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MEDIZINISCHE LABOR- UND RÖNTGENASSISTENTIN, SPANIENKÄMPFERIN, PSYCHOANALYTIKERIN, MITBEGRÜNDERIN DER DEUTSCHSPRACHIGEN TRADITION DER ETHNOPSYCHOANALYSE

GEB. GRAZ, 30.5. 1911 - GEST. ZÜRICH, 25.4. 1997

ILSE KOROTIN

AEP Informationen Heft 2/05

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AKTUELL

Kapitalismus pur

Drei Meldungen der letzten Monate: 1.) Deut-sche Unternehmen verzeichneten 2004 ein Rekordjahr. 30 deutsche Konzerne haben 2004 ihre Gewinne verdoppelt und gleich-zeitig 35.000 Stellen gestrichen. Auch heu-er wollen sie Tausende Stellen abbauen. 2.) Mehr Dividenden und Gewinne, dafür weni-ger Arbeitsplätze – das ist zusammengefasst das Ergebnis der AK-Studie „Weniger Arbeit – mehr Dividende: Dividendenpolitik der ös-terreichischen Kapitalgesellschaften“. Unter-sucht wurden dafür 324 Kapitalgesellschaften für den Zeitraum 1994 bis 2003. Die Eigentü-mer dieser Gesellschaften bekommen in kurzer Zeit das gesamte eingezahlte Kapital und noch mehr zurück – gleichzeitig wird Personal abge-baut. 3.) In Österreich zeigt der neue Bericht zur sozialen Lage, dass die Reichen reicher werden und mehr ÖsterreicherInnen von Armut bedroht sind. Frauen verdienen immer noch um ein Drittel weniger als Männer. (Der Standard 29.3.05; http://wien.arbeiterkammer.at/www-397-IP-20466.html, www.bmsg.gv.at) Millenniumsziele der UNO

Die Staats- und Regierungschefs aller UNO-Mitgliedsstaaten (darunter auch Österreich) haben sich im Herbst 2000 auf dem Millen-niumsgipfel der Vereinten Nationen in New York auf die acht dringlichsten Ziele der Welt geeinigt: die Millenniumsentwicklungszie-le (MilMillenniumsentwicklungszie-lennium Development Goals – MDGs).

Diese sollen bis zum Jahr 2015 erreicht wer-den. Die Zwischenbilanz nach fünf Jahren fällt allerdings mehr als ernüchternd aus! In Sachen weltweite Armutsbekämpfung (Ziel 1 der Millenniumsziele: Armut und Hunger halbieren) muss der österreichischen Re-gierung ebenso wie jener Italiens und der USA ein Armutszeugnis ausgestellt werden.

Denn Österreich, Italien und die USA wen-den von allen Industriestaaten prozentuell für Entwicklungszusammenarbeit am wenigs-ten Geld auf. MDGs nennen auch „Gleich-stellung und Empowerment von Frauen“ als wichtiges Ziel, eine geschlechtsspezifische Sichtweise ist aber keineswegs in alle Ziele integriert. (http://www.oekostaffel.at/2005/

millenniumsziele.htm) einigung und der Schweizer Gesellschaft für

Psychoanalyse.

Von 1954 bis 1971 unternahm sie gemein-sam mit Fritz Morgenthaler und Paul Parin sechs ethnopsychoanalytische Forschungs-reisen nach Westafrika. Daraus entstanden die inzwischen als „Klassiker“ der Ethnopsy-choanalyse geltenden Untersuchungen „Die Weißen denken zuviel; Psychoanalytische Untersuchungen bei den Dogon in Westafri-ka“ (1963) und „Fürchte deinen Nächsten wie dich selbst; Psychoanalyse und Gesellschaft am Modell der Agni in Westafrika“ (1971).

Goldy Parin-Matthèy gehört, gemeinsam mit Paul Parin und Fritz Morgenthaler, zu den Be-gründerInnen der deutschsprachigen Traditi-on der Ethnopsychoanalyse als wissenschaft-licher Methode. Durch ihre Forschungsreisen in Westafrika war es ihnen erstmals in der Geschichte der Anwendung der Psychoanaly-se gelungen, auf ethnologischem Gebiet die psychoanalytische Technik als Methode der ethnologischen Feldforschung zu erproben.

Mit ihren ethnopsychoanalytischen Unter-suchungen bei den Dogon und Agni und der gleichzeitigen Rückbeziehung auf ihre psy-choanalytischen Erfahrungen in der eigenen Kultur konnten sie nachweisen, dass sich die Psychoanalyse praktisch und theoretisch eig-net, Menschen, die in anderen gesellschaft-lichen Formationen und außerhalb der euro-päischen Kultur- und Zivilisationsgeschichte leben und aufgewachsen sind, psychoanaly-tisch zu verstehen. Die Psychoanalyse wird dabei als Trieb- und Konfliktpsychologie ver-standen und als Instrument zur differenzier-ten Betrachtung und Analyse gesellschaftli-cher Strukturen verwendet. (Reichmayr 2003, S. 319). Die ethnopsychoanalytischen Erfah-rungen, die in fremden Ländern und Kultu-ren gewonnen wurden, nutzten sie für ihre Erkenntnisse zur Erweiterung und

Differenzie-rung der psychoanalytischen Theorie und Pra-xis, deren Ergebnisse in den beiden Sammel-bänden „Widerspruch im Subjekt“ (1978) und

„Subjekt im Widerspruch; Aufsätze 1978 bis 1985“ (1986) im Syndikat Verlag in Frankfurt am Main vorgestellt wurden.

Den Zusammenhang zwischen ihrem politi-schen Engagement in Spanien und Jugosla-wien und ihrer späteren Tätigkeit als Psycho-analytikerin beschreibt Goldy Parin-Matthèy mit folgenden Worten:

„Meinen Beruf als Psychoanalytikerin verste-he ich auch politisch und subversiv in diesem Sinn, dass Analysanden die verinnerlichten Machtstrukturen, die von der äußeren Welt durch die Sozialisation in ihr Inneres einge-pflanzt sind, erkennen können. Sie lernen über ihre natürliche Widerspenstigkeit ge-gen allzu große Anpassung an die Verhält-nisse ihre eigenen BedürfVerhält-nisse und Wünsche zur Selbstwerdung unterscheiden. Denkende Menschen sind schlecht regierbar (...). Nach dem jugoslawischen Partisanenkrieg habe ich mir gesagt: So, und jetzt werde ich Analytike-rin, weil das für mich – und ich habe es immer so aufgefasst – ein Guerillakampf mit ande-ren Mitteln ist: in den einzelnen Menschen die Widerspenstigkeit und das Aufständische freizukriegen, so dass sie wieder leben und zu ihren eigenen Sachen kommen.“ (Parin-Matthèy in Hug 1988)

Mit großer Selbstverständlichkeit lebte sie nach ihrem lebenslangen Leitmotiv, ihrer ei-genen anarchistischen Utopie unhierarchi-scher, horizontaler politischer und persönli-cher Beziehungs-, Besetzungs- und Vernet-zungsgeflechte. (Rambert 1996, S. 11). Goldy Parin-Matthèy wurde für viele Frauen, nicht nur aus dem Kreis der linken psychoanalyti-schen Szene, zur Identifikationsfigur und zum Leitbild als politisch engagierte und selbstän-dig denkende Frau.

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Goldy Parin-Matthèy lebte von 1939 bis zu ihrem Tod am 25. April 1997 mit ihrem Le-bens- und Arbeitsgefährten, dem Arzt, Psy-choanalytiker und Schriftsteller Paul Parin, in Zürich.

VERWENDETE LITERATUR

Heinz Hug: „... ein Guerillakampf mit an-deren Mitteln“. Interview mit Goldy Parin-Matthèy. In: Schwarzer Faden Nr. 27, 1988.

Paul Parin: Erfahrungen mit der Psychoa-nalyse bei der Erfassung gesellschaftlicher Wirklichkeit. In: Institutsgruppe Psycholo-gie der Universität Salzburg (Hg.): Jenseits der Couch. Psychoanalyse und Sozialkritik.

Frankfurt/M. 1984, S. 25-48; hier S. 36.

Bigna Rambert: Macht doch net so a

Gschiss! Abschied von Goldy Parin-Matthèy.

In: Werkblatt. Zeitschrift für Psychoanaly-se und GePsychoanaly-sellschaftskritik 37, Nr, 2, 1996, S. 9-11.

Johannes Reichmayr / Ursula Wagner / Ca-roline Ouederrou / Binja Pletzer: Psychoana-lyse und Ethnologie. Biographisches Lexikon der psychoanalytischen Ethnologie, Ethno-psychoanalyse und interkulturellen psycho-analytischen Therapie. Gießen 2003 (ent-hält die Biografien von Goldy Parin-Matthèy, Paul Parin und Fritz Morgenthaler). Johan-nes Reichmayr: Goldy Parin-Matthèy. In:

Brigitta Keintzel / Ilse Korotin (Hg.): Wissen-schafterinnen in und aus Österreich. Leben Werk Wirken. Wien 2002, S. 549-554 (ent-hält das komplette Werkverzeichnis).

BILDNACHWEIS:

Brigitta Keintzel / Ilse Korotin (Hg.): Wissen-schafterinnen in und aus Österreich, S. 550 (Abb. Goldy Parin-Matthèy und Paul Parin.

Privatbesitz Johannes Reichmayr).

Werkblatt 37, 1996, S. 6, 8 (Abb. Porträts Goldy Parin Matthèy. Mätzler-Foto).

AUTORIN

Dr. phil. Ilse Korotin ist Wissenschaftshis-torikerin, Leiterin der Dokumentationsstel-le Frauenforschung am Institut für Wissen-schaft und Kunst und Lehrbeauftragte der Universitäten Wien (Philosophie) und Kla-genfurt (Gender Studies).

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