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Archiv "Wissenschaftliches Publizieren - Umstritten, aber etabliert – der Impact Factor: Die Besten erkennen und nennen" (23.12.2002)

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(1)

Auf den Punkt gebracht

Den Autoren gebührt das Verdienst, ein wichtiges Thema aufgegriffen und auf den Punkt gebracht zu haben. Es er- scheint reichlich unsinnig, wenn die Be- wertung der wissenschaftlich tätigen Me- diziner nicht mehr danach erfolgt, wie ihre Publikationen aussehen, sondern danach, wo diese erfolgen. Für eine Veröffentli- chung in Muscle and Nerve gibt es eine vielfach höhere Bewertung als für eine Veröffentlichung in der aktuellen Neu- rologie – völlig unabhängig von der Gü- te der Arbeit, also auch, wenn es sich um weitgehend dieselbe Arbeit handelt.

Noch merkwürdiger ist die Heranzie- hung des Zitationsindex: Je häufiger eine Arbeit zitiert wird, umso größer ist der Ruhm des Autors. Dabei sollte jedem klar sein, dass Themen wie Diabetes mellitus oder Schlaganfall von viel mehr Kollegen beachtet und damit häufiger zitiert wer- den als Arbeiten über mitochondriale Myopathien oder Myoklonus-Epilepsi- en. Über die Qualität dieser Arbeiten sagt dies nicht das Geringste aus, sondern lediglich über die Beliebtheit des Themas.

Schließlich besteht die Tendenz,Arbeiten in deutscher, französischer, italienischer usw. Sprache nicht zu zitieren, selbst wenn erkennbare Anleihen daraus er- folgten und wenn deren Qualität biswei- len höher ist als die mancher der zitierten englischsprachigen Publikationen.

Prof. Dr. med. Manfred Stöhr, Klinikum Augsburg, Neurologische Klinik, Postfach 10 19 20, 86009 Augsburg

Dank

Die öffentliche Diskussion zu dem The- ma wird durch diesen Artikel angeregt.

Es ist erstaunlich, wie hartnäckig er an den Universitäten, außer an der Medizi- nischen Fakultät der Johannes-Guten- berg-Universität Mainz, noch zur Anwen- dung kommt. Von den USA wurde er nach Europa exportiert und hat sich hier zu einem Profit bringenden Imperium entwickelt. Der international ohnehin wegen seiner „Modellierbarkeit“ in den Datenbanken sehr umstrittene Wert bringt für den Autor einer Publikation ab- solut keinen Nutzen. Der Factor gibt nur Auskunft über die Qualitätseinstufung ei- ner Fachzeitschrift nach „ISI“ (Institute for Scientific Information). Schon 1997 schrieben Lachmann und Rowlinson in Science and Public Affairs: „It’s what not where you publish that matters.“ Anläss- lich einer Reise in die USA im Frühjahr 2002 berichtete mir ein sehr angesehener emeritierter Ordinarius der Texas Uni- versity in Houston, der Impact Factor ei- ner Zeitschrift spiele dort überhaupt kei- ne Rolle. Entscheidend für den Autor ist die Qualität der Arbeit und die Häufig- keit der Zitierungen. In Deutschland ha- ben sich die Zitiergewohnheiten leider sehr vereinfacht, sehr zum Schaden der deutschen Autoren und der inländischen Fachzeitschriften. In die Verzeichnisse kommen selbstverständlich die eigenen Publikationen, wenige deutsche Autoren und überwiegend ausländische Arbeiten, die problemlos aus dem Internet heraus- gesucht werden können.

Den Autoren sei gedankt, dass sie die- ses Thema aufgegriffen haben.

Prof. Dr. med. Wolfgang Haße, Eitel-Fritz-Straße 35, 14129 Berlin

Tücken

In der Tat hat die Berechnung des Impact Factors (IP) seine Tücken. Als verglei- chende Größe zur Beurteilung wissen- schaftlicher Leistung von Bewerbern in- nerhalb einer Fachrichtung hat sich der IP als, wohlgemerkt, ein Entscheidungskrite- rium bewährt. Natürlich sollte eine detail- liertere Betrachtung von wissenschaftli- cher Leistung (wie Erstautorenschaften, Zahl der Zitationen u. a.) in Berufungs- kommissionen verwendet werden. Aber den IP als Problem zur Beurteilung natio- naler Forschungsqualität zu benennen geht an der wissenschaftlichen Realität vorbei. Forschung ist immer international,

wenn sie allgemeine Gültigkeit erheben will. Dass Review-Artikel nach Meinung der Autoren die größte Mühe aufbürden, zeugt von einem prekären Wissen- schaftsverständnis. Denn allein Original- arbeiten bringen Fachdisziplinen weiter.

Alternative Bemessungsparameter, wie sie schon vielerorts in Berufungskom- missionen verwendet werden und mit Si- cherheit diskussionswürdig sind (zum Beispiel die fünf besten Arbeiten, Zita- tionen), lassen die Autoren jedoch offen.

Dr. med. Nicolai Savaskan,

Institut für Anatomie, Med. Fakultät Charité der HUB, Philippstraße 12, 10115 Berlin

Die Besten erkennen und nennen

. . . Die Entwicklung durch die Integrati- on der Forschung von BRD und DDR scheint abgeschlossen. Mit 7,9 % Welt- anteil an qualitativ gehobener For- schung bleibt Deutschland deutlich hin- ter den USA (32,7 %) und sogar hinter dem kleineren Großbritannien (9,3 %) zurück. Bezogen auf die Köpfe der Ein- wohner sowie auf das Bruttosozialpro- dukt, liegt Deutschland hinter Schweiz, Schweden, Dänemark, Kanada, Nieder- lande usf. an 15. Stelle. Demnach würde (etwas) mehr Geld, wie es Politiker im- mer wieder in Aussicht stellen, kaum Wesentliches ändern.

Gegenwärtig ist offenbar das rohstoff- arme Land Deutschland, das auf die Leistung der Köpfe seiner Bürger ange- wiesen ist, mit seinem Zugpferd für die Zukunft, die Wissenschaft, dem globa- len Konkurrenzdruck nur mittelmäßig gewachsen. Deutschlands Steuerausga- ben für die Wissenschaft sind nicht gut angelegt.

Um aus dieser Lage herauszukom- men, wäre es jedoch falsch, Oehm &

Lindner zu folgen und nicht zu objekti- vieren. Denn dies bewirkte einen Rück- fall in alte Zeiten, in denen subjektive Bewertungen vorherrschten. Sie waren hauptsächlich durch einen Mangel an validen objektiven Indikatoren gerecht- fertigt und dadurch, dass man als Wis- senschaftler noch fast jeden Wichtigen im eigenen Fachgebiet kannte sowie ganze Fächer überschaute und vermut- lich verantwortungsvoller als gegenwär-

tig urteilte.

T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 51–5223. Dezember 2002 AA3455

zu dem Beitrag

Wissenschaftliches Publizieren:

Umstritten, aber etabliert – der Impact Factor

von

Victor Oehm und Udo K. Lindner in Heft 22/2002

DISKUSSION

(2)

Heute, wo noch etwa 80 % aller Wis- senschaftler der Menschheitsgeschichte leben, ist es kaum noch möglich, nur die Habilitierten und Professorierten des ei- genen Faches und die Breite ihres wis- senschaftlichen Arbeitsgebietes zu ken- nen. Nicht zu objektivieren wäre zusätz- lich ein Fehler, weil wichtige Grundwer- te der Gesellschaft, die sich auf subjekti- ve Bewertungen auswirken, aufzuwei- chen scheinen. Insbesondere macht das Denken für das Wohl der Gemeinschaft und die Fürsorge für andere zunehmend dem Egoismus Platz. Die Wissenschaf- ten sind von dieser Tendenz nicht ausge- nommen. In ihnen bestehen zusätzliche Gefährdungen dadurch, dass häufig Kol- legen ihre Kollegen bzw. deren For- schungsarbeiten bewerten. Sie entschei- den über Rivalen oder Freunde.

Auf derartige Gefährdungen subjek- tiver Bewertungen von Kollegen durch Kollegen hatte H. H. Kornhuber bereits 1988 mit seiner Arbeit „Mehr For- schungseffizienz durch objektive Beurtei- lung von Forschungsleistung“ aufmerk- sam gemacht. Außerdem darauf, warum gerade die besten Forscher und ihre Lei- stungen systematisch behindert werden.

Ein wichtiger Grund sind viele Begutach- ter von Forschungsarbeiten, und Forscher haben schon wegen ihrer großen Zahl zwangsläufig zur Erhaltung eigener Vor- teile und des eigenen Ansehens kein In- teresse daran, die „Besseren“ zu fördern.

Als Schutz forderte Kornhuber die objektive und valide Messung von For- schungsqualität. Die Objektivierung entspricht intersubjektiv nachvollzieh- baren Messungen und erhöht die Trans- parenz und Fairness, schützt gegen Kor- ruption, und der Beurteilte weiß, warum er wie bewertet wurde. Doch Objekti- vität bedeutet noch nicht Validität: die Messung von dem, was gemessen wer- den soll, nämlich die Ausprägung von Forschungsqualität. Erst mit validen ob- jektiven Indikatoren wird man hervorra- gende Forscher und Forschung erken- nen, die das Land so nötig braucht.

Was ist seit Kornhuber geschehen?

Die Objektivierung ist durch den IF er- folgt. Mit seiner Hilfe haben die Medizi- nischen Universitätsfakultäten, die oh- nehin die Hälfte aller wissenschaftlichen Publikationen produzieren, eine wichti- ge Entwicklung durchgemacht: von der Subjektivität zur Objektivität. Ohne ihn

hätte die Integration der Wissenschaft beider deutscher Staaten wahrscheinlich etwas weniger als 7,9 % Weltanteil ge- bracht. Aber jetzt, wo die Objektivie- rung zur Selbstverständlichkeit wurde, muss man sich mehr um die Validität der Indikatoren kümmern. Kornhuber hatte bereits viel geeignetere als den IF ange- führt. Sie leiten sich aus Zitationsraten her, wie der „Science Impact Index“. Er erreicht für Anwendungen auf Wissen- schaftler der deutschen Medizin minde- stens das Validitätsniveau psychodia- gnostischer Tests wie Intelligenz-, Per- sönlichkeits- oder Demenztests.

Falls uns die Validität der herkömmli- chen Indikatoren noch nicht ausreicht, sollten wir lieber an deren Erhöhung her- umfeilen. Doch schon der SII eignet sich, die besten Forscher und die beste For- schung zu identifizieren, um sie weiter zu fördern und anderen als Vorbilder anzu- bieten, damit sie sich daran orientieren.

Die breite Anwendung derartiger Indi- katoren könnte Deutschland in wenigen Jahren im internationalen Vergleich ei- nen Sprung nach vorne sichern . . . Literatur beim Verfasser

Dr. Siegfried Lehrl,Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Erlangen-Nürnberg, Schwabachanlage 6, 91054 Erlangen

Schlusswort

Die Resonanz auf unseren Artikel spie- gelt die Bedeutung des Themas wider.

Die Diskussion trifft auf blank liegende Nerven, denn der Versuch, Wissenschaft zu messen, ist gescheitert. Nicht der Me- thode ist die Kritik anzulasten, sondern ihrem Missbrauch. Was für die Bewer- tung von Zeitschriften galt, wurde in kühnem Schwung auf deren Autoren übertragen. Weil viele von diesem Vor- gang profitierten, konnte er sich etablie- ren und schadet heute den Wissenschaft- lern wie der Wissenschaft.

In Antwort auf den Brief von Lehrl erscheint uns der Vergleich der Wissen- schaftsleistungen Deutschlands im inter- nationalen Kontext als Verfehlung des Themas. Auch sprachen wir nicht von den Kosten der Wissenschaft, die kaum zu ermitteln sind.

Lehrls Ausführungen sind interes- sant, doch der Rundumschlag seiner Ar-

gumente lässt ein klares Ziel vermissen.

Der Zusammenhang von Rohstoffarmut und der Situation der Wissenschaft in Deutschland klingt zwar pathetisch na- tional, was aber hat das mit dem Thema zu tun? Hier kochen Emotionen hoch.

Nur so ist auch die initiale These des Ver- fassers zu verstehen, dass unsere kriti- sche Auseinandersetzung mit der Litera- tur als Beitrag zum „Stillstand der deut- schen Forschung im internationalen Ver- gleich“ zu sehen sei. Das ist leider eine wirre Kette von Überlegungen, denn wir könnten uns auf die Schulter klopfen, hätten wir hierzu einen Beitrag geleistet.

Das aber konnten wir leider nicht. Unse- re Betrachtung ist lediglich realistisch und bodenständig und alles andere als ein Höhenflug, der die Problematik der Wertmessung und Bewertung deutsch- sprachiger Publikationen aus der Vogel- flugperspektive sieht.

Dem Verfasser der Zuschrift ist Recht zu geben, dass wir in einem Prozess des Rückschritts stehen und dass die For- schung in Deutschland an Boden zu ver- lieren scheint. Wir sagen „scheint“, denn die Betrachtung über den geheiligten Impact Factor lässt diese Conclusio nicht zu. Schon Eugen Garfield bestätigte dies 1999 in seiner Antwort auf den von uns verfassten Artikel zur Magie des Impact Factors, der erstmals in Der Anaesthesist erschien und dann von zahlreichen Jour- nals aufgegriffen wurde.

Nun liegen den Prozessen Strategien zugrunde, und hinter Strategien stehen Menschen, die dazu neigen, am Bisheri- gen festzuhalten. Der Impact Factor im deutschsprachigen Raum und gebeutelt durch seinen Missbrauch ist ein fragwür- diges Gut für eine Tradition, die sich bis- her durch Fortschritte ausgezeichnet hat. In anderen Zuschriften wird die kri- tische Frage gestellt, was besser zu ma- chen sei. Den Horizont der Wissenschaft zu beschreiben war nicht Gegenstand unserer Arbeit, denn wir sind dieser Fra- ge in der zentralen Zeitschrift der deut- schen Ärzteschaft absichtlich aus dem Weg gegangen. Die klinische Medizin steht nicht allein im Licht wertfreier For- schung, sondern sie muss sich dem Po- tenzial ihrer Anwendungsmöglichkeiten stellen. Referenz steht dann neben Zita- tion – aber das mag Inhalt einer zukünf- tigen Recherche werden.

Dr. Udo K. Lindner, Victor Oehm T H E M E N D E R Z E I T

A

A3456 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 51–5223. Dezember 2002

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