• Keine Ergebnisse gefunden

spannendes Thema für eine mindestens über zwei Semester gehende universitäre Ringvor-lesung, in meiner Rede kann ich es nicht um-fassend behandeln. Was ich tun kann ist, eini-ge markante Entwickluneini-gen aus meiner Sicht herauszugreifen.

Ich möchte zu Beginn klären, was ich unter Frauenpolitik verstehe, denn was heute alles unter dem Titel „Frauenpolitik“ – ich bin fast versucht zu sagen „verkauft wird“, hieße in der Konsumentenpolitik „Mogelpackung“ .Jene, die ohnehin nie etwas mit dem Feminismus am Hut hatten, gendern nun den Mainstream.

LANGFRISTIGE AKTIVE GLEICHSTEL-LUNGS- UND ANTIDISKRIMINIERUNGS-POLITIK MIT BREITENWIRKUNG

Wenn ich von Frauenpolitik rede, dann verste-he ich darunter eine langfristige aktive Gleich-stellungs- und Antidiskriminierungspolitik mit Breitenwirkung, deren Ziel es ist, geschlech-terdemokratische Verhältnisse zu schaffen.

Dies betrifft Frauen und Männer, wenn auch mit unterschiedlichen Auswirkungen, denn Gleichstellung für Frauen hat Konsequenzen in der Gleichstellung für Männer. Mir geht es nicht nur um die Karriere von ein paar so ge-nannten Powerfrauen, die uns mit Laptop und Businesskostümchen von diversen Hochglanz-magazinen entgegenlächeln – um die geht’s auch, aber eben nicht nur! Mir geht es auch nicht nur um die Frauen in der Politik, die es zwar vielfach auch schwer haben, aber die doch auf bereits Erreichtes aufbauen können – um sie geht’s auch, aber eben nicht nur ! Es geht, und das ist mir ganz wichtig festzuhal-ten, um die Frauen in den Städten und Dörfern, in den Fabriken, in den Büros, in den Amtsstu-ben, in den Schulen, auf den Universitäten, in den Krankenhäusern, in der Landwirtschaft. Es geht um berufstätige Frauen und um Frauen,

die hauptsächlich Familienarbeit machen (wol-len oder müssen). Es geht um junge und um alte Frauen. Um Mütter und solche, die keine sein wollen oder können.

UMVERTEILUNG UND RECHT DER FRAU AUF EIGENE EXISTENZ Dort, wo die Männer zuviel haben an Macht, Einkommen und Prestige, ist eine Umvertei-lung zugunsten der Frauen erforderlich.

Dort, wo die Frauen zuviel haben an Famili-en- und Betreuungsarbeit, an sozialer Verant-wortung, ist eine Umverteilung zugunsten der Männer erforderlich. Es geht noch immer und zunehmend dringlicher um das Recht der Frau auf eigene Existenz, auf Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit für sich und ihre Kinder.

Das klingt vor allem für jüngere Frauen vermut-lich sehr selbstverständvermut-lich.

Bezogen auf die offizielle Politik der Regierun-gen auf Bundes- und Landesebene können wir nicht von 60 Jahren Frauenpolitik sprechen.

Bis in die siebziger Jahre gab es keine poli-tisch institutionelle Stimme für Frauenpolitik.

Frauenpolitik kam entweder in der Verkleidung von Sozialpolitik oder häufiger noch in jener der Familienpolitik daher. Im sozialpolitischen Ansatz wurde versucht alle Möglichkeiten zu nutzen, um über sozialstaatliche Verände-rungen die Lebensverhältnisse von Frauen zu verbessern. Hier ist einerseits an den traditio-nellen Kampf der Arbeiterinnenbewegung um

„Schutzbestimmungen“ (z.B. Mutterschutz, Nachtarbeitsverbot usw.) zu erinnern. Ande-rerseits aber ist einmal mehr auf die Tatsa-che zu verweisen, dass viele sozialstaatliTatsa-che Sicherungssysteme in unserem Land auf die männliche – so genannte – „Normalbiogra-fie“ in der Erwerbsarbeit abgestimmt waren und sind. Der familienpolitische Ansatz ba-sierte auf einem traditionellen Verständnis

von Familie, mit allen dazugehörigen Rollenzu-schreibungen. Diese traditionelle Familienpoli-tik verstand (und versteht) sich primär als Un-terstützung von Elternschaft. Dahinter verbirgt sich eine ideologische Zuspitzung eigener Art:

Familienpolitik wird auch für bevölkerungspoli-tische Zwecke dienstbar gemacht. Und Vertei-lungsfragen werden nur als Problem der Ver-teilung von Familienlasten zwischen den Gene-rationen, vor allem aber zwischen kinderlosen Haushalten und solchen mit Kindern gesehen.

Stichwort: Familienbesteuerung versus Indivi-dualbesteuerung. Eine Politik der Verteilung zwischen sozialen Klassen und insbesondere auch zwischen den Geschlechtern fand nicht statt. Auf diesen beiden Umverteilungsschie-nen versagt übrigens nun auch der gegenwärti-ge familienpolitische Mainstream völlig.

ERSTE REFORMEN

IN DEN FRÜHEN 1970ER JAHREN

Erst in den frühen 1970er Jahren kam es zu markanten Reformen für Frauen. In dieser Zeit trafen zwei wesentliche Faktoren aufeinander:

1. Die Entstehung der Neuen Frauenbewe-gung und

2. die veränderten politischen Mehrheits-verhältnisse, die in der Folge zu längst überfälligen gesellschaftspolitischen Re-formen führten.

ZUR NEUEN FRAUENBEWEGUNG:

Die Neue Frauenbewegung verstand sich zu-nächst als feministische Gegenkultur. Sie rück-te Bereiche ins Blickfeld, die vorher nicht oder zuwenig beachtet worden waren. Kritisiert wurde die Nichtbeachtung der unbezahlten Re-produktionsarbeit, also der Haus- und Pflegear-beit. Die Vertreterinnen der Neuen Frauenbe-wegung verknüpften diese Kritik mit der Situ-ation von Frauen am Arbeitsmarkt und zeigten auf, dass Männer während des Erwerbslebens

60 JAHRE FRAUENPOLITIK

JOHANNA DOHNAL

AEP Informationen

30 Heft 2/05

doppelt soviel verdienten wie Frauen und da-nach eine doppelt so hohe Pension bezogen.

Sie erkannten diese ökonomischen Bedingun-gen als Rahmen, in dem Diskriminierung, Ge-walt und Abhängigkeit im privaten Bereich gedeihen kann. Sie sprachen über die Gesund-heitssituation von Frauen. Sie diskutierten das Thema weibliche Sexualität und sprachen in Selbsterfahrungsgruppen über die persönli-chen Schwierigkeiten und den eigenen Körper.

Ohne Zweifel ist es der Neuen Frauenbewe-gung zu verdanken, dass alte Tabus wie sexu-elle Gewalt aufgebrochen wurden. Sie sprach offen von Gewalt gegen Frauen, brachte die Situation von Frauen in Forschung und Lehre aufs Tapet und machte Frauen in der Kultur sichtbar. Sie widmete sich auch der Pornogra-phie, kreidete sexistische Werbung an und the-matisierte Prostitution. Es entstanden Frauen-verlage, Frauenzeitschriften, Frauenbuchläden, Frauencafes, Frauenkulturgruppen, Frauenfe-rienhäuser, Frauengesundheitszentren, Frau-enhäuser und Notrufe für misshandelte und vergewaltigte Mädchen und Frauen. „Autono-mie“ fand sich in unterschiedlicher Auslegung in vielen Frauengruppen wieder. Es wurde

er-kannt, dass die Organisation ohne Männer die Voraussetzung dafür war, die eigenen Bedürf-nisse und Probleme überhaupt zu erkennen und gemeinsam besprechen zu können. Das Priva-te wurde politisch. In dieser Phase institutio-nalisierte die Sozialdemokratie Frauenpolitik als Regierungspolitik und begann den gesell-schaftspolitischen Reformstau abzuarbeiten:

1975 ABSCHAFFUNG DES § 144 – EINFÜHRUNG DER FRISTENREGELUNG Dadurch bekamen die Frauen das Recht eigen-ständig darüber zu entscheiden, ob sie Kinder haben wollen oder nicht.

1976 DAS „KERNSTÜCK“

DER FAMILIENRECHTSREFORM

Erst seit diesem Zeitpunkt gilt der rechtliche Grundsatz, dass Mann und Frau in der Ehe glei-che Rechte und Pflichten haben und der Mann nicht mehr das Haupt der Familie ist. Das bis dahin gültige Gesetz gestand z.B. dem Mann zu, der Ehefrau die Berufstätigkeit zu verbieten und alleine über den Wohnort zu entscheiden.

Der Mann hatte die Schlüsselgewalt, die Frau hatte seinen Anordnungen Folge zu leisten.

1978 KINDSCHAFTSRECHT - VERMÖGENSRECHT

Zwei Jahre später, 1978, wurde das Kind-schaftsrecht neu geregelt und damit die „vä-terliche Gewalt“ über die Kinder beseitigt.

Dies bedeutet, dass erst seit 27 Jahren auch Mütter Passanträge, Lehrverträge usw. für ihre Kinder unterschreiben dürfen.

Ebenfalls 1978 wurde die bis dahin geltende Rechtsvermutung, „dass das während der Ehe erworbene Vermögen vom Manne stammt“, eliminiert. Diese Annahme galt bis 1978 üb-rigens auch dann, wenn die Frau selber be-rufstätig war.

1983 ABSCHAFFUNG DES HEIRATSVERBOTS

1983, also vor 22 Jahren, wurde das diskri-minierende „Heiratsverbot“ für geschiedene Frauen abgeschafft. Bis dahin mussten Frau-en nach der Scheidung zehn Monate bis zur Wiederverehelichung warten bzw. mittels ei-nes gynäkologischen Gutachtens nachweisen, dass sie nicht schwanger sind.

Das sind nur ganz wenige Beispiele, die den riesigen Berg an Aufgaben demonstrieren

sol-AEP Informationen

30 Heft 2/05 31

len, den institutionelle Frauenpolitik zu bewäl-tigen hatte. Sie zeigen aber auch die unver-hältnismäßig kurzen Zeiträume - denn was sind schon 20, 30 Jahre gegen die Geschichte und die Macht des Patriarchats!

ABER: ES GING JA WEITER – AUCH HIER NUR EINIGE BEISPIELE Wir haben dafür gesorgt, dass

• auch unverheiratete Mütter die Vor-mundschaft für ihre Kinder bekommen

• Kinder nicht automatisch die Staatsbür-gerschaft des Vaters erhalten

• Mädchen und Buben nach gleichen Lehrplänen unterrichtet werden (tech-nisches und textiles Werken, Hauswirt-schaft)

• es ein Bundesgleichbehandlungsgesetz gibt

• „Gewalt gegen Frauen“ nicht länger ignoriert bzw. toleriert wird

• nicht die misshandelten Frauen, sondern die prügelnden Männer die eheliche Woh-nung verlassen müssen

• es Polizistinnen und Frauen bei der Gendarmerie gibt

• Eltern von Kleinkindern als Alternative zum Karenzurlaub Teilzeit arbeiten konnten

• Hausfrauen keine Schenkungssteuer mehr zahlen müssen, wenn sie gemein-sam mit ihrem Ehemann Wohnungseigen-tum erwerben

• Bäuerinnen und gewerblich selbständi-ge Frauen in den Mutterschutz Frauen konnten erst dadurch einen Pensi-onsanspruch erreichen.

• Das Krankenpflegepersonal wird seit 1993 in das Nachtschichtschwerarbeits-gesetz einbezogen.

• Und wir haben klargestellt, dass es nicht angeht, Frauen zwar beim Pensi-onsalter gleich zu behandeln, ansonsten aber zu benachteiligen. Wir haben dafür gesorgt, dass es zur Festlegung langer Übergangsfristen für die Angleichung des Pensionsalters der Frauen an die Männer kommt (2024 bis 2033) und gleichzeitig das so genannte Gleichbehandlungspaket beschlossen, in dem es um eine Vielzahl von Maßnahmen zur Absicherung der be-ruflichen Gleichstellung geht.

Das alles ist nur ein Ausschnitt aus einer lan-gen Liste. Was aber daraus ersichtlich werden soll ist, dass Frauenpolitik kein historisch bei-läufig entstandenes Politikfeld ist, welches an-dere Politikfelder bloß ergänzt. Es entstand vielmehr aus der Dynamik der Alten wie der Neuen Frauenbewegung .

FRAUENPOLITIK – DER VERLÄNGERTE ARM DER FRAUENBEWEGUNG

IM STAATLICHEN POLITIKRAUM

Die Widerstände waren enorm. Dennoch, was wir trotz aller Schwierigkeiten nachhaltig er-reicht haben, ist Folgendes:

• Die gesetzliche Gleichstellung zwischen Frauen und Männern wurde verwirklicht und wir haben klargestellt, dass sich Recht und Würde der Frau nicht vom Mann ableiten.

• Wir haben Frauenpolitik aus der Fami-lienpolitik herausgelöst und als eigenstän-diges Politikfeld etabliert. Das war eine

wichtige gesellschaftspolitische Wei-chenstellung, denn heute ist klar, dass Fraueninteressen nicht automatisch Fami-lieninteressen sind und dass Frauenpolitik eine Querschnittsmaterie über alle Berei-che hinweg ist.

• Erreicht wurde auch die Enttabuisie-rung des Themas Gewalt gegen Frauen und die Brandmarkung von Gewalt gegen Frauen (und Kinder) als das, was es ist, nämlich ein Verbrechen.

• Weiters gelang es uns, eine Verände-rung in der Sprache und damit im Be-wusstsein zu erreichen. Beides ist glei-chermaßen ein Maßstab für die Einhal-tung der grundlegenden Menschenrechte, aber auch für geschlechterdemokratische Verhältnisse.

• Ein wichtiger Erfolg ist auch die enor-me qualitative und quantitative Steige-rung bei der schulischen und beruflichen Ausbildung von Mädchen und Frauen, so-wie das Zurückdrängen der Ansicht „Mäd-chen brau„Mäd-chen keine Ausbildung, weil sie heiraten ohnehin...“

• Und nicht zuletzt: Es wurde verfassungs-mäßig festgeschrieben, dass die ökono-mische und soziale Gleichbehandlung von Frauen eine Voraussetzung dafür ist, dass Veränderungen so genannter „Privilegien von Frauen“ (z.B. Anhebung des gesetzli-chen Pensionsalters oder Pflicht zur Lan-desverteidigung) überhaupt erst zur De-batte stehen können.

GESELLSCHAFTLICHER

UND WIRTSCHAFTLICHER UMBRUCH Wir leben heute in einem enormen gesell-schaftlichen und politischen Umgestaltungs-prozess, der von einer globalen Marktbarbarei, von steuerpolitischer Umverteilung von unten nach oben und von gravierenden Einschnitten

Heft 2/05

32 AEP Informationen

in wohlfahrtsstaatliche Sicherungen gekenn-zeichnet ist. Der private Markt expandiert, öffentlich-staatliche Räume schrumpfen. Sie werden bis zur Unkenntlichkeit privatisiert bzw.

dereguliert. Gleichzeitig werden Familie und Privatheit entgrenzt. Sie haben wieder öffent-liche Aufgaben zu übernehmen. War es früher das Credo der Frauenbewegung „Das Private ist politisch“, so macht neoliberale Politik das Politische wieder privat. Staatliche Gleichstel-lungspolitik wird privatisiert und individuali-siert. Strukturbedingte Ungleichheit und Diskri-minierung werden nicht mehr thematisiert.

SORGE UM DIE ZUKUNFT DER MEHRHEIT DER FRAUEN

Wir müssen uns heute große Sorge um die Zukunft der Mehrheit der Frauen in unserem Land machen:

Die Arbeitslosenzahlen waren noch nie so hoch wie jetzt und die Zahl der arbeitslosen Frauen explodiert. Die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen wird immer größer – sie liegt im Durchschnitt bei 40%, bei den Arbeiterinnen sind es gar 50 %; da-mit sind wir bereits das Schlusslicht in Eur-opa. Während Männer etwa 6 % ihres Net-toeinkommens eingebüßt haben, verlieren Frauen 11 %.

Die Anzahl der nicht-existenzsichernden Ar-beitsplätze stieg und steigt für Frauen rapi-de.

Und:

Es ist beschämend feststellen zu müssen, dass in einem der reichsten Länder - und dazu gehört Österreich – allein in den letz-ten zwei Jahren die Zahl der armutsgefähr-deten Personen und der akut armen Men-schen stark zunahm und dass sie seit 1957 noch nie so groß war wie heute. Betroffen sind vor allem Frauen, Alleinerzieherinnen und insbesondere auch ältere Frauen. Es ist zu befürchten, dass die nächste Generation der Pensionspflichtigen [soll das nicht hei-ßen: Pensionsberechtigten oder empfängerInnen?] aufgrund der Pensions-kürzungen massiv von Altersarmut betroffen sein wird.

UMVERTEILUNGSPOLITIK VON UNTEN NACH OBEN

Dies alles sind Auswirkungen einer Umvertei-lungspolitik von unten nach oben, die Reiche reicher und Arme ärmer macht und den Mit-telstand abrutschen lässt. Insgesamt würde ich sagen, dass sozialemanzipatorische Denk- und Handlungsoptionen gegen die herrschen-den Ideologien des Neoliberalismus bereits enorm an Gewicht verloren haben! Wenn sich nun Frauenpolitik auf Mentoringprojekte, Er-munterungen, Appelle an die wirtschaftliche und soziale Eigenverantwortung und Gender-Mainstreaming zurückzieht und damit ihren emanzipatorischen Anspruch aufgibt, leistet sie keinen Beitrag in Richtung einer geschlech-terdemokratischen Gesellschaft.

EINIGE SCHLUSSFOLGERUNGEN:

1. Die Jubelmeldungen über das Ende des Patriarchats durch den Vormarsch der Frauen in vielen gesellschaftlichen Be-reichen sind als das zu verstehen, was sie sind: Propaganda der Patriarchen und Postfeministinnen.

2. Frauen haben das Erreichte immer ge-gen einen mehr oder weniger erbärmli-chen Mainstream erkämpft. Gegenwär-tig wird Gleichstellungsrhetorik zur Ab-lenkung praktiziert. AbAb-lenkung von einem staatlich propagierten Familienidyll, das zwar überhaupt nicht mehr den Lebens-verhältnissen der meisten Menschen ent-spricht, aber eindeutig darauf abzielt die Lasten auf Frauen abzuwälzen.

3. Frauenpolitik, die zur Schadensbegren-zung degeneriert, damit Frauen im Zuge der ökonomischen und sozialen Umstruk-turierungen bereits errungene Positionen nicht wieder verlieren, wird die Politisie-rung und MobilisiePolitisie-rung für mehr Gleich-heit und Gerechtigkeit nicht ersetzen können.

4. Der Sozialstaat moderner verfassungsli-beraler Demokratien bedarf heute nicht seiner Abschaffung, sondern einer neu-erlichen Transformation. Diesmal auf der Basis von sozialen Grund- und Men-schrechten.

5. Der Markt und das freie Spiel der Kräfte regeln die Verhältnisse nicht gerecht.

HERRENHAUS MIT FRAUENZIMMER Eine de-regulierte Wirtschaft benötigt für ihr Funktionieren den Unterbau von Fami-lien mit klassischer Arbeitsteilung. D.h. es wird wieder ein „Herrenhaus“ errichtet, dem ein „Frauenzimmer“ angefügt wird, das aber in Wahrheit ohnehin das Kinderzimmer ist, in dem Frauen sich freudig ihren „eigentli-chen“ Bestimmungen zuwenden mögen. Die-ses Herrenhaus folgt dem architektonischen Grundprinzip, dass die Mutter als Institution zu verstehen ist, welche den Gesetzen des Vaters verbunden ist.

Frauenbewegung und Frauenorganisationen sollten sich deshalb an den zahlreichen Aus-handlungsorten eines neuen Sozialstaats-kompromisses nicht nur einmischen, sondern dabei auch aktiv den Geschlechterkonflikt po-litisieren. Anders wird der Konflikt zwischen Frauen-, Familien- und Verteilungspolitik nicht zu lösen sein.

Ich weiß aus vielen Gesprächen und Kontak-ten: es gibt sie, die Frauen, die sich trotz aller Verbiegungen und Verletzungen die Lust und die List für den Streit bewahrt haben. Den Pi-onierinnen der Neuen wie der historischen Frauenbewegung ging es von Anbeginn vor allem um eines: um Gerechtigkeit und Frei-heit. Gerechtigkeit für alle Menschen. Und Freiheit nicht auf Kosten anderer.

Ich denke, es ist Zeit, daran zu erinnern: Die Vision des Feminismus ist nicht eine „weib-liche Zukunft“. Es ist eine mensch„weib-liche Zu-kunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.

Autorin

Mit Johanna DOHNAL, SPÖ, Frauenministe-rin a.D. beginnt Anfang der 1970er Jahre die institutionalisierte österreichische Frauenpo-litik. Diese Rede wurde von ihr beim „Fest für Johanna“ gehalten, das am 29. März 2005 in Innsbruck von der Innsbrucker SPÖ (Gisela Wurm und Sigrid Marinell) veranstaltet wur-de. Wir danken für die Abdruckgenehmigung.

Heft 2/05

AKTUELL

60 Jahre internationale Frauenpolitik 2005 ist ein wichtiges Jahr für die Inter-nationale Frauenbewegung und Anlass für mehr als ein Jubiläum: Vor 60 Jah-ren erklärte die UNO-Charta die Gleichbe-rechtigung zwischen Männern und Frau-en zum prägFrau-endFrau-en Prinzip der VereintFrau-en Nationen. Vor 30 Jahren wurde in Mexi-co City die 1. Weltfrauenkonferenz veran-staltet und damit das UN-Weltfrauenjahr-zehnt (1976-1985) eingeleitet. Vor zehn Jahren wurde schließlich die 4. Weltfrau-enkonferenz in Beijing durchgeführt, bei der ein umfassendes und mutiges Maß-nahmenpaket, die „Aktionsplattform von Beijing“, angenommen wurde. So sehr die Vereinten Nationen also Grund hät-ten, ihre größte „Erfolgsstory“, nämlich ihre Frauenpolitik, gebührend zu feiern, so bescheiden nehmen sich diese Feiern tatsächlich aus: Im März 2005 fand in New York das „Beijing+10 Review“, die Überprüfungskonferenz zur Umsetzung der „Aktionsplattform von Beijing“, statt, und zwar im Rahmen der Frauen-Status-Kommission der UNO. Dieses einstmals sehr kämpferische Organ hat mittlerwei-le viel von seinem Schwung verloren. Es wird aller Anstrengungen bedürfen, um die Anliegen der Aktionsplattform auf-rechtzuerhalten. Das größte Problem be-steht darin, dass dieser Prozess sehr we-nig öffentlichkeitswirksam ist und auf diese Weise Frauenpolitik wieder mehr und mehr als „Nebensache“ behandelt wird. (http://www.oneworld.at)

33 Es gibt einen neuen Ort, an dem Frauen

un-ter sich sind und sich wohlfühlen können.

Zwei Mal im Monat will der Verein tRAUM-frauen in der pmk (Bogen 19) Freiraum für Frauen schaffen.

Da es in Innsbruck wenige Veranstaltungen gibt, die nur für das weibliche Geschlecht gedacht sind, haben sich ein paar junge Frauen zusammengefunden, um Infoabende, Videoabende, Festln, Konzerte und Seminare für Frauen zu organisieren. Dabei soll es um alles gehen, was Frauen, Lesben und Trans-gender betrifft. Der feministische Anspruch soll nicht zu kurz kommen. Es ist ein großer Bedarf an Aufklärungsarbeit zum Thema Fe-minismus zu leisten, da er sogar heute noch negativ oder als Bedrohung gesehen wird – und das nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen. Außerdem sollen Freiräu-me für frauenbewegte Gespräche geschaf-fen werden. Frau kann einfach unter Frauen sein und muss sich nicht unangenehmen Be-gegnungen mit Männern aussetzen. Manch-mal hat Frau einfach Lust etwas ohne das andere Geschlecht zu unternehmen und dazu geben die tRAUMfrauen eine Möglichkeit.

Das alles findet immer in angenehmer und gemütlicher Atmosphäre statt.

Mittlerweile hat es schon einige Veranstal-tungen gegeben, die sehr gut bei den Inns-brucker Frauen angekommen sind:

Die erste Veranstaltung war ein kreativer Workshop zum Thema „Die Rolle der Frau im Alltag“. Am 8. März, dem Internationa-len Frauentag, wurde eine Umfrage gezeigt, die von tRAUMfrauen selbst durchgeführt worden war. Es ging dabei um die Themen Gleichberechtigung und Feminismus. Dafür wurden in Innsbruck wahllos sowohl Män-ner als auch Frauen jeden Alters zu diesen

Themen befragt. Das Ergebnis wurde dann im pmk Bogen präsentiert. Es ist wirklich erschreckend, wie wenig Menschen sich in Innsbruck für Feminismus und Emanzipati-on interessieren. Das hat die tRAUMfrauen noch mehr in ihrer Überzeugung bestärkt, dass in Tirol noch viel im Bereich

Themen befragt. Das Ergebnis wurde dann im pmk Bogen präsentiert. Es ist wirklich erschreckend, wie wenig Menschen sich in Innsbruck für Feminismus und Emanzipati-on interessieren. Das hat die tRAUMfrauen noch mehr in ihrer Überzeugung bestärkt, dass in Tirol noch viel im Bereich