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Archiv "Krankenkassenreport: Krankenstand steigt weiter an" (16.03.2012)

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A 512 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 11

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16. März 2012

KRANKENKASSENREPORT

Krankenstand steigt weiter an

Die gesetzlichen Krankenkassen vermelden alljährlich die Zahlen zum Krankenstand ihrer berufstätigen Versicherten. Seit dem Rekordtief, das die Kassen für 2005 vermeldeten, steigen die Zahlen für die krankheitsbedingten Fehlzeiten wieder an.

A

ls 2006 der Bundesverband der Betriebskrankenkassen bekanntgab, dass sich die Beschäf- tigten so selten krank meldeten wie seit Jahrzehnten nicht mehr, war das für die deutsche Wirtschaft und die Krankenkassen gleichermaßen eine erfreuliche Nachricht. Der Krankenstand für das Jahr 2005 belief sich auf nur 12,7 Fehltage pro Beschäftigten; 30 Jahre zuvor fehlten die Beschäftigten noch doppelt so häufig am Arbeitsplatz.

Während 1970 in Westdeutschland 5,6 Prozent der Arbeitnehmer krank geschrieben waren, lag der Krankenstand 2005 deutschland- weit bei 3,3 Prozent. Doch die Zei- ten der tiefen Krankenstände, scheinen nun erst einmal vorüber zu sein. Die im Durchschnitt älte- ren Belegschaften in den Unter-

nehmen und die Zunahme von psy- chischen Erkrankungen, die in der Regel lange Fehlzeiten verursa- chen, werden die krankheitsbe- dingten Fehlzeiten der nächsten Jahre beeinflussen.

Insgesamt deuten die Zahlen auf einen Aufwärtstrend

Der Krankenstand weist die Quote der krankheitsbedingt fehlenden Arbeitnehmer aus. Einbezogen in die Analyse werden deshalb die Da- ten aller arbeitsunfähig gemeldeten Pflichtversicherten, ohne Rentner und Arbeitslosengeld-II-Empfänger.

Die vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erhobenen Da- ten zu den Krankenständen, die dem Ministerium von den gesetzli- chen Krankenkassen regelmäßig gemeldet werden, deuten insgesamt

darauf hin, dass sich ein moderater Aufwärtstrend eingestellt hat.

Die Zahlen des BMG müssen je- doch mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden. Denn das Minis- terium arbeitet lediglich mit einer Stichtagserhebung, das heißt, es werden die Krankenstände der Kas- sen am Ersten eines Monats und da- mit zwölfmal im Jahr erfasst. Das arithmetische Mittel aus zwölf Mo- natswerten lässt sich zwar leicht er- rechnen, gleichwohl geben die Zah- len den tatsächlichen Krankenstand nicht exakt wieder, da Arbeitneh- mer in der Regel an Wochenenden und Feiertagen seltener krankge- schrieben sind. Für den vom BMG ermittelten Krankenstand für 2012 wird dies Folgen haben, denn über die Hälfte der Stichtage fällt 2012 auf einen Feiertag oder auf ein Wo- chenende. Die Techniker Kranken- kasse geht davon aus, dass deshalb die Zahlen zu den Krankenständen in diesem Jahr um 4,5 Prozent zurückgehen werden.

Versicherte im Schnitt zwei Tage länger krank

Doch allen statistischen Tücken zum Trotz ist seit 2006 ein tatsächli- cher Anstieg bei den krankheitsbe- dingten Fehlzeiten zu beobachten.

Deshalb lohnt ein Blick auf die Zah- len, die die Kassen selbst erheben und analysieren: Der BKK Bundes- verband hat für das Jahr 2010 ermit- telt, dass pflichtversicherte Arbeit- nehmer krankheitsbedingt durch- schnittlich an 14,8 Tagen fehlten, was einem Krankenstand von 4,1 Prozent entspricht. Werden auch Ar- beitslose mit in die Analyse einbe- zogen, beläuft sich der Durchschnitt sogar auf 15,3 Tage. Die DAK-Ge- sundheit verzeichnet für 2011 eine Erhöhung um 0,2 Prozentpunkte.

Bezieht man die letzten fünf Jahre GRAFIK

Krankenstandsentwicklung 1970 bis 2011*

5,6 Prozent der Arbeitnehmer waren 1970 In Westdeutschland krankgeschrieben.

2005 lag der Kran - ken stand mit 3,3 Prozent deutschland-

weit besonders tief.

Seitdem ist die Tendenz aber wieder steigend.

* ab 2005: ohne ALG-II-Empfänger Quelle: GKV-Statistik KM1

Alte Länder Bund insgesamt

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16. März 2012 ein, ergibt sich damit eine Steige-

rung von insgesamt 20 Prozent. An- ders ausgedrückt heißt das, dass heute ein DAK-Mitglied im Schnitt zwei Tage länger krank ist als noch 2006. Dazu komme, dass die Beleg- schaften in den Betrieben heute deutlich älter sind als noch vor ei- nem Jahrzehnt. Die Bundesagentur für Arbeit ermittelte, dass sich der Anteil der 60- bis 65-Jährigen von zehn Prozent im Jahr 2000 auf 28 Prozent im letzten Jahr fast verdrei- facht hat. Die DAK-Gesundheit weist deshalb darauf hin, dass ältere Belegschaften auch einen höheren Krankenstand aufweisen, so dass ein anhaltender Anstieg bei den Krankmeldungen in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich sei.

„Die Belegschaften sind schon heu- te durchschnittlich älter als vor zehn Jahren. Ältere Mitarbeiter sind seltener krank als jüngere, aber deutlich länger“, erklärte Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, im Februar in Berlin.

Vergleicht man die Entwicklung der Diagnosen bei den Krankmel- dungen, fällt zudem ein Anstieg bei den Diagnosen der psychischen Er- krankungen auf. Das Wissenschaft- liche Institut der AOK ermittelte, dass 2010 nahezu jeder zehnte Aus- falltag, der der Kasse gemeldet wurde, auf eine psychische Erkran- kung zurückzuführen ist. Bemer- kenswert ist, dass Ärzte die Diag- nose „Burn-out“ immer öfter doku- mentieren. Bei den AOK-Versicher- ten sind die Krankheitstage auf- grund von „Burn-out“ um das

Neunfache zwischen 2004 und 2010 gestiegen. Zwar kann „Burn- out“ nicht als eigenständige psy- chische Erkrankung kodiert wer- den, doch wird diese Diagnose im- mer öfter als Zusatzinformation an- gegeben. Besonders betroffen von der Diagnose sind vor allem Arbeit- nehmer im Gesundheits- und Sozi- alwesen. Auch Arbeitnehmer aus den Branchen Erziehung und Un- terricht, der öffentlichen Verwal- tung und Dienstleistungsberufen sind nach Angaben der AOK stark belastet. Die BKK vermeldete im Dezember, dass seelische Leiden

mittlerweile jeden achten Krank- heitstag verursachen. Im Jahr 2010 lösten sie zwölf Prozent aller Fehl- tage bei den beschäftigten Pflicht- mitgliedern aus. Im Jahr vorher wa- ren es noch 10,7 Prozent. Die DAK kann einen Anstieg von psy- chischen Störungen auch für 2011 belegen. 2010 machten sie 12,1 Prozent der Fälle an den Krank- heitstagen aus, 2011 waren es be- reits 13,4 Prozent.

Psychische Erkrankungen fallen vor allem deshalb ins Gewicht, weil sie überwiegend lange Aus - fall zeiten nach sich ziehen. Laut BKK haben sie eine durchschnittli- che Fallzeit von 35,2 Tagen. Des- halb wundert es nicht, dass sie bei

AOK, DAK und BKK Platz vier der häufigsten Krankheitsbilder im Jahr 2010 belegen. Sie machten je- weils 9,3, 12,1 beziehungsweise 12,0 Prozent Anteil an den Tagen einer Arbeitsunfähigkeit aus (Ta- belle). Den ersten Platz in diesem Ranking belegen 2010 nach wie vor die Muskel-Skelett-Erkrankun- gen, gefolgt von den Erkrankungen des Atmungssystems, wobei die AOK auf Platz zwei Verletzungen und Vergiftungen verzeichnet; in ihrer Auswertung belegen Krank- heiten des Atmungssystems Platz drei (Tabelle).

Die Studie „Vorteil Vorsorge – Die Rolle der betrieblichen Präven- tion für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland“, die im Auftrag der Felix-Burda- Stiftung durchgeführt wurde, belegt zudem, dass ein jährlicher volks- wirtschaftlicher Schaden von 225 Milliarden Euro durch kranke Ar- beitnehmer entsteht. Ein schlagen- des Argument für Unternehmen, gerade auch in Bezug auf die immer weiter zunehmenden psychischen Erkrankungen zu handeln und in die Vorsorge zu investieren.

Erst kürzlich unterzeichnete die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber und der Verband Deut- scher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) eine Erklärung (DÄ, Heft 7/2012), mit der sie sich verpflich- teten, ihr Augenmerk mehr auf die Prävention und Therapie psy- chischer und psychosomatischer Erkrankungen zu richten. Der VDBW argumentiert außerdem, dass sich jeder Euro, der in betrieb- liche Prävention investiert werde, für die deutsche Volkswirtschaft mit mindestens fünf und bis zu 16 Euro auszahle. Ob eine schnelle Umsetzung von Präventionsmaß- nahmen kurzfristig auch den Kran- kenstand senken kann, bleibt je-

doch abzuwarten.

Johanna Protschka TABELLE

Häufigste Krankheitsarten: Anteil der Fälle an den AU-Tagen 2010*

* AOK, BKK und DAK verwenden abweichende Standardisierungsverfahren für die Bereinigung der erho benen Zahlen. Deshalb hier keine Berücksichtigung der unterschiedlichen Mitgliederstruktur (Alter und Geschlecht). AU= Arbeitsunfähigkeit.

1. Muskel-Skelett-Erkrankungen 2. Krankheiten des Atmungssystems 3. Verletzungen/Vergiftungen 4. Psychische Erkrankungen 5. Verdauungssystem 6. Kreislaufsystem

BKK 26,6 % 14,4 % 13,6 % 12,0 % 5,8 % 4,5 %

DAK 21,7 % 15,8 % 14,3 % 12,1 % 6,3 % 4,6 %

AOK 24,2 % 12,0 % (Platz 3) 12,9 % (Platz 2) 9,3 % 5,8 % 6,6 %

Das Wissenschaftliche Institut der AOK ermittelte, dass 2010 nahezu jeder zehnte Ausfalltag, der der Kasse gemeldet wurde, auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen ist.

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