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VON FRAUENBEWEGTEN AUFBRÜCHEN UND NEOLIBERALEN ABBRÜCHEN

EVA HÄFELE

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24 Heft 2/05

Leistungsverträge kompensieren demokrati-sche Mitbestimmung, Studierende werden zu

„`KundInnen´, die ihre Studiengebühren jener Universität zukommen lassen sollen, die ihnen das beste − sprich verwertbarste − Studium anbieten kann. Über den Weg der Evaluation können sie sich dann über Produktmängel der gekauften Ware beschweren“ (ebd., 15). Die Regulierung von Angebot und Nachfrage wird auf diese Weise zum zentralen Gegenstand der universitätsinternen Entscheidungsprozesse, ein Verständnis, in dem politisch-emanzipato-rische Ziele keinen Platz mehr haben wie auch ein kritisch-emanzipatorisches Wissenschafts-verständnis per se angreifbar und auch ange-griffen wird. (ebd., 15f; Ralser 2003, 163).

AKTUELLE ABBRÜCHE IN DEN FEMINISTISCHEN WISSENSCHAFTEN Die jüngere Geschichte des Instituts für Erzie-hungswissenschaften und der massive Angriff auf die feministischen Studien könnte genau so gelesen werden: Kritischen Sozial- und Kultur-wissenschaften verbunden, dadurch und darü-ber hinaus einem interdisziplinären Anspruch verpflichtet, wurde die Studienrichtung Päda-gogik und auch der feministische Studienzweig im Rahmen eines Evaluierungsverfahrens im Jahr 2002 in ihrer Profilierung als „Integrati-onswissenschaft oder Mehrfachdisziplin“ (Ral-ser 1999, 79) heftig kritisiert. In der „Tendenz einer disziplinären Restauration“ (Ralser u.a.

2003, Vorwort) und Re-Orientierung an „uni-versitären Fächereinteilungen“ (ebd.) gerieten die Erziehungswissenschaften unter den Druck der Disziplin einerseits. Andererseits wohl auch unter den disziplinierenden Druck einer monokratischen und marktförmig organisierten Universität, in der Regulierungsversuche − wie Evaluierungsverfahren dies darstellen − Ge-fahr laufen, sich zu Herrschaftsinstrumenten zu wandeln (Ralser 2003, 163). Gerade

aktu-ell und seit April 2005 kämpfen Mitglieder des Mittelbaus der Erziehungswissenschaften per Unterstützungsbrief − das einzige Instrument der Einflussnahme und `Mitsprache´, das ge-blieben ist − gegen eine Personalreduzierung im Bereich der `Integrativen Pädagogik´, mit dem Anspruch und auf dem Hintergrund, dass die Inklusion von Menschen mit Behinderung zu den unverzichtbaren Aufgaben humaner und demokratischer Gesellschaften gehört, ein An-spruch, den die Universität im Sinne von For-schung und Lehre unterstützen sollte, will sie einer solchen Gesellschaft zuarbeiten.

Auch die von der Universität Innsbruck zur Verfügung gestellten Mittel für feministische Lehre wurden sukzessive und drastisch ge-kürzt: Heuer wurden der Koordinationsstelle für die Bestückung des Wahlfachstudiengangs und zur Förderung feministischer Lehre an di-versen Instituten und Fakultäten um die 44%

weniger Ressourcen zugewiesen als noch vor zwei Jahren1.

Dies bedeutet fast die Hälfte weniger an feministischer Lehre für Studierende aus dem Lehrangebot der Koordinationstelle seit dem Studienjahr 2002/03!

NEOLIBERALE BILDUNGSPOLITIK Im Zeichen einer neoliberalen hochschulpo-litischen Wende werden Studieninhalte, die nicht dem neoliberalen Diktat von ökonomi-scher Verwertbarkeit entsprechen, die einem kritischen Wissenschaftsverständnis verpflich-tet sind und der (Geschlechter-)Demokratie zu-arbeiten, prekär und auch feministische For-schung und Lehre werden im aktuellen neo-liberalen Umbau der Universitäten mit ihren autokratischen Entscheidungsstrukturen (UG 2002) angegriffen. Inwieweit es nun im Zuge des neuerlichen Umbaus der Universität − per EU-Vorgabe werden alle Studien in den nächs-ten Jahren in ein Bakkalaureats- und

Magis-terstudium überführt − gelingen wird, feminis-tische Forschung und Lehre zu erhalten und in-wieweit diese dann auch mit finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet wird, bleibt offen und fraglich. Denn sicher ist auch,

„dass jede neue Institutionalisierungsform und sei sie noch so bescheiden, immer wieder pre-kär werden kann, auf Dauer − wie jede ande-re frauenpolitische Errungenschaft − nur gelie-hen ist, bei jeder Veränderung neu zur Debatte steht“ (Ralser 2003, 160) und wohl oder übel durch die Zeit von Frauen immer wieder rekla-miert und erkämpft werden muss.

ANMERKUNG

1) Wurden im Studienjahr 02/03 der Koordina-tionsstelle noch insgesamt 43 Semesterwo-chenstunden für feministische Lehre (27 aus dem `Frauentopf´ für überfakultäre Lehre und 16 SWS aus dem `Wahlfachtopf´ der Geistes-wissenschaften) zur Verfügung gestellt, waren es 03/04 nur mehr insgesamt 30 Semester-wochenstunden (18 SWS aus dem `Frauen-topf´ und 12 SWS aus dem `Wahlfach`Frauen-topf´) und schlussendlich heuer 04/05 insgesamt nur mehr 24 SWS (je 12 aus beiden Töpfen).

LITERATUR

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Gensluckner, Lisa/Regensburger, Christine/

Schlichtmeier, Verena/Treichl, Helga/

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Ralser, Michaela (1999): Feministische Ge-sellschafts- und Kulturanalyse in den Erzie-hungswissenschaften. Das Innsbrucker Pro-jekt feministischer Studien. In: Hey, Barbara (Hg.): Innovationen. Standpunkte zur feminis-tischen Forschung und Lehre. Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft, Bd. 9/2, hg. vom Bundesministerium für Wis-senschaft und Verkehr, Wien, 77-95.

Ralser, Michaela (2003): Feminismus ist tragbar. Plädoyer für eine kritische Ge-schlechterperspektive in den Wissenschaf-ten und in der Erziehungswissenschaft. In:

Rathmayr, Bernhard/Ralser, Michaela: Zu-kunft Erziehungswissenschaft. Auffassun-gen und NeufassunAuffassun-gen einer Disziplin im Umbruch, Innsbruck, 161-179.

Ralser, Michaela/Rathmayr, Bernhard/Wolf, Maria (2003): Vorwort zur Reihe. In:

Rath-mayr, Bernhard/Ralser, Michaela (Hg.): Zu-kunft Erziehungswissenschaft. Auffassun-gen und NeufassunAuffassun-gen einer Disziplin im Umbruch, Innsbruck.

Wolf, Maria (1996): Feministische Erzie-hungswissenschaft. In: Hierdeis, Helmwart/

Hug, Theo (Hg.): Taschenbuch der Pädagogik Bd. 2. Baltmannsweiler, 332-349.

Wolf, Maria/Messner, Anna/Bertoluzza, Eva/

Gitzl, Martina/Pfaundler, Karin/Faccinelli, Angelika/Schweigkofler, Manuela/Gruber, Miriam (1990): „Ja, … aber …“ − Femi-nistischer Studienplan: Ein Ergebnis wi-dersprüchlicher Diskussionen innerhalb der Geschichte von Frauenbewegung, Feministi-scher Forschung und Lehre am Institut für Er-ziehungswissenschaften. In: Hug, Theo (Hg.):

Die soziale Wirklichkeit der Theorie. Beiträ-ge zur Theorievermittlung und -aneignung in der Pädagogik, München, 85-107.

AUTORIN

Mag.a Eva Häfele, Studium der Erziehungs-wissenschaften, ist Mitarbeiterin und Akti-vistin des ArchFem – Interdisziplinäres Archiv für feministische Dokumentation.

AKTUELL

TIROLER LANDESVERWALTUNG FEST IN MÄNNLICHER HAND

Ausnahme ist die Bezirkshauptmannschaft Schwaz, wo es 64,29 % weibliche A-Beamte gibt, während in den übrigen Ämtern die Pro-zentsätze zwischen 11,11 % (Landeck) und 28,57 % (Reutte und Kufstein) schwanken.

Die Gleichbehandlungsbeauftragten des Landes Tirol und der Tilak, Isolde Kafka und Anna Strobl, sehen noch großen Nachholbe-darf: Frauen sind auf der Führungsebene un-terrepräsentiert, es gibt bei ihnen weniger Pragmatisierungen und sie haben niedrigere Einkommen. Frauenfeindliche Aussagen, wie z.B. jene des Geschäftsführers der Industri-ellenvereinigung, der gemeint hatte, Frauen hätten wegen der Kinderbetreuung ihr Hirn nicht bei der Arbeit, helfen sicherlich nicht, das Klima frauenfreundlicher zu machen. (TT 14.2.2005)

KENIANERIN MAATHAI WIRD

VORSITZENDE VON NEUEM RAT DER AU Die Kenianerin Wangari Maathai war im Dezember als erste Umweltschützerin und erste afrikanische Frau mit dem Friedensno-belpreis ausgezeichnet worden. Sie ist nun damit betraut worden, eine neu gegründe-te Einrichtung der Afrikanischen Union (AU) zu leiten, die der Zivilgesellschaft auf dem Kontinent eine Stimme verleihen soll. Der wirtschaftliche, gesellschaftliche und kultu-relle Rat (Ecosoc) der Union sollte noch am gleichen Tag vereidigt werden. Bis in zwei Jahren sollen ihm 150 VertreterInnen der afrikanischen Zivilgesellschaft und der afri-kanische Diaspora angehören, darunter Ver-treterInnen nichtstaatlicher Organisationen wie Frauen-, Jugend- und Berufsverbände.

(dieStandard.at 30.3.05)

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„Alles ist gestaltet von Menschenhand, ge-schmückt, gepflegt, verstellt, zerpflügt, zer-stört, und immer noch im Werden, nie fertig.

Da müsste man langsam gehen. Aber gerade das dürfen wir nicht.“

Goldy Parin-Matthèy und Paul Parin im Vor-wort zu Ingrid Strobl: Frausein allein ist kein Programm. Freiburg i. Br. 1989

Elisabeth Charlotte (Goldy) Matthèy de Gue-net wurde am 30. Mai 1911 in Graz als Toch-ter einer wohlhabenden großbürgerlichen Fa-milie geboren. Die FaFa-milie stammte ursprüng-lich aus der Schweiz und war seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Graz ansässig, wo sie eine Fabrik für Steindruck − die renommier-te lithographische Anstalt Matthèy − betrieb.

Durch ungünstige Geschäftsentwicklung und Inflation verlor die Familie 1920 das gesamte Vermögen. (s. hier und im Folgenden Reich-mayr 2002 u. 2003).

Goldy Matthèy besuchte in Graz die

Volks-schule, das Mädchengymnasium und an-schließend die Keramikklasse an der Kunst-gewerbeschule in Graz. Danach absolvierte sie eine Ausbildung zur medizinischen Labor- und Röntgenassistentin.

Goldy verkehrte in den von der Jugendbewe-gung beeinflussten Grazer KünstlerInnen- und Intellektuellenzirkeln, wo sie Antifaschis-tInnen, SozialisAntifaschis-tInnen, KommunistInnen und AnarchistInnen traf. Goldys beste Freundin war zu jener Zeit die spätere Keramikerin und Bildhauerin Maria Biljan-Bilger, die sie 1928/

1929 an der Kunstgewerbeschule in Graz ken-nen lernte und die 1933 Goldys Cousin Ferdin-and Bilger heiratete. 1933 ging sie nach Wien und arbeitete unter anderem in einem von August Aichhorn geleiteten Heim für schwer erziehbare Jugendliche. Gemeinsam mit Fer-dinand Bilger und anderen AntifaschistInnen schloss sie sich den Internationalen Brigaden an und ging am 5. 6. 1937 über Vermittlung der kommunistischen Jugend nach Spanien.

Begeistert von dem damaligen „solidarischen Elan“ berichtet sie in einem Interview 1988:

„Und das war nun wiederum dieses unglaub-lich umwerfende Erlebnis, das ich wirkunglaub-lich je-dem wünschen würde. Aus der ganzen Welt, selbst aus Japan, waren Freiwillige da, jeder mit seiner eigenen Geschichte und großen Strapazen und Gefahren, und kamen dort zu-sammen, alle, um gegen den Faschismus in Spanien zu kämpfen.“ (Hug, 1988).

Goldy Matthèy trug den Tarnnamen „Liselot“

und arbeitete als Laborantin im Röntgeninsti-tut in Albacete. Eine wichtige Position, denn nun gab es „plötzlich gute Röntgenbilder“

und sie erhielt den Auftrag, ein Laboratori-um aufzubauen (Hug, 1988). Im Herbst 1938 wurde das Zentrale Laboratorium und Spital der Internationalen Brigaden in die nordspa-nische Stadt Vic verlegt. Sie verließ Spanien mit den letzten Mitarbeiterinnen der Centrale

Sanitaire Internationale im Frühjahr 1939 und war etwa zwei Monate lang im Frauenlager St. Zacharie (bei Marseille) für Flüchtlinge aus Spanien interniert.

Goldy Matthey kam Ende April 1939 nach Zü-rich, wo sie von 1939 bis 1952 (mit einer Un-terbrechung 1944/1946) ein Laboratorium für Blutuntersuchungen betrieb. In Zürich lernte sie den als Sohn einer assimilierten jüdischen großbürgerlichen Familie auf dem elterlichen Gutsbesitz in Slowenien aufgewachsenen und in Graz, Zagreb und Zürich Medizin stu-dierenden Paul Parin kennen, mit dem sie ab diesem Zeitpunkt zusammenlebte. 1955 hei-ratete das Paar. Vom September 1944 bis Ok-tober 1945 war sie mit Paul Parin und wei-teren fünf Ärzten im Rahmen der Schweizer Ärzte- und Sanitätshilfe als Freiwillige in der jugoslawischen Befreiungsarmee im Einsatz.

1946 organisierte sie die Poliklinik der Cen-trale Sanitaire Suisse und des Don Suisse in Prijedor in Bosnien.

1950 bis 1952 absolvierte sie in Zürich eine Ausbildung in Psychoanalyse (bei Prof. Dr. Ru-dolf Brun) und eröffnete danach mit Paul Pa-rin und Fritz Morgenthaler eine psychoanaly-tische Privatpraxis:

„Für uns alle drei war die Ausbildung in der Psychoanalyse nach dem Zweiten Weltkrieg, zu Beginn des so genannten Kalten Krieges, eigentlich eine Verheißung, eine Hoffnung, mit der Psychoanalyse als einer emanzipato-rischen Wissenschaft eine vertiefte und auch politisch orientierte Kulturkritik zu betreiben“

(Parin 1984, S. 36).

Parin-Matthèy nahm am 1958 gegründeten Psychoanalytischen Seminar teil, beteiligte sich aber nur informell am Ausbildungsbe-trieb, weil sie sich gegen schulisch regulier-te Formen von Lernen und Ausbildung aus-sprach. Von 1952 bis 1997 war sie Mitglied der Internationalen Psychoanalytischen