DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
DIE GLOSSE
Orientalischer Basar
„So, Herr Baumann, was haben wir denn? Fuß verknackst? Las- sen Sie sehen ..."
„Halt! Ehe Sie beginnen, müssen wir die Honorarfrage klären! Ich bin Privatpatient und kenne die neue Gebührenordnung der Ärz- te. Sie wissen ja, Multiplikator, Ab- dingung, Schwellenwert, Höchst- satz, Kostendämpfung und so ..."
„Aha, ein Fachmann ..."
„Also, ich habe mir den Fuß ver- staucht. Da fallen wahrscheinlich an: eine Beratung nach Ziffer 1 mit einer Grundgebühr von 7,20 DM sowie eine eingehende Unter- suchung, das ist Ziffer 65 mit ei- nem Einfachsatz von 10,60 DM."
„Sie sind aber toll informiert!"
„Sicher werden noch zwei Rönt- genaufnahmen fällig. Das dürfte äh ... Ziffer 5021 sein, mit ei- ner Grundgebühr von 32,50 DM.
Es geht nun um die Bemessung der Gebühren entsprechend § 5 der GOÄ. Welchen Steigerungs- satz wollen Sie zugrundelegen?"
„Wissen Sie, ich bin eigentlich nicht gewohnt, in meiner Praxis zu feilschen. Erst will ich mir mal den Fuß anschauen ..."
„Moment! Ich brauche zuvor von Ihnen eine klare Aussage! Da die Verstauchung sicher harmlos ist, dürfte nach § 5, Absatz 2, der GOÄ Schwierigkeit und Zeitaufwand der einzelnen Leistungen sowie die Umstände bei der Ausfüh- rung ... Au! Ah ..."
„Was haben Sie denn?"
es sticht so im Fuß! Oh! Wis- sen Sie, ich bin von Ihrem Ortho- pädie-Kollegen an der Marktstra- ße zu Ihnen hergehumpelt, der wollte jeweils den Höchstsatz nehmen ..."
.. Sie sind aber konsequent!"
DÄ-Karikatur: Peter Bensch, Köln
er wollte also das 2,3fache bei den ärztlichen Leistungen und 1,8fache bei den technischen Lei- stungen. Da ich aber den Trend zur Schwellenwertliquidation nicht unterstützen will, bin ich bei Ihnen."
„Bitte, jetzt lassen Sie's gut sein.
Wir nehmen in Gottes Namen ei- nen Mittelwert. Zeigen Sie mir endlich die Verstauchung?"
„Mittelwert? Wo ist mein Rech- ner? Hier. Nun, das wären das 1,65fache bei den beiden ärzt- lichen Leistungen, Beratung und Untersuchung, das sind ...
äh ... insgesamt 29,37 DM sowie das 1,4fache beim Röntgen, macht 45,50 DM. Und per Sal- do..."
„Jetzt hören Sie aber ...
„... exakt 74,87 DM. Zumindest mal eine Verhandlungsbasis!"
„Sind wir hier im Orient? Draußen habe ich das Wartezimmer voll!
Und Sie feilschen wie ein orien- talischer Basarhändler! Mir reicht's ..."
sehen wir doch die Sache wie zwei gleichberechtigte Vertrags- partner."
„Ich hätte gute Lust, den Gebüh- renrahmen zu überschreiten — mit der Begründung, daß Sie mir mei- ne Zeit stehlen ..."
„Vielleicht wollen Sie gar nicht abdingen und mit mir noch eine eigene kostenträchtige Regelung vereinbaren?"
„Ich weise Sie zum letztenmal darauf hin, daß ..."
„Bitte regen Sie sich nicht auf! Sie können gleich mit der Behand- lung anfangen, wenn Sie dieses Papier unterschreiben."
„Was ist das denn?"
„Das ist ein von mir entworfener Abdingungsvertrag, der zwar alle Leistungen nur zu 50 Prozent der Einfachsätze honoriert, aber dafür zahle ich sofort cash auf den Tisch ..." UM
Zünftig
Die gewerkschaftlich organisier- ten Straßenbahner und Busfahrer der Stadt Rom haben für die kom- menden Tarifverhandlungen eine interessante Forderung gestellt:
Ihre Arbeitsplätze sollen nicht nur garantiert, sondern auch erblich werden.
Interessante Aussichten sind das:
gibt es auch weibliche Erbfolge?
Oder was ist, wenn der Filius par- tout nicht Busfahrer werden will, sondern, sagen wir, Flieger? Zwar haben die höheren Ebenen der Gewerkschaftshierarchie gleich abgewiegelt — das sei nichts für Tarifverhandlungen. Erstaunte Frage: Soll es vielleicht woanders geregelt werden? Gesetzlich?
Oder in der Firmensatzung des rö- mischen Nahverkehrsunterneh- mens ATAC?
Immerhin, die Anregung ist nicht schlecht. Vielleicht könnte sie sinngemäß auch für die Zulassung zum Medizinstudium genutzt wer- den. Die Zunftordnungen des Mit- telalters lassen grüßen ... bt Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 8 vom 20. Februar 1985 (23) 475