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Anästhesie bei Reptilien

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Academic year: 2022

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Anästhesie bei Reptilien - Erkenntnisse zum klinischen Einsatz des Injektionsanästhetikums Alphaxalon

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von Nicole Kowaleski

Hüllhorst

Hannover 2010

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Wissenschaftliche Betreuung:

Prof. Dr. med. vet. M. Fehr

Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

1. Gutachter: Prof. Dr. med. vet. M. Fehr 2. Gutachter: Prof. Dr. med. vet. W. Meyer

Tag der mündlichen Prüfung: 03.05.2010

Diese Arbeit wurde durch die Graduiertenförderung der Konrad Adenauer Stiftung gefördert.

Das Anästhetikum Alfaxan® wurde durch die Firma Vetoquinol UK Limited zur Verfügung gestellt.

Teile der Arbeit wurden auf der ersten DVG-Tagung über Vogel- und

Reptilienkrankheiten in Leipzig 2009 veröffentlicht (Intravenöse Einleitung einer Allgemeinanästhesie bei Schildkröten unter der Verwendung von Alphaxalon; Kowaleski, Kästner, Mathes, Fehr).

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Es gibt einen Platz den Du füllen musst, den niemand sonst füllen kann.

Und es gibt etwas für Dich zu tun, das niemand sonst tun kann.

(Platon)

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1. Inhaltsverzeichnis

1. Inhaltsverzeichnis 5

2. Übergreifende Einleitung 7

3. Publikationen 10

3.1 Intravenöse Einleitung einer Allgemeinanästhesie bei

Schildkröten unter Verwendung von Alphaxalon 11

3.2 Untersuchungen zur Kombinationsanästhesie von Alphaxalon,

Ketamin und Isofluran bei ausgewählten Schildkrötenarten 49

4. Übergreifende Diskussion 107

5. Übergreifende Zusammenfassung 115

6. Summary 117

7. Literaturverzeichnis 119

8. Anhang 127

9. Danksagung 138

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2. Übergreifende Einleitung

Reptilien, insbesondere Schildkröten, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit als Terrarientiere in privaten Haushalten und werden zudem verstärkt in zoologischen Gärten gehalten. Neben der Bereicherung des Tierbestandes spielt ihre erfolgreiche Haltung und Vermehrung insbesondere im Rahmen des Artenschutzes eine wichtige Rolle. Aufgrund dieser Entwicklung gewinnen Reptilien zunehmend an Bedeutung als Patienten in der tierärztlichen Praxis. Durch ihre Ektothermie, die Ausprägung kardiopulmonaler Shuntsysteme und ihrer hohen Toleranz gegenüber Sauerstoffmangelsituationen, stellen sie dabei eine große Herausforderung für den behandelnden Tierarzt dar (SCHUMACHER 2007). Sämtliche Stoffwechselvorgänge und damit auch die Aufnahme, Metabolisierung und Ausscheidung von Anästhetika, werden maßgeblich von der Außentemperatur beeinflusst (BONATH 1977). Zudem wird die Aufnahme volatiler Anästhetika durch ihre Fähigkeit erschwert, die Atmung über lange Zeiträume einzustellen und die Lungenperfusion zu reduzieren (LONGLEY 2008). Diese und weitere anatomische und physiologische Besonderheiten lassen die Reaktion eines Reptils auf verabreichte Anästhetika oftmals sehr individuell ausfallen. Dennoch gilt auch für die Anästhesie von Reptilien der Anspruch, eine praktikable und zugleich möglichst sichere Narkose zu gewährleisten (SCHUMACHER 2007). Eine praktikable Anästhesie stellt sich für den durchführenden Tierarzt als eine mit geringem Aufwand zu applizierende Narkose dar, die mit einer kurzen Einleitungsphase, ausreichender Dauer und Tiefe für den notwendigen Eingriff und kurzer Aufwachphase einhergeht. Als sicher ist eine Anästhesie zu bezeichnen, in deren Verlauf das Tier innerhalb kurzer Zeit das Stadium chirurgischer Toleranz erreicht und nur ein geringer negativer Einfluss auf Stoffwechsel-, Kreislauf- und Atemparameter erfolgt. Die bisher bekannten Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen zur Anästhesie bei Schildkröten sind gekennzeichnet durch erhebliche speziesspezifische und individuelle Unterschiede in Hinblick auf Narkoseeinleitung, Wirkungsdauer und Aufwachphase (BENNETT 1991). Dies hat in vielen Fällen eine schlecht steuerbare und risikoreiche Narkose zur Folge, die aus tierärztlicher Sicht weder praktikabel noch sicher erscheint. Aus diesem Grund sind die Entwicklung neuer Anästhesieregime von großer Bedeutung und der Einsatz innovativer Anästhetika unerlässlich (SCHUMACHER u. YELEN 2006;

SCHUMACHER 2007). Zu einer neuen Generation von Anästhetika gehören Wirkstoffe aus der Gruppe der Neurosteroide, die seit einiger Zeit vermehrt in der

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Kleintieranästhesie eingesetzt werden. Alphaxalon, ein Progesteronderivat dieser Wirkstoffklasse, zeichnet sich durch die Affinität zu neuroaktiven Zellen aus. Es interagiert mit GABAA - Rezeptoren und löst dadurch anästhetische und muskelrelaxierende Wirkungen aus (PANKOW u. WHITTEM 2008). Es ist gekennzeichnet durch eine große therapeutische Breite und wird in der Kleintieranästhesie als Induktionsanästhetikum eingesetzt (PANKOW u. WHITTEM 2008). Zum Einsatz von Alphaxalon in der Reptilienanästhesie sind in der Literatur bisher nur Einzelfallberichte zu finden. So erzielte SIMPSON (2004) bei Reptilien mit einer Dosierung von 2 - 4 mg/kg KGW Alphaxalon intravenös verabreicht nach kurzer Zeit eine chirurgische Toleranz. HOLDSWORTH (2005) berichtet von einer sanften Einleitungs- und Aufwachphase bei Reptilien nach intravenöser Injektion von 5 - 10 mg/kg KGW Alphaxalon. JOHNSON (2005) empfiehlt bei Schildkröten eine intravenöse Applikation von 5 - 8 mg/kg KGW Alphaxalon zur Einleitung der Allgemeinanästhesie und für kurze chirurgische Eingriffe. Nach einer intravenösen Injektion von 2 - 4 mg/kg KGW Alphaxalon können Alligatoren, Echsen, Schlangen und Schildkröten intubiert werden (CARMEL 2002). HACKENBROICH (1999) konnte bei Rotwangenschmuckschildkröten nach intrapleuroperitonealer Applikation von 24 mg/kg metabolisches Körpergewicht eine Allgemeinanästhesie mit chirurgischer Toleranz erzielen. Er verwendete jedoch ein Kombinationsanästhetikum aus Alphaxalon und Alphadolon, einem weiteren neuroaktiven Progesteronderivat.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Anästhesie von Schildkröten unter Verwendung von Alphaxalon untersucht. Die zentralen Fragen der Untersuchungen stellten dabei die Möglichkeiten der klinischen Anwendbarkeit und die Etablierung eines Anästhesieregimes mit Alphaxalon dar. Dafür waren zunächst allgemeine Aspekte, wie die Ermittlung der zum Erreichen der Intubationsfähigkeit notwendigen Dosierung des Alphaxalons, von Interesse. Diese sollte durch eine Dosistitration evaluiert werden. Einen weiteren Gegenstand der Betrachtungen stellte in diesem Zusammenhang die Auswirkung variierender Umgebungstemperaturen auf eine notwendige Dosierung zum Erlangen der Intubationsfähigkeit dar. Im Anschluss daran stand eine Kombinationsanästhesie von Alphaxalon, Ketamin und Isofluran im Mittelpunkt der Untersuchungen. Durch die Kombination dieser Anästhetika sollte eine Allgemeinanästhesie mit chirurgischer Toleranz herbeigeführt und die Auswirkungen der Kombinationsnarkose auf den Organismus dargestellt werden.

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Für die Arbeit wurden sowohl vornehmlich im Wasser als auch an Land lebende Schildkrötenarten in die Untersuchung einbezogen, um mögliche speziesspezifische Unterschiede hinsichtlich der wirksamen Dosis des Injektionsnarkotikums und deren Einfluss auf den Verlauf der Einleitungsphase, Dauer und Tiefe der Narkose, sowie den Verlauf der Aufwachphase darstellen zu können.

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3. Publikationen

3.1 Intravenöse Einleitung einer Allgemeinanästhesie bei Schildkröten unter Verwendung von Alphaxalon

Kowaleski N, Ulrich R, Dr., Mathes KA, Dr., Kästner SBR, Prof. Dr., Fehr M, Prof. Dr., Puff C, Dr.

(In Teilen auf der ersten DVG-Tagung über Vogel- und Reptilienkrankheiten in Leipzig 2009 veröffentlicht)

3.2 Untersuchungen zur Kombinationsanästhesie von Alphaxalon, Ketamin und Isofluran bei ausgewählten Schildkrötenarten

Kowaleski N, Kästner SBR, Prof. Dr., Fehr M, Prof. Dr., Mathes KA, Dr.

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Intravenöse Einleitung einer Allgemeinanästhesie bei Schildkröten unter Verwendung von Alphaxalon

Kowaleski N a, Ulrich R, Dr. b, Mathes KA, Dr. a, Kästner SBR, Prof. Dr. c, Fehr M, Prof. Dr. a, Puff C, Dr. b

a Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

b Institut für Pathologie Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

c Klinik für Kleintiere Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

3.1.1 Einleitung

Die Narkose von Reptilien stellt für Anästhesisten oftmals eine große Herausforderung dar, weil die Stoffwechselrate poikilothermer Tiere entscheidend für die Aufnahme, Metabolisierung und Ausscheidung der verabreichten Anästhetika und damit für den Verlauf der Narkose ist. Sie wird bei diesen Tieren maßgeblich von der Außentemperatur beeinflusst (BONATH 1977). Ebenso wichtig sind weitere anatomische und physiologische Besonderheiten, welche die wechselwarmen Vertebraten auszeichnen. ROBIN (1964) und BONATH (1977) beschreiben die Fähigkeit der Reptilien, ihre Atmung willentlich einzustellen. Besonders ausgeprägt ist dieser Mechanismus bei aquatilen und semiaquatilen Arten (BELKIN 1968;

BONATH 1977; SCHILDGER et al. 1993). Grundlage stellt hierfür die Anoxie- Toleranz der Reptilien dar (BELKIN 1963; BELLAMY u. PETERSEN 1968;

BRANNIAN et al. 1987). Im Vergleich zu Säugetieren sind Reptilien nur für kurze Zeit in der Lage, ihre Energie aus aeroben Stoffwechselvorgängen zu gewinnen. In Phasen starker Aktivität wechselt der Metabolismus daher nach kurzer Zeit von aerob zu anaerob (POUGH et al. 1998a). Aus Glykogenreserven, die zuvor überwiegend in der Muskulatur gespeichert wurden, wird mittels anaerober Glykolyse Energie zur Verfügung gestellt (BELKIN 1962). Damit wird die Versorgung lebenswichtiger Organe wie Herz, Gehirn und Leber in hypoxischen Phasen sichergestellt. Das dabei anfallende Stoffwechselprodukte Laktat bewirkt eine rapide Absenkung des Blut pH-Wertes. Poikilotherme Vertebraten verfügen im Vergleich zu

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homoiothermen Vertebraten über einen höheren Gehalt an Bikarbonat-Puffer im Blut, (35 mmol/l bei 20°C) der es ermöglicht, große Mengen der anaerob gebildeten Stoffwechselprodukte abzupuffern (BELKIN 1963; JACKSON u. SILVERBLATT 1974). Der pH-Wert Absenkung folgt aufgrund des Bohr-Effektes eine Senkung der O2-Affinität des Hämoglobins. Dies ermöglicht eine effektivere O2-Abgabe an das Gewebe in sauerstoffarmer Umgebung (POUGH et al. 1998a). Zeitgleich setzt im Herzen der Rechts-Links-Shunt ein (MCARTHUR et al. 2004). Er wird eingeleitet durch die Erhöhung des Widerstandes im pulmonalen Kreislauf aufgrund der stagnierenden Atmung. Daraus resultiert ein Bypass des Lungenkreislaufes und deoxygeniertes Blut wird direkt wieder in die Peripherie geleitet. Ein O2-Verlust während des pulmonalen Kreislaufs wird minimiert (WHITE 1976; KIK u. MITCHELL 2005; MURRAY 2006a). Diese Mechanismen ermöglichen den Reptilien die Anpassung an ihren spezifischen Lebensraum, erschweren aber in hohem Maße den Einsatz von Inhalationsanästhetika. So wird zum Beispiel der Einsatz einer Maske zur Einleitung einer Inhalationsnarkose bei Schildkröten ohne vorherige Sedation von CALDERWOOD (1971) und MCARTHUR (2004) hinterfragt. Lange Anflutungszeiten und ungenügende Narkosetiefen resultieren aus oben beschriebenen Fähigkeiten (MOON u. HERNANDEZ FOERSTER 2001; SCHUMACHER u. YELEN 2006). Um eine adäquate Aufnahme und damit ungehinderte Anflutung des Inhalationsanästhetikums zu gewährleisten, hat sich die Intubation, insbesondere von Schildkröten, als sehr hilfreich erwiesen (KÖLLE u. HENKE 2004). Die Notwendigkeit der Intubation zur Allgemeinanästhesie und die der manuellen Beatmung von Schildkröten betonen auch BENNET (1991) und SCHILDGER (1993).

Eine vollständige Muskelrelaxation verhindert die für die aktive In- und Exspiration notwendigen Muskelkontraktionen der Schulter- und Beckengürtelmuskulatur (SCHILDGER et al. 1993). Zusätzlich verschließt die Glottis im relaxierten Zustand die Trachea. Eine ausreichende Narkosegaspassage und Versorgung mit Sauerstoff wird dadurch verhindert (LONGLEY 2008). Besonders Schildkröten können sich bei manipulativen Maßnahmen unkooperativ zeigen, indem sie ihren Kopf in den Panzer ziehen und so die Fixierung des Kopfes und das Öffnen des Maules nicht gewähren (SCHILDGER et al. 1993; SCHUMACHER 2007). Eine Intubation ohne vorherige Sedierung, wie sie BOUTS (2002b) und LONGLEY (2008) bei Schlangen erwähnen, ist daher unpraktikabel, und der Einsatz von Injektionsanästhetika zur Induktion und die anschließende Intubation werden empfohlen (KÖLLE u. HENKE 2004;

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SCHUMACHER 2007). Alphaxalon, ein neuroaktives Progesteronderivat, wird bereits in der Kleintieranästhesie bei Hund und Katze erfolgreich als Induktionsanästhetikum zum Erreichen der Intubationsfähigkeit angewendet (PANKOW u. WHITTEM 2008).

Wirkungsort sind die GABAA-Rezeptoren neuronaler Zellen. Es interagiert an dieser Stelle mit den Liganden-aktivierten Chloridionen-Kanälen. Die allosterische Bindung von Alphaxalon löst nach dem Einstrom von Chloridionen eine Hyperpolarisation aus, die zur Abnahme der Erregbarkeit der Zielzelle führt. Dadurch werden im Organismus anästhesierende und muskelrelaxierende Effekte erzielt. Ähnlich wirken auch Benzodiazepine, Barbiturate und Propofol (ALBERTSON et al. 1992; WHITTEM u. PASLOSKE 2008). Alphaxalon zeichnet sich durch ausgeprägte Muskelrelaxation und ruhige Einleitungs- sowie Aufwachphasen aus (FERRE et al. 2006). Über eine erfolgreiche Anwendung von Alphaxalon bei Reptilien unter klinischen Bedingungen finden sich in der Literatur bisher nur einzelne Fallberichte. So erzielte SIMPSON (2004) bei Reptilien mit einer Dosierung von 2 - 4 mg/kg KGW Alphaxalon intravenös verabreicht nach kurzer Zeit eine chirurgische Toleranz. HOLDSWORTH (2005) berichtet von einer sanften Einleitungs- und Aufwachphase bei Reptilien nach intravenöser Injektionen von 5 - 10 mg/kg KGW Alphaxalon. JOHNSON (2005) empfiehlt bei Schildkröten eine intravenöse Applikation von 5 - 8 mg/kg KGW Alphaxalon zur Einleitung der Allgemeinanästhesie und für kurze chirurgische Eingriffe. Nach einer intravenösen Injektion von 2 - 4 mg/kg KGW Alphaxalon können Alligatoren, Echsen, Schlangen und Schildkröten intubiert werden, wie CARMEL feststellt (2002).

In der vorliegenden Studie wurde die Intubationsfähigkeit ausgewählter Schildkrötenarten nach intravenöser Applikation von Alphaxalon in die Vena coccygealis dorsalis beurteilt. Durch eine Dosistitration sollte zunächst die zur Intubation notwendige Dosierung ermittelt werden. Für die Arbeit wurden sowohl vornehmlich im Wasser als auch an Land lebende Schildkrötenarten in die Untersuchung einbezogen, um mögliche speziesspezifische Unterschiede hinsichtlich der wirksamen Dosis dieses Injektionsnarkotikums darstellen zu können.

Einen weiteren Gegenstand der Betrachtungen stellten die Auswirkungen variierender Umgebungstemperaturen auf die Dosierung, den Verlauf der Einleitungsphase, Dauer und Tiefe der Erhaltungsphase sowie den Verlauf der Aufwachphase dar. Aus diesem Grund wurden alle Dosistitratiosschritte zunächst bei

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26 - 27°C Raumtemperatur und im Anschluss daran bei 20 - 22°C Raumtemperatur durchgeführt.

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15 3.1.2 Material und Methoden

Patientengut

Für die Studie wurden drei weibliche Tiere der Familie Testudinidae (Bezeichnung Tier A1 - Tier A3) sowie zwei weibliche und ein männliches Tier der Familie Emydidae (Bezeichnung Tier C1 - Tier C3) anästhesiert, die von privaten Haltern und zoologischen Gärten zur Verfügung gestellt wurden.

Der Tierversuch wurde vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit genehmigt (Aktenzeichen 33.9-42502-04-08/1508).

Vor Beginn der Studie wurden folgende Untersuchungen zur Kontrolle des klinischen Status durchgeführt:

Klinische Allgemeinuntersuchung und Feststellung des Körpergewichtes sowie Entnahme von 1 ml Blut aus der Vena coccygea dorsalis. Bestimmung hämatologischer und blutchemischer Parameter im Labor der Klinik für Kleintiere, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Bestimmt wurden Hämatokrit, Leber- und Nierenwerte, Elektrolyte sowie Blutglukose, Albumin und Gesamteiweiß.

Zusätzlich wurden Röntgenaufnahmen in laterolateraler, dorsoventraler und kraniokaudaler Ebene angefertigt, die zur Ergänzung der zuvor erhobenen Befunde dienten. Für die Studie wurden nur klinisch unauffällige Tiere zugelassen, die keine Abweichungen der Blutparameter oder röntgenologische Auffälligkeiten zeigten.

Zur Akklimatisierung an die Raumtemperatur wurden die Tiere mindestens 24 Stunden vor Studienbeginn bei 20 - 22°C bzw. 26 - 27°C Raumtemperatur und 21 bzw. 25°C Wassertemperatur (nur Tiere der Familie Emydidae) untergebracht, da die Auswirkungen variierender Umgebungstemperaturen bei den späteren Untersuchungen von Bedeutung waren.

Dosistitration

Während der Anästhesie wurde die zum Erreichen der Intubationsfähigkeit notwendige Dosierung von Alphaxalon durch eine Dosistitration ermittelt. Grundlage stellte eine Ausgangsdosis von 3 mg/kg metabolischem Körpergewicht Alphaxalon dar, die zuvor anhand von Einzelfallberichten ermittelt wurde (CARMEL 2002).

Das metabolische Körpergewicht wurde zur Berechnung der Dosierung verwendet, um den mit zunehmender Körpergröße einhergehenden unterproportionalen Anstieg der Energieumsatzrate zu berücksichtigen (PETRY 2000). Das Metabolische

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Körpergewicht berechnet sich laut BENNETT und DAWSON (1976) für Reptilien als Metabolisches Körpergewicht = kg KGW 0,80.

Zunächst wurde die Intubationsfähigkeit nach Alphaxalon-Applikation in die Vena coccygealis dorsalis bei 26 - 27C Raumtemperatur beurteilt (Abbildung 1). Um die gewählte Temperatur während der Anästhesie in unmittelbarer Umgebung des Tieres zu gewährleisten, wurde zusätzlich eine externe Wärmequelle in Form einer Heizmatte (Thermolux 15 Watt, Firma Acculux Witte & Sutor GmbH, Murrhardt) mit Betriebstemperaturen von 27 - 29°C installiert. Da die Gefahr von Hautirritationen bei direktem Kontakt zu dieser Art von Wärmequelle besteht, wurde als Unterlage unter dem Tierkörper ein Baumwolltuch (Operationsschlitztuch, Firma Paul Hartmann AG, Heidenheim) verwendet. Ausgehend von 3 mg/kg KGW 0,80 Alphaxalon wurden pro Tier drei Titrationsstufen von jeweils 1 mg/kg KGW 0,80 im zeitlichen Abstand von 24 Stunden appliziert (Tabelle 1). Dabei wurde jeweils ein Viertel der zuvor berechneten Gesamtmenge des Alphaxalons langsam innerhalb von 15 Sekunden appliziert, da es bei zu schneller Injektion von Alphaxalon zu atemdepressiven Effekten kommen kann (PANKOW u. WHITTEM 2008). Sieben Tage nach dem ersten Anästhesiedurchgang bei 26 - 27°C Raumtemperatur wurden die drei Titrationsstufen nach dem gleichen Protokoll während eines zweiten Durchganges bei 20 - 22C Raumtemperatur injiziert.

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Tabelle 1: Beispiel der Dosistitration bei hoher und niedriger Raumtemperatur dargestellt anhand der Landschildkröte „A1“ und „A2“.

Pro Tier wurden drei Titrationsstufen bei beiden Raumtemperaturen im Abstand von jeweils 24 Stunden getestet

Zeitpunkt T0 T24 T48

Dosierung Alphaxalon 3 mg/kg KGW 0,80 4 mg/kg KGW 0,80 5 mg /kg KGW 0,80

Temperatur

26 - 27°C + 20 - 22°C

26 - 27°C + 20 - 22°C

26 - 27°C + 20 - 22°C

Tier - Identität A1 A1 A1

Dosierung Alphaxalon 6 mg /kg KGW 0,80 7 mg/kg KGW 0,80 8 mg/kg KGW 0,80

Temperatur

26 - 27°C + 20 - 22°C

26 - 27°C + 20 - 22°C

26 - 27°C + 20 - 22°C

Tier - Identität A2 A2 A2

Die Intubationsfähigkeit wurde als erreicht eingestuft, wenn das Tier die Einführung eines Tubus in die Trachea tolerierte und der Tubus im Anschluss an die Intubation in der Trachea verbleiben konnte (Abbildung 3). War das Tier nicht ausreichend sediert und der Kiefertonus ungenügend erloschen, reagierte es auf Manipulation im Kopf- und Trachealbereich mit starken Abwehrbewegungen und Fauchen. In diesen Fällen musste der Tubus unverzüglich entfernt werden. Der Tubus wurde zuvor je nach Tiergröße aus einer Ernährungssonde und einem Tubuskonnektor angefertigt (Abbildung 2).

Um während der Anästhesie die Körpertemperatur, die Raumtemperatur und die Temperatur in unmittelbarer Tierkörpernähe überwachen zu können, wurden diese alle 15 Minuten gemessen. Für die Messung der Raumtemperatur und der Temperatur in unmittelbarer Tierkörpernähe standen Temperatur- und

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Feuchtmesssystem der Firma Vaisala, Hamburg (Gerätetyp HMP 44L, Abbildung 4) und der Firma Extech Instruments, Waltham (Gerätetyp 445815, Abbildung 5) zur Verfügung. Die Körpertemperatur wurde mit Hilfe einer kloakalen Sonde (Firma Dräger, Lübeck, Abbildung 6), die an einen Datex Ohmeda-Monitor (Datex-Ohmeda S/5 TM Collect, GE Health Care, München) angeschlossen wurde, ermittelt.

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Abb.1: iv.- Injektion in die Venacoccygealis dorsalis

Abb. 2: Tubus-Bausteine (Insulinspritze der Firma Braun, Ernährungssonde der Firma Braun, Tubuskonnektor der Firma Rüsch)

Abb. 3: intubiertes Tier

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Abb. 4: Thermo-Hygrometer der Firma Vaisala

Abb. 5: Thermo-Hygrometer der Firma Extech

Abb. 6: Temperatursonde der Firma Dräger

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21 Narkoseverlauf

Nach der Injektion wurden am Tier alle fünf Minuten Umkehr-, Schmerz- und Korneal- sowie Kopfrückziehreflex ausgelöst und der Ausprägungsgrad der Reflexantwort dokumentiert. Der Umkehrreflex wurde ausgelöst, indem das Tier auf den Rückenpanzer gedreht wurde (Abbildung 7). Das nicht sedierte Tier versucht durch Ruderbewegungen von Kopf und Gliedmaßen in die Bauchlage zurückzukehren (BONATH 1977). Der Schmerzreflex wurde durch einen Reiz, der mit Hilfe einer Kanüle (Sterican 12 - 0,70 mm x 30 mm 22 Gauge, B. Braun Melsungen AG, Melsungen) an der Zwischenzehenhaut der Vorder- oder Hintergliedmaße gesetzt wurde, ausgelöst Abbildung 8). Dieser Reiz wird von der nicht sedierten Schildkröte durch Zurückziehen der betroffenen Gliedmaße beantwortet (BONATH 1977). Um die Antwort auf den Kornealreflex zu testen, wurde diese mit einem feuchten Watteträger berührt (Abbildung 9). Der darauf folgende Lidschluss und das Zurückziehen des Bulbus in die Orbita signalisiert eine Reflexantwort (HACKENBROICH 1999). Auf taktile Reize wurde der Kopf des präanästhetischen Tieres in den Panzer eingezogen. Der Kopfrückziehreflex gilt damit als vollständig ausgeprägt (BONATH 1977).

Um die Stärke bzw. Abschwächung oder Abwesenheit des jeweiligen Reflexes beurteilen zu können, wurde ein Punktesystem entwickelt. Dabei stellt die Stärke 2 den Wachzustand dar, die Stärke 0 das vollständige Erlöschen des Reflexes. Um Übergangsstadien bzw. individuelle Unterschiede berücksichtigen zu können, wurden Zwischenstufen von 1.5, 1 und 0.5 festgelegt (Tabelle 2 im Anhang). Vor der Applikation von Alphaxalon wurden sämtliche Reflexe am nicht anästhesierten Tier ausgelöst, um die individuelle Stärke der Reflexerregbarkeit beurteilen zu können.

Das Punktesystem wurde zusätzlich angewendet, um Muskeltonus, Kopf- und Gliedmaßenvorfall zu bewerten.

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Abb. 7: erloschener Umkehrreflex

Abb. 8: Auslösen des Schmerzreflexes

Abb. 9: Auslösen des Kornealreflexes

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Im Anschluss an die Anästhesie konnten anhand der erhobenen Daten der Verlauf der Einleitungsphase, die Dauer und Tiefe der Anästhesie, sowie der Verlauf der Erholungsphase dargestellt werden.

Die Einteilung der Narkosestadien nach BONATH (1977) diente dabei als Orientierungshilfe, um das jeweils erreichte Narkosestadium festlegen zu können.

Bonath unterscheidet zwischen oberflächlicher Sedierung, tiefer Sedierung, Toleranzstadium 1, Toleranzstadium 2 und irreversiblem Narkosestadium. Bei der oberflächlichen Sedierung sind eine unphysiologische Gliedmaßenhaltung sowie Ataxien zu erkennen. Zusätzlich fallen Kopf und Gliedmaßen allmählich aus dem Panzer vor und die Korrekturbewegungen während des Umkehrreflexes sind abgeschwächt. Im Stadium der tiefen Sedierung ist der Schmerzreflex verzögert und der Kopfrückziehreflex verzögert bis stark eingeschränkt. Die Muskelrelaxierung ist weiter fortgeschritten und die Korrekturbewegungen werden während des Umkehrreflexes deutlich träger ausgeführt. Das Toleranzstadium 1 ist gekennzeichnet durch den Ausfall von Kopfrückzieh-, und Umkehrreflex. Der Schmerzreflex ist stark herabgesetzt. Kopf und Gliedmaßen sind vollständig vorgefallen und der Muskeltonus ist erloschen. Im Toleranzstadium 2 erlischt auch der Schmerzreflex vollständig. In diesem Stadium sind chirurgische Eingriffe durchführbar. Wird nach weiterer Vertiefung der Narkose ein völlig reflexfreies Stadium erreicht, spricht BONATH (1977) vom irreversiblen Stadium der Asphyxie, das bei Reptilien in jedem Falle vermieden werden sollte.

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Morphologische Untersuchung eines Schildkrötenschwanzes

Um die anatomischen Gegebenheiten im Bereich der dorsalen Schwanzvene (Vena coccygealis dorsalis), in welche die Anästhetikaapplikation erfolgte, im Detail darstellen zu können, wurde exemplarisch der Schwanz einer Wasserschildkröte durch das Institut für Pathologie Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover morphologisch untersucht.

Bei dem verwendeten Tier handelte es sich um eine adulte, weibliche, 1,72 kg schwere Rotwangenschmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans). Vorberichtlich handelte es sich um ein Findlingstier, welches kurz nach der Einlieferung in die Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel Stiftung Tierarztliche Hochschule Hannover aus ungeklärter Ursache verendet ist und danach für weitere wissenschaftliche Untersuchungen tiefgefroren asserviert wurde. Nach dem Wiederauftauen erfolgte im Institut für Pathologie Stiftung Tierarztliche Hochschule Hannover eine vollständige pathologisch-anatomische und pathologisch- histologische Untersuchung, sowie eine spezielle morphometrische Untersuchung der für die Injektion in die Vena coccygealis dorsalis verwendeten Schwanzregion.

Bei der Sektion wurden Gewebeproben aller Organe entnommen und in 10%igem gepuffertem Formalin fixiert. Abweichend hiervon wurde der Schwanz von der restlichen Wirbelsäule und dem Panzer abgetrennt, in toto für 7 Tage in 10%igem gepuffertem Formalin fixiert und anschließend in einer 10%igen EDTA-Lösung (Sigma-Aldrich Chemie GmbH, Taufkirchen) für 7 Tage bei Raumtemperatur auf einem Rührwerk entkalkt (ULRICH et al. 2008). Anschließend wurde der Schwanz mittels Querschnitten im Abstand von 1 - 2 cm für die histologische Untersuchung aufgearbeitet. Die Gewebeproben wurden in einer aufsteigenden Alkoholreihe entwässert und bei 56°C in einem Paraffin-Paraplast-Gemisch (Histo-Comp, Vogel, Giessen) eingebettet. Mit Hilfe eines Rotationsmikrotoms wurden von den Paraffinblöcken 2-3 µm dicke Schnitte angefertigt und auf SuperFrost/Plus- Objektträger (Menzel Gläser, Braunschweig) aufgezogen und maschinell in einem Färbeautomaten (Leica ST 4040, Nussloch) mit Hämatoxylin-Eosin (HE) gefärbt. Von den ausgewählten Lokalisationen wurden zur Darstellung der kollagenen, retikulären und elastischen Fasern Azan- und Elastika van Gieson-Färbungen angefertigt (BÖCK 1989). Die digitale Fotografie der histologischen Präparate erfolgte mit einem 2-fachen Objektiv und einem Olympus BX41 Mikroskop (Olympus, Hamburg) auf dem eine Digitalkamera (Color View II, 3,3 Megapixel CCD; Soft Imaging System,

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Münster) installiert ist. Die Ausmessung der Strecken zwischen dorsomedianer Hautoberfläche, Vena coccygealis dorsalis, dem im dorsalen Rückenmarkskanal gelegenen Blutsinus und dem Rückenmark erfolgte mit dem Programm analySIS® 3.1. (Soft Imaging System, Münster). Die Messung wurde im Bereich der für die Injektion in die Vena coccygealis dorsalis verwendeten Schwanzregion, 3 cm kranial der Schwanzspitze durchgeführt. Die Messung der Strecken wurden jeweils in 2 wenige Mikrometer voneinander entfernten Serienschnitten des gleichen Paraffinblocks durchgeführt und das Ergebnis gemittelt.

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26 3.1.3 Ergebnisse

Verlauf der Narkose

Die Einleitungsphase aller Narkosen war gekennzeichnet durch eine unmittelbar nach der intravenösen Injektion einsetzende, ausgeprägte Muskelrelaxierung. Diese stellte sich durch den schnell einsetzenden Vorfall von Kopf und Gliedmaßen dar.

Ergänzend konnte bei Dosierungen von 9 mg/kg und 10 mg/kg KGW 0,80 bei hoher und niedriger Raumtemperatur (20 - 22°C bzw. 26 - 27°C) durchschnittlich drei Minuten nach der Injektion ein Verlust der Atemtätigkeit beobachtet werden.

Während der einzelnen Dosierungsstufen zeigten sich die Tiere unterschiedlich stark sediert. So reagierten einige der Tiere auf taktile Reize oder Manipulation durch Umlagerung oder Einführen der Rektalsonde mit Aktivität, während sie in Phasen ohne Manipulation, bei vollständig vorgefallenem Kopf und relaxierten Gliedmaßen sediert erschienen und keine Reaktion zeigten. Dies konnte nach Dosierungen von 3 mg/kg - 8 mg/kg KGW 0,80 während beider Raumtemperaturen bei Tieren beider Familien beobachtet werden. Die Tiere der Familie Emydidae zeigten bei Dosierungen von 10 mg/kg KGW 0,80 bei 20 - 22°C Raumtemperatur, sowie bei Dosierungen von 9 mg/kg und 10 mg/kg KGW 0,80 bei 26 - 27°C keinerlei Reaktion auf Manipulation und keine Antwort auf die Reflexprüfung. Die Tiere der Familie Testudinidae hingegen benötigten für einen völligen Ausfall der Reflexantworten bei beiden Raumtemperaturen Alphaxalon-Dosierungen von 10 mg/kg KGW 0,80 (siehe Abschnitt Narkosestadien). Während 13 Anästhesien reagierten die Tiere auf Manipulation an den Hintergliedmaßen ausschließlich mit Bewegungen der Vordergliedmaßen oder des Kopfes. Bei diesen Tieren wurde in der Aufwachphase deutlich, dass ein temporärer, mechanischer Ausfall beider Hintergliedmaßen vorlag.

Der Muskeltonus der betroffenen Gliedmaßen war über mehrere Stunden vollständig erloschen und die Gliedmaßen konnten nicht zur Abwehr oder Fortbewegung eingesetzt werden. Die Motorik von Kopf, Hals und Vordergliedmaßen sowie das Sensorium waren nach Beendigung der Aufwachphase unbeeinträchtigt. Die Tiere konnten selbstständig Futter und Wasser aufnehmen und sich mit Hilfe der Vordergliedmaßen fortbewegen. Je nach Dosierungsstufe waren die Gliedmaßen zwischen 21 Minuten und > 12 Stunden ausgefallen. Tabelle 3 und 4 stellen eine Übersicht über die Dosierungsstufen dar, bei denen Ausfälle der Hintergliedmaßen beobachtet werden konnten und geben über die jeweilige Länge des Ausfalls Auskunft.

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Tabelle 3: Beobachtete Ausfälle der Hintergliedmaßen in der Gruppe der Landschildkröten.

Temperaturangabe = jeweilige Raumtemperatur, Zeitangabe = Zeitraum von Injektion bis zum physiologischen Einsatz der Gliedmaße

Alphaxalon - Dosierung

in mg/kg

KGW0,80

3 5 7 8 9

26 - 27°C - 2 Std. - - 47 Min.

20 - 22°C 10 Min. - 4 Std. >3 Std. >3 Std.

Tabelle 4: Beobachtete Ausfälle der Hintergliedmaßen in der Gruppe der Wasserschildkröten.

Temperaturangabe = jeweilige Raumtemperatur, Zeitangabe = Zeitraum von Injektion bis zum physiologischen Einsatz der Gliedmaße

Alphaxalon - Dosierung

in mg/kg

KGW0,80

5 6 7 9

26 - 27°C 42 Min. >3 Std. 2 Std. 1 Std. 73 Min.

20 - 22°C 3 Std. 22 Min. >12 Std. >12Std. -

Während der Aufwachphase, deren Beginn nach BONATH (1977) durch die Wiederkehr des Umkehrreflexes gekennzeichnet ist, erholten sich die Tiere bei jeder Dosistitrationsstufe innerhalb beider Raumtemperaturen ohne weitere Auffälligkeiten von der Narkose. Die Aufwachphase der höheren Dosierungsstufen (ab 8 mg/kg KGW 0,80) war allerdings gekennzeichnet durch Zeiträume, in denen die Tiere unmittelbar nach Manipulation sensorisch und motorisch vollständig präanästhetisch wirkten, im Anschluss daran aber in einen Nachschlaf-ähnlichen Zustand verfielen.

Innerhalb der Gruppe der Wasserschildkröten konnte zusätzlich in den Phasen der Aktivität ein zum Teil gesteigertes Aggressionsverhalten der Tiere beobachtet werden. Die Tiere wehrten sich mit Ruderbewegungen verstärkt gegen Manipulationen, zeigten ein übermäßiges Fluchtverhalten und fauchten stark. So

(28)

28

konnte aufgrund der Abwehrbewegungen lediglich ein Teil der kloakalen Temperaturmessungen bis zum Erreichen des präanästhetischen Zustandes durchgeführt werden.

Intubationsfähigkeit der Landschildkröten

Die Intubation bei Tieren der Familie Testudinidae war bei niedriger Raumtemperatur (20 - 22°C) bei 4 mg/kg KGW0,80 Alphaxalon sieben Minuten nach der intravenösen Injektion sowie bei hoher Raumtemperatur (26 - 27°C) bei 5 mg/kg KGW0,80 Alphaxalon unmittelbar nach intravenöser Injektion kurzzeitig möglich. Die Tiere zeigten allerdings schon kurz nach der Intubation starkes Abwehrverhalten, wie Fluchtbewegungen und Fauchen. Erst bei einer Dosierung von 9 mg/kg KGW0,80 Alphaxalon bei 20 - 22°C Raumtemperatur waren die Tiere acht Minuten nach der Injektion so stark relaxiert, dass der Tubus toleriert wurde. Bei 26 - 27°C Raumtemperatur war eine Dosierung von 10 mg/kg KGW0,80 Alphaxalon nötig, um das Tier fünf Minuten nach der intravenösen Injektion sicher intubieren zu können (Tabelle 5).

Tabelle 5: Erreichen der Intubationsfähigkeit bei Landschildkröten

Dosierung = nötige Dosierung des Alphaxalons zum Erreichen der Intubationsfähigkeit;

Minuten = Minuten zwischen Injektion und Erreichen der Intubationsfähigkeit

Raumtemperatur 20 - 22°C 26 - 27°C

Alphaxalon - Dosierung 9 mg/kg KGW 0,80 10 mg/kg KGW 0,80

Minuten 8 5

Intubationsfähigkeit der Wasserschildkröten

Die Tiere der Familie Emydidae zeigten sich insgesamt abwehrbereiter und wehrhafter. Auch hier war eine temporäre Intubation bei 5 mg/kg KGW 0,80 Alphaxalon elf Minuten nach intravenöser Injektion möglich, allerdings nur bei 20 - 22°C Raumtemperatur. Vollständig toleriert wurde der Tubus bei dieser Raumtemperatur erst bei 9 mg/kg KGW 0,80 Alphaxalon zwölf Minuten nach intravenöser Injektion. Bei 26 - 27°C Raumtemperatur konnte das Tier acht Minuten nach der intravenösen Injektion von 10 mg/kg KGW0,80 Alphaxalon intubiert werden (Tabelle 6).

(29)

29

Tabelle 6: Erreichen der Intubationsfähigkeit bei Wasserschildkröten

Dosierung = nötige Dosierung des Alphaxalons zum Erreichen der Intubationsfähigkeit;

Minuten = Minuten zwischen Injektion und Erreichen der Intubationsfähigkeit

Raumtemperatur 20 - 22°C 26 - 27°C

Alphaxalon - Dosierung 9 mg/kg KGW 0,80 10 mg/kg KGW 0,80

Minuten 12 8

Narkosestadien der Landschildkröten

Die Tiere der Familie Testudinidae waren in zwei von achtzehn Fällen oberflächlich sediert. In zehn von achtzehn Fällen zeigten die Tiere eine starke Sedierung und ausgeprägte Muskelrelaxierung. Das Toleranzstadium 1 wurde von einem Tier erreicht, das Toleranzstadium 2, das auch als Stadium der chirurgischen Toleranz bezeichnet wird, wurde in fünf Fällen erreicht (Diagramm 1). Bei 20 - 22°C Raumtemperatur kam es nach intravenöser Applikation von 4 mg/kg KGW 0,80, 6 mg/kg KGW 0,80 und 8 mg/kg KGW 0,80 Alphaxalon zum Erreichen dieses Stadiums.

Bei 26 - 27 °C Raumtemperatur wurde das Toleranzstadium 2 hingegen nur bei 10 mg/kg KGW 0,80 Alphaxalon intravenös injiziert erreicht (Tabelle 7).

Diagramm 1: Anzahl der Tiere aus der Gruppe der

Landschildkröten, die das jeweilige Narkosestadium erreichten 10

1 5

2

(30)

30

Tabelle 7: Notwendige Alphaxalon - Dosierung zum Erreichen des Toleranzstadiums 2 bei Land- und Wasserschildkröten bei hoher und niedriger Raumtemperatur

Raumtemperatur 20 - 22°C 26 - 27°C

Alphaxalon - Dosierung

Landschildkröten 4 - 8 mg/kg KGW 0,80 10 mg/kg KGW 0,80

Alphaxalon - Dosierung

Wasserschildkröten 6 - 8 mg/kg KGW 0,80 10 mg/kg KGW 0,80

Narkosestadien der Wasserschildkröten

Die Tiere der Familie Emydidae zeigten in vier von achtzehn Fällen oberflächliche Sedierung. Das Stadium der tiefen Sedierung wurde in neun Fällen erreicht. Auch hier konnte eine ausgeprägte Muskelrelaxierung erreicht werden. Zwei Tiere erreichten das Toleranzstadium 1, während drei Tiere das Toleranzstadium 2 erreichten (Diagramm 2). Dieses Stadium wurde bei 6 mg/kg KGW 0,80 und 9 mg/kg KGW 0,80 Alphaxalon bei niedriger Raumtemperatur (20-22°C) sowie bei 10 mg/kg KGW 0,80 Alphaxalon bei hoher Raumtemperatur (26-27°C) erreicht (Tabelle 7).

Diagramm 2: Anzahl der Tiere aus der Gruppe der

Wasserschildkröten, die das jeweilige Narkosestadium erreichten 9

2 3

4

(31)

31

Gesamtdauer der Sedation bei 26 - 27°C Raumtemperatur

Im Verlauf der Studie wurde deutlich, dass die Gesamtdauer der Sedation bei den Tieren der Familie Emydidae im Vergleich zu den Tieren der Familie Testudinidae mit steigender Dosierung in den meisten Fällen länger ausfiel. Dabei wurde als Gesamtdauer der Sedation der Zeitraum zwischen intravenöser Injektion des Alphaxalons bis zum Erreichen eines präanästhetischen Zustandes bezeichnet. Bei einer Dosierung von 3 mg/kg KGW 0,80 bei hoher Raumtemperatur (26 - 27°C) war die Landschildkröte 10 Minuten sediert, während die Wasserschildkröte 21 Minuten sediert war. Bei einer Dosierung von 4 mg/kg KGW 0,80 bei gleicher Raumtemperatur war die Landschildkröte analog zur vorherigen Dosierungsstufe 10 Minuten lang sediert, die Wasserschildkröte hingegen 22 Minuten. Auch während der folgenden Dosierungsstufen wurde jeweils eine längere Gesamtdauer der Sedation bei den Wasserschildkröten aufgezeichnet. So dauerte beispielsweise die Sedation bei einer Dosierung von 7 mg/kg KGW 0,80 bei der Landschildkröte 15 Minuten, während die Wasserschildkröte 32 Minuten sediert blieb. Bei der höchsten Dosierungsstufe, die in dieser Studie verwendet wurde (10 mg/kg KGW 0,80), war die Landschildkröte 54 Minuten sediert, die Wasserschildkröte 114 Minuten. Tabelle 8 stellt eine Übersicht aller aufgezeichneten Sedationslängen bei hoher Raumtemperatur dar.

Tabelle 8: Gesamtdauer der Sedation von Injektion des Alphaxalons bis Erreichen des präanästhetischen Zustandes bei hoher Raumtemperatur (26 - 27°C)

Dosierung

3 mg/kg

KGW

0,80

4 mg/kg

KGW

0,80

5 mg/kg

KGW

0,80

6 mg/kg

KGW

0,80

7 mg/kg

KGW

0,80

8 mg/kg

KGW

0,80

9 mg/kg

KGW

0,80

10 mg/kg

KGW

0,80

Gesamtdauer Sedation Landschildkröte in

Minuten

10 10 10 15 15 17 15 54

Gesamtdauer Sedation Wasserschildkröte

in Minuten

21 22 32 32 32 90 52 114

(32)

32

Gesamtdauer der Sedation bei 20 - 22°C Raumtemperatur

Betrachtet man die Gesamtdauer der Sedation bei niedriger Raumtemperatur (20 - 22°C), wird ebenfalls deutlich, dass die Tiere der Familie Emydidae im Regelfall länger sediert waren. Bei einer Dosierung von 3 mg/kg KGW 0,80 war die Landschildkröte nach 21 Minuten in einem präanästhetischen Zustand, die Wasserschildkröte hingegen erst nach 33 Minuten. Bei einer Dosierung von 10 mg/kg KGW 0,80 war die Landschildkröte 92 Minuten sediert, während die Wasserschildkröte bei dieser Dosierung 113 Minuten sediert blieb. Tabelle 9 enthält eine Übersicht aller aufgezeichneten Sedationslängen bei niedriger Raumtemperatur.

Tabelle 9: Gesamtdauer der Sedation von Injektion des Alphaxalons bis Erreichen des präanästhetischen Zustandes bei niedriger Raumtemperatur (20 - 22°C)

n.m. = Wert an dieser Stelle nicht messbar

Dosierung

3 mg/kg

KGW

0,80

4 mg/kg

KGW

0,80

5 mg/kg

KGW

0,80

6 mg/kg

KGW

0,80

7 mg/kg

KGW

0,80

8 mg/kg

KGW

0,80

9 mg/kg

KGW

0,80

10 mg/kg

KGW

0,80

Gesamtdauer Sedation der Landschildkröten

in Minuten

21 17 18 n.m. 65 n.m. 40 92

Gesamtdauer Sedation der Wasserschildkröten

in Minuten

33 40 62 94 57 85 n.m. 113

Weiterhin konnte dargestellt werden, dass die Sedierung bei niedriger Raumtemperatur sowohl bei Tieren der Familie Testudinidae als auch bei Tieren der Familie Emydidae länger andauerte. So war die Landschildkröte bei einer Dosierung von 3 mg/kg KGW 0,80 bei hoher Raumtemperatur 10 Minuten, bei niedriger Raumtemperatur hingegen 21 Minuten sediert. Die Wasserschildkröte erreichte bei einer Dosierung von 3 mg/kg KGW 0,80 bei hoher Raumtemperatur nach 21 Minuten wieder den präanästhetischen Zustand, bei niedriger Raumtemperatur blieb das Tier 33 Minuten sediert. Gleiches trifft auch für die anderen Dosierungsstufen zu (Tabelle 8 und 9).

(33)

33 Abweichende Beobachtungen

Der Tabelle 8 können an mehreren Stellen, im Vergleich zu den anderen Daten, nur kurze Zeiträume für die Gesamtdauer der Sedation entnommen werden. So dauerte die Sedation der Landschildkröte bei einer Dosierung von 9 mg/kg KGW 0,80 bei hoher Raumtemperatur (26 - 27°C) 15 Minuten, während das gleiche Tier bei einer Dosierung von 8 mg/kg KGW 0,80 bereits 17 Minuten lang sediert blieb. Die Sedation bei 10 mg/kg KGW 0,80 dauerte mit 54 Minuten ebenfalls signifikant länger als die Sedation bei 9 mg/kg KGW 0,80. Ein ähnlicher Effekt konnte bei der Dosierung von 9 mg/kg KGW 0,80 bei hoher Raumtemperatur bei der Wasserschildkröte beobachtet werden. Bei dieser Dosierung erreichte das Tier nach 52 Minuten wieder den präanästhetischen Zustand, während es bei einer Dosierung von 8 mg/kg KGW 0,80 bei gleicher Raumtemperatur bereits 90 Minuten lang sediert war und bei einer Dosierung von 10 mg/kg KGW 0,80 erst nach 114 Minuten den präanästhetischen Zustand zurück erlangte.

Auch bei niedriger Raumtemperatur konnten an zwei Stellen deutlich kürzere Sedationszeiten beobachtet werden. Die Landschildkröte war bei einer Dosierung von 9 mg/kg KGW 0,80 40 Minuten lang sediert, während sie bei einer Dosierung von 7 mg/kg KGW 0,80 65 Minuten lang sediert blieb und bei der Dosierung von 10 mg/kg KGW 0,80 92 Minuten bis zum Erreichen des präanästhetischen Zustandes benötigte.

Bei einer Dosierung von 7 mg/kg KGW 0,80 erreichte die Wasserschildkröte bereits nach 57 Minuten den präanästhetischen Zustand, während sie bei einer Dosierung von 6 mg/kg KGW 0,80 dafür 94 Minuten benötigte. Bei einer Dosierung von 8 mg/kg KGW 0,80 erreichte das Tier nach 85 Minuten den präanästhetischen Zustand (Tabelle 9). Die Messwerte dreier Sedationen bei niedriger Raumtemperatur (20 - 22°C) wurden nicht in die Tabelle aufgenommen (Tabelle 9). Die beiden Landschildkröten bzw. die eine Wasserschildkröte erreichten bei Dosierungen von 6 mg/kg, 8 mg/kg und 9 mg/kg KGW 0,80 das Stadium der Chirurgischen Toleranz (Toleranzstadium 2), zeigten jedoch auch 75 Minuten nach der intravenösen Applikation des Alphaxalons keinerlei Reflexe und keine spontane Atmung. An dieser Stelle wurden alle drei Tiere durch warme Infusionen und externe Wärmequellen schrittweise auf 24°C Körpertemperatur erwärmt. Alle Tiere erreichten ohne klinische Auswirkungen den präanästhetischen Zustand, konnten jedoch aufgrund des Anästhesieabbruchs nicht mit in die Auswertung der Studie aufgenommen werden.

(34)

34 Verlauf der Körpertemperatur

Im Verlauf der Narkosen bei hoher Raumtemperatur (26 - 27°C) konnte bei den Tieren der Familie Testudinidae in vier Fällen eine Abnahme der Körpertemperatur um durchschnittlich 0,67°C beobachtet werden. Bei drei Tieren stieg die Körpertemperatur um durchschnittlich 0,96°C an. In Diagramm 3 ist der Verlauf der Körpertemperatur bei hoher Raumtemperatur dargestellt. Bei einem Tier konnte aus technischen Gründen nur die Körpertemperatur zu Beginn der Narkose ermittelt werden. Dieses Tier wurde deshalb nicht in die Bewertung aufgenommen.

Diagramm 3: Verlauf der Körpertemperatur der Landschildkröten bei 26 - 27°C Raumtemperatur Messzeitpunkte: 1 = vor Injektion, dann alle 15 Minuten

(35)

35

Bei niedriger Raumtemperatur (20 - 22°C) stieg die Körpertemperatur bei zwei Tieren der Familie Testudinidae um durchschnittlich 0,55°C an. Eine Senkung der Körpertemperatur um durchschnittlich 0,52°C konnte hingegen bei fünf Tieren beobachtet werden. Bei einem Tier blieb die Körpertemperatur unverändert. Das Diagramm 4 stellt den zeitlichen Verlauf der Körpertemperatur bei niedriger Raumtemperatur dar.

Diagramm 4: Verlauf der Körpertemperatur der Landschildkröten bei 20 - 22°C Raumtemperatur Messzeitpunkte: 1 = vor Injektion, dann alle 15 Minuten

(36)

36

Bei den Tieren der Familie Emydidae stieg bei sieben Tieren die Körpertemperatur durchschnittlich um 1,48°C während der Narkosen bei hoher Raumtemperatur (26 - 27°C) an. Auch bei dieser Tierart konnte bei einer Schildkröte aus technischen Gründen nur die Körpertemperatur vor Injektion des Alphaxalons ermittelt werden.

Dieses Tier wurde ebenfalls nicht mit in die Auswertung aufgenommen. Der Verlauf der Körpertemperatur bei hoher Raumtemperatur ist in Diagramm 5 dargestellt.

Diagramm 5: Verlauf der Körpertemperatur der Wasserschildkröten bei 26 - 27°C Raumtemperatur Messzeitpunkte: 1 = vor Injektion, dann alle 15 Minuten

(37)

37

Im Gegensatz dazu fiel die Körpertemperatur bei sechs Tieren während der Narkosen bei niedriger Raumtemperatur (20 - 22°C) um durchschnittlich 0,85°C ab.

Bei einem Tier konnte ein Anstieg der Körpertemperatur von 1,6°C beobachtet werden. Auch innerhalb dieser Tiergruppe konnte bei einem Tier aufgrund technischer Probleme die Körpertemperatur nur zu Beginn der Narkose gemessen werde. Die Temperaturverläufe der Gruppe der Emydidae können aus Diagramm 6 entnommen werden.

Diagramm 6: Verlauf der Körpertemperatur der Wasserschildkröten bei 20 - 22°C Raumtemperatur Messzeitpunkte: 1 = vor Injektion, dann alle 15 Minuten

(38)

38

Morphologische Untersuchung eines Schildkrötenschwanzes

Bei der pathologisch - anatomischen Untersuchung wies die Schildkröte einen sehr guten Ernährungszustand mit umfangreichen Fettdepots in der Zölomhöhle auf. Es lag ein hochgradiger Aszites (ca. 150 ml), ein mittel- bis hochgradiges, akutes, diffuses, alveoläres Lungenemphysem und eine mittelgradige, diffuse Leberverfettung vor. Lunge, Leber, Pankreas, Nieren und Milz wiesen eine akute, diffuse Stauungshyperämie auf. Der Magen war futterleer, Dünn- und Dickdarm waren mit wenig wässrig-mukösen, bräunlich-rötlichen Ingesta gefüllt.

Bei der pathologisch - histologischen Untersuchung der Lunge lag über den makroskopischen Befund hinaus ein geringgradiges, akutes, alveoläres Ödem vor.

Die Leber wies eine diffuse Lipidose auf. Pankreas und Nieren wiesen keine über den makroskopischen Untersuchungsbefund hinausgehenden, morphologischen Veränderungen auf. Magen, Dünndarm, Dickdarm und Gehirn wiesen hochgradige Gefrierartefakte und autolytische Veränderungen auf, waren soweit beurteilbar aber ohne besonderen Befund. Der Rückenmarkskanal wies eine nach dorsal ausgezogene tropfen- bis birnenförmige Form auf (Abbildung 10). Im gesamten Rückenmarkskanal fand sich dorsal des Rückenmarks ein teils mit proteinreicher Flüssigkeit und zahlreichen Erythrozyten gefüllter, teils optisch leerer Raum, der von einem Endothel und einer nur wenige Schichten dünnen, bindegewebigen Wand umgeben war auf, der als venöser Blutsinus interpretiert wurde. Uterus, Ovarien, Skelett- und Herzmuskulatur waren ohne besonderen Befund.

Bei der morphometrischen Untersuchung des Tierkörpers wies die Bauchpanzerplatte in der Medianen eine Länge von 20 cm auf. Ihre Breite betrug auf Höhe der Vorderbeine 9,2 cm und auf Höhe der Hinterbeine 10,5 cm. Der Rückenpanzer wies in der Medianen eine Länge von 21,8 cm auf. Seine Breite betrug auf Höhe der Vorderbeine 15,4 cm und auf Höhe der Hinterbeine 15,8 cm. Die Gesamtlänge des Schwanzes betrug vom Kaudalende der Bauchpanzerplatte aus gemessen 5 cm. Das kraniale Ende der Kloake lag 1,5 cm kaudal der Bauchpanzerplatte. Im Bereich des Schwanzes war bis mindestens 3 cm kranial der Schwanzspitze sicher Rückenmarksgewebe im Rückenmarkskanal nachweisbar. 2 cm kranial der Schwanzspitze war ein leerer Rückenmarkskanal noch nachweisbar.

Hierbei ist ein artefizieller Verlust des Rückenmarks bzw. des Filum terminale anzunehmen. Bei der Streckenmessung im Bereich der Injektionsstelle in die Vena coccygealis dorsalis, 3 cm kranial der Schwanzspitze lag der Mittelpunkt der Vena

(39)

39

coccygealis dorsalis 1098,5 µm ventral der dorsomedianen Hautoberfläche (Tabelle 10). Die Strecke vom Mittelpunkt der Vena coccygealis dorsalis bis zum Mittelpunkt des dorsal des Rückenmarks im Wirbelkanal gelegenen Blutsinus betrug 1086,5 µm.

Die Strecke vom Mittelpunkt des dorsal des Rückenmarks im Wirbelkanal gelegenen Blutsinus bis zum Zentralkanal des Rückenmarks betrug 539,0 µm. Der laterolaterale Durchmesser des knöchernen Wirbelkanals betrug an seiner breitesten Stelle 976,0 µm und der dorsoventrale Durchmesser des knöchernen Wirbelkanals betrug 1175,5 µm.

Abb. 10: Histologische Darstellung der Wirbelsäule im Bereich der Injektionsstelle. (A) Die Vena coccygealis dorsalis liegt ca. 1 mm unter der Hautoberfläche und direkt dorsomedian der Wirbelsäule. Der knöcherne Rückenmarkskanal weist eine nach dorsal ausgezogene tropfen- bis birnenförmige Form auf. Dorsal des Rückenmarks findet sich ein teils mit proteinreicher Flüssigkeit und Erythrozyten gefüllter, teils optisch leerer Raum (interpretiert als venöser Blutsinus; Stern). Die optisch leeren Spalten im Rückenmarksgewebe wurden als Gefrierartefakte bewertet. (B) Serienschnitt zu A. Die Azan-Färbung zeigt kollagene und retikuläre Fasern in blau sowie Zytoplasma und Zellkerne blass bzw. kräftig rot. E = Epidermis; Rm = Rückenmark; Vcd = Vena coccygealis dorsalis; W = Wirbelkörper. Balken = 0,5 mm

(40)

40

Tabelle 10: Streckenmessung an der Injektionsstelle (3 cm kranial der Schwanzspitze)

Messung Länge (µm)

von: bis:

Haut dorsomedian Vena coccygealis dorsalis 1098,5

Vena coccygealis dorsalis Venöser Sinus dorsal im

Rückenmarkskanal 1086,5

Venöser Sinus dorsal im Rückenmarkskanal

Zentralkanal des

Rückenmarks 539,0

Rückenmarkskanal lateral Rückenmarkskanal lateral 976,0 Rückenmarkskanal ventral Rückenmarkskanal dorsal 1175,5

(41)

41 3.1.4 Diskussion

Verlauf der Narkose und Intubationsfähigkeit

Wie bereits durch CARMEL (2002) und JOHNSON (2005) dargestellt, verfügt Alphaxalon bei Reptilien, wie auch bei Säugetieren (FERRE et al. 2006), über eine ausgeprägte muskelrelaxierende und sedierende Wirkung. Im Verlauf der Narkose wurden beide Effekte, je nach Dosierung in unterschiedlich starker Ausprägung, bei allen anästhesierten Tieren beobachtet und können damit bestätigt werden. Sie stellen die Grundvoraussetzung für eine sichere, praktikable Intubation dar (SCHUMACHER 2007).

Nach Evaluierung der Ergebnisse der einzelnen Dosierungsschritte des Alphaxalons sind Schildkröten der Familien Testudinidae und Emydidae nach intravenöser Applikation in die Vena coccygea dorsalis von 10 mg/kg KGW 0,80 Alphaxalon sowohl bei niedrigen Raumtemperaturen (20 - 22°C) als auch bei hohen Raumtemperaturen (26 - 27°C) intubationsfähig. Wird die Erhaltung der Anästhesie mit Hilfe eines Inhalationsnarkotikums angestrebt, wird eine Intubation der Tiere nach Applikation dieser Dosierung empfohlen, da bei beiden Raumtemperaturen nach durchschnittlich drei Minuten die Atemtätigkeit eingestellt wurde. Zwar können Reptilien Phasen mit geringer O2-Versorgung besser tolerieren als Säugetiere (BELKIN 1963; BELLAMY u. PETERSEN 1968; HACKENBROICH 1999), eine ausreichende Versorgung mit Narkosegas kann in dieser Phase jedoch aufgrund der Muskelrelaxierung und der damit einhergehenden Apnoe nur durch manuelle Beatmung gewährleistet werden.

PANKOW und WHITTEM (2008), MUIR et al. (2009) sowie ZAKI (2009) berichten von respiratorischen Effekten des Alphaxalons bei Hunden und Katzen, die von der Dosis und der Injektionsgeschwindigkeit abhängig sind. Einer schnellen Injektion folgt eine rasche Anflutung des Alphaxalons im ZNS. Der damit einhergehende Alphaxalon-Peak kann zu einer Depression im Atemzentrum führen, vergleichbar mit anderen Injektionsanästhetika (MUIR et al. 2009). Um diesen Effekt bei Schildkröten zu vermeiden, wurde jeweils ein Viertel der zuvor berechneten Alphaxalon-Dosierung langsam alle 15 Sekunden injiziert. Es ist daher davon auszugehen, dass die respiratorischen Effekte, welche in dieser Studie beobachtet werden konnten, nicht auf eine zu schnelle Injektion zurückzuführen sind, sondern durch die ausgeprägte Muskelrelaxierung in Verbindung mit der hohen Dosierung des Alphaxalons ausgelöst wurden.

(42)

42

Während der Aufwachphase konnte bei einigen Tieren aus der Gruppe der Emydidae ein zum Teil erheblich gesteigertes Aggressionsverhalten beobachtet werden. Die Tiere wehrten sich mit Ruderbewegungen verstärkt gegen Manipulationen, zeigten ein übermäßiges Fluchtverhalten und fauchten stark. Auch bei Säugetieren werden gelegentlich in der Aufwachphase psychomotorische Erregungszuständen beobachtet, die besonders stark bei nicht-prämedizierten Katzen ausgeprägt sind (PEARSON et al. 2003; JUROX 2006; PANKOW u.

WHITTEM 2008; ZAKI et al. 2009). Neben Muskelzuckungen, spontanen Paddelbewegungen und Ophisthotonus, werden Vokalisation und gelegentlich eine Hyperästhesie beschrieben (PEARSON et al. 2003; JUROX 2006; PANKOW u.

WHITTEM 2008; ZAKI et al. 2009). Ob die in dieser Studie beobachteten Verhaltensänderungen der Wasserschildkröten auf den Einfluss von Alphaxalon zurückzuführen sind, kann nicht ausgeschlossen werden. Zu bedenken bleibt jedoch die Tatsache, dass Tiere der Familie Emydidae im Vergleich zu Tieren der Familie Testudinidae allgemein als aggressiver und abwehrbereiter gelten.

Narkosestadien

Im Verlauf der Anästhesien war die Beurteilung der Reflexantwort einiger Tiere nicht immer eindeutig und damit die Zuordnung zu dem entsprechenden Narkosestadium erschwert. So kam es teilweise bei höheren Dosierungen zu Reflexantworten auf taktile Reize, obwohl diese bei niedrigeren Dosierungen bereits ausgefallen waren.

Nach BONATH (1977) kann eine Reaktion auf einen taktilen bzw. schmerzhaften Reiz allerdings auch dann noch erfolgen, wenn andere Körperreflexe bereits ausgefallen sind. Diese Reflexantwort basiert nicht auf einer bewussten Schmerzreaktion, sondern resultiert aus dem spinalen nozizeptiven Rückziehreflex.

Dieser kann noch erhalten sein, wenn zerebrale Reflexe bereits ausgefallen sind. Die bei einigen Tieren beobachteten Rückziehreaktionen können demnach aus einem spinalen Reflex resultieren, der jedoch für das Erreichen einer chirurgischen Toleranz erloschen sein muss (KÄSTNER 2009).

Insgesamt wird deutlich, dass das Toleranzstadium 2, welches für die Durchführung chirurgischer Eingriffe erreicht werden muss, in der Gruppe der Testudinidae nur in fünf von 18 Fällen (27,7%) erreicht wurde. In der Gruppe der Emydidae konnte dieses Stadium nur in drei von 18 Fällen (16%) erreicht werden. Der Schmerzreflex zeigte sich demnach nur in den wenigsten Fällen als vollständig ausgefallen. In der

(43)

43

Literatur sind, nach dem heutigen Stand der Untersuchungen, unterschiedliche Angaben zum analgetischen Potential von Alphaxalon bei Säugetieren zu finden. Als gesichert gelten die Erkenntnisse, dass Neurosteroide durch die Interaktion mit Gamma-Amino-Buttersäure A - Rezeptoren und T-Typ Kalzium-Kanälen in vivo und in vitro antinozizeptive Effekte auslösen (PATHIRATHNA et al. 2005a). Dabei unterscheiden sich die einzelnen Wirkstoffe allerdings erheblich hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. WINTER et al. (2003) konnten dem Neurosteroid Alphadolon im Vergleich zu Alphaxalon ein größeres analgetisches Potential nachweisen. So konnte im Rattenmodell ein antinozizeptiver Effekt des Alphadolons nach intraperitonealer Applikation dargestellt werden. Hier war das Ausweichverhalten des Schwanzes auf elektrische Impulse an der Schwanzbasis und thermische Reize an der Schwanzspitze, nach der Gabe von Alphadolon erloschen. Diese Effekte werden durch die Aktivität des Alphadolons an GABAA-Rezeptoren im Rückenmark ausgelöst, die inhibitorisch auf Neurone Einfluss nehmen. Auf diese Weise konnte bei Säugetieren neben der Aktivität an zentral gelegenen GABAA - Rezeptoren (GOODCHILD et al. 2000) die Affinität zu peripheren GABAA - Rezeptoren belegt werden. In der gleichen Studie konnte allerdings auch gezeigt werden, dass Alphaxalon nach intraperitonealer Applikation keinen antinozizeptiven Effekt über GABAA - Rezeptoren an den Neuronen auslöst. Zu gleichen Ergebnissen kommen auch NADESON und GOODSCHILD (2000; 2001). Sie konnten ebenfalls einen ausgeprägten antinozizeptiven Effekt des Alphadolons nach intravenöser und intraperitonealer Applikation verzeichnen, während Alphaxalon isoliert injiziert nur anästhetische Effekte auslöst. Im Gegensatz dazu konnten PATHIRATHNA et al.

(2005b) bei Alphaxalon einen lokalen antinozizeptiven Effekt nachweisen. In dieser Studie wurde die Antwort auf thermische und elektrische Reize an den Hintergliedmaßen von Ratten nach intradermaler Injektion von Alphaxalon und anderen Neurosteroiden untersucht. Bisher ist zwar die Anwesenheit von GABAA - Rezeptoren im Bereich der Nozizeptoren der Haut bewiesen (PATHIRATHNA et al.

2005b), unklar bleibt bisher jedoch die Rolle, welche sie bei der Schmerzreizübertragung spielen. Gamma-Amino-Buttersäure zählt auch bei den Reptilen zu den wichtigsten inhibitorischen Neurotransmittern und ihre Rezeptoren sind ubiquitär in Gehirn und Rückenmark zu finden (ALBIN u. GILMAN 1992;

DELGADO-LEZAMA et al. 2004; WYNEKEN 2007). Da die in dieser Studie beobachteten Reaktionen auf schmerzhafte Reize nicht eindeutig der bewussten

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