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Konventionelles Röntgen ist der Standard in der Frakturdiagnostik, doch auch die Sonographie kann in der Diagnostik eingesetzt werden. Die Sonographie hat eine hohe Sensitivität und Spezifität zwischen 90- 96% in der Frakturdetektion, besonders bei Frakturen in der Diaphyse und Metapyse der langen Röhrenknochen. Da die Kontur in der Epiphyse meist irregulär ist, ist es wesentlich schwieriger in dieser Region Frakturen zur erkennen . (1,2,3,5). Wenn klinisch indiziert, besonders aber bei Frakturen mit potentieller Gelenkbeteiligung, disolizierten Frakturen oder Mehrfragmentfrakturen sollte
ergänzend eine Röntgen-Untersuchung durchgeführt werden.
Die Sonographie hat ebenfalls eine hohe Effektivität in der Beurteilung der Frakturheilung, besonders in den frühen Stadien der Frakturheilung höher als die Röntgendiagnostik.(7,8)
•
Untersuchung mit einer 7,5-12 MHZ Linearsonde
•
Nur in besonderen Fällen Untersuchung mit 3,5Mhz- Konvexsonde (z.B. Femur)
•
Die traumatisierte Extremität sollte in Längs- und Querschnitt von jeder möglichen Seite untersucht
werden.
Grundlagen
Ultraschall in der Frakturdiagnostik und Beurteilung der Frakturheilung
Essentielle Voraussetzung für die Untersuchung ist die Kenntnis der Anatomie der betroffenen Extremität!
Oberarm, Oberschenkel
Unterarm, Unterschenkel
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• Eine Fraktur erscheint als Unterbrechung der Kortikalislinie mit oder ohne Stufenbildung
• Begleitende Zeichen einer Fraktur
- Anhebung des periossären Gewebes durch ein Hämatom - Vermehrte Perfusion des umgebenden Gewebes
- Bei Frakturen mit Gelenkbeteiligung (hämorrhagischer) Gelenkerguss - Ödem in den Weichteilen der traumatisierten Region
Normalbefund
Durch den hohen Impedanzunterschied zwischen dem Knochen und dem umgebenden Gewebe kommt es zur Schallreflexion an der Kortikalis. Die Kortikalis des Knochens kommt so als glatte, sehr echoreiche Linie mit dorsaler Schallauslöschung zur Darstellung. Strukturen im Knochen können nicht eingesehen werden.
Frakturzeichen
Kortikalis Reverberation
Muskel Kortikalis
Längsschnitt Querschnitt
Unterbrechung der Kortikalis
Weichteilödem
Anhebung des periossären Gewebes
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Vermehrte Perfusion
SOFA
Sonographisches Fatpad-Zeichen bei Frakturen mit
Beteiligung des Ellen- bogengelenkes
Gelenkerguss bei Frakturen mit Gelenkbeteiligung
Bei unsicheren Befunden:
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Sonopalpation: lokaler Druckschmerz?
•
Vergleich mit Gegenseite
•
Begleitende Zeichen einer Fraktur?
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Differentialdiagnose Tipps und Tricks
Versorgendes Gefäß Sonopalpation; Darstellung in Querachse;
Farbdoppler
Kortikale Erosionsen Sonopalpation
Vorgelagerte Sesambeine, Ossikel oder Verkalkungen
Sonopalpation, Untersuchung in Querachse oder anderem Anstellwinkel
Postosteosynthetische Veränderungen
Z.B. Osteosynthesematerial, Knochentunnel) Anamnese, Sonopalpation
Koritkale Unterbrechung durch ein nutritives Gefäß
Kortikale Erosion
Differentialdiagnose
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Colles Fraktur vor… …nach geschlossener Reposition
Colles Fraktur vor…
Repositionskontrolle nach geschlossener Repdosition
…nach geschlossener Reposition
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Frakturheilung
Sekundäre Frakturheilung (auch indirekte Frakturheilung) ist die häufigste Art der
Frakturheilung.
Wir unterscheiden 3 Phasen der Frakturheilung, von denen jede erneut unterteilt werden, so dass insgesamt 6 Phasen unterschieden werden können.
1.Phase: Reaktive Phase
a) Entzündungsphase b) Granulationsphase
2. Phase: Kallushärtunga) Knorpelkallusbildung
b) Geflechtknocheneinlagerung
3. Phase: Modeling und Remodelinga) Umbildung des Geflechtknochens in lamellären Knochen (Modeling) b) Wiederherstellung der normalen Knochenkontur u. des Markraumes (Remodeling)
Nur die späte 2. Phase und die 3.Phase können im Röntgenbild dargestellt werden.
Ultraschall kann alle Phasen der Frakturheilung darstellen, wodurch der
Heilungsverlauf überwacht und Komplikationen frühzeitig erkannt werden können.
(7,8,9,10)
Primäre Frakturheilung:
Direkter Wiederaufbau des Knochens bei direktem Kontakt der Frakturenden ohne Kallusbildung.
Erforderlich: rigide Frakturstellung ohne Beweglichkeit der Frakturenden mit oder ohne Kompression an den
Frakturenden; meist nach Osteosynthese
(7)Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Frakturheilung
7
Sonographische Frakturheilung nach Ricciardi (6)
1a: Entzündungsphase
Kortikalislücke mit Hämatom Ricciardi 1
1b: Granulationsphase
periostaler echoarmer Randwall, der beide Frakturenden umfasst
Ricciardi 2
2a: Knorpelkallusbildung echoreiche Brücke mit dorsaler Schallverstärkung
Ricciardi 3
2b Geflechtknocheneinlagerung echoreiche Brücke mit dorsaler Schallauslöschung
Ricciardi 4
3a: Modeling
Schallschatten verschwindet, Widerholungsartefakte noch unterbrochen
Ricciardi 5 3b: Remodeling
Wiederholungsartefakte hinter der Kortikalislinie sind nicht mehr unterbrochen
Ricciardi 6
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1 a: Entzündung: 0-48 Stunden nach dem Trauma: Hämatom umgebend die Fraktur
1b: Granulationsphase: 48-72 h nach dem Trauma: Resorption der Blutzellen, Vermehrung der verbleibenden Fibroblasten, die einen fibrösen Kallus bilden. Durch Einsprießen von Gefäßen vermehrte Perfusion im Kallus→ Hinweis auf einen vitalen Kallus.
Diese Phase dauert 2-4 Wochen und überlappt mit den nachfolgenden Phasen.
1. Reaktive Phase der sekundären Frakturheilung
Sonographische Zeichen: Echoarmer periostaler Wall umfassend beide Frakturenden (Ricciardi 2); Hypervascularisation des echoarmen Walls, des fibrösen Kallus.
Sonographische Zeichen: Unterbrechung der Kortikalis, ggf. mit Schallverstärkung in einer Kortikalislücke (Riccairdi 1). Anhebung des periostalen Gewebes durch ein Hämatom, vermhrte Perfusion, Ödem in den angrenzenden Weichteilen.
Hämatom
Fraktur
Hämatom
Fraktur
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2 a: Knorpelkallusbildung: Zellen des Periostes und Fibroblasten des Kallus vermehren sich.
Einwanderung von Chondroblasten, die einen hyalinen Knorpel bilden. Die neuen Gewebeanteile vergrößern sich und verbinden sich mit Gegenstücken von anderen Arealen der Fraktur. Hierdurch bilden sie den eigentlichen, zunächst inhomogenen und weichen Frakturkallus. Die Kallusbildung erreicht ihren Höhepunkt um den 14. Tag nach dem Trauma.
2. Kallushärtung
Sonographische Zeichen: echoreiche Brücke ohne dorsale Schallauslöschung, entsprechend hyalinem Knorpel (Ricciardi 3); weiterhin Hypervaskularisation.
Sonographische Zeichen: echoreiche Brücke ohne dorsale Schallauslöschung, entsprechend hyalinem Knorpel echoreiche Läsionen mit dorsaler
Schallauslöschung, entsprechend Geflechtknochen (Ricciardi 4). Hypervaskularisation.
2 b: Geflechtknocheneinlagerung: an den Enden des Frakturspaltes werden Osteoplasten gebildet, die Geflechtknochen bilden. Sowohl hyaliner Knorpel als auch Geflechtknochen vergrößern sich, bis sie sich mit ihren Gegenstücken von anderen Arealen des
Frakturspaltes verbinden.
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3a: Modeling: Ersatz des Geflechtknochens durch lamellären Knochen. Diese Phase dauert von der 4. bis zur 8.Woche.
Sonographische Zeichen: Echoreiche Brücke mit dorsaler Schallauslöschung,
darunterliegende Reverberationsechos unterbrochen .(Ricciardi 5) ; normale Vaskularisation
3. Modeling und Remodeling Phase
Sonographische Zeichen: Konvexe Wölbung der Kortikalislinie mit konvexer Wölbung auch der Reverberationsechos (Ricciardi 6)
3b: Remodeling: Der lamelläre Knochen wird durch Trabekelknochen ersetzt, die Form des Knochens gleicht sich wieder der ursprünglichen Form an. Diese Phase kann über 3-5 Jahre nach dem Trauma andauern, abhängig u.a. von Alter und Allgemeinzustand. (6)
Rippenfraktur; 2 Jahre nach dem Trauma
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Heilungsprozess einer eingestauchten Fraktur des 2. Metatarsale
Primäre Frakturheilung ohne Kallusbildung
right food
Geflechtknochen in den einsehbaren Arealen des Frakturspaltes
1. Unterschung 2Tage nach dem Trauma
Untersuchung 35 Tage nach dem Trauma
12 Untersuchung 9 Wochen nach dem Trauma
Geschlossene Kortikalislücke mit dorsaler Auslöschung der Reverbationsechos. Anhaltende Hypervaskularisation
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Durchschnittliche Heilung der meisten Frakturen
− Phalangen: 3 Wochen
− Metakarpale: 4-6 Wochen
− Distaler Radius: 4-6 Wochen
− Unterarm: 8-10 Wochen
− Humerus: 6-8 Woche
− Oberschenkelhals: 12 Wochen
− Femurschaft: 12 Wochen
− Tibia: 10 Wochen (9)
Klinische Zeichen der
Frakturkonsolidierung
− Stabilität während der klinischen Untersuchung
− Keine Schmerzen bei statischer Belastung
Frakturkonsolidierung:
Mit Ultraschall können Komplikationen der Frakturheilung erkannt werden :
Verzögerte Frakturheilung, ausbleibende Frakturheilung und Pseudarthrose (6)
Komplikationen der Frakturheilung:
Das Erscheinen von Kalzifikationen im Kallus ist ein sicheres Zeichen einer regulären Frakturheilung mit Mineralisation des Kallus. Diese frühen Zeichen können im
konventionellen Röntgen aufgrund ihrer geringen Größe nicht abgebildet werden. Bei sonographischem Nachweis der echoreichen Läsionen korrelierte in 100% mit einem harten Kallus bei einer Biopsie des Gewebes. (6)
Verzögerte Frakturheilung: die Fraktur heilt später als üblich.
Klinische Zeichen einer Nichtkonsolidierung
− Anhaltende Schmerzen
− Druckschmerz, Schwellung
− Abnorme Beweglichkeit
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Verzögerte Heilung einer Fraktur des 5. Metatarsale
Eine Pseudarthrose kann durch die Bewegung der Frakturenden gegeneinander bei passiven oder aktiver Bewegungen dargestellt warden.
Fibröse Kallusbildung: Verbindung der Frakturenden durch fibröses Gewebe, ausbleibende Ossifikation → Falschgelenk/Pseudarthrose.
Sonographie: echoarmes Gewebe im Frakturspalt
6 Wochen nach dem Trauma:
Keine relevante Kallusbildung mit Knorpel- oder Knochenstrukturen, abgerundete Frakturenden, geringe Vaskularisation.
Ausbleibende Frakturheilung: auch nach 3-6 Monaten nicht eintretende Frakturheilung . Einlagerung von Geflechtknochen an den Seiten des Frakturspaltes, der jedoch nicht überbrückt wird.
Sonographie: Kalzifikationen, teils hypertroph an den Frakturenden mit Schallauslöschung , weiterhin einsehbarer Frakturspalt.
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Wulstfraktur
Typische Frakturen bei Kindern
Gründholzfraktur
Eine Grünholzfraktur entsteht, wenn ein Knochen gebogen wird und nur an der konvenxen Seite bricht ohne vollständig in 2 Teile zu zerbrechen.
16 Literatur:
1. Hoffman DF et al: Ultrasonography of fractures in sports medicine. Br J Sports Med 2015; 49:152–160.
2. A.L. Waterbrook et al. : The accuracy of point-of-care ultrasound to diagnose long bone fractures in the ED; American Journal of Emergency Medicine 31 (2013) 1352–1356.
3. Herren C et al: Ultrasound guided diagnosis of fractures oft he distal forearm in children; Orthop Traumatol Surg Res. 2015 Jun; 101(4):501-5.
4. Ackermann O, Eckart K: Fraktursonographie in der Notaufnahme; Notfall Rettungsmed 2015.18-483- 491
5. Dulchaysky SA: Advanced ultrasonic diagnosis of extremity trauma: the FASTER examination:
J Trauma. 2002 Jul;53(1):28-32.
6. Ricciardi, L.; Perrissinott, A.; Dabala, M. (1993), Mechanical monitoring of frakture healing using Ultrasound imaging, Clin. Orthop. Rel. Res., 293, pp. 71-76
7. Sfeir C. et al: : Fracture repair in: Bone repair and clinical applications; Liebermann, JR; Friedlaender, GE. 2005; ISBN: 978-0-89603-847-9 http:/ www.springer.com/978-0-89603-847-9
8. Warzyk et al: The Role of Ultrasound Imaging of Callus Formation in the Treatment of Long Bone Fractures in Children: Pol J Radiol, 2015; 80:473-478;
9. Kachewar SG, Kulkarni DS: Utility of diagnostic ultrasound in evaluating fracture healing; J Clin Diagn Res. 2014 Mar;8(3):179-80
10. Konrads G, Giebel G: Grundlagen der Frakturheilung und Bedeutung für die Osteosynthese, https://www.researchgate.net/ publication/285753966
11. Glick Y and Schubert R et al; Fracture healing; Radiopaedia.org
Autor: Dr. Ruth Thees-Laurenz, Trier, Germany
© Dr. Ruth Thees-Laurenz Contact: Ruthlaurenz@t-online.de