- lichkeit gewinnen, verwundert unter diesen Umständen nicht.

Was das wiederum für Frauen bedeutet, er- fahren wir nunmehr beinahe täglich. So ist auch zu erklären, dass Frauen bei Gleichstel- lungspolitik, Gleichberechtigungsforderun- gen, Gender Mainstreaming, Frauenförde- rung und EU-Projekten zu Gender and Diver- sity zwar Fortschritte in Details feststellen können – hier für diese Fortschritte auch viel Energie, Zeit und Kraft investieren, gleich- zeitig aber immer weniger Geld für diese Art der Politik vorhanden ist. Frauen stellen dann oft fest, dass öffentliche Gelder abge- zogen werden, personelle Ressourcen für große Vorhaben fehlen bzw. der Zugang zu EU-Geldern immer schwieriger wird, bis hin zur Erkenntnis, dass kleine Organisationen und Vereine durch das Prinzip „Große kas- sieren ab, die Kleinen leisten die Knochenar- beit“ sogar in ihrer Existenz gefährdet sind.

Strukturelle Veränderungen in der Gesamt- gesellschaft machen Frauenpolitik und Poli- tik für Frauen immer mühseliger.

EU-FRAUENPOLITIK – ABER NICHT WIRKLICH

Auch die Kluft zwischen Realität und Theo- rie nimmt zu. So z.B. kann frau zwar sagen, dass die Richtlinien auf EU-Ebene gut sind, zu ihrer Umsetzung jedoch bräuchten Frauen mehr Geld, mehr Einfluss und mehr Macht.

„Frauen haben keine Lobby!“ ist auch die Er- kenntnis, die sie bitter feststellen müssen.

Und – gemessen an Kraft und Einfluss von Wirtschaftsverbänden wird es durchsichtig, dass sich die politische Macht immer mehr auf Seiten des Geldes befindet. Prinzipi- en wie etwa Demokratie werden tendenzi- ell relativiert. Unter diesem Gesichtspunkt kann frau nicht leugnen, dass für Gleich- stellungsgesetze u.ä. der EU zwar ein wenig Spielgeld vorhanden ist, mehr jedoch nicht.

Denn gleichzeitig – über den Weg von Wirt-

schaftspolitik, Militarisierungspolitik, Ar- beitsmark-Politik und fehlender Sozialpolitik – wurden in den EU-Ländern in den letzten 10 Jahren die Lebens- und Arbeitsbedingun- gen von Frauen massiv verschlechtert, wie dies Susanne Schunter-Kleemann bei einer Tagung über Gender-Mainstreaming in Wien bemerkte.

Aus der EU-Verfassung selbst bzw. aus der Gewichtung der Teile und der Häufigkeit, in der auf gewisse Stichworte eingegan- gen wird, lassen sich ungleiche Wertigkei- ten und Sichtweisen herauslesen. Dies zeigt sich etwa daran, dass es zur Wettbewerbs- politik sehr viel mehr Kapitel und Unterka- pitel gibt als dem Bereich Sozialpolitik ge- widmet wurden. Durch diese Wertigkeiten wird den Bereichen und Denkweisen, die Konkurrenz, wirtschaftliche Effizienz, Ge- walt und Unsoziales herausstreichen, Vor- rang eingeräumt.

Die Zukunft der EU – nun untermauert durch die Verfassung – zielt ab auf den Aufbau ei- ner wettbewerbsfähigen Großregion, die mit den USA in einen Wettkampf treten soll (Lis- sabon-Ziele). Auch die weltweite Absiche- rung durch Ressourcensicherung und Inte- ressens- und Werteverteidigung auch “out of aera“, ist in jenen Zielen formuliert. Wirt- schaftspolitisch gesehen ist die EU-Verfas- sung somit das GATS auf europäischer Ebe- ne. Sie verfolgt die gleichen Ziele wie die WTO. Und: das bedeutet für alle Menschen, insbesondere für Frauen, keine menschen- freundliche positive Zukunft.

WAS HILFT ES UNS,

WENN’S DER WIRTSCHAFT GUT GEHT?

Die hinter dieser neoliberalen Entwicklung der EU stehende Logik sind „Trickle Down“

(also die Vorstellung, wenn die Obersten ausreichend hätten, dann würde auch auf

(15)

AEP Informationen 14

AKTUELL

SCHWARZ-BUCH LIDL

Mit rund 2,4 Millionen Mitgliedern ist ver.di die größte freie Einzelgewerk- schaft der Welt. Sie veröffentlichte Ende vergangenen Jahres das Schwarz-Buch Lidl, das dem Unternehmen die syste- matische Verletzung elementarer Arbeit- nehmerInnenrechte vorwirft. Die Filialen des Discounters sind chronisch unterbe- setzt, so dass die wenigen Angestellten, die vor Ort sind, unter schwierigen und aufreibenden Bedingungen arbeiten (kei- ne ausreichenden Pausen, ständige Kon- trollen auf Diebstahl und ein „Klima der Angst“ – Angst, wegen einer vorgescho- benen oder gar konstruierten Nichtigkeit gekündigt zu werden). Die Angestellten stehen dem Unternehmen gegenüber in einer Bringschuld, kontinuierlich zu be- weisen, dass sie weiterbeschäftigt wer- den sollten. Es bedarf keiner Qualifikati- on, um bei Lidl zu arbeiten. In der Kon- sequenz sind die Kräfte leicht auszutau- schen: Jede(r) ist jederzeit ersetzbar. Von einem Arbeitsplatz, der persönliche Le- bensplanungssicherheit und Berufsethos verspricht, kann also keine Rede sein. Im Gegenteil: Das Unternehmen stellt zu- meist nur geringbeschäftigte Teilzeitkräf- te, meistens Frauen, ein. In über 2.500 Lidl-Filialen in Deutschland gibt es der- zeit in gerade einmal acht (8!) Filialen ge- wählte Betriebsräte. Die gesetzlich vor- gesehenen Mitbestimmungsrechte fallen überall, wo es keine Betriebsräte gibt, er- satzlos weg. Die zunächst 8.000 gedruck- ten Exemplare des Schwarz-Buchs waren innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Das Unternehmen reagierte und sprach von einer Diffamierungskampagne, es gäbe keine unbezahlten Überstunden, auch die Behauptung, in Tschechien müssten Mit- arbeiterinnen in der Menstruationsphase Stirnbänder tragen, sei falsch. Bei ver.di waren 8.000 Reaktionen in Form von An- rufen, Briefen und E-Mails eingegangen, von denen etwa 80 Prozent die Recher- chen und Vorwürfe weitestgehend bestä- tigten. (www.verdi.de)

die unteren Bevölkerungsschichten etwas

„herunterträufeln“) und die internationale sowie die geschlechtsspezifische Arbeits- teilung. – „Wohlstand für alle durch Wirt- schaftswachstum“ ist die Losung. Und das Motto: „Wenn’s der Wirtschaft gut geht, geht’s uns allen gut!“ zeigt eindeutig, wel- chem Kind geholfen werden muss – wie Buttiglione, der derzeitige EU-Vorsitzen- de es formuliert: „Wenn man 3 Kinder hat und eines ist krank, dann ist es keine Frage, wem man helfen muss!“ – auch wenn neben der aufgepäppelten und gewinnträchtigen

„Wirtschaft“ die Arbeitslosigkeit steigt und immer mehr Menschen, insbesondere Frau- en und ihre Kinder, unter die Armutsgrenze fallen. „Nachhaltigkeit“, jener Begriff aus dem Brundtland-Bericht, den wir zur Erhal- tung der Umwelt für die nächste Generation kennen, wird völlig verdreht. In der EU-Ver- fassung hat er eine 3-fache Ausrichtung. Er bezieht sich auf Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Übrig bleibt in der Realität die

„nachhaltige“ Bewirtschaftung der weltwei- ten natürlichen Ressourcen – und dies auch außerhalb der UNO-Charta.

All dieses Denken in neoliberalen Konzepten ist ein Festhalten an überkommenen Glau- benssätzen, die der Mehrheit der Bevölke- rung in den Ländern der EU schadet. Für die- se Politik, für die vorgesehene Militarisie- rung und Aufrüstung und die Verteidigung der „Werte und Interessen“ der EU weltweit werden große Geldbeträge aufgebracht wer- den müssen. Und: Jene Militarisierung, Auf- rüstung und Verteidigung der Werte und In- teressen der EU weltweit widerstreben den Vorstellungen von Frauen über Frieden und Sicherheit vollkommen. Frauen wollen eine andere Welt, Frauen wollen eine andere Si- cherheitspolitik. Sie verstehen unter Sicher- heit viel umfassender die Sicherung grund-

legender Lebensbedürfnisse und sozialer Menschenrechte, die Garantie politischer Menschenrechte, die Sicherheit vor Gewalt, Übergriffen und Diskriminierung im privaten sowie öffentlichen Bereich, auch Rechts- staatlichkeit und Rechtssicherheit und aus- reichend Zugang zu Recht, unabhängig von materieller Ausstattung. Wichtig ist für Frauen auch Gewaltprävention, sowohl im persönlichen Bereich als auch bezogen auf den Umgang der Länder zueinander. – Und schließlich gehören zu einer aktiven Demo- kratie auch ausreichend finanzielle Mittel oder zumindest gerechte Mittelausstattung (s. dazu auch die Feministische Regierungs- erklärung vom Okt. 2002).

EU-VERFASSUNG – DAS SICHTBAR-WER- DEN EINES PATRIARCHALEN PROJEKTS Die nun in der EU-Verfassung festgelegten Werte und Interessen sind patriarchale Wer- te mit menschen-, frauen- und lebensfeind- lichem Hintergrund. Sie folgen der Logik des

„starken Mannes“. Aus diesem „Geist“ kann frau ablesen, worum es geht! Die EU-Ver- fassung ist ein Projekt geschaffen von ei- ner Minderheit egozentrischer Männer der obersten Etagen.

Und: es sind patriarchale Werte, die durch- gesetzt werden sollen,

• etwa die Ausbeutung von Natur und Frauen,

• die Aufrechterhaltung und Ausweitung von geographischer und geschlechtsspe- zifischer Arbeitsteilung zum Zweck der kontinuierlichen Steigerung der Profite,

• die Verfestigung struktureller Gewalt sowie

• die Herstellung von Zonen der Unsi- cherheit und des Umbruchs, um auch hier zu Extragewinnen (Transformati- onsgewinnen) zu kommen.

Heft 2/05 15

(16)

Heft 2/05 17

16 AEP Informationen

Foto: Ursula Kaufmann, 1992, Viktor, 1986

• Ganz zu schweigen von

• der weltweiten Organisierung von Krieg, der den Rüstungskonzernen Pro- fite verschafft,

• der die „Involvierung des Staates“ ent- gegen der sonstigen Ideologie der Nichteinmischung rechtfertigt, und

• der von der Notwendigkeit von Gewalt überzeugt.

Dies alles gemeinsam mit den USA oder im Wettbewerb gegen sie.

Und: Auch die Systemimmanenz von Kriegen ist ein Aspekt und Ausdruck des Patriarchats!

Aus all den Vorstellungen spricht der „Geist“

der Großen und der Stärkeren – des „Oben“

und des „Unten“! Organisationen und Groß- Institutionen sind als Idee vom Militär ab- geleitet und verfolgen männliche Prinzipien bzw. repräsentieren sie eine männliche Erfin- dung. Ihr bevorzugter Kommunikationsstil ist der Befehl, ihre Art des Organisiert-Seins ist die Hierarchie. Frauen hingegen bevorzugen netzwerkisches Verbunden-Sein, flache, ine- xistente Hierarchien, ihr Kommunikationsstil ist Information und Austausch statt Status- feststellung. Entscheidungen werden bevor- zugt auf Konsensbasis getroffen. Diese patri- archale „Ordnung“ und ihr Ausbau, gegründet auf Angst und Aggression, Wettbewerb und Ausgrenzung, Gewalt und Töten ist auch die Antriebsfeder des Kapitalismus – heute hinter dem Wort Neoliberalismus versteckt. Und dies ist auch das wesentliche, eigentlich einzige, (Über-)Lebens-Mittel dieses Systems.

Doch dieser „Geist“ von Angst und Aggression ist nicht geeignet in eine menschengemäße, lebensbejahende, gewaltfreie, förderliche Zu- kunft für die Menschen der Welt zu führen.

Frauen stellen oft fest: Es gibt „Old boys“-Netz- werke und „Big boys“-Projekte, und vor allem:

„Enough money for boys’ games!“ Vergessen werden dabei grundsätzliche gesellschaftliche

Notwendigkeiten. Und Frauen stellen die Fra- ge: Wo bleiben das Geld und die Ressourcen, damit wir unsere Welt gestalten können, nach unseren Vorstellungen?

EINE EU FÜR DEN WOHLSTAND FÜR NUR WENIGE!

War die EU von Beginn an ein männerdomi- niertes Wirtschaftsbündnis, ist auch die Ent- stehungsgeschichte der EU-Verfassung un- demokratisch. Das Prinzip Ausschluss wurde forciert. Also: ein elitäres Vorhaben!

Der Prozess der Verfassungsgebung ist we- der demokratisch noch transparent verlaufen.

Bereits in der Entstehungsgeschichte wurden Frauen und Frauenbelange weitgehend igno- riert. Weder in der Gestaltung der EU-Ver- fassung, noch an den Inhalten haben Frauen gleichberechtigt mitgewirkt (nur 16% der im Konvent vertretenen Personen waren Frauen).

Das Demokratiedefizit der EU bezüglich Gen- der-Issues ist somit beträchtlich. Die EU ist ein „Männerclub“, und alle Gremien und In- stitutionen sind im wahrsten Sinne des Wor- tes „bemannt“. Das vielbeklagte Demokratie- defizit der EU ist also auch ein Defizit weib- licher Repräsentation. Stellen werden in der Regel nicht-öffentlich nach kaum durchschau- baren Kooperationsmodi besetzt, die sich mehr am Nationalproporz, an persönlicher Lo- yalität und „politischem Tausch“ und weniger an fachlicher Qualifikation orientieren.

Und so stellt sich die berechtigte Frage: Dien- te die EU den Nationalstaaten dazu, sich vom Konsens über die „Vereinbarkeit“ von De- mokratie und Marktwirtschaft unbemerkt zu verabschieden, zu Gunsten von Wirtschafts- förderung, Marktwirtschaft und Vorrang des Geldes? Änderungsvorschläge und Kritik von Seiten von Frauen in Richtung Frauenrechte, Gleichheit von Frauen und Männern u.a. wur- den nicht berücksichtigt. Schon in Paris beim

Europäischen Sozialforum 2003 gingen Femi- nistinnen mit dem Entwurf der EU-Verfassung hart ins Gericht. Sie sprachen von „Sozialer Regression für Frauen!“ Und sie (wir) kriti- sierten das Grundgesetz als „machistisch, sexistisch, patriarchal und diskriminierend“

(Europäische Versammlung für Frauenrechte am Europäischen Sozialforum, Paris/Bobig- ny, 12.11.2003). Am ESF in London im Oktober 2004 gingen die Frauen einen Schritt weiter.

Ihre Forderungen für ein „anderes Europa“, ein Europa, in dem auch die Vorstellungen und die Lebensart von Frauen Platz haben, beziehen sich etwa auf: faire Löhne und ge- sicherte Beschäftigungsverhältnisse, Priorität für Soziale Sicherheit, gleiche Teilhabe und Repräsentation von Frauen in Entscheidungs- gremien. Sie fordern volle Bürgerrechte für alle in der EU lebenden Menschen, u.v.a.m.

Frauen weisen Krieg als Konfliktlösungsins- trument striktest zurück, dafür aber fordern sie größeres Augenmerk auf Gewalt an Frau- en und ein gesichertes Zusammenleben aller Menschen.

Am 19. März 2005 gehen europaweit tausen- de von Menschen auf die Straße für die For- derung nach einem sozialen Europa. Ein so- ziales Europa als Gegenkonzept zu den USA und die zerstörerischen “Freiheiten“ des Ne- oliberalismus wäre ein anderes Konzept, ein Schritt in eine „andere“ Welt. Dies ist die Chance, die wir derzeit historisch haben.

AUTORINNEN

Manuela Dobeiner, geboren 1970 in Wien, Studentin der Politikwissenschaft, Aktivistin bei feministATTAC.

Mag.a Angelika Hofmann, Sozial- und Wirt- schaftswissenschafterin, engagiert und ar- beitend im Bereich Entwicklungspolitik, Ab- solventin des Feministischen Grundstudiums und Mitglied von feministATTAC.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Stadt hat einen neuen Auftritt, so dass Singen hier gewinnen kann, was die neue Hegaustraße ganz deutlich zeigt«, zeigt sich Alexander Kupprion von Sport Mül- ler

Das führt nicht unbedingt dazu, dass diese Spiele nur von einsamen Kindern gespielt werden oder dass die Kinder durch das Spielen einsam werden, sehr oft wird, genau wie

Auch die Gesamtschau mit dem - ebenfalls verfahrensfehlerhaften - eigenmächtigen Einholen weiterer Unterlagen reicht nach Auffassung des Senats noch nicht aus, bei

So- dann begab sich der Polizeibeamte mit der Grappaflasche in das Café und hielt dem Betroffenen nach Belehrung vor, dass ihm ein Verstoß nach § 9 Jugendschutzgesetz zu machen

 Wir möchten als Partner der Aktion auf www.wiesbaden.de mit Link zu unserer Internetadresse genannt werden.  Wir wirken als Multiplikator über

Der Regierungsrat ist deshalb aufgefordert, die entsprechenden Zahlen zu erheben, periodisch zu veröffentlichen und Steuerungsmöglichkeiten für eine

Da die Pakete aus Amerika so lang brauchen (das Buchpaket von Euch ist noch nicht da und ich bin ganz verzweifelt…) da also die Pakete aus Amerika so lang brauchen, hab

Es ist zu bedenken, dass nicht alle Frauen unter ein „Wir“ zu fassen sind: Migrantinnen, Schwarze Frauen, Jüdinnen, Lesben oder Frauen mit Behinderung machen auch in Deutschland