Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 27⏐⏐3. Juli 2009 A1393
A K T U E L L
Wenn Forscher mit Probanden for- schen, entstehen auch Vertragsver- hältnisse. Darüber werden sich die meisten bei allem Forschungseifer sicherlich klar sein. Weniger klar scheint hingegen zu sein, was ver- traglich zu regeln ist und um welche Art von Vertrag es sich überhaupt handelt. Üblicherweise jedenfalls
nicht um einen ärztlichen Behand- lungsvertrag, einmal, weil es bei Forschung nicht um (individuelle) Behandlung geht, zum anderen weil auf der Forscherseite nicht allein Ärzte beteiligt sind.
Auf der jüngsten Jahrestagung des Deutschen Ethikrates plädierte der Bonner Privatdozent Tade Mat- thias Spranger – ein Rechtswissen- schaftler, der sich vor allem dem Recht der Biotechnologie verschrie- ben hat – für eine gesetzliche Rege- lung des Forscher-Probanden-Ver- hältnisses.
Zu regeln sei vor allem das Pro- blem der Nebenbefunde. So zeigten sich bei bildgebenden Verfahren in der Hirnforschung bis 40 Prozent Abnormitäten im Gehirn, bis zu acht Prozent seien klinisch relevant. Die Behandlung sei aber nicht Sache des Forschers, sondern des frei zu wählenden Arztes. Doch wer habe den Probanden zu informieren? Und wem teile der Forscher die Neben- befunde mit? Dürfe er sie überhaupt weitergeben?
Spranger empfiehlt für´s Erste, den Probanden sehr gründlich auf- zuklären, nicht nur über Risiken des Forschungsvorhabens an sich, son- dern eben auch darüber, dass Zu- fallsbefunde auftreten könnten. Der Proband müsse seine Bereitschaft erklären, Nebenbefunde weiterzu- geben. Dann kann der Forscher oh- ne Risiko mitteilen. Er muss es so- gar. Sonst könnte er schuldig oder schadensersatzpflichtig werden.
RANDNOTIZ
Norbert Jachertz
Beachtliche Zufallsbefunde
Die gesetzlich Krankenversicherten müssen im nächsten Jahr mit Zu- satzbeiträgen für ihren Versiche- rungsschutz rechnen. Die Kassen versuchten noch, Zusatzbeiträge zu vermeiden, damit ihre Versicherten nicht zu Mitbewerbern abwander- ten, sagte Dr. Doris Pfeiffer, Vor- standsvorsitzende des Spitzenver- bandes der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV). Doch wegen der Wirtschaftskrise werde der Druck immer größer. „Es wird einen Damm- bruch geben, sobald die ersten Kas- sen Zusatzbeiträge erheben“, pro- gnostizierte Pfeiffer.
Mit Einführung des Gesundheits- fonds und des Einheitsbeitragssatzes wurde den Kassen die Möglichkeit eingeräumt, Zusatzbeiträge zu erhe- ben, wenn sie mit ihren Zuweisungen aus dem Fonds nicht auskommen. Al- lerdings ist dieser Sonderbeitrag auf
maximal ein Prozent des beitrags- pflichtigen Einkommens beschränkt.
Dr. Herbert Reichelt, Vorstands- vorsitzender des AOK-Bundesver- bandes, geht davon aus, dass die meisten Kassen diesen Spielraum 2011 voll ausschöpfen müssen. Die Folge wäre ein „Zusatz-Einheitsbei- tragssatz“ für alle Versicherten, statt des eigentlich gewollten Preiswett- bewerbs unter den Kassen.
Die Kassen fordern daher von der Bundesregierung Steuerzuschüsse.
Konkret verlangt der GKV-Spitzen- verband, die konjunkturbedingten Einnahmeausfälle der Kassen für die Jahre 2009 und 2010 durch Zu- schüsse aus Haushaltsmitteln aus- zugleichen. Möglich ist auch, dass der Gesetzgeber den Einheitsbei- tragssatz anhebt, sobald der Ge- sundheitsfonds weniger als 95 Pro- zent der Kassenausgaben deckt. SR
Beschäftigte in Zeitarbeit waren mit durchschnittlich 14,7 Fehltagen im Jahr 2008 vier Tage länger krankge- schrieben als Beschäftigte in anderen Branchen. Das geht aus einem Ge- sundheitsreport hervor, den die Tech-
niker-Krankenkassen (TK) mit dem Bundesverband Zeitarbeit (BZA) in Berlin vorstellten.
Grundlage dafür sind die Daten von rund 38 000 Zeitarbeitern bei der TK. Danach sind diese von na- hezu allen Krankheiten häufiger be- troffen als Beschäftigte in anderen Branchen. Die Daten der TK sind
allerdings nicht repräsentativ für al- le Kassen. Der TK-Vorstandsvorsit- zende Norbert Klusen verwies dar- auf, dass der höhere Krankenstand zunächst einmal dadurch bedingt sei, dass „in der Zeitarbeitsbranche vermittelte Tätigkeiten zu einem guten Teil körperlich schwere Ar- beiten sind: Viele Zeitarbeiter sind im Lager- und Transportbereich, als Installateure, Monteure oder Hilfs- arbeiter tätig.“ Diese Berufsfelder wiesen erfahrungsgemäß höhere Fehlzeiten auf, so Klusen.
BZA-Präsident Volker Enkerts bestätigte dies: Während in der ge- samten Industrie inzwischen weni- ger als ein Prozent der Beschäftig- ten ohne Ausbildung sei, belaufe sich der Anteil der vermittelten Hel- fer und Nichtausgebildeten bei Zeit- arbeitsfirmen auf etwa 30 Prozent.
Nach der Analyse belastet jedoch auch das Zeitarbeitsverhältnis an sich die Beschäftigten: Sie leiden unter anderem unter der Arbeits- platzunsicherheit und ihrer Einkom-
menssituation. Rie
KASSEN-ZUSATZBEITRÄGE
Verbandschefin rechnet 2010 mit Dammbruch
TK-STUDIE
Zeitarbeiter öfter krank als andere Arbeitnehmer
Krankschrei- bungen ver- meiden:Die TK appelliert an Betriebe, auch die Gesundheit von Zeitarbei- tern zu fördern.
Foto:Keystone