• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Wilsonsche Krankheit" (05.11.1981)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Wilsonsche Krankheit" (05.11.1981)"

Copied!
7
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Kinnier Wilson beschrieb im Jahre 1912 die später nach ihm benannte Kupferspeichererkrankung als pro- grediente hepatolentikuläre Dege- neration (3)**). Er hob die Mannigfal- tigkeit der neurologischen Sympto- matik, die Mitbeteiligung der Linse und die Leberzirrhose als Hauptsym- ptome dieser familiär auftretenden Erkrankung hervor. Der Verlauf war bei den meist sehr jungen Patienten progredient und die Prognose in- faust (3). Erst später wurden auch der Befall anderer Organe, der auto- somal rezessive Vererbungsmodus und die pathogenetische Bedeutung der Kupferspeicherung in der Leber entdeckt. Die Einführung einer wirk- samen Therapie mit Kupferchelat- bildnern führte zu einer deutlichen Besserung der Prognose. Bis heute ist jedoch die Ursache dieser ange- borenen Kupferspeichererkrankung unbekannt. Die Vererbung erfolgt autosomal rezessiv. Die Zahl der er- krankten Homozygoten mit M. Wil- son in der Gesamtbevölkerung be- trägt 1:200 000, die der heterozygo- ten Merkmalsträger 1:200.

Physiologie

des Kupferstoffwechsels Etwa 50 Prozent des in der Nahrung vorhandenen Kupfers (2-5 mg) wird aus dem oberen Gastrointestinal- trakt aktiv resorbiert. Nach lockerer Bindung an Albumin wird es zur Le-

ber transportiert, dort an kupferbin- dende Proteine gespeichert und zum kleinen Teil zur Zäruloplasmin- synthese verwandt. Zäruloplasmin ist ein 6 bis 7 Kupfermoleküle ent- haltendes Glykoprotein. Neben der Fähigkeit, sein Kupfer an andere in- trazelluläre Proteine abzugeben (Zy- tochrom-C-Oxidase, Superoxiddis- mutase), kommt dem Zäruloplasmin durch seine Oxidaseaktivität eine bedeutende Rolle im Eisen- und Hämmetabolismus zu (4). Insgesamt sind 95 Prozent des Serumkupfers an Zäruloplasmin und nur 5 Prozent an Albumin gebunden (Darstellung 1). Die Kupferausscheidung erfolgt zu etwa 70 Prozent über die Galle (etwa 1,5 mg pro Tag), zu etwa 20 Prozent über Abschilferung von Mu- kosaepithelzellen und nur zu etwa 10 Prozent über den Urin (2).

Pathogenese des Morbus Wilson

Die klinische Manifestation des Mor- bus Wilson ist Folge einer Kupfer- überladung der Leber, des Zentral- nervensystems, Augen, Nieren und anderer Organe. Bei ungestörter Re- sorption kommt es durch Störungen der Exkretion über das hepatobiliäre System zu einer positiven Kupferbi- lanz. Als Ursache wird eine verän- derte Zusammenstellung der Galle, ein falsches hepatisches Kupferbin- dungsprotein oder eine Störung im

Der Morbus Wilson ist eine seltene angeborene Störung des Kupferstoffwechsels mit autosomal rezessivem Erb- gang. Durch Familienuntersu- chungen, Zäruloplasminbe- stimmung und den Nachweis einer erhöhten Kupferaus- scheidung im Urin kann die Diagnose rechtzeitig gestellt werden. Eine frühzeitig einge- leitete Therapie mit Kupfer- chelatbildnern führt zu einer signifikanten Besserung der früher meist fatal endenden Kupferspeichererkrankung.

Lysosomenstoffwechsel der Leber- zelle diskutiert. Zusätzlich ist die Zä- ruloplasminsynthese gestört.

Das resorbierte, an Albumin gebun- dene Kupfer kann nicht auf dieses Protein übertragen werden und la- gert sich nach Aufnahme in die Le- berzelle zunächst diffus im Zytoplas- ma ab.

Der auf weniger als 25 Prozent ver- minderte Zäruloplasmingehalt (Ta- belle 1) führt im Serum zu einem deutlich erniedrigten Gesamtkupfer- spiegel, der mit einer Erhöhung des an Albumin gebundenen Kupfers (Darstellung 1) einhergeht.

Ein Teil dieses an Albumin gebunde- nen, leicht dissoziierbaren Kupfers wird in der Niere glomerulär filtriert und bewirkt die oft beobachtete Hy- percupriurie.

Leberbeteiligung

Während der ersten Lebensjahre kommt es zur diffusen Ablagerung von Kupfer im Zytoplasma der Le- berzellen; dabei werden vereinzelt strukturelle Veränderungen an den Mitochondrien beschrieben. Im Lau-

*) Teil I: Hämochromatose und Hämosidero- sen, DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 78 (1981) 1775-1780

—) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Wilsonsche Krankheit

Störungen im Stoffwechsel der Schwermetalle, Teil 111

Wolfgang Stremmel und Georg Strohmeyer

Aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik D

(Direktor: Professor Dr. med. Georg Strohmeyer)

der Universität Düsseldorf

(2)

Zäruloplasmin-Kupfer Kein Zäruloplasmin-Kupfer (Albumingebundenes Kupfer)

Normal- Morbus Wilson personen Patienten 120-

100-

fe der nächsten Jahre steigt der Kup- fergehalt der Leber maximal an und erreicht Werte bis fast 2000 ii,g/g Trockengewicht (normal 30 htg pro Gramm Trockengewicht) (Tabelle 1) (12). Histologisch kann die Leber normal sein oder Fettinfiltrationen im Zytoplasma und aufgetriebene Kerne zeigen. Die Patienten sind asymptomatisch, die Leberfunktion ist ungestört, eine neurologische Mitbeteiligung liegt noch nicht vor und gewöhnlich fehlt auch der typi- sche rostig-braune Kayser-Flei- scher-Kornealring (12).

Hat der Kupfergehalt im Zytoplasma der Leberzelle eine bestimmte kriti- sche Schwelle erreicht, kommt es zur intrazellulären Umverteilung in die Lysosomen, um den Zellstoff- wechsel vor der toxischen Wirkung des Metalls zu schützen. Die Ge- schwindigkeit dieses Prozesses be- ziehungsweise die Aufnahmekapazi- tät des lysosomalen Systems, be- stimmen den weiteren Verlauf dieser Erkrankung.

Eine unzureichende intrazelluläre Umverteilung führt bei 30 bis 40 Pro- zent der Patienten zu einer toxi- schen Leberzellzerstörung mit Frei-

setzung von Kupfer ins Blut (14). Die Serumkupferkonzentration kann in diesem Stadium der Erkrankung an- steigen und dann normal oder sogar erhöht sein. Ebenso kann der Zäru- loplasminspiegel als Folge der Le- berschädigung ansteigen. Histolo- gisch finden sich bei einem Teil die- ser Patienten unspezifische Verän- derungen wie bei der Hepatitis, Mo- nonukleose oder chronisch aktiven Hepatitis (13): dichte lymphozytäre und plasmazelluläre Infiltrate in den Portalfeldern, die auf die angrenzen- den Läppchenbezirke übergreifen;

Gallengangsproliferationen; Ausbil- dung von Mottenfraßnekrosen und entzündlichen intralobulären Sep- ten mit Zerstörung der Läppchenar- chitektur sowie Zeichen einer aku- ten intralobulären Hepatitis. Diese Veränderungen können sich unter Bildung von Narbengewebe und Ausbildung einer Zirrhose („juvenile Zirrhose") zurückbilden oder über einen massiven Parenchymkollaps zur Lebernekrose führen. Besonders auffällig sind im akuten Stadium des Morbus Wilson die, auch bei alkoho- lischer Lebererkrankung auftreten- den, zytoplasmatischen Mallory-Kör- perchen an der Peripherie der rege- nerierten Knötchen.

Hämolytische Anämie

15 Prozent der Patienten entwickeln bei der Freisetzung des Kupfers aus der Leber eine hämolytische Anämie (14). In diesen Fällen wird das Metall rasch von Erythrozyten aufgenom- men, und es kommt durch oxidative Zerstörung der Erythrozytenmerri- branen zur Hämolyse und Anämie.

Überleben die Patienten dieses dra- matische Stadium der Kupferfreiset- zung aus der Leber, werden sie wie- der asymptomatisch, und Kupfer wird in zunehmendem Maße in an- deren Organen, insbesondere in Niere, Gehirn und Kornea gespei- chert.

Nierenbeteiligung

An der Niere manifestiert sich der Morbus Wilson als Dysfunktion des proximalen Tubulus und Störung der glomerulären Filtration bei er- niedrigtem renalen Plasmafluß. In- folgedessen kommt es zu einer Pro- teinurie und durch die verminderte tubuläre Reabsorption zu einer ver- mehrten Ausscheidung von Kalzium, Phosphat, Harnsäure, Aminosäuren und Glukose im Urin.

Darstellung 1: Schematische Darstellung der Gesamtkupferkonzentration im Serum und Verteilung von albumingebundenem Kupfer und Zäruloplasmin bei Patienten mit Morbus Wilson und Normalpersonen. (A. G. Bearn) (1)

Die unzureichende Ansäuerung des Urins ist auf eine gestörte Reabsorp- tion von Bikarbonat zurückzu- führen.

Histologisch findet sich vor allem im Bereich des proximalen Tubulus ein abgeflachtes Epithel und Verlust der Bürstensaummembran.

Die Mitochondrien sind in ihrer Struktur verändert und enthalten in ihrer Matrix große elektronendichte Granula oder lose gepacktes Mate- rial in membrangebundenen Aus- sackungen.

In den Zellkernen des Glomerulus- und Tubulusepithels sind ebenfalls Kupferablagerungen nachweisbar.

Die Kupferkonzentration im Nieren- gewebe korreliert gut mit den be- schriebenen histologischen Verän- derungen und den beobachteten Funktionsstörungen.

(3)

35 40 30

Symptome:

U 723

Hepatische

F7,7,3

Neurologische Psychiatrische Clj Hämatologische

IIIItllIlHl Renate

EZZj Endokrinologische 10-

Anzahl der Patienten

5—

0 15—

Darstellung 2: Die verschiedenen Symptome des Anfangsstadiums der Wilsonschen Krankheit in einer Gruppe von 155 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 17 Jahren. Die Mehrzahl der jüngeren Patienten weist hepatische Symptome auf, während bei den Patienten, bei denen die ersten Symptome später auftreten, Sprachfehler, Sialorrhoe, Zittern, Rigidität oder psychische Störungen im Vordergrund stehen. Manche Patienten weisen Harnblutungen als erstes Symptom auf, während bei anderen wegen verzögerter Pubertät oder Amenorrhoe endokrine Störungen verdächtigt werden. (nach I. Sternlieb (10))

Beteiligung des ZNS

Auch die neurologischen Symptome sind Folge der Kupferablagerung.

Dabei ist auffällig, daß der Kupferge- halt des sensorischen Kortex ähn- lich dem der anderen Hirnabschnitte ist, obwohl die sensorische Funktion weitgehend ungestört ist. Deshalb wird vermutet, daß neben der Kup- ferablagerung noch andere Fakto- ren bei der Entstehung der neurolo- gischen Symptomatik von Bedeu- tung sind. Bei der Autopsie finden sich im Gehirn zwei grobanatomi- sche Veränderungen: Degeneration und Substanzverlust des Putamens oder Braunverfärbung und Schrumpfung des Nucleus lenticula- ris. In einzelnen Fällen wurden auch fleckförmig verteilte, kleine nekroti- sche Bezirke im zentralen Kortex und der subkortikalen weißen Sub- stanz beobachtet. Histologisch fin- den sich Mikrohöhlen durch Verlust von Nervenzellen, myelinisierten Fa- sern und Oligodendrozyten. Dafür

kommt es zu einer zellulären Hyper- plasie und Hypertrophie von proto- plasmareichen Astrozyten.

Ophthalmologische Manifestation Ein charakteristisches Zeichen der hepatolentikulären Degeneration ist der Kayser-Fleischer-Kornealring. Er ist meist bei den Patienten, die auch neurologische Symptome aufwei- sen, nachweisbar. Zuerst sind die feinen kupferenthaltenden Granula als schwache Verfärbung am oberen

Limbus, später auch am unteren, zu erkennen. Die Einlagerungen neh- men zu, und es entsteht ein vollstän- diger Ring, meist von braungrüner Farbe. Vereinzelt wird auch das Auf- treten eines Sonnenblumenkatarak- tes beim Morbus Wilson beschrie- ben. Dabei handelt es sich um eine zentral gelegene, grüne Kupferabla- gerung in der vorderen Linsenkap- sel mit radiärer Ausstrahlung in die hinteren Kapselschichten.

Klinischer Verlauf

Meist werden die Patienten zwi- schen dem 6. und 20. Lebensjahr, bisweilen aber auch erst im 40. Le- bensjahr symptomatisch. Der Be- ginn ist sehr variabel und durch die Leberbeteiligung, hämolytische Anämie oder neurologische Erkran- kung geprägt; daneben kommen psychiatrische, renale und ossäre Symptome vor (Darstellung 2).

Lebererkrankung

Bei der Mehrzahl der im jugendli- chen Alter symptomatisch werden- den Patienten — nie vor dem 6. Le- bensjahr — steht die Lebererkran- kung im Vordergrund. Das klinische Bild entspricht oft einer schwer ver- laufenden chronisch aktiven Hepati- tis, die sich zur postnekrotischen Zirrhose weiterentwickeln kann (2a).

Sie ist gekennzeichnet durch Lei- stungsschwäche, Abgeschlagen-

(4)

heit, Ikterus, Lebersternchen und portale Hypertension mit Aszites, ösophagusvarizen und Splenome- galie (9). Während die Leber im Frühstadium der Erkrankung meist vergrößert ist, kann sie später nor- mal groß oder sogar geschrumpft erscheinen. Ein Teil der Patienten stirbt innerhalb weniger Wochen im progredienten Leberversagen. Eine chronische Anämie, Leukopenie und Thrombozytopenie sind Folge eines Hypersplenismus. Die gestörte Synthese der hepatischen Gerin- nungsfaktoren kann zusammen mit der Thrombozytopenie zu Purpura, Ecchymosen oder Blutungen füh- ren. Die portale Hypertension mit Ösophagusvarizenblutung leitet oft das Ende dieser Erkrankung ein (14). Leberzellkarzinome sind im Ge- gensatz zur Hämochromatose beim M. Wilson eine Rarität.

Hämolytische Anämie

15 Prozent der Patienten mit Morbus Wilson zeigen eine meist nur gering ausgeprägte und vorübergehende hämolytische Anämie (14). Diese Episoden treten schon früh im Ver- lauf der Erkrankung auf und sind, wie oben beschrieben, auf die plötz- liche Kupferfreisetzung aus der Le- ber zurückzuführen.

Neurologische Erkrankung Die neurologische Symptomatik ma- nifestiert sich erst zu einem späteren Zeitpunkt im Verlauf der Erkrankung (Darstellung 2). Etwa 40 Prozent der Patienten mit neurologischer Sym- ptomatik hatten in ihrer Vorge- schichte weder eine klinisch manife- ste Lebererkrankung noch eine hä- molytische Anämie. Meist fallen zu- erst die Konzentrationsschwäche und die Verschlechterung der Hand- schrift auf. Man beobachtet einen Intentionstremor, Gangunsicherheit und einen typischen Gesichtsaus- druck mit Retraktion der Oberlippe.

Weiter entwickeln sich eine musku- läre Hypertonie und Rigidität, zu- nehmende Dysarthrie und Dyspha- gie, eine Spastik vor allem in den unteren Extremitäten, Beugekon-

trakturen und schließlich der Verlust der Analsphinkterfunktion. Die sen- sorische Funktion und die Reflexe bleiben erhalten.

Im Spätstadium ist der Patient völlig hilflos, im Stadium der Kontraktur ohne Sprache und inkontinent. Da- bei ist er wach, aber unfähig zu arti- kulieren (3).

Psychiatrische Manifestation Etwa 60 Prozent der Patienten mit Morbus Wilson entwickeln eine psychiatrische Symptomatik, deren Spektrum sehr bunt ist und neben dem schizophrenen und depressi- ven Verhalten alle Spielarten einer abnormen Persönlichkeit aufweist.

Diese, sich meist erst nach dem 12.

Lebensjahr manifestierende, Kom- plikation ist bei 20 bis 30 Prozent der Erkrankten das klinische Erstsym- ptom (6). Deshalb sollte bei Jugend- lichen mit ungewöhnlicher psychia- trischer Symptomatik eine Kupfer- speichererkrankung rechtzeitig aus- geschlossen werden.

Dies ist um so dringender zu for- dern, da durch eine früh eingeleitete D-Penicillamintherapie die psychia- trischen Symptome — wie die mei- sten anderen auch — deutlich gebes- sert werden können.

Stadium des ausgeglichenen Kupferspiegels unter der

Therapie mit Kupferchelatbildnern:

Durch eine Behandlung mit Kupfer- chelatbildnern kann den Patienten wirksam geholfen werden (Tabel-

le 2). Durch vermehrte Kupferaus- scheidung im Urin wird nach Entlee- rung der Kupferspeicher eine nor- male Kupferbilanz erreicht. Unter der Therapie blaßt der Kayser-Flei- scher-Kornealring ab, und die neu- rologischen Ausfälle bessern sich beziehungsweise klingen ganz ab.

Hypokuprämie und Hypozäruloplas- minämie bleiben bestehen. Wird die Therapie jedoch unterbrochen, kommt es bereits nach 48 Stunden wieder zur Kupferakkumulation.

Diagnose

Die Trias Kayser-Fleischer-Korneal- ring, Leberzirrhose und Basalgan- glienerkrankung ist pathognomo- nisch für die hepatolentikuläre De- generation.

Gesichert wird die Diagnose, wenn zusätzlich folgende Parameter nach- weisbar sind:

• Serumkupferspiegel unter 80 4g-%

• Serumzäruloplasminkonzentra- tion unter 20 mg-%

• Kupferausscheidung im 24-Stun- den-Urin über 100

O Leberkupfergehalt über 250 !,tg pro g Trockengewicht

Bei Familienuntersuchungen sind heterozygote Merkmalsträger nur schwer von asymptomatisch Er- krankten und Gesunden zu unter- scheiden. Sie haben meist einen er- niedrigten Serumkupfer- und Zäru- loplasminspiegel. Die Kupferaus- scheidung im Urin ist in der Regel nicht erhöht. Eine Differenzierung gelingt (11) durch Bestimmung des Verhältnisses von radioaktiv mar- kiertem Kupfer 48 Stunden nach Verabreichung einer oralen Testdo- sis von 65Cu (meist an Zäruloplas- min gebunden) zu der maximalen Konzentration, die 2 Stunden nach dieser Gabe im Serum erscheint (größtenteils an Albumin gebunde- nes Kupfer). Mit dem modifizierten Radiokupfertest ( 64CuC12) wird die Einbaurate von "Cu in das Ca-Zäru- loplasmin und die Ausscheidung des Nuklids im Urin bestimmt. Bei nur geringer Strahlenbelastung ist bereits nach 30 Stunden eine ein- deutige Diagnosestellung möglich (16). Leider existiert zur Zeit noch keine einfache, direkte, nichtinvasi- ve Untersuchungsmethode zur Dia- gnostik des Trägerstatus beim Mor- bus Wilson (12).

Bei allen Patienten unter 30 Jahren mit chronisch aktiver Hepatitis und/

oder hämolytischer Anämie muß ein Morbus Wilson in Erwägung gezo- gen werden.

(5)

36 33 31

84 Morbus Wilson

asymptomatisch symptomatisch

0-19,5 0-43,0

3,6±5,3 5,9±7,1

152-1,828 94-1,360

983,5±368 588,3 ± 304 Serumzäruloplasmin Leberkupfergehalt

Anzahl der Patienten

Mittelwert (mg/100 ml)

Anzahl der Patienten

Trocken- gewicht (i_tg/g m)

Mittelwert (m,g/gm) Untersuchte Gruppe

(mg/100 ml)

39-213 95 1-50,1 14

Heterozygote

Merkmalsträger 28,4±8,5 117,0±51

Normalpersonen 180 18,5-65,9 30,7 ±3,5 16 20— 45 31,5±6,8

300 85 117

1,8 3

36 19 25

März 1980 März 1979

März 1978 November 1977

März 1975 Neurologische

Symptomatik

Dysarthrie, vermehrter Speichelfluß,

athetotische Bewegungs-

störungen

Anarthrie, athetotische Bewegungs- störungen,

Tremor, Rigor, Spastik,

Ataxie

Dysarthrie, athetotische Bewegungs- störungen,.

Tremor, Rigor, Ataxie,

Dysarthrie, athetotische Bewegungs- störungen,

Tremor, Rigor, Ataxie

Dysarthrie bei Aufregung,

leichte athetotische Bewegungs- störungen, leichte Ataxie

nicht beweg u ngsfäh ig

(klin. Unters.)

beweg u ngs- fähig, aber hilfebedürftig

nicht mehr hilfebedürftig

arbeitsfähig

Kayser-Fleischer- Komealring Kupfer im Serum

(70-140 ptg-%) Zäruloplasmin i. S.

(20-60 mg-%)

Kupferausscheidung im 24-Stunden-Urin

(unter 250 ,t,g-%) 475 1 450 840 875

Leberkupfergehalt (unter 55 p,g/g Trockengewicht)

Diagnosestellung und Beginn einer Behandlung mit D-Penicillamin zusammen mit einer kupferarmen Diät ( ) = Normalwerte

Tabelle 1: Serumzäruloplasmingehalt und Leberkupfergehalt bei Patienten mit Morbus Wilson, heterozygoten Merkmalsträgern und Normalpersonen (nach I. Sternlieb und I. H. Scheinberg (12))

Tabelle 2: Verlauf des Morbus Wilson nach Diagnosestellung und Therapie mit D-Penicillamin am Beispiel eines heute 25jährigen Patienten aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik D der Universität Düsseldorf

(6)

Andere Lebererkrankungen des Erwachsenenalters

1. Chronisch aktive Hepatitis 2. Zirrhose

3. Alkoholische Hepatitis 4. Virushepatitis

5. Medikamenteninduzierte Hepatitis 6. Fettleber

7. Neoplasma

8. a 1 Antitrypsinmangel 9. Morbus Gilbert

10. Dubin-Johnson-Syndrom 11. Chronische Kupferintoxikation

22- 252 18- 250 17- 105 10- 50 15- 65 20- 55 35- 110

99 15- 60 52- 64 37- 75

Morbus Wilson

Asymptomatisch 152-1828

Symptomatisch 94-1360

Lebererkrankungen des Kindesalters

1. Hepatitis des Neugeborenen 15- 479

2. Extrahepatische 39- 945

Gallengangsatresie

3. Intrahepatische 13- 149

Gallengangsatresie

4. Zirrhose 10-1226

Lebererkrankung Leberkupfergehalt

(lag Kupferig Trockenge- wicht) (normal: 15-55)

Cholestatische Lebererkrankungen

1. Primäre biliäre Zirrhose 99-1655

2. Verschluß großer ableitender 18- 940 Gallengänge

Tabelle 3: Leberkupfergehalt bei verschiedenen Lebererkrankungen (nach R. A.

Smallwood (8))

Da Kupfer zum größten Teil über das hepatobiliäre System ausgeschie- den wird, kann es bei allen chroni- schen Lebererkrankungen, insbe- sondere bei Störungen der biliären Exkretion und Cholestase, zu einer Erhöhung des Leberkupfergehaltes kommen (Tabelle 3) (8).

Daher ist eine wichtige Differential- diagnose zum Morbus Wilson die primäre biliäre Zirrhose mit einem bisweilen ähnlich hohen Leberkup- fergehalt und einer erhöhten Kupfer- ausscheidung im Urin.

Die typische Leberhistologie und die Erhöhung des Plasma-IgM, der anti- mitochondrialen Antikörper und an- derer Autoantikörper erleichtern die differentialdiagnostische Abgren- zung (7).

Aufgrund des klinischen Bildes, der laborchemischen Daten und des hi- stologischen Befundes gelingt meist auch die Differenzierung gegenüber den anderen Erkrankungen (indian childhood cirrhosis, Alpha 1 -Anti- trypsin-Mangel mit Zirrhose und chronischen Cholestasen) mit er- höhtem Leberkupfergehalt, so daß die Klärung durch kinetische Unter- suchungen mit radioaktiv markier- tem Kupfer in der Regel nicht not- wendig ist.

Eine Hyperkupriurie findet sich ebenfalls beim nephrotischen Syn- drom, zusammen mit einem ernied- rigten Serumkupfer- und Zäruloplas- minspiegel.

Auch andere Eiweißmangel- bezie- hungsweise Eiweißverlustsyndrome (zum Beispiel Kwashiorkor, Sprue, Zöliakie) können mit einer Hypoku- prämie und Hypozäruloplasminämie einhergehen.

Umgekehrt können bei Patienten mit gesichertem Morbus Wilson norma- le oder erhöhte Zäruloplasminspie- gel nachgewiesen werden. Meist liegt dann eine schwere aktive Le- bererkrankung vor.

Schwangerschaft und Östrogenthe- rapie führen ebenfalls zu einem er- höhten Zäruloplasminspiegel.

(7)

Therapie

Ziel der Therapie ist eine Reduktion der Kupferspeicher — möglichst schon im Frühstadium der Erkran- kung. Dies wird durch beschleunigte Ausscheidung nach Gabe von kup- ferbindenden Substanzen zusam- men mit einer kupferarmen Diät er- reicht.

D-Penicillamin

Diese Aminosäure enthält in der ß- Position eine reduzierte Sulfhydryl- gruppe, die das an Albumin und Zä- ruloplasmin gebundene Kupfer bin- den kann und 24 Stunden nach ora- ler Gabe eine Cupruresis bewirkt (5).

Die Gewebskupferspiegel werden dann indirekt durch Freisetzung des Metalls in die Plasmaproteine redu- ziert. Der Mechanismus der durch

Penicillamin induzierten Kupferaus- scheidung im Urin ist ungeklärt. Bei einem Viertel der Patienten treten 5 bis 10 Tage nach Therapiebeginn Hypersensibilitätsreaktionen auf.

Wird die Therapie dann — nach vor- übergehendem Absetzen des Medi- kamentes — mit niedrigeren Dosen fortgesetzt, bleiben diese Erschei- nungen meist aus. Wenn die Peni- cillamindosis wieder langsam er- höht werden soll, empfiehlt sich die zusätzliche Gabe von Steroiden und Antihistaminika. Andere Nebenwir- kungen sind Abschilferung und Sprödigkeit der Haut, die gut auf ei- ne Behandlung mit Zink anspre- chen; auch Geschmacksstörungen werden beschrieben. Zu den ernsten Komplikationen dieser Therapie ge- hören Agranulozytose, aplastische Anämie, Myasthenia gravis, Lupus erythematodes, Goodpasture-Syn- drom und nephrotisches Syndrom.

Oft muß aufgrund eingetretener Ne- benwirkungen die Behandlung mit D-Penicillamin abgebrochen wer- den. Die Therapie kann dann mit dem früher oft verwendeten 2,3-di- mercapto-1-Propanol (British anti- lewisite, BAL) oder EDTA fortgeführt werden, obwohl diese Substanzen ebenfalls sehr toxisch wirken können.

Ein in Erprobung befindliches Prä- parat, Triäthylen-tetramin-dihydro- chlorid, ein Derivat der EDTA, scheint dagegen ein nebenwir- kungsärmerer Ersatz für eine abge- brochene D-Penicillamintherapie zu sein (15). Es induziert bei Morbus Wilson Patienten mit noch ho- hen Gewebskupferspiegeln eine Cu- pruresis, während es bei behandel- ten Patienten mit entleerten Kupfer- speichern wirkungslos ist.

Eine Substitutionsbehandlung mit Zäruloplasmin führt zu keiner klini- schen Besserung.

Vorläufige günstige Ergebnisse sind mit D-Penicillamin auch bei der The- rapie der primären biliären Zirrhose berichtet worden.

Diät

Der Kupfergehalt der menschlichen Diät beträgt 2 bis 5 mg. Davon wer- den gewöhnlich etwa 30 Prozent re- sorbiert.

Besonders reich an Kupfer sind See- früchte, Innereien, Nüsse, Rosinen, Pilze und Kakao, während Milchpro- dukte, Zucker, Mehl, frisches Obst und Gemüse dagegen wenig Kupfer enthalten. Den Patienten sollte zu einer kupferarmen Nahrung geraten werden. Eine weitergehende Re- striktion ist schwer durchführbar und unnötig.

Resorptionshemmung

Eine Hemmung der Kupferaufnahme kann durch Zugabe von Kaliumsul- fid zu den einzelnen Mahlzeiten er- zielt werden. Kaliumsulfid führt zur Bildung von unlöslichen Kupfersul- fidpräzipitaten, die nicht resorbiert werden können. Diese Therapie kann zu einer negativen Kupferbi- lanz führen, zumal auch das Kupfer, welches einen enterohepatischen Kreislauf durchläuft, irreversibel ge- bunden wird. Unangenehme Neben- erscheinungen dieser Therapie sind schlechter Geschmack und unange- nehmer Geruch, so daß sie nur sel- ten konsequent durchgeführt wird.

Behandlungsprogramm

Sofort nach Diagnosestellung muß mit der D-Penicillamintherapie (Ta- gesdosis, 1,5 g [0,75-2,0 g] verteilt auf 3 bis 4 Einzelgaben) begonnen werden.

Bei besonders schwerem Krank- heitsverlauf kann die Dosis kurzfri- stig bis auf maximal 4 g erhöht wer- den; die Erhaltungsdosis sollte je- doch 1 g pro Tag nicht über- schreiten.

Wegen einer möglichen Antipyrid- oxinwirkung des Medikaments wird die zusätzliche Gabe von Vitamin- B6-Präparaten empfohlen.

In den ersten 6 bis 12 Monaten kann Kaliumsulfid (3 x 20 mg pro Tag) zusätzlich verordnet werden.

Literatur

Bearn, A. G.: Wilson's disease, in: The metabolic basis of inherited disease, 3rd ed.

(1972) 1033-1050 — Feist, D., und Wesch, H.:

Die hepatische Manifestationsform des Mor- bus Wilson im Kindes- und Jugendalter. Leber, Magen, Darm 9 (1979) 235-239 — Sherlock, S.:

Diseases of the Liver and Biliary System, 5th Ed. Blackwell, Oxford, (1975) 285-299 — Small- wood, R. A.: Other liver diseases associated with increased liver copper concentration, in:

Metals and the Liver. Ed. L. W. Powell, N. Y.

(1978) 313-330 — Sternlieb, I.: Copper and the Liver. Gastroenterology 78 (1980) 1615-1628

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med.

Georg Strohmeyer Direktor der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik D

Moorenstraße 5 4000 Düsseldorf

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Toleranz des „suum cuique" (Jedem das Seine) auch in schwersten Zeiten nicht vergessen hat, darzustellen. Preußen war kein Nationalstaat. auch kein Schlesier, ja auch kein Pole

Die Krone, ja, wer soll denn bloß die Krone flechten! Das hat sie doch immer gemacht. Aber es wird auch keine schmerzenden, zer- stochenen Arme und keine zerkratzten Füße geben,

Im Franckeschen Waisenhaus in Halle aufge- wachsen, brachte er es im Laufe seines Lebens zu einem der bedeutendsten modernen Über- setzer Shakespeares, dessen Arbeiten nicht nur

W er je das Lager in Friedland an der deutsch-deutschen Grenze betreten hat, wird es nicht wieder vergessen können, gleich, ob er hier nach der späten Heimkehr aus

Kriterien der mehr konservativ behandelten Gruppe waren acht Konserven innerhalb von 24 Stunden, zwei Rezidivblu- tungen sowie anhaltende Blutung mit einem Bedarf von 12 Konser-

Bedeutende Erkenntnisse über die zell- biologischen Vorgänge, die zur Entste- hung der Alzheimerschen Erkrankung beitragen erhofft man sich von der Cha- rakterisierung von

Auch hier ist nicht die alleinige Erhöhung, nicht einmal der Nachweis von Harnsäurekristal- len, beweisend für eine manifeste Gicht; vielmehr wird der intrazellu- läre Nachweis

Chronische Blu- tungen führen aufgrundder reak- tiv gesteigerten Hämatopoese erst dann zu einer manifesten Anämie, wenn die Eisenreserven des Kör- pers (0,5 bis 1,5