Die Laplace-Gleichung
Dr. Piotr Marecki April 19, 2008
1 Einf¨ uhrung
Die Randwertprobleme f¨ ur die Laplace Gleichung,
∇
2V (x) = 0, (1)
spielen in der Theoretischen Physik eine wichtige Rolle, u.a. :
• In der Elektrostatik wird das elektrische Feld aus E
i= − ∂
iV
gewonnen, wobei in typischen Problemen das Potential V (x) an der Oberfl¨ ache eines Gebietes vorgegeben ist.
• In der Magnetostatik gilt
B
i= − ∂
iV,
wobei in typischen Problemen der Gradient von V (also die magnetische Induktion B
i) tangential zur Oberfl¨ ache eines Gebietes sein soll, d.h. n
i∂
iV = 0 mit einem zu der Oberfl¨ ache senkrechten Normalvektor n
i.
• In der Hydrodynamik wird das Geschwindigkeitsfeld einer station¨ aren Str¨ omung eines inkompre- ssiblen, wirbelfreien Fluids auch durch
v
i= − ∂
iV
gegeben, wobei, wie in der Magnetostatik, muss ∂
iV tangential zu der Oberfl¨ ache eines Gebietes sein.
2 L¨ osungsmethoden
In diesem Kapitel werden wir versuchen hinreichend reiche Familien der L¨ osungen (zu jedem Randwert- problem eine), { V
a,b} , zu konstruieren. F¨ ur ein gegebenes Randwertproblem wird die gefundene Familie als “hinreichend reich” angesehen wenn jede L¨ osung der Laplace-Gleichung durch die Linearkombination der zu dieser Familie geh¨ origen L¨ osungen,
V (x) = X
a,b
V
a,b(x)
ausgedr¨ uckbar wird. Die Familien werden mit Hilfe von Separationsans¨ atzen konstruiert.
2.1 Kartesische Koordinaten
In kartesischen Koordinaten lautet die Laplace-Gleichung folgendermaßen:
∂
x2V + ∂
y2V + ∂
z2V = 0.
Mit dem Separationsansansatz
V (~ x) = X(x)Y (y)Z (z) wird die Laplace-Gleichung auf
∂
2xX
X + ∂
y2Y
Y + ∂
z2Z Z = 0
umgeformt. Nun ist aus dieser Form klar, dass die Summanden konstant, d.h. vom Punkt unahb¨ angig, sein m¨ ussen. Wir erhalten
∂
z2Z = − k
2Z, (2)
∂
y2Y = − p
2Y, (3)
∂
x2X = +(k
2+ p
2)X, (4)
mit k
2, p
2im allgemeinen Fall aus C . F¨ ur reelle p
2, k
2sind die Funktionen Y (y) und Z(z) in deren Definitionsbereich (auf ganzem R ) beschr¨ ankt. Anderseits muss X(x) in diesem Fall exponentiell mit x oder − x wachsen. Da wir aber keine unendlich große Elektrische/Magnetische Felder zulassen wollen, musste eine solche L¨ osung auscheschlossen werden, sollte x zu R geh¨ oren. W¨are die Variationsbereich von x zumindest von einer Seite beschr¨ ankt, z.B. x > 0, so existiert eine Familie von akzeptablen L¨ osungen:
X(x) = exp( − x · p
p
2+ k
2), d.h.
V
k,p(x, y, z) = exp( − x · p
p
2+ k
2) sin(py + α) sin(kz + β)
mit k, p, α, β ∈ R . Allgemeine L¨ osungen sind dann als Linearkombinationen von V
k,pausdr¨ uckbar:
V
allgemein(x, y, z) = Z
dk dp f(k, p) V
k,p(x, y, z),
mit einer beliebigen Funktion f (k, p). Schr¨ anken wir diese allgemeine L¨ osung auf x = 0 so ist eine Form der Fouriertransformation in R
2erkennbar, und es l¨ asst sich schließen dass jede Randwertverteilung V
allgemein(0, y, z) tats¨ achlich durch eine Linearkombination der Funktionen unserer Familie darstellbar ist
1.
Es ist klar dass die hier gefundene Familie, obwohl reich genug, nicht allgemein genug ist (wir k¨onnen nur die Randwertprobleme auf einer flachen Ebene x = 0 l¨ osen). Um einen großeren Anzahl von Proble- men l¨ osen zu k¨onnen werden wir die Laplace-Gleichung zu anderen Koordinaten transformieren.
2.2 Laplace-Gleichung in beliebigen Koordinaten
In diesem Kapitel werden wir die wichtigsten Resultate der Differentialgeometrie wiederholen. Es sei
2T = δ
ijx ˙
ix ˙
jdie kinetische Energie eines punktformigen Teilchens in kartesichen Koordinaten δ
ij= diag(1, 1). In anderen Koordinaten, ξ
i, gilt zun¨ achst
˙
x
i= ∂x
i∂ξ
jξ ˙
jsodass
T = g
ijξ ˙
iξ ˙
j.
Die symmetrische Matrix g
ijist als metrischer Tensor bekannt. Mit Hilfe von g
ijl¨ asst sich die ganze Differentialgeometrie entwicklen/konstruieren. Es sei g = det(g
ij) die Determinante der Matrix g
ijund g
ijdie zu g
ijinverse Matrix,
g
ikg
kj= δ
ij. Es gelten die folgenden Regel/Ergebnisse:
• Die kovarianten Vektoren w
iwerden aus kontravarianten Vektoren w
imit Hilfe von g
ijbestimmt:
w
i= g
ijw
j.
• Der Skalarprodukt wird durch (v, w) = v
ig
ijw
jdefiniert. Die L¨ angen der Vektoren und die Winkel
1Genauer gesagt es werden vier Funktionenfα,β(k, p) f¨urα= 0, π/2 undβ= 0, π/2, ben¨otigt.
2In diesem Dokument wird die Einsteinsche Summenkonvention verwendet.
werden wie ¨ ublich mit Hilfe des Skalarproduktes definiert, d.h. | v |
2= (v, v), und (v, w) = | v || w | cos
{v,w}.
• Der Gradient einer skalaren Funktion V ist durch die partielle Ableitung definiert, ( ∇ V )
i= ∂V
∂ξ
iund beschreibt einen kovarianten Vektor.
• Die Divergenz eines Vektorfeldes f
iist durch
∇
if
i= ∇
i(g
ijf
j) = 1
√ g ∂
i√ g g
ijf
jgegeben
3.
• Der Laplace-Operator wird ist durch
∇
2V = ∇
i∇
iV = 1
√ g ∂
i√ g g
ij∂
jV
definiert.
• Die Rotation eines Vektorfeldes ist durch
(rotf )
i= 1
√ g
ijk∂
jf
kdefiniert.
Beispiel 1 (Separation in Zylinderkoordinaten). Es sei x = r cos(ϕ), y = r sin(ϕ).
Wir finden g
rr= 1, g
ϕϕ= r
2, √ g = 1, g
ϕϕ=
r12und
∇
2V = 1
r ∂
r[r∂
rV ] + 1
r
2∂
ϕ2V = 0.
3Der Symbol∇ibezeichnet die kovariante Ableitung, und die hier gegebene Formel wird im jeden Lehrbuch der Differ- entialgeometrie bewiesen.
Diese Gleichung kann mit Hilfe des Separationsansatzes:
V = R(r)F (ϕ),
mit einer periodischen Funktion F(ϕ), gel¨ ost werden. Wir erhalten
∂
ϕ2F = − `
2F, R
00+ R
0r − `
2R
r = 0.
Aus der Periodizit¨ atbedingung folgt, dass ` ∈ Z und, dass nur
f
`(ϕ) = 1
√ π sin(`ϕ), g
`(ϕ) = 1
√ π cos(`ϕ), g
0= 1
√ 2π
mit ` ∈ N erlaubt und “unahb¨ angig” sind. Wir bemerken, dass jede Funktion G(ϕ) l¨ asst sich durch eine Linearkombination von f
`, g
`, g
0,
G(ϕ) = X
`
[c
`f
`(ϕ) + d
`g
`(ϕ)] + c
0g
0mit
c
`= Z
dϕ f
`(ϕ)G(ϕ), d
`= Z
dϕ g
`(ϕ)G(ϕ)
darstellen (die Familie { f
`, g
`, g
0} ist “vollst¨ andig” auf dem Kreis). Außerdem gilt Z
dϕ f
`(ϕ)g
`(ϕ) = 0, Z
dϕ f
`(ϕ)f
m(ϕ) = δ
`m= Z
dϕ g
`(ϕ)g
m(ϕ)
(die Funktionen sind “orthonormal”).
Die gew¨ ohnliche Differentialgleichung f¨ ur R(r) l¨ asst sich ebenfalls problemlos l¨ ossen: wir versuchen R(r) = r
αund finden
(α
2− `
2)r
α−2= 0 woraus folgen die L¨ osungen
R
`= r
−`, R ˜
`= r
`im F¨ all ` > 0 und
R
0= const, R ˜
0= ln r
Die gefundene Familie kann folgendermaßen zusammengefasst werden: wir haben die Familie von separierten L¨ osungen in der Form
V = c
`r
−`sin(`ϕ), V = d
`r
−`cos(`ϕ), V = ˜ c
`r
`sin(`ϕ), V = ˜ d
`r
`cos(`ϕ), ` > 0
V = d
0, V = ˜ d
0ln r
konstruiert. Jede im Unendlichen verschwindende L¨ osung der Laplace-Gleichung l¨ asst sich mit Hilfe von c
`und d
`L¨ osungen als Linearkombination darstellen.
Beispiel 2 (Vektorpotential eines im Unendlichen homogenen Magnetfeldes um einer perfekt leit- enden Zylinder). Wir nehmen an, dass das Potential die Neumannsche Randbedingung, n
i∂
iV
G, an der Oberf¨ ache des Zylinders erf¨ ullen muss und dass es die Zerlegung
V
G= V
∞+ V
wobei V
∞= − r cos(ϕ + α) das Potential eines homogenen Magnetfeldes (mit den Feldlinien unter dem Winkel α) bezeichnet, und V im Unendlichen verschwindet. V muss also aus den c
`und d
`Anteilen konstruiert werden gerade so, dass n
i∂
iV
Gauf r = R, d.h. auf der Oberfl¨ ache des Zylinders, verschwindet. Wir erinnern an das Eulersche Theorem:
rn
i∂
i(r
m) = x
i∂
i(r
m) = mr
m. F¨ ur die Ableitung des Gesamtpotentials gilt:
rn
i∂
iV
G= x
i∂
i"
− r cos(ϕ + α) + X
`
r
−`(c
`sin(`ϕ) + d
`cos(`ϕ))
# .
Es ist jetzt klar, dass nur die ` = 1 L¨ osungen n¨ otig werden, und dass f¨ ur
4c
1= R
2√
π sin(α), d
1= − R
2√
π cos(α),
die Neumannsche Randbedingung auf r = R erf¨ ullt ist. Das dem gefundenen Potential entsprechende Magnetfeld wurde in der Abb. 1 dargestellt.
4Wir verwenden cos(ϕ+α) = cosϕcosα−sinϕsinα.