• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Operation oder konservatives Vorgehen bei distaler Radiusfraktur?" (14.11.2014)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Operation oder konservatives Vorgehen bei distaler Radiusfraktur?" (14.11.2014)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 111

|

Heft 46

|

14. November 2014 777

M E D I Z I N

EDITORIAL

Operation oder konservatives

Vorgehen bei distaler Radiusfraktur?

Joachim Windolf

Editorial zum Beitrag:

„Therapie der dislozierten intraartikulären distalen Radius- fraktur des älteren

Patienten – Randomisierte Multicenterstudie (ORCHID)“ von Christoph Bartl, Dirk Stengel und Koautoren auf den folgenden Seiten

sitive Fallberichte und Fallserien, die Methode findet insbesondere unter den innovativen Ärzten zuneh- mende Verbreitung. Phase 3 beschreibt die Innovati- on, die in aller Munde ist, als akzeptierte und vergü- tete Technologie bevor sie in Phase 4 als der neue Standard ausgerufen wird und trotz erster kritischer Berichte allgemeine Anwendung findet. Zu diesem Zeitpunkt ist nicht belegt, ob das neue Verfahren ein- fach nur eine Innovation darstellt oder einen messba- ren medizinischen Fortschritt bedeuten wird. Erst in Phase 5 werden randomisierte Studien vorgelegt, die die Ergebnisse des neuen Standards im Vergleich zu etablierten Verfahren untersuchen. In der sich an- schließenden Phase 6, der Phase der Verteidigung, werden die Studienergebnisse in den wissenschaftli- chen Diskussionen oft noch bezweifelt oder die Stu- diendesigns kritisiert, während im Extremfall Phase 7 folgt, in der die Technologie schließlich gar verteu- felt oder als völlig unsinnig beurteilt wird (3).

Welche Karriere wird die palmare Plattenosteo- synthese distaler Radiusfrakturen in diesem mögli- chen Lebenszyklus durchlaufen? Eine erste randomi- sierte Studie zum Vergleich der palmaren Platten - osteosynthese mit der Gipstherapie konnte lediglich für die Frühphase (3 Monate) einen moderaten Vor- teil für die operative Therapie aufzeigen (4).

Schwierigkeiten bei der Rekrutierung

Die randomisierte Multicenterstudie (ORCHID) zur offenen Reposition und palmaren Plattenosteosyn- these versus geschlossener Reposition und Gipsim- mobilisierung bei dislozierter intraartikulärer dista- ler Radiusfraktur des älteren Patienten war mit dem ehrgeizigen Ziel aufgelegt worden, valide Daten zu dieser Fragestellung zu erarbeiten (2). Aufgrund der zögerlichen Rekrutierung musste die Studie aller- dings vorzeitig abgebrochen werden. Von 3 151 für das Studienprotokoll gescreenten Patienten konnten lediglich 185 von 737 potenziell geeigneten Patien- ten randomisiert werden. Allein 247 Patienten ver- weigerten die Aufnahme in die Studie beziehungs- weise äußerten eine Therapiepräferenz. Überdies kam es im Verlauf der Studie in der konservativen Behandlungsgruppe zu einer hohen Konversionsrate von 41 %. Beides dokumentiert anschaulich ein prin- zipielles Dilemma randomisierter klinischer Studien in der Unfallchirurgie wie in der gesamten operati- ven Medizin: Sowohl die Patienten als auch die be-

D

er körperferne Speichenbruch an typischer Stelle (distale Radiusfraktur loco typico) ist die häu- figste Fraktur des Menschen (1). Jahrzehntelang stand die konservative Behandlung im Gipsverband – gege- benenfalls nach geschlossener Reposition der Fraktur – im Vordergrund. Für die operativ zu versorgenden in- stabilen oder intraartikulären Bruchformen galten Bohrdrahtosteosynthesen nach Willenegger oder Ka- pandji sowie der Fixateur Externe lange Zeit als Ver- fahren der Wahl (1).

Valide wissenschaftliche Daten

Mit der Einführung der winkelstabilen Plattenosteosyn- these von palmar vor etwas mehr als zehn Jahren hat sich die Versorgungsrealität distaler Radiusfrakturen in Deutschland grundlegend verändert. Mit den heute hierzu verfügbaren modernen winkelstabilen Implan - taten lassen sich in der klinischen Routine gute funk - tionelle und radiologische Ergebnisse bei deutlich verkürzter Behandlungsdauer und frühzeitiger Wieder- herstellung der Handgelenkfunktion erzielen. Demge- genüber steht ein erheblich höherer personeller und materieller Behandlungsaufwand. Während die Kosten für die meist ambulant durchführbaren Gipsbehandlun- gen mit oder ohne Kirschnerdrahtosteosynthese nur wenige Euro betragen, entstehen bei der meist statio - nären Versorgung einer Radiusfraktur mit einem win- kelstabilen Plattensystem durchschnittlich Kosten in Höhe von bis zu 1 000 € (1).

Valide wissenschaftliche Daten zur tatsächlichen Überlegenheit der Methode im Vergleich zu anderen etablierten Verfahren – bezogen auf das Behand- lungsergebnis – stehen bislang aus. Dennoch wird die palmare Plattenosteosynthese vielerorts als Goldstan- dard zur Behandlung der distalen Radiusfraktur propa- giert. Die in dieser Ausgabe des Deutschen Ärzte- blatts abgedruckte randomisierte Studie von Bartl und Kollegen (2) ist somit hoch willkommen, denn die flächendeckende Verbreitung des seinerzeit inno- vativen Operationsverfahrens zur Versorgung dista- ler Radiusfrakturen von palmar erfolgte bisher allein aufgrund der guten klinischen Erfahrungen und be- findet sich aktuell in Phase 4 des 1981 von John McKinlay beschriebenen Lebenszyklus medizini- scher Innovationen (3):

In Phase 1 verführen erste vielversprechende und enthusiastische Berichte die Therapeuten zur An- wendung der Methode. In Phase 2 folgen weitere po-

Klinik für Unfall- und Handchirurgie,

Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf:

Prof. Dr. med. Windolf

(2)

778 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 111

|

Heft 46

|

14. November 2014

M E D I Z I N

handelnden Ärzte haben Vorbehalte dagegen, nach dem Zufallsprinzip auf eine moderne, als innovativ geltende Methode zugunsten der zwar älteren, aber jahrzehntelang etablierten und bewährten Methode zu verzichten.

Umso mehr ist die Leistung der ORCHID-Studi- engruppe hervorzuheben, sich dieser Herausforde- rung gestellt zu haben. Die Frage, ob eine Innovation zu einem messbaren medizinischen Fortschritt führt oder nicht, lässt sich nur beantworten, wenn wir uns der Mühe unterziehen, mit geeigneten Studienproto- kollen herauszufinden, welche positive Auswirkung eine innovative Technologie für unsere Patienten hat.

In der ORCHID-Studie hat die operative Therapie, trotz der marginal messbaren Vorteile – bezogen auf die Handbeweglichkeit nach 12 Monaten – nicht zu einem signifikant besseren Ergebnis geführt. In der Schlussfolgerung stellt ein primär nicht operatives Management bei geeigneten Patienten auch im Zeit- alter der palmaren Plattenosteosynthese eine effekti- ve Behandlungsoption der distalen Radiusfraktur dar. Es ist der Verdienst der Autoren dieser Studie, dass sie dies für ältere Patienten wissenschaftlich va- lide herausgearbeitet haben.

Ist die winkelstabile Plattenosteosynthese distaler Radiusfrakturen von palmar also lediglich eine wei- tere Innovation oder doch ein echter medizinischer Fortschritt? Studien wie ORCHID und die differen- zierte Diskussion ihrer Daten liefern uns Antworten hierzu. Die überwältigende Mehrheit positiver Er- gebnisse in der klinischen Praxis spricht klar für das Verfahren. Bestimmen Sie selbst, welche Phase des Lebenszyklus einer medizinischen Innovation die Methode gerade durchläuft.

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

LITERATUR

1. Lögters T, Schädel-Höpfner M, Windolf J: Zehn Jahre winkelstabile Plattenosteosynthese zur Behandlung der distalen Radiusfraktur: wer profitiert ? Obere Extremität 2012; 7: 200–8.

2. Bartl C, Stengel D, Bruckner T, Gebhard F and the ORCHID Study Group: The treatment of displaced intra-articular distal radius fractures in elderly patients—a randomized multi-center study (ORCHID) of open reduction and volar locking plate fixation versus closed reduction and cast immobilization. Dtsch Arztebl Int 2014;

111: 779–87.

3. McKinlay JB: From „promising report“ to „standard procedure“:

seven stages in the career of a medical innovation. Milbank Memorial Fund Q Health Soc 1981; 59: 374–411.

4. Arora R, Lutz M, Deml C, et al.: A prospective randomized trial comparing nonoperative treatment with volar locking plate fixation for displaced and unstable distal radial fractures in patients sixty-five years of age and older. J Bone Joint Surg Am 2011; 93: 2146.

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Joachim Windolf Klinik für Unfall- und Handchirurgie Universitätsklinikum Düsseldorf Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf windolf@uni-duesseldorf.de

►Zitierweise

Windolf J: Surgical or conservative treatment in fracture of the distal radius? Dtsch Arztebl Int 2014;

111: 777–8. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0777

@

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

Hinweise für Autoren von Diskussionsbeiträgen im Deutschen Ärzteblatt

● Reichen Sie uns bitte Ihren Diskussionsbeitrag bis spätestens vier Wochen nach Erscheinen des Primärartikels ein.

● Argumentieren Sie wissenschaftlich, sachlich und konstruktiv. Briefe mit persönlichen Angriffen können wir nicht abdrucken.

● Schreiben Sie klar und deutlich, fokussieren Sie sich inhaltlich. Vermeiden Sie es, Nebenaspekte zu berühren.

● Sichern Sie die wichtigsten Behauptungen durch Referenzen ab. Bitte geben Sie aber – abgesehen von dem Artikel, auf den Sie sich beziehen – insgesamt nicht mehr als drei Referenzen an.

● Beschränken Sie Ihren Diskussionsbeitrag auf eine Textlänge von 250 Wörtern (ohne Referenzen und Autorenadresse).

● Verzichten Sie auf Tabellen, Grafiken und Abbildungen. Aus Platzgründen können wir solche grafischen Elemente in Diskussionsbeiträgen nicht abdrucken.

● Füllen Sie eine Erklärung zu einem möglichen Interessenkonflikt aus.

● Bearbeiten Sie die deutschen und englischen Satzfahnen nach Erhalt ohne Verzögerung.

● Geben Sie eine Adresse an. Anonyme Diskussionsbeiträge können wir nicht publizieren.

● Senden Sie Ihren Diskussionsbeitrag zu Artikeln der Medizinisch-Wissenschaftlichen Redaktion an:

medwiss@aerzteblatt.de oder Deutsches Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Doch wie sich auf dem kürzlich in Köln stattgefunde- nen Kongreß der European Hernia Society GREPA zeigte, bestehen unter den Experten weiterhin unter- schiedliche Meinungen über

Der Aufstieg der AfD speist sich zum großen Teil aus ihrer Anziehungskraft auf Nicht- oder unzufriedene Wähler, die sich über eine zu geringe politische Teilhabe beklagen.. Bei

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens 1982 beschrieb Professor Brodehl auch Pro- bleme der Kinderklinik: Hoch spezialisierte Versorgung – beispielsweise die von Patien- ten

Nachhaltige Politik muss Chancen eröffnen und Innovation fördern. Mit Verboten, Verzicht oder Askese kann eine Gesellschaft langfristig nicht weiterkommen, im

(Die Erkenntnisse über die Fragwürdigkeit der behaupteten Synergien läßt diese Annahme – nicht nur als Arbeitshypothese – überaus gerechtfertigt erscheinen.) Dann stellt

Although there is a higher rate of DRUJ instability in the current investigators’ study groups with an ulnar styloid fracture, Scheer and Adolfsson (2011) concluded that an

Bei Menschen ohne Hormon- mangel kann der regelmäßige Gebrauch zu Diabetes oder langsamer Veränderung der Körperproportionen führen, da auch beim Erwachsenen ei- nige

Nachdem sich ihr eigentüm- liches Verhalten im Kreise der Schwestern herum gesprochen hat, trudeln auch diese nach und nach ein: Schwester Toni (Julia-Maria Köhler), ein aufsäs-