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Frauen in Schwarz

Eine Herausforderung für die Geschlechterordnung und Gesellschaftspolitik in Israel

Vorbemerkung: Die Frauen in Schwarz haben 1993 ihre wöchentlichen De- monstrationen eingestellt, als das Abkommen von Oslo unterzeichnet wurde.

Es war eine Zeit, in der neue Hoffnungen für den Friedensprozeß auftauchten und in der die offizielle Politik der Regierung Rabins im allgemeinen Unter- stützung fand. Im Laufe des Jahres 1994 wurde der Ruf nach einer Wieder- aufnahme der Mahnwache laut: sie solle so lange bestehen bleiben, wie noch palästinensische Gebiete besetzt wären. Die Frauen in Jerusalem setzten ab März 1994 im Rahmen des Netzwerkes „Frauen für den Frieden" in der da- mals entstehenden Gruppe Bat-Shalom (Hebr. „die Tochter des Friedens", eine Nichtregierungsorganisation) ihre Tätigkeit fort. Die Mahnwache wurde dann ab September 1996 wieder aufgenommen, im Anschluß an die blutigen Straßenkrawalle, die durch die Eröffnung des Tunnels in Jerusalem und an- dere Provokationen der neu gewählten Regierung ausgelöst worden waren.

Im letzten Jahr lösten die mörderischen Ereignisse in Jerusalem und in den besetzten Gebieten, der fortdauernde Krieg im Libanon und die Politik Ne- tanjahus insgesamt in Israel eine Welle von Friedensprotesten aus. Neben den Aktivitäten von „Frieden Jetzt", der ältesten und größten (gemischtge- schlechtlichen) Friedensbewegung in Israel, entstanden im ganzen Land spon- tan Frauenbewegungen (die sich zumeist als „Frauen und Mütter für den Frie- den" bezeichneten), die die Regierung aufforderten, den Friedensprozeß fortzusetzen. Die Frauen in Schwarz waren und sind immer noch die radikal- ste Friedensbewegung in Israel, die regelmäßig in der Öffentlichkeit präsent ist.

1. Frauen in Schwarz in Jerusalem: Der Platz, die Frauen und das Publikum Mit einer kleinen Gruppe von Frauen fing im Januar 1988 (einen Monat nach Ausbruch der Intifadah) die Bewegung der Frauen in Schwarz an, die sechs Jahre lang bestand und sich offiziell im Juni 1993 auflöste. Die wichtigste und einzige Aktivität der Bewegung bestand im wöchentlichen Demonstrationen, die jeden Freitag zwischen ein und zwei Uhr mittags an bestimmten Plätzen in ganz Israel stattfanden. Ziel der Bewegung war der Protest gegen die israeli-

Feminisäsche Studien 1/98

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sehe Besetzung palästinensischer Gebiete und gegen den israelisch-palästi- nensischen Gewaltzirkel; diese Probleme sollten nicht unter den nationalen Teppich gekehrt werden. Der Einspruch gegen die Besetzung war ein doppel- ter: Er richtete sich gegen die Unterdrückung des palästinensischen Volkes und warnte gleichzeitig vor dem damit verbundenen moralischen Verfall der israelischen Gesellschaft.

Die Jerusalemer Mahnwache war die größte, die lebendigste und die ent- schiedenste Protestgruppe der Bewegung. Diese Gruppe prägte den Protest- stil, der für Demonstrantinnen in Israel und für Frauenfriedensgruppen in der ganzen Welt maßgeblich wurde. Auf dem Höhepunkt des Protests in Jerusa- lem umfaßte die dortige Gruppe etwa 100-120 Frauen: Eine Kerngruppe von 40-60 Frauen, die jede Woche auf dem Platz demonstrierten, bekam Zulauf von Frauen, die mehr oder weniger regelmäßig erschienen. Als der Protest auf dem Tiefstand war, nahmen nur 30-60 Frauen teil. Bei den Demonstrationen war ein breites Spektrum aus dem israelischen Friedenslager vertreten, es reichte von Antizionistinnen und linken Zionistinnen über Kommunistinnen, Trotzkistinnen und Anarchistinnen bis zu Mitgliedern der Bürgerrechtsbewe- gung. Darunter waren Frauen, die sich selbst als Feministinnen bezeichneten, ebenso wie solche, die diese Definition von sich wiesen. Junge Frauen stan- den neben alten (manchmal waren es Mutter und Tochter). Bei seltenen Gele- genheiten schlössen sich Palästinenserinnen oder solidarische Touristinnen den jüdischen Frauen an.

Das Gruppenprofil der Teilnehmerinnen zeigt: Es sind Frauen, die über ziemlich große persönliche Ressourcen verfügen, aus einem ähnlichen ethni- schen und sozialen Milieu kommen und alle Merkmale der gesellschaftlichen und kulturellen Elite Israels aufweisen. Die Frauen in Schwarz sind säkulari- siert (90,0%), aschkenasischer Abstammung (99,0%), haben die israelische Staatsbürgerschaft (93,8%), sind gebildet (85,7% haben einen akademischen Grad, zumeist in den Humanwissenschaften), sind an die fünfzig (Durch- schnittsalter = 47) und arbeiten für ihren Lebensunterhalt (85-64,8 % sind ge- haltsabhängig, der Rest besteht aus Selbständigen). Mehr als die Hälfte der Frauen leben als Alleinstehende und ein Viertel ist kinderlos. Als Jugendliche gehörte die Frau in Schwarz der zionistischen Jugendbewegung an (72 %) und bis heute ist sie in hohem Maße politisch engagiert.

Die Jerusalemer Demonstration fand auf einem kleinen Platz an einer ver- kehrsreichen Kreuzung in der Nähe des Zentrums statt, der von den Vierteln aus, in denen ein Großteil der weltlichen Elite der Stadt lebt, leicht zu Fuß er- reichbar ist. Das Platz ist von hohen Gebäuden umgeben, einem großen Su- permarkt, einem ehemaligen Kloster (Terra Sancta), in dem jetzt Universitäts- büros untergebracht sind und einem feinen Hotel. Der Platz ist nicht allzuweit vom Jaffator entfernt, dem wichtigsten Zugang zur Altstadt von Jerusalem.

Die einzige Voraussetzung für eine Teilnahme war schwarze Kleidung, mit der die Tragödie zweier Völker, der Israelis und der Palästinenser symbolisiert werden sollte (Flugblätter der Frauen in Schwarz, Mai 1990). Bei ihrer An- kunft packten die Frauen Zeichen in Form eines Stoppschilds aus, mit der weißen Inschrift „Schluß mit der Besetzung" (in Hebräisch, Englisch, Ära-

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bisch und später auch Russisch) auf schwarzem Grund. Nach einer kurzen Pause im Gespräch mit ihren Freundinnen kletterten die Frauen auf eine runde Behelfsbühne, auf der jede ihren mehr oder weniger festgelegten Platz hatte.

Über den Zaun zu klettern, der den Platz umgibt, war der Auftakt für die De- monstration, und gleichzeitig stellte dieser Akt symbolisch eine Trennung zwischen den Frauen und der israelischen Öffentlichkeit her. Während der De- monstration unterhielten sich einige Frauen leise mit ihren Nachbarinnen, an- dere schwiegen die ganze Zeit über. Mehrere Frauen liefen herum und gingen mit ihren politischen Artikeln (Randgruppenzeitungen, Manifesten von Frie- densorganisationen, Ansteckern etc.) hausieren. Während einer Reihe von De- monstrationen verteilten die Frauen ein Flugblatt, das von mehreren Teilneh- merinnen verfaßt worden war und ungeteilte Zustimmung gefunden hatte.

Dieses Flugblatt diente der Bewegung als eine Art „Identity-card":

... wir, die Frauen in Schwarz, Bürgerinnen des Staates Israel haben seit dem Beginn der Intifadah wöchentlich eine Mahnwache abgehalten. Die Mahnwa- che ist Ausdruck von Strömungen in der israelischen Gesellschaft und zeigt unser Bedürfnis, aktiv und stark gegen die Besetzung Einspruch zu erheben.

Wir alle fordern, daß unsere Regierung sofort Verhandlungen für einen Frie- densvertrag aufnimmt. Viele von uns sind der Meinung, daß die PLO der rich- tige Partner für Friedensverhandlungen sei, die dem Grundsatz zwei Staaten für zwei Völker folgen, andere dagegen sind der Meinung, die Entscheidung,

wer der palästinensische Verhandlungspartner sein solle und welches die richtige Lösung für den Frieden sei, liege nicht bei uns. Uns eint der Glaube, daß unsere Botschaft wirkungsvoll und gerecht ist und möglicherweise Frie- den bringen wird. Wir rufen alle Frauen dazu auf, sich uns in unserem stand- haften, ausdauernden und gewaltlosen Protest anzuschließen.

Um die Demonstration herum bewegte sich eine Menge verschiedener Zu- schauer: hauptsächlich Bus- und Taxifahrer, die (mehr oder weniger zufällig) vorbeifuhren, Passanten mit Körben, die schnell vorbeigingen und sich beeil- ten, die letzten Vorbereitungen für den nahenden Sabbat zu treffen, Polizisten mit dem Auftrag, die Frauen zu schützen und die öffentliche Ordnung auf- rechtzuerhalten, neugierige Touristen, einheimische und ausländische Me- dienleute. Besonders nach Terroranschlägen fanden sich außerdem häufig kleine Gruppen protestierender Rechtsextremer ein, die sich auf der anderen Straßenseite postierten und zu stören versuchten. Den Frauen näher standen Männer (Familienmitglieder, Freunde und auswärtige Unterstützer), die ge- kommen waren, um ihre Verbundenheit mit der Sache der Frauen zu bekun- den und selbst bestimmte Aufgaben zu übernehmen, in erster Linie schenkten sie an heißen Tagen kaltes Wasser aus. Unter ihnen war ein Mann, der jede Woche allen Frauen eine Rose gab. Mit der Zeit wurde dies zu einem Mar- kenzeichen der Demonstration, fast wie ein Talisman.

Die Menschen, die die Frauen beobachteten, hatten Schwierigkeiten sich herauszuhalten. Meistens waren die Reaktionen negativ. Taxifahrer, von denen viele die Demonstration im Durchfahren der Kreuzung immer wieder

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erlebten, verhielten sich besonders lautstark. Zwischen den Ampeln fuhren sie langsamer, um die Frauen mit sexistischen Schimpfwörtern und Flüchen zu überschütten. So entstand dort jeden Freitag ein dramatisches Schauspiel, des- sen öffentlicher Widerhall weit über den Platz hinaus zu hören war.

Unterschiedliche politische Bedingungen haben während der sechs Jahre des Protests die Substanz der Demonstration nicht berührt. So wurde sie in ihrer ursprünglichen Form trotz einer Reihe herausragender Ereignisse wie dem Golfkrieg (Januar 1991), der Konferenz von Madrid (Herbst 1991) und dem Wahlsieg der Arbeiterpartei (Juni 1991) und trotz anhaltenden Terrors und Gewalt von israelischer wie palästinensischer Seite fortgeführt.

Besonders vor dem Hintergrund fehlender Organisationsstrukturen der Be- wegung ist es interessant, daß sie an ihrer Aktionsform dauerhaft festhielt: Es gab keinerlei institutionalisierte Diskussionsmöglichkeit über anhaltende oder aktuelle Probleme, keine Spendensammlung, ein ziemlich schwaches Kom- munikationsnetzwerk, keine Arbeitsteilung zwischen Anführerinnen und Teil- nehmerinnen und keinerlei Strategie zur Stabilisierung des Engagements und der Solidarität der Teilnehmerinnen. Die Bewegung machte auch keine An- strengung, ihre Auffassungen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, eine Spre- cherin zu bestellen und organisierte Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Die ungebrochene Kontinuität der Demonstration und die Aufrechterhaltung der anfänglichen Form des Protests sind in Israel ungewöhnlich. Der Umstand, daß nur Frauen protestierten, macht eine Untersuchung des Phänomens noch bedeutsamer. Mit diesem Artikel wird beabsichtigt, die Protestform der Frauen und die Art und Weise, wie ihr Erscheinen in der israelischen Öffentlichkeit von einem speziellen Publikum interpretiert wurde, zu untersuchen. Wir be- haupten, daß die von den Frauen in Schwarz anhaltend praktizierte Protestform in Israel die offene Herausforderung tief verwurzelter Weiblichkeitsvorstellun- gen darstellte. Diese Protestform war eine alternative Interpretation der Stel- lung der Frauen in der israelischen Gesellschaft und Politik.

2. Die Frauen in Schwarz als minimalistisches öffentliches Ereignis

Während der ganzen sechs Jahre ihres Bestehens hielt die Bewegung für ihre wöchentliche Demonstration an sechs minimalen Regeln fest: an der Zeit, am Ort, am schweigenden Protest, an der schwarzen Kleidung, am Erscheinen der Frauen und dem Zeichen „Schluß mit der Besetzung". Die fortgesetzte wöchentliche Neuinszenierung dieser sechs Merkmale lief auf eine Grenzzie- hung zwischen der Demonstration und ihrer Umgebung hinaus, so daß ein gut eingegrenzter symbolischer Ort geschaffen wurde. Die Organisation von Symbolen und Teilnehmerinnen innerhalb des Rahmens von Raum und Zeit läßt sich interpretieren als ein verkapselter Gesamtzusammenhang, der durch die Verdichtung, Auswahl und Verknüpfung von Themen und Symbolen aus der israelischen Alltagswirklichkeit eine spezifische Version der Gesell- schaftsordnung vermittelte. Dieses verkapselte Ganze entspricht dem, was Handelman (1990, 15f.) unter dem Begriff öffentliches Ereignis versteht.

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Die „Anordnung von Ideen, Menschen und Dingen" (Handelman 1990, 16) ist zentral für das Verständnis des in öffentliche Ereignisse eingelassenen Ver- änderungspotentials. Während andere Wissenschaftler kulturelle Darbietun- gen als beständige Neuartikulation von Symbolen, Taten und Personen be- greifen (vgl. Mac Aloon 1982; Myerhoff 1984; Turner 1982, 1984) bezieht sich Handelman nicht eigentlich auf die Darbietung als solche, sondern viel- mehr auf die Logik ihres Designs: die „Organisation und Artikulation symbo- lischer Medien, Skripten, Akteure und Performances" (17), und befaßt sich mit der Frage, wie sie die gesellschaftliche Ordnung wiedergeben, untermi- nieren/verkehren oder auch eine ganz neue gesellschaftliche Ordnung hervor- bringen (23-62).

Der Protest der Frauen in Schwarz läßt sich als ein Ereignis charakterisie- ren, das die gesellschaftliche Ordnung unterminiert. Dieser Typus von Ereig- nissen ist nach Handelman dadurch gekennzeichnet, daß er durch Konfronta- tion mit Gegensätzen und Widersprüchen Vorschläge und Gegenvorschläge zur erlebten Welt anbietet. Im Gegensatz zur Reichhaltigkeit von Symbolen, Akteuren, Drehbüchern und Performances, durch die Ereignisse (wie etwa der Karneval), welche die erlebte Welt re-präsentieren, normalerweise gekenn- zeichnet ist, erscheinen die Frauen in Schwarz als minimalistisch und spar- sam. Die Knappheit der symbolischen Mittel, der feststehende und minimali- stische Text und das Fehlen eines Entwicklungsschemas, durch das er sich ins Gedächtnis einschreiben könnte, gibt dem Ereignis, das auf den ersten Blick flach und statisch erscheint, seinen einzigartigen Charakter.

Die vergleichsweise mangelnde Komplexität im Organisationsdesign im- pliziert nicht, daß die Bedeutungen oberflächlich wären (Handelman 1990, 62). Das Organisationsdesign sagt etwas darüber aus, wie das Ereignis funk- tioniert. Bedeutungen, Emotionen und Erfahrungen, die von dem Ereignis ausgehen, müssen mit Bezug auf seine soziokulturellen Umgebung dechif- friert werden. Wir meinen, daß eine Bestimmung seiner Kennzeichen und der Protestform nicht schon an sich ein Verständnis der Ursachen des Minimalis- mus und der Ökonomie des Ereignisses hervorbringt, das wäre eine reine Be- schreibung. Unserer Meinung nach läßt sich das öffentliche Ereignis nicht a priori als artikuliertes Phänomen begreifen; man muß es zunächst in seiner Dynamik sehen und sich anschließend bemühen, die sozialen Prozesse aufzu- decken, die zur Logik seines besonderen Aufbaus und zu seiner beständigen Regeneration beitragen mögen. Um den Minimalismus zu verstehen, muß un- tersucht werden, wie der Modus der Protests beschaffen ist und wie er sich immer wieder durch alle Interaktionen, Verhandlungen und Konflikte zwi- schen den Teilnehmerinnen durchsetzt (Melucci 1989; Benford 1992). Da wir nicht davon ausgehen, daß die Frauen gemeinsame Absichten und Vorstellun- gen haben, die den Unterbau der Bewegung abgeben, untersuchen wir, wie ideologische Interpretationen und soziale Bindungen zwischen ihnen den mi- nimalistischen Modus des Protests konstituieren und ihn auf Dauer stellen. Im folgenden werden wir zunächst die Ausgangspunkte für den Minimalismus bestimmen und anschließend die Bedeutung von Verkehrung und Neutralisie- rung vorhandener Kategorien innerhalb des Ereignisses untersuchen.

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3. Minimalismus: Individuelle Interpretation und Vermeidung ideologischer Festlegung

Aus der langfristigen Beobachtung der Demonstration ergeben sich zwei mit- einander verbundene Teilnahmeprinzipien, die zu der minimalistischen Pro- testpraxis führen: eine starke individuelle Motivation, persönliche Ansichten zu Friedens- und Sicherheitsfragen (vor allem zur Besetzung) zu äußern und ideologische Festlegung bezüglich der inhaltlichen Botschaft der Demonstra- tion innerhalb der Gruppe zu vermeiden. Wir nennen das erste Prinzip „indi- viduelle Interpretation" der politischen Situation und das zweite „Vermeidung ideologischer Festlegung". Ersteres bezieht sich auf die Frauen, die auf dem Platz stehen und dabei ihren je besonderen Gefühlen entsprechend ihre ein- zigartige persönliche Interpretation zu Fragen des Friedens, der Sicherheit und der Besetzung zum Ausdruck bringen. Das zweite Prinzip bezieht sich auf den Umstand, daß die Gruppe jeden Versuch einer ideologischen Debatte oder einer Vereinheitlichung der Ideologie im Keim erstickt. Während das erste Prinzip die Motivation der einzelnen zum Protest betrifft, manifestiert sich das zweite auf der interpersonellen Gruppenebene.

Das erste Prinzip manifestiert sich metaphorisch in der Tatsache, daß sich alle Protestierenden hinter dem Stoppschild verbergen. Dies ermöglicht den Einzelnen, ihre eigenen Auffassungen über die Gründe der Besetzung, deren Weiterungen und mögliche Lösungen strikt zu bewahren. Das Stoppschild wird gewissermaßen als Maske verwendet, die den individuellen politischen Standpunkt der Protestierenden zu schützen hilft. Der Wunsch, ihre private politische Auffassung zu äußern, kommt in Deborahs Darstellung prompt zum Vorschein. Wie viele andere sagt sie, daß sie weder weiß noch wissen will, welche Bedeutung die anderen Frauen der Botschaft „Schluß mit der Beset- zung" beilegen:

Ich protestiere wegen meiner Söhne. [Damit sie ihren Militärdienst nicht in den besetzten Gebieten machen müssen.] Was geht es mich an, ob eine der Frauen aufgrund ihres Feminismus hier steht, oder ob eine andere der männ- lich dominierten Gesellschaft beweisen will, Frauen können und Männer kön- nen nicht [einen Protest lange Zeit aufrechterhalten] und daß die gewalttätige Straße die männliche Seite symbolisiert, und ob eine weitere die Palästinen- ser liebt, weil sie Menschen sind, von denen sie möchte, daß sie genauso leben wie wir. Was kümmert es mich, warum sie hier sind? ... Die Wahrheit ist, daß ich mich damit nicht sehr beschäftigt habe.

Das Wichtigste für Deborah ist, daß es einen Rahmen gibt, innerhalb dessen sie protestieren kann. Die Beziehung zwischen ihrer persönlichen Botschaft und der der anderen Frauen wird in den Raum zwischen der Maske und dem Gesicht der einzelnen Demonstrantin gebannt. Die Macht der Maske als einem Bestandteil des öffentlichen Ereignisses liegt in ihrer Kapazität, die politische Äußerung der einzelnen Frau nach innen zu drängen, während sie nach außen hin eine einheitliche und uniforme Präsenz schafft.

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Die Spannung zwischen der eigensinnigen persönlichen Interpretation und dem kollektiven Handlungsrahmen wird in den Antworten der Frauen auf Fra- gen nach möglichen Gründen für einen Austritt aus der Gruppe offenkundig.

Die meisten hielten es nicht für möglich, daß sie die Gruppe verlassen wür- den, wenn Männer zugelassen (86,5%) oder der Code der schwarzen Kleidung aufgegeben würde (90,9%), dagegen äußerte eine große Mehrheit (85,5%), sie würden die Gruppe aufgeben, wenn neue Slogans hinzukämen. Während die Frauen die einebnende und einigende Bedeutung der Symbole kollektiver Identität verwarfen, machten sie sich die Symbole so weit zu eigen, als sie ihnen erlaubten, da zu sein und ihre Protesthandlung fortzusetzen. Tatsächlich ist eine beständige physische Präsenz des kollektiven Protestkörpers das wirk- liche Happening (Young 1990, 35). Alona erklärt: „[Die Demonstration] ist reiner Protest, bloß Protest und das gefällt mir ... Du kannst kommen oder wegbleiben, Du brauchst noch nicht einmal zu sagen, wer Du bist. Du kannst aufkreuzen und still dort stehen. Sie fragen Dich nicht, und es gibt darüber hinaus keine Verpflichtung, das hält die Frauen dabei. Sobald die Aktion be- endet ist, bleibt nichts mehr übrig."

Die kompromißlose Festlegung der Frauen auf die Botschaft fällt auf. Und tatsächlich, selbst wenn im Laufe der Jahre verschiedene andere Slogans da- zukamen (wie „zwei Staaten für zwei Völker" oder „Verhandlungen mit der PLO"), überlebten sie nicht und waren immer zweitrangig gegenüber dem Slogan, der mit der Demonstration verbunden wurde. Versuche, neue Slogans dazuzunehmen, wurden von den Teilnehmerinnen delegitimiert als Versuch einzelner Frauen, ihre besondere Auffassung kundzutun.

Zwar sind nicht weiter ausgeführte Botschaften und allgemeine Slogans nicht bloß für die Frauen in Schwarz kennzeichnend, aber andere Bewegun- gen halten sich eher mit Erklärungen ihrer Slogans zurück, um sich mehr Gehör zu verschaffen. Auch wenn die Hauptbotschaft konstant bleibt, werden die Slogans allerdings den wechselnden gesellschaftspolitischen Umständen entsprechend aktualisiert. Darüber hinaus gibt es untergründige Streitigkeiten und Machtkämpfe bezüglich der Art der Botschaft. Die Botschaft, die allen zugänglich gemacht wird, ist das Ergebnis einer Kontrolle durch Anführer und Aktivisten, die Zeit und Energie aufwenden, um sie zu formulieren und zu verändern (Benford). Das war bei den Frauen in Schwarz nicht der Fall.

Man könnte annehmen, das Festhalten an einer einzigen vereinbarten Bot- schaft bei der Bewegung der Frauen in Schwarz begründe sich auf deren Charakter als diskursive Gemeinschaft (zu diskursive Gemeinschaft vgl.

Cheal 1992; Habermas 1981, 43-111). Eine kritische und rationale Diskus- sion unter den Teilnehmerinnen könnte bezüglich der bestehenden Botschaft zu einem Konsens geführt haben, der sich über persönliche Erfahrung und in- dividuelle Wahrnehmung erhebt. Es wäre zu erwarten, daß die Entstehung eines solchen Einschränkungsprozesses und einer solchen Gemeinschaft durch den homogenen soziokulturellen Hintergrund der Teilnehmerinnen, ihre wöchentliche Routine auf dem Platz und die Art, in der die (wenigen) Treffen jenseits des Platzes angelegt waren, befördert worden sei. Ein derar- tiger Prozeß wurde allerdings durch die scharfen politischen Differenzen

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zwischen den verschiedenen Fraktionen innerhalb der Bewegung untermi- niert. Wechsel in der politischen Landschaft (Terroranschläge beider Seiten und der Beginn des Friedensprozesses zum Beispiel) warfen harte ideologi- sche Probleme auf. Obwohl bei den wenigen Treffen, die stattfanden, nach dem Rotationsprinzip verfahren wurde, das es jeder Frau gleichermaßen er- möglichte, sich zu verschiedenen Problemen zu äußern, gab es keine kriti- sche Revision gegensätzlicher Forderungen. Statt dessen wurde das Prinzip, sich ideologisch nicht festzulegen, im Laufe der Zeit eher stärker institutio- nalisiert und strikter gehandhabt.

Als sich zunehmend mehr Frauen der Bewegung anschlössen, traten Schwierigkeiten auf, die verschiedenen politischen Auffassungen an Aktion und Botschaft anzupassen. Als die Zahl der Demonstrantinnen wuchs, wurde ein Organisationskomitee eingerichtet. Zwar stand es allen Frauen frei, sich daran zu beteiligen, aber es überwogen Angehörige der nicht zionistischen lin- ken Kerngruppe, die mit der Aktion begonnen hatte. Als Frauen aus anderen Richtungen hinzukamen, gab es Konflikte und Krisen wegen der Zielstellung und Deutung des Aktionsverlaufs. Zwei der wichtigsten Krisen wurden durch Interviews ausgelöst, sie betrafen die Organisation der ersten nationalen Kon- ferenz von Frauen in Schwarz (besonders die Inhalte von Workshops) und Formulierungen des Flugblatts für Passanten. In beiden Fällen kam es zu einer Schlichtung, aber die Spannungen über den Aktionsverlauf traten deutlich zu Tage, so daß die einzige Aktivität, auf die man sich einigte, die wöchentliche Demonstration blieb.

Den Teilnehmerinnen war tatsächlich sehr daran gelegen, eine Festlegung zu vermeiden, welche die Kontinuität der Demonstration hätte gefährden kön- nen. Die Frauen wurden sich zunehmend bewußt, daß die Gruppe sich schnell auflösen würde, wenn ideologische Konflikte die Oberhand gewännen. Die Sorge, Frauen könnten die Demonstration aufgeben, weil sie mit der Botschaft nicht einverstanden wären, machte daher jeden Versuch zunichte, eine demo- kratische Ordnung zu etablieren. Zwar kamen und gingen einzelne Frauen in mehr oder weniger großer Zahl, aber die Grundstruktur der Gruppe wurde nicht zerstört, sie wurde dadurch, daß die Herausbildung von Interessengrup- pen verhindert wurde, möglicherweise sogar gestärkt.

Daß Differenzen über andere Verlaufsformen der Aktion zum Verstummen gebracht wurden, verhalf den Frauen in Schwarz dazu, eine Protestform zu in- stitutionalisieren, in der die Unterscheidung zwischen den an der Demonstra- tion beteiligten und denjenigen, die außerhalb blieben, schärfer wurde. Die subversive Bedeutung der Protestsymbole konnte entziffert werden im Zu- sammenstoß zwischen dem öffentlichen Ereignis und dem israelischen Kon- text. Als eine spezifische Art des öffentlichen Ereignisses reflektiert und arti- kuliert die Demonstration im Medium ihrer Symbole und deren wiederholter Artikulation die Komplexität und die Zerbrechlichkeit der gesellschaftlichen Wirklichkeit Israels, besonders dadurch, daß sie die Widersprüche und Kon- flikte aufdeckt, die diese Realität kennzeichnen (Turner 1974; Handelman

1990).

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4. Die Frauen in Schwarz als die Anderen

Das öffentliche Ereignis hat zentrale soziokulturelle Kategorien der israeli- schen Gesellschaft demontiert und hat die tieferen Konflikte zwischen den entsprechenden Gruppen freigelegt. Diese Demontage fand am Ort des Zu- sammentreffens statt, an der Schnittstelle zwischen der Demonstration und ihrem Kontext (Handelman 1990, 54). Die Stärke der Konflikte, die der De- monstration latent zugrundelagen, ebenso wie der Angriff auf das, was für die israelische Gesellschaft „selbstverständlich" ist, offenbarten sich vor allem im Zusammenstoß zwischen dem Ereignis und seinem Publikum während der In- tifadah. Während dieser Zeit wandelten sich die Vorstellungen über Kosten und Nutzen der israelischen Besetzung und die Spaltungen in der israelischen Gesellschaft traten deutlicher hervor. In der Begegnung zwischen den stum- men Frauen und dem Publikum waren nun beide Seiten gezwungen, ihre je- weilige Version der politischen Realität stärker zu konturieren.

Welche Version der israelischen Realität sich in dem Ereignis manifestierte, läßt sich hauptsächlich aus den Flüchen entziffern, mit denen die Frauen be- dacht wurden. Die meisten dieser Flüche spiegelten die im Ereignis enthalte- nen national-geschlechtlichen Elemente wider. Mehrheitlich standen politi- scher Konflikt und Geschlecht in den Flüchen in enger Verbindung. Zwar kamen die meisten Flüche von den Taxifahrern, aber andere Männer und ein paar Frauen fluchten ebenfalls. Die Taxifahrer traten durch ihr rohes, brutales und aufdringliches Verbalverhalten hervor. Sie benutzten Wendungen wie:

„Fickt euch doch alle in den Arsch" und „Man müßte Euch alle mal durch- ficken und dann umbringen". Diese Verbalakte wurden von aggressiven und sexistischen Handbewegungen (eine Faust und ein Penetration symbolisieren- des Zeichen) begleitet. Die Verkettung von sexistischen mit nationalistischen Ansichten ist offensichtlich in den Rufen „Araberhuren" und „Araberficke- rinnen". In dem übrigen Geschrei gab es auch Wendungen, die betonten, daß die Frauen nicht nur dem gewöhnlichen Palästinenser, sondern als „Arafats Huren" auch seinem Oberhaupt dienten. Einige der Schimpfenden forderten die Frauen auf, ihre sexuellen Dienste für einen besonders niedrigen Preis dem Feind anzubieten: „Geht zum Jaffator und fickt für zehn Schekel." Damit hat- ten sie es darauf abgesehen, die Frauen zu verbannen, sie aus dem jüdisch-is- raelischen Kollektiv zu exilieren. Auch in dem Schrei „geht doch in das Land zurück, aus dem ihr kommt", der die verbreitete (nicht der Realität entspre- chende) Wahrnehmung widerspiegelt, die Demonstrantinnen seien neue Ein- wandererinnen und keine Ansässigen, wird dieses Exil beschworen.

Indem sie ihre Körper im öffentlichen Bereich ausstellten, versuchten die Frauen, sich männlicher Herrschaft zu entziehen und die Verfügung über ihre eigenen Körper zurückzugewinnen. Damit gaben die Frauen dem Recht auf den eigenen Körper einen neuen Sinn. Die Fluchenden jedoch, die den Frauen das Recht auf den eigenen Körper absprechen, verwandeln sie in bewegliches Eigentum, in eine Ware, die von Hand zu Hand geht. Die Zurschaustellung auf dem Platz wurde statt als Politisierung des Körpers als eine Form sexueller Permissivität gedeutet. Mit der Darstellung der Frauen als billige Flittchen

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versuchen die Schimpfenden deren moralische Forderungen zum Schweigen zu bringen und sprechen ihnen jede Vernunft, Zurechnungsfähigkeit und zumal „weibliche" Moral ab - die Stimme leichter Mädchen ist unrein und daher ohne Bedeutung. Tatsächlich zeigen die Fluchenden ein Abbild der von israelischen Männern und der Gesamtgesellschaft ständig wiederholten Ver- suche, die Körperidentität der Frauen zu bestimmen.

Andere Schimpfworte beschworen die Nation. Die Wahrnehmung der schwarzen Kleidung als Symbolisierung des Trauerns um Juden und Palästi- nenser gleichermaßen gab dem Stellenwert von Trauerfällen einen anderen Sinn. Die Wahl der schwarzen Kleidung als Aufschrei gegen die Sinnlosigkeit des fortdauernden jüdisch-palästinensischen Konflikts - ein Konflikt, der zu unnötiger Trauer führt - machte viele der Taxifahrer, die zumeist Anhänger der politischen Rechten sind, wütend. Ihnen zufolge verrieten die Frauen die Sym- bolik der schwarzen Kleidung und gehörten daher bestraft. „Ein Terrorist sollte Dich und Deine Familie umbringen", hieß es etwa. Der am meisten verbreitete und vielleicht grausamste Fluch war: „Ich hoffe, Du wirst Dein ganzes Leben schwarz tragen." Der Fluchende „wünscht" den Frauen ein Leben in Trauer um ihre Männer und Söhne. In diesem Fluch wird der allgemein akzeptierte Sinn eines israelischen Ethos der hinterbliebenen Frauen verkehrt, der traditioneller- weise mit der Gestalt einer tragischen Heldin verbunden wird, die ihren Mann oder Sohn für den gerechten nationalen Kampf verloren hat. Eine Variante des gleichen Themas ist die Äußerung: „Ich hoffe, Dein Sohn stirbt und Du wirst sein Grab nicht aufsuchen können." Die Unmöglichkeit, das Grab eines Sohnes zu besuchen, der in der Schlacht gefallen war, wird als äußerste Härte für die Familie und vor allem für die hinterbliebene Mutter betrachtet.

Das Erscheinen der Frauen im öffentlichen Bereich provoziert Ärger und Unbehagen, die sich in zynischen Rufen artikulieren, mit denen die Frauen in bezug auf die Familiennorm als „anormal" stigmatisiert werden: „Was ist los, hast Du keinen Mann?" oder „Geh und kümmere Dich um die Sabbatvorbe- reitungen". Nach der Interpretation der Taxifahrer stellt bereits das Herumste- hen auf der Straße am Freitagnachmittag eine Aufkündigung der geschlechtli- chen Arbeitsteilung und damit eine Zerrüttung der natürlich-kosmischen Geschlechterordnung dar. Sie erinnern die Frau daran, daß ihr Platz im Haus ist und daß sie zu Mann und Kindern gehört. In ihre Augen ist der Protest ein Akt der Verzweiflung über mangelnde weibliche Reize. „Macht eine Diät"

oder „wenn Ihr anders aussäht, würdet Ihr nicht hier draußen stehen müssen."

So versuchen die Taxifahrer die „Weiblichkeit" der Frauen auszuradieren - Sie haben weder Haus noch Mann und sie kochen am Freitag nicht für das Wochenende (wie es sich unter Einhaltung der traditionellen Regel, am Sab- bat kein Feuer zu machen, gehören würde), sie sehen nicht weiblich aus und kein Mann begehrt sie.

Die Flüche der Taxifahrer deuten auch darauf hin, daß die Frauen nicht in die Öffentlichkeit gehören, daß dieser Bereich von außen betrachtet nicht für sie gedacht ist. Moshe zum Beispiel problematisiert ausdrücklich ihre anhal- tende Präsenz in diesem Bereich:

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O.k., Sie können es meinetwegen machen [demonstrieren], aber nicht ein Jahr lang oder zwei oder drei oder vier oder fiinf. Es ist o.k., wenn es, sagen wir einmal oder zweimal oder dreimal passiert. Aber was ist hier los? Haben sie sich zu einer Dauerschicht verpflichtet? Was denken die denn, daß ihnen der Platz gehört? Es ist ein zentraler öffentlicher Platz, und die nehmen sich her- aus, da zu stehen und uns jeden Freitag zu mahnen. Uns erinnert es an Schwärze.

Moshe ärgert sich über den Versuch der Frauen, sich einen Platz anzueignen, der nicht für sie gedacht ist und über ihren anhaltenden Protest am Freitag- nachmittag. Das ist die Zeit, die für Milde steht, für den Übergang von der profanen Zeit zum „heiligen" Sabbat - nach der jüdischen Tradition liegt die- ser Übergang in den Händen verheirateter Frauen. Aber die Demonstration hindert ihn und seine Freunde daran, Gedanken an den israelisch-palästinen- sischen Konflikt zu verdrängen. Die Frauen, die auf der Grenze zwischen Freitag und Samstag stehen, widersetzen sich dem kollektiven Harmoniege- fühl, das sich in ganz Israel und besonders in Jerusalem um diese Zeit aus- breitet. Die Demonstration erlaubt nicht, sich von der belastenden Alltags- wirklichkeit zu entbinden, noch nicht einmal am Sabbat. Das israelische Volk, meint der Taxifahrer, will nicht Schwarzsehen. Die Leute wollen keine Angst haben oder sich in ihrer Daseinsberechtigung unsicher fühlen müssen, sie wol- len nicht von Gefahr und Tod bedroht werden - aber die Frauen gestatten ihnen nicht, all das zu vergessen. Als Mahnmal für den nationalen Konflikt machen die Frauen in Schwarz also den Versuch zunichte, an der Alltagsrou- tine festzuhalten.

Ein anderer Fahrer geht noch weiter. Er möchte die Frauen aus der israeli- schen Gemeinschaft exkommunizieren und versucht damit eine Situation zu beenden, die er unerträglich findet: Daß nämlich israelische Frauen der natio- nalen Sicherheit und dem nationalen Kollektiv eine Absage erteilen und sie aufs Spiel setzen. Seine zynische Einstellung zu ihrer sozialen und ethnischen Stellung und zu ihrem Geschlecht dient dazu, eine Andersartigkeit herzustel- len, zwischen den Protestierenden einerseits und dem israelischen Kollektiv einschließlich seiner selbst und anderen Frauen andererseits zu trennen. Er ist wütend über das Privileg zum Protest, das die aschkenasische Elite (und Frauen, denen man einen Tritt geben muß!) für sich in Anspruch nimmt:

Das [die Frauen] ist die Art von Leuten, die vor der Staatsgründung nicht in Israel gelebt hat. Das sind Leute, die das wirkliche Problem des Volkes Israel oder der Kriege des Volkes Israel nicht kennen. Sie sind in diesen Staat ge- kommen, nachdem er errichtet wurde, nachdem die ganze Drecksarbeit schon gemacht war. Erstmal sind sie alle weiß, Aschkenazim, und ich denke auch, daß ihr Lebensniveau überdurchschnittlich ist. Die haben es gut. Ich will Ihnen mal was sagen: wenn sie eine Erhebung machen, dann leben mehr als 70-80 Prozent in Rechavia [ein Stadtviertel in Jerusalem, das für die aschken- asische Elite steht]. Die haben alles. Die lassen sich ihr Leben was kosten.

Denen ist ihr eigenes Leben und das Leben ihrer Kinder so lieb, daß sie sich

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darauf einstellen, ihre Kinder nach Hause zurückzuschicken [d.h. keinen Mi- litärdienst machen lassen], auch wenn Israel dadurch künftig in Gefahr gerät.

Ich glaube nicht, daß Sie in der Gruppe eine einzige Frau finden, die im Ka- tamonim lebt [ein armes Stadtviertel, dessen Bevölkerung aus sephardischen Juden besteht] oder eine marokkanische, kurdische oder irakische Frau ...

Das ist die Art von Frauen, die das wirkliche Problem des jüdischen Volkes nicht kennt.

Der Redner, der den Protest zu entlarven versucht, behauptet, die Frauen hät- ten kein Recht, ihre Meinung zu vertreten - und würden außerdem auch die Situation nicht klar erfassen - , da sie nach der Staatsgründung nach Israel ge- kommen seien. Diese Charakterisierung soll den Frauen ihr staatsbürgerliches Grundrecht auf Meinungsäußerung absprechen. Ihre Zurückhaltung gegen- über der Gründungsepik des Staates Israel - heldenhafter Überlebenskampf - bedeutet, daß sie die Situation nicht richtig verstehen und daher auch nicht po- litisch Stellung nehmen sollen. Indem er den Frauen ihr Recht auf freie Mei- nungsäußerung entzieht, macht sich der Sprecher gleichzeitig das hegemo- niale Ethos der israelischen Gesellschaft zu eigen und stellt sich in dessen Zentrum als Mitglied jener Gruppe, die für die Staatsgründung kämpfte, als ein Angehöriger der „Gründungsväter". Interessanterweise wurde das Motiv der „Gründungsväter" von der dominanten Zionistengruppe, aschkenasischen Juden, benutzt, um andere ethnische Gruppen aus Machtpositionen herauszu- drängen und ihnen den Zugang zu privilegierten Ressourcen zu verwehren (Carmi und Rosenfeld 1978). Der Fahrer, der sephardischer Herkunft und sich dieser Situation zweifellos bewußt ist, stellt die ethnische Hierarchie auf den Kopf, indem er sich durch die Inanspruchnahme des den „Gründungsvätern"

gewährten Privilegs über die aschkenasischen Frauen erhebt. Die Umkehrung macht die ethnische Spaltung vollends deutlich und ihre Beziehung zum Be- sitz macht das zionistische Unternehmen geltend (Shaffir 1989; Shohat 1993).

Indem sie das Leben ihrer Kinder praktisch um jeden Preis schützen wollen und es vorziehen, in der Gegenwart zu überleben, stellen die Frauen in Schwarz das individuelle Wohlergehen über das des Kollektivs. Dies ist nach Meinung des Taxifahrers eine Infragestellung früherer Errungenschaften und des nationalen Kampfes selbst, der fortwährend verlangt, die eigenen Kinder zu opfern. Das israelische Ethos des Sohnesopfers schmiedet das Band zwi- schen Frauen, Müttern und Kollektiv (El-Or 1993; Lloyd 1986).

Als Gegensatz zu den unabhängigen Frauen in Schwarz, die niemandem angehören, präsentiert der Fahrer ein anderes weibliches Ideal in Gestalt der sephardischen Frau, die gewillt ist, das Leben ihrer Söhne für das Kollektiv zu opfern. Damit romantisiert er die - ihrer Heimat ewig treue - sephardische Frau und spannt sie für seine eigenen Behauptungen ein. Diese Art der Rheto- rik wird von einem anderen Taxifahrer wiederholt, der für die Überlegenheit sephardischer Frauen gegenüber aschkenasischen eintritt und damit den Wert und die persönliche Integrität der (aschkenasischen) Frau in Schwarz für nich- tig erklärt. Sein Loblied auf die Sephardin ist verbunden mit ihrer Anhäng- lichkeit an traditionelles Judentum:

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Diese Frauen, die da stehen, schon der Anblick ihrer Schweißgesichter kotzt mich an. Diese Ziggies [ein Slangausdruck, mit dem man sich unter Anspie- lung auf deutsche Namen wie Sigmund, Siegfried über aschkenasischen Intel- lektualismus mokiert] mit ihren Brillen, das sind alles Aschkenasim, und das erste was sie von sich geben ist „ Oh, Frieden " [in affektiertem Ton gespro- chen] . Ich arbeite fiir sie, ich weiß worum es geht. Ich kenne ihren Stil. Die haben keine Religion. Wenn sie nur ein bißchen so religiös wären wie die se- phardischen Juden, dann würden sie bestimmt nicht demonstrieren. Sie glau- ben nicht an unsere Religion, sie schaden Israel, dem Staat und dem Land.

Diese Frauen langweilen sich, sie haben keine Männer, sie haben gar nichts in ihrem Leben. Sie wollen nichts dafiir tun, deshalb versuchen sie Aufmerk- samkeit zu finden.

In diesen Äußerungen findet sich ein Widerhall der grundlegenden Einheit von Nation, Territorium und Religion (Kimmerling 1994), die den Kern von Israels nationaler Identität ausmacht. Die Frauen in Schwarz werden geschil- dert als mangelten ihnen grundlegende Werte und als würden sie das tradi- tionelle Judentum zurückweisen, als hohle Frauen mit einem leeren Leben, die Aufmerksamkeit suchen. Die Leere wird auch noch mit dem Unverheira- tetsein verknüpft. Eine alleinstehende Frau ohne Mann, der ihr Bedeutung und Status verliehe, wird als hohl betrachtet, bezüglich ihrer inneren Werte wie ihres Lebensziels.

Die Verknüpfung von Ethnizität, Religiosität, persönlichem Status und Na- tionalität bringt den Fahrer dazu, ein weibliches Ideal vorzustellen, das das Gegenteil von „frei" ist: eine „gehörige" Frau, die an der Tradition hängt, die durch ihren Mann definiert wird oder durch ihre Zugehörigkeit zu ihm. Der gegensätzliche Frauentypus, die Frau in Schwarz, ist eine Volksverräterin.

Damit spielt er auf die Vorstellung an, daß moderne aschkenasische Frauen nicht im Volk verwurzelt seien und kein Recht darauf hätten, es zu repräsen- tieren, im Gegensatz zu der stillen, traditionellen sephardischen Frau, die um das Schicksal des Volkes bangt und ihm dient.

Durch die Verknüpfung von Weiblichkeit mit Nationalität versuchen die Männer ihr Eigentumsrecht auf den Körper der Frau zurückzugewinnen und damit deren Unterwerfung und Dienst an der Nation zu erreichen. Die Tatsa- che, daß wir es mit jüdischen Frauen zu tun haben, die zum jüdisch-israeli- schen Kollektiv gehören, führt nur zu größerem Durcheinander und Verwir- rung. Wie können jüdische Frauen ihre traditionellen Aufgaben und ihre Haushalte einfach liegen lassen und öffentlich auftreten? Das ist gleichbedeu- tend mit einem Verrat ihrer Rolle, ihres „wahren Wesens" und der Tradition insgesamt (Yanai). Der Akt des Protests reicht schon aus, um das Bild der

„guten jüdischen Frau" und damit die Kontrolle des Mannes über ihre Natur zu gefährden.

Da die Demonstration symbolisch gesehen auf der Grenze stattfindet, gleichzeitig innerhalb und außerhalb der sozialen Ordnung, ist es schwierig, sie (und die Frauen, aus denen sie sich zusammensetzt) innerhalb bestehender Kategorien zu situieren. Durch diese Schwierigkeit wird eine harsche und

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manchmal gewalttätige Reaktion ausgelöst, und sie erzeugt Ärger und Entrü- stung. Die Ablehnung der Botschaft „Schluß mit der Besetzung" führt die Zu- schauer dazu, die Frauen zu verhöhnen, ihnen ihre Weiblichkeit abzusprechen und ihre Menschlichkeit auszustreichen.

Die Versuche der Taxifahrer, die Frauen zu kontrollieren, dienten nur dazu, die sozialen Abstände zu vergrößern. Außerdem lösten sie Ärger, Enttäu- schung und Frustration in bezug auf die Frauen aus und führten zu dem ab- schließenden Urteil, ein Dialog sei unmöglich. Paradoxerweise bestärkten die Reaktionen der Zuschauer die Frauen in der Überzeugung, daß sie ihren stum- men Protest fortsetzen müßten.

5. Frauen in Schwarz: Herausforderung der Geschlechter- und der gesellschaftspolitischen Ordnung

Neben dem zerbrechlichen Konsens in bezug auf die Bedrohung Israels gärt eine ganze Menge von Schismen und Konflikten, die ihn auflösen könnten.

Die Frauen in Schwarz stellen eine Bedrohung für den Konsens dar und ge- fährden damit die Legitimität der gesellschaftspolitischen Ordnung.

Die Bedeutung der Bewegung besteht also in der Herausforderung, mit der die Frauen tief verankerte soziokulturelle Einteilungen konfrontieren. Das berührt die Rolle der jüdisch-israelischen Frau besonders im Kontext eines Staates, der in einen verschleppten nationalen Konflikt verwickelt ist - einen Konflikt, der in Israel in hohem Maße zum organisierenden Prinzip sozialer Beziehungen wurde (Helman 1993). Die Tatsache, daß Frauen in der alltägli- chen Handhabung des militärisch-nationalen Konflikts eine marginale Rolle spielen, verortet sie am Rande der Gesellschaft (Bar-Yosef und Padan Eisen- stark 1974). Wegen ihrer geringen Teilhabe an den Sicherheitsanstrengungen, die man für einen existentiellen Zwang hält, wird ihre Forderung, die Beset- zung und die Gewaltaktionen der Besatzer zu beenden, als Verrat angesehen.

Die Symmetrie, die sie für das Leiden der Opfer beider Seiten postulieren, ist für viele Menschen eine empfindliche Verletzung der nationalen Solidarität.

Die Kombination der schwarzen Kleidung mit der Botschaft „Schluß mit der Besetzung" dient als eine Art Beweis dafür, daß die Demonstrantin eine „an- dere Art Frau" ist, deren Loyalität nicht ihrem Heimatland gilt. Die Demon- stration wird also als eine Übertretung der Grenzen nationaler Solidarität ge- deutet.

Durch ihren Einbruch in die Öffentlichkeit und die Herstellung eines sym- bolischen Raums innerhalb derselben, greifen die Frauen das männliche Mo- nopol auf Teilhabe an der Öffentlichkeit und die geschlechtlich vermittelte Aufteilung der Sphären an (Shadmi 1992). Durch den Einsatz ihrer Körper - ein Akt, der als provokativ und dreist wahrgenommen wird - versuchen die Frauen, die Geschlechterposition umzukehren, die die Männer ihnen zu- schreiben. Durch ihr Tun, das Stehen auf dem Platz, signalisieren sie, daß sie nicht mehr bereit sind im Hintergrund zu bleiben und versuchen, mitten auf den Schauplatz zu gelangen. Indem sie ihre Körper als Waffe verwenden, eig-

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nen sie sich symbolisch Krieg und Konflikt von den Männern an. Die Anwe- senheit des Körpers im öffentlichen Bereich gibt ihnen die Legitimation zur Änderung der öffentlichen Wahrnehmung, die nur ein Instrument der Verän- derung und der Bewahrung kennt, nämlich das, das Männer einsetzen. Es gibt einen breiten Konsens sowohl unter ihren Gegnern wie unter ihren Unterstüt- zern, daß dies ein mutiger Akt ist, der männlicher Tapferkeit auf dem Schlachtfeld durchaus standhalten kann. So kehren die Frauen symbolisch die sozialen Kategorien um: Von Eroberten und Passiven werden sie zu aktiven Teilnehmerinnen der Öffentlichkeit (Kochavi). Jane setzt diese Vorstellung konkret um, sie spricht davon „wer oben und wer unten ist".

Ich kann den Militärdienst in den besetzten Gebieten nicht verweigern, da ich nicht einberufen werde, sie wollen mich nicht in der Armee. So bleibe ich bei den Frauen in Schwarz stehen. Dort fühle ich mich stolz. Einer der Gründe, warum ich so empfinde, ist, daß die Frauen in der israelischen Gesellschaft Bürger zweiter Klasse sind. In der israelischen Gesellschaft habe ich das Ge- fühl, daß die Männer oben sind und ich unten, wenn ich aber auf der Mauer

stehe [auf dem Platz], dann habe ich das Gefühl oben zu sein, und sie sind unten.

Das öffentliche Ereignis, so läßt sich im Anschluß an Janes Vorstellungen sagen, schafft und institutionalisiert einen Raum, in dem Frauen sich als auto- nome politische Akteurinnen konstituieren, dabei bestimmen sie ihren Ort in der gesellschaftspolitischen Ordnung neu und wenden sich gegen die Logik nationaler Sicherheit, die die sozialen Beziehungen beherrscht. Ihr Anspruch, in Fragen des Friedens und der Sicherheit als gleichrangige Bürgerinnen - nicht als Mutter oder Ehefrau eines Soldaten - ihre Meinung zu äußern, er- schüttert das männliche Monopol auf diesen Bereich und bringt die Logik ins Wanken, die in Israel die Geschlechterverhältnisse beherrscht.

Der Versuch der Frauen, sich einen Freiraum in der Öffentlichkeit zu schaf- fen, gründet sich nicht auf Verhandlung und Kompromiß, sie machen sich das Wesen der Öffentlichkeit zunutze, in der sich verschiedene, konkurrierende Schauplätze herausbilden (Mouffe 1992a). In diesem Bereich findet die Aus- einandersetzung zwischen verschiedenen Gruppen und ihren jeweiligen Posi- tionen statt, sowie über die Logik, die ihr Verhältnis untereinander regelt (Arendt 1973; Mouffe 1992b). Die Demonstration will nicht das Gleichge- wicht der gesellschaftlichen Ordnung wiederherstellen, sondern zielt mit dem Versuch, einen anderen weiblichen Prototyp zu liefern, auf eine Neudefinition der Geschlechterordnung und der gesellschaftspolitischen Ordnung ab.

Der Versuch, eine veränderte Identität für Frauen zu schaffen, bedroht Män- ner und Frauen gleichermaßen. Wesentlich mehr als die verkehrsreiche Kreu- zung, die Demonstration und die Stoppschilder trägt der Geschlechtertext, in den das Ereignis eingebettet ist, und das Ziel, eine neue Frauenidentität zu schaffen, dazu bei, daß die Passanten auf Distanz bleiben und zumeist tatsäch- lich abgeschreckt werden. Der Protest enthüllt nicht nur den Gegensatz, den Konflikt und sogar die Spaltung zwischen den Geschlechtern in einer milita-

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ristischen Gesellschaft, er bietet ihnen auch die Stirn und versucht zu verän- dern. Die Bewegung der Frauen in Schwarz erschafft also einen symbolischen Frauentypus, der kulturelle Kategorien verändert und erneuert (Handelman

1985) und dies macht sie so stark und so bedrohlich zugleich.

Die Protesthandlung der Frauen in Schwarz bietet den Frauen eine alterna- tive Form politischer Partizipation, vor allem weil sich den beiden akzeptier- ten Formen politischer Teilhabe in der israelischen Gesellschaft etwas entge- gensetzt. Eine dieser zugestandenen Formen setzt voraus, eine zweitrangige Rolle hinter den Kulissen zu spielen, sich den männlichen Mitgliedern unter- zuordnen, die vor dem Publikum die Gruppe repräsentieren und sich selbst die Rolle vorbehalten, über Ideologie und Protestform zu entscheiden (Sasson- Levi 1995). Die zweite umfaßt den Protest der Mütter und Frauen von Krie- gern, der die traditionellen weiblichen Rollen nur geringfügig über den häus- lichen Bereich hinausführt (vgl. Rapoport et al. 1994).

Das öffentliche Ereignis schafft einen neuen Typ der politischen Frau, deren Kampf um einen Platz im politischen Bereich mit einer neuen Zwecksetzung formuliert wird: Es geht nicht mehr um ihre häusliche Identität oder um irgend eine außerhalb der Demonstration verankerte Identität, sondern nur darum, wer sie innerhalb des Kontextes des Ereignisses selbst ist (vgl. Collin 1994;

Honig 1994).

Im Rahmen des Platzes schuf jede Frau regelmäßig einen neuen weiblichen Raum, der die politischen, kulturellen und sozialen Kategorien, die Frauen in die Marginalität verweisen, erschütterte. Jede Woche wurden die Frauen in Schwarz zu einem menschlichen Denkmal, einer öffentlichen Skulptur, die das Gedächtnis für die Gegenwart schärfte, es lebendig hielt und die Mög- lichkeit eines neues Gedächtnisses für die Frauen wie für die israelische Ge- sellschaft ankündigte.

Nachbemerkung: Die Untersuchung dauerte von November 1990 bis Septem- ber 1993. Sie wurde als „Fallstudie" angelegt, in der die „Analyse abwei- chender Fälle" (vgl. Campbell 1975; Halfpenny 1979; Mitchell 1983) mit einer „interpretativen Fallstudie" (Halfpenny 1979; Geertz 1973) kombiniert wurde. Die zweite Forschungsstrategie, die auf der Methode der dichten Be- schreibung basiert, geht davon aus, daß ein Phänomen nur mit Bezug auf den soziokulturellen Kontext, in dem es auftritt, zu verstehen ist. Bei der Datener- hebung wurden drei Methoden angewendet: 1. Teilnehmende Beobachtung, die primär der Untersuchung performativer und symbolischer Aspekte der De- monstration diente. 2. Tiefeninterviews mit dreißig Demonstrantinnen und wichtigen Personen aus dem Publikum (darunter zehn Taxifahrer). 3. Standar- disierter Fragebogen, der Fragen zur Einstellung, sozialen Bindungen, Hinter- grundinformationen etc. enthielt (von 350 mit der Post verschickten Fragebö- gen kamen 219 ausgefüllt zurück). - Die im Text verwendeten Namen sind selbstverständlich fiktiv.

Aus dem Englischen von Regine Othmer

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