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Archiv "Wissenschaftliches Publizieren: Beitrag eines jeden Autors offen legen" (25.02.2005)

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ie wissenschaftliche Publikation stellt den krönenden Abschluss eines Forschungsprojekts dar. Sie ist Lohn für oft langjährige Mühen, die Inkaufnahme frustrierender Rückschlä- ge, insbesondere aber für die intellektu- elle Leistung, die mit der Konzeption und Auswertung eines Laborexperi- ments oder einer klinischen Studie ver- bunden ist. Sie ehrt diejenigen, die ihre Zeit für das Gelingen des Projektes in- vestiert, wegweisende Ideen eingebracht und sich nicht gescheut haben, diese auch in hitzigen Diskussionen zu ver- teidigen. Es sollte selbstverständ- lich sein, dass sich die Aner- kennung dieser Leistung in einer Autorenschaft niederschlägt.

In der letzten Re- vision der „Uniform Requirements for Manuscripts Sub- mitted to Biomedical Journals“ (auch be- kannt als „Vancouver- Statement“) des Inter- national Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) wurden die Anfor- derungen für die Gewährung einer Autorenschaft wie folgt for- muliert: „Authorship credit should be based on 1) substantial contributions to conception and design, or acquisition of data, or analysis and interpretation of data; 2) drafting the article or revising it critically for important intellectual con- tent; and 3) final approval of the version to be published. Authors should meet conditions 1, 2, and 3.“ Die vollstän- digen Richtlinien sind unter www.

icmje.org/icmje.pdf frei verfügbar.

Um den Forderungen nach einer Steigerung des „wissenschaftlichen Bruttosozialproduktes“ bei zunehmend begrenzten zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen nachzukom- men, ist es gängige Praxis, Kollegen in Autorenlisten aufzunehmen, die ent- weder nur einen geringen, häufig sogar keinen Anteil an den Forschungsergeb- nissen tragen. Erwartet wird ein eben- solches Entgegenkommen bei zukünf-

tigen Publikationen der genannten Wissenschaftler. Ohne anzuprangern, soll auf Konflikte hingewiesen werden, die aus solchem Geben und Nehmen erwachsen können:

>Mitglieder eines Autorenteams mit nachweislich erbrachter Leistung kön- nen sich durch die Hinzufügung eines vielleicht unbekannten und nur aus Gefälligkeit berücksichtigten „virtuellen

Autors“ zu Recht übergangen oder gekränkt fühlen.

>Die geschenkte Autorenschaft kann sich als Bärendienst erweisen, wenn die Ergebnisse durch die wissenschaftli- che Gemeinschaft angezweifelt werden (siehe zum Beispiel den Fall Herrmann und Bracht [1]).

>Alle Autoren müssen den Inhalt einer Publikation, insbesondere aber auch die unpublizierten Hintergründe für die untersuchte Fragestellung und die angewendeten Methoden kennen.

Es ist für alle Beteiligten peinlich, wenn der Gefälligkeitsautor in einer wissen- schaftlichen Diskussion mangelnde Kenntnisse wesentlicher Details der zitierten Arbeit eingestehen muss.

Einige Autoren glauben, durch die Hinzufügung des Namens eines ange- sehenen Wissenschaftlers die Chance für eine Veröffentlichung ihrer Arbeit erhöhen zu können. Während dieser Weg durch eine verblindete externe Begutachtung („blinded peer review“) ohnehin zum Scheitern verurteilt sein sollte, muss sich der Genannte mit der Vermarktung seines Namens ausein- ander setzen. David Sackett, einer der Väter der EbM-Bewegung, erkann- te diesen Trend und zog seine Konsequenzen (2): „The first was the reception of an honorary degree and the second bears my name: ,Sackettisa- tion‘, defined as ,the arti- ficial linkage of a publi- cation to the evidence based medicine movement in order to improve sales.‘

. . . As before, I decided to get out of the way of the young people now entering this field, and will never again lecture, write, or referee anything to do with evidence based clinical practice.“

Nicht nur diejenigen Wissenschaftler, die in sicher gut gemeinter Freizügigkeit ihren Kollegen Autorenschaften anbie- ten, sondern auch die derart Beschenk- ten sollten kritisch abwägen, ob die Nennung ihres Namens auf einem Arti- kel, zu dem sie keinen eigenständigen Beitrag geleistet haben, der wissen- schaftlichen Reputation mehr nutzt oder gar schadet. Es lohnt sich, dem T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 8⏐⏐25. Februar 2005 AA495

Wissenschaftliches Publizieren

Beitrag eines jeden Autors offen legen

Wissenschaftler sollten kritisch abwägen, ob die Nennung ihres Namens auf einem Artikel, zu dem sie

nichts beigetragen haben, mehr schadet als nutzt.

Wäre es nicht sinnvoll, auch noch unseren Klinikleiter unter

die Koautoren aufzunehmen?

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geschenkten Gaul bisweilen doch einmal ins Maul zu schauen.

Führende Zeitschriften,wie das British Medical Journal, haben frühzeitig damit begonnen, neben eventuellen Interes- senkonflikten, die aus einer Drittmittel- unterstützung resultieren können, auch den Beitrag jedes einzelnen Autors zu einem Artikel offen zu legen. Es ist Zeichen guter wissenschaftlicher Praxis und Verantwortung, hierbei Transpa- renz zu wahren.

Dem korrespondierenden Autor kommt die schwierige Rolle zu, im Ein- klang mit den ICMJE-Vorgaben über die Autorenreihenfolge zu wachen, da er diese gegenüber dem Herausgeber der Zeitschrift und der Leserschaft ver- treten muss. Dies führt in späten Stadi- en der Publikation nicht selten zu Un- stimmigkeiten zwischen Wissenschaft- lern, die ihrem Beitrag zum Projekt vor dem Hintergrund der in greifbare Nähe gerückten Veröffentlichung plötzlich ein höheres Gewicht beimessen und dies auch in der Platzierung ihres Namens ausdrücken möchten.

Es ist allgemein akzeptiert, dass demjenigen, der die führende Rolle in der Organisation, Planung, Koordinati- on und Manuskripterstellung übernom- men hat, auch der Rang des Erstautors zukommt. Dem letztgenannten Autor („senior author“) wird häufig die Idee für das Projekt zugeschrieben – die Rol- lenverteilung ist jedoch nur selten so klar definiert. Aufgrund der Bedeutung der Erst- und Letztautorenschaft für die Zuschreibung der Veröffentlichung an einen Wissenschaftler oder dessen In- stitution beruht die endgültige Position häufig auf einem Konsens gleichberech- tigter Partner.

Aktiver Beitrag muss geleistet werden

Erst- und Letztautor sind diejenigen Wissenschaftler, die das Projekt auf den Weg gebracht haben. Für die Dokumen- tation wissenschaftlicher Leistung ist die Reihenfolge der zwischen Erst- und Letztautorenschaft gelegenen Positio- nen von untergeordneter Bedeutung – die Auflistung als Zweit-, Dritt-, Viert- oder n-Autor weist auf einen Beitrag der Genannten hin, ohne den das Pro-

jekt nicht zum Abschluss gebracht wor- den wäre. Dies erfordert allerdings ei- nen persönlichen Einsatz, der über die Sammlung von Daten und kritische An- merkungen zum Manuskript hinausge- hen muss. Die Autorenliste sollte sich aus denjenigen Wissenschaftlern zusam- mensetzen, deren aktiver Beitrag durch Labor- oder Studienprotokolle,Tabellen, Grafiken und Ähnlichem belegt werden kann. Die Gewährung einer Ehren- autorenschaft kann der Dank eines Wissenschaftlers an seinen Lehrer, Insti- tutsleiter oder auch einen Kollegen sein, ohne dessen Hilfe und Unterstützung die präsentierte Forschungsleistung nicht möglich gewesen wäre.

Es existieren jedoch Beispiele aus dem akademischen Alltag, die mit die- ser Form der Dankesbezeugung nichts mehr gemein haben. Ein Szenario:

Prof. H. und Dr. L. sind ehemalige Mit- glieder eines Teams von Forschern um Dr. U. Dieser trägt Informationen zu einem Projekt eines Wissenschaftlers einer unabhängigen Institution bei, dem die erstgenannten Kollegen unbe- kannt sind. Obwohl Prof. H. und Dr. L.

keine eigenständige intellektuelle Lei- stung zu dem neuen Projekt beitragen, sollen sie auf Wunsch von Dr. U. in die Autorenliste aufgenommen werden.

Der Herausgeber der Zeitschrift, in dem das Manuskript publiziert werden soll, lehnt dies berechtigterweise ab – die bisherigen Beiträge von Prof. H.

und Dr. L. werden in einer Dank- sagung gewürdigt. Beide üben bis zu Drohungen reichenden massiven Druck aus und werden schließlich in die Autorenliste aufgenommen. Es bleibt dem Leser überlassen, wie die Umgangsformen von Prof. H. und Dr.

L. zu werten sind, die während des gesamten Publikationsprozesses aus- schließlich mit Dr. U. und sogar dem Herausgeber, nicht jedoch mit dem korrespondierenden Autor der Arbeit kommunizierten.

Trotz aller Versuche, Transparenz zu wahren, werden Herausgeber und Le- ser eines Artikels nur selten endgültig nachvollziehen können, welchen Teil einzelne Forscher tatsächlich zu einem Projekt beitrugen. Fraglos gibt es Situa- tionen, in denen tatsächlich eine Grup- penleistung vorliegt, innerhalb derer eine objektive und gerechte Gewich-

tung der Beiträge einzelner Mitglieder zum Erfolg unmöglich ist.

Es wurde bereits gefordert, in diesen Situationen auf die Nennung einzelner Autoren zu verzichten. Dieser rigorose Einschnitt wird ohne eine grundlegende Änderung in der Wissenschaftslandschaft (die auch die für alle Interessierten frei zugängliche wissenschaftliche Infor- mation und die Bereitschaft zur Publi- kation von Negativergebnissen um- fasst) kaum akzeptiert werden.

Die Autorenreihenfolge früh festlegen

Eine Alternative könnte jedoch die Nen- nung einer Autorengruppe sein – dies unterstreicht Teamfähigkeit und Mann- schaftsgeist. Das Auftreten als Gruppe ist motivierend und könnte dazu führen, an- dere Wissenschaftler für das bearbeitete Problem zu begeistern. Die Gründung derartiger Gruppen stellt möglicherwei- se die beste Form dar, die intellektuelle Kapazität bisher getrennt arbeitender Wissenschaftler ohne die häufig geäußer- te Sorge vor Ideendiebstahl zusammen- zuführen und zu potenzieren. Langfristig könnte dies auch den zunehmenden öko- nomischen Einschränkungen in der For- schung gerecht werden.

Bis zur Abkehr von bisherigen Hier- archien bleibt den Beteiligten häufig nur die bereits im Vorfeld der Planung schriftliche Festlegung der Autorenrei- henfolge auf der abschließenden Publi- kation. Diese Maßnahme hinterlässt je- doch einen schalen Beigeschmack und ist selten dazu angetan, alle Mitstreiter trotz der zahlreichen Widrigkeiten einer wissenschaftlichen Untersuchung bei der Stange zu halten. Wissenschaft- ler sollten bessere Wege des Umgangs untereinander und mit den Ergebnissen ihrer Forschung finden.

Literatur

1. Koch K: Wissenschaftsbetrug: Eine Affäre zieht Kreise.

Dtsch Arztebl 2000; 97: A-1712 [Heft 25].

2. Sackett DL: The sins of expertness and a proposal for redemption. BMJ 2000; 320: 1283.

Dr. med. Dirk Stengel Dr. med. Kai Bauwens

Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp Unfallkrankenhaus Berlin Warener Straße 7 12683 Berlin T H E M E N D E R Z E I T

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A496 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 8⏐⏐25. Februar 2005

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