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Archiv "Steuererhöhung vorerst vertagt: Die Rezession macht Apel einen Strich durch die Steuerrechnung" (24.07.1975)

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Leserdienst Hinweise • Anregungen

WIRTSCHAFT

Der Aufschwung läßt auf sich warten. Die Rezession geht tiefer und dauert länger, als von der amt- lichen Politik und auch von den meisten Konjunkturforschern er- wartet worden war. Das hat Konse- quenzen für die Staatsfinanzen, Seit März bleiben die Steuerein- nahmen hinter den Ergebnissen des Vorjahres zurück. Die Defizite aller öffentlichen Haushalte werden größer und größer. Sie können nur mit Krediten geschlossen werden.

Das Schuldenmachen wird zur konjunkturpolitischen Tugend er- hoben.

Bund, Länder und Gemeinden wer- den 1975 Kredite in Höhe von we- nigstens 65 Milliarden Mark auf- nehmen müssen, um die Haushalts- lücken schließen zu können. Die Verschuldung allein des Bundes ist in einem Jahr höher als zusam- mengerechnet in allen Jahren seit Bestehen der Bundesrepüblik. Die gewaltige Kreditaufnahme macht bis heute keine größeren Schwie- rigkeiten, da die Sparneigung der Bürger noch immer wächst. Die Bürger legen heute rund 17 Pro- zent ihrer verfügbaren Einkommen auf die hohe Kante. So gesehen, sorgt der Staat dafür, daß die Gel- der, die über das Sparen dem Wirt- schaftskreislauf entzogen werden, wieder in den Kreislauf zurückflie- ßen.

Die letzten Konjunkturzahlen si- gnalisieren, daß die konjunkturelle Talfahrt noch immer nicht beendet ist. Im Mai gingen zum Beispiel bei der Industrie 17 Prozent weniger Bestellungen ein als im Mai 1974.

Schaltet man die Saisoneinflüsse aus, so ging der Auftragseingang von April zu Mai um vier Prozent zurück. Sah es, im Frühjahr noch so aus, als wenn sich wenigstens die Investitionsneigung im Inland verbessert hätte, so geht aus den neuesten Zahlen hervor, daß sich die Unternehmen mit Investitionen,

die so entscheidend für den weite- ren Konjunkturverlauf sind, zurück- halten. Die 'Aufträge blieben um 11,6 Prozent hinter den schon schlechten Vorjahreswerten zu- rück. Und selbst im Juni lag die Zahl der Arbeitslosen über der Mil- liongrenze. Dies alles gibt eine be- drückende-Perspektive. Kein Wun- der also, daß in Bonn von zusätzli- den konjunkturpolitischen Maßnah- men gesprochen wird.

Die Bundesregierung will ihre Ent- scheidungen allerdings erst treffen, wenn die Juni-Zahlen vorliegen.

Damit ist bis Mitte August zu rech- nen. Erst dann wird man auch zu- verlässig wissen, wie sich die Inve- stitionszulage ausgewirkt hat. Gro- ße Hoffnungen macht man sich in Bonn nicht mehr. Vom 25. August an haben alle Minister wieder in Bonn zu sein, so hat es der Kanzler angeordnet. Bis zum 10. September soll dann über den fälligen Nach- tragshaushalt, über den Etatentwurf für 1976 und über konjunkturpoliti- sche Maßnahmen entschieden wer- den.

Die Vorlage des Nachtragshaus- halts wird erforderlich, weil die Steuereinnahmen noch einmal kor- rigiert werden müssen. Aufgrund der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung muß mit einem zusätz- lichen Ausfall zwischen acht und zehn Milliarden Mark gerechnet werden; knapp die Hälfte davon geht zu Lasten des Bundes. Dar- über hinaus muß der Bund seine bisherigen Zahlungen an die Bun- desanstalt für Arbeit zur Finanzie- rung des Arbeitslosengeldes (3,2 Milliarden Mark) noch einmal um etwa vier Milliarden Mark aufstok- ken. Für das Kindergeld ergeben sich Nachforderungen von rund 300 Millionen Mark. Im Haushalt des Bundes hat sich also eine neue Lücke von wenigstens acht Milliarden Mark aufgetan, die Fi- nanzminister Apel nur mit Krediten

schließen kann. Dies bedeutet: der Bund muß 1975 Kredite in Höhe von mehr als 30 Milliarden Mark aufnehmen gegenüber vier bis sechs Milliarden Mark in den Jah- ren zuvor.

Schlimmer ist jedoch, daß auch auf mittlere Sicht nicht mit einer Ver- besserung der finanziellen Lage des Staates zu rechnen ist. So hat der rheinland-pfälzische Finanzmi- nister Gaddum in einer Modell- rechnung nachgewiesen, daß selbst bei günstigen Annahmen über die wirtschaftliche Entwick- lung die Haushaltsdefizite von Bund, Ländern und Gemeinden weiter ansteigen werden, und zwar bei einem jährlichen Ausgabenan- stieg von zehn Prozent von gut 60 Milliarden 1975 auf über 100 Mil- liarden Mark im Jahre 1979. Eine gewaltige Schuldenlawine ist also programmiert; sie könnte auch durch Steuererhöhungen nicht auf- gehalten, sondern allenfalls ge- bremst werden. Die Berechnungen Gaddums sind vom Bundesfi- nanzministerium jedenfalls nicht dementiert worden.

In Bonn ist bekannt, daß Bundes- kanzler Schmidt und Finanzmini- ster Apel zum 1. Januar 1976 die Mehrwertsteuer anheben wollten, und zwar um wenigstens zwei Pro- zentpunkte. Schmidt hält davon aber angesichts der schlechten Konjunktur nichts mehr, während Apel trotz Rezession eine Steuerer- höhung durchsetzen will. Er fürch- tet, mit dem Grundgesetz in Kon- flikt zu geraten, das die Kreditauf- nahme auf die Höhe der öffentli- chen Investitionen begrenzt. Nur in der Rezession gilt diese Grenze nicht. Der Bund gibt aber nur 23 Milliarden Mark für Investitionen aus. Apel wird sich aber wohl nicht durchsetzen können, zumal sich die FDP gegen Steuererhöhungen stark macht und für eine weiter- gehende Verschuldung eintritt.

Der Bund könnte sich allerdings dadurch entlasten, daß zum Bei- spiel der Beitrag zur Arbeitslosen- versicherung von jetzt zwei Prozent des Arbeitsentgelts auf drei Pro-

Steuererhöhung vorerst vertagt

Die Rezession macht Apel einen Strich durch die Steuerrechnung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 30 vom 24. Juli 1975

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Leserdienst

Hinweise •Anregungen

zent angehoben wird. Das brächte rund vier Milliarden Mark mehr in die Nürnberger Kasse, was den Bund entsprechend entlasten wür- de. Darüber wird gegenwärtig ge- sprochen. Auch wird an die Erhö- hung der Tabak- und Branntwein- steuer gedacht.

Dies alles macht jedoch deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten der Bundesregierung sind, neue Kon- junkturprogramme aufzulegen. Da- bei muß auch bedacht werden, daß öffentliche Investitionen zur Abstüt- zung der Konjunktur stets beträcht- liche Folgekosten haben. Es wäre also nicht mit einer einmaligen Geldspritze getan. Auch darf man die Wirkung neuer Konjunkturpro- gramme solange nicht als hoch veranschlagen, wie die Export- nachfrage stagniert oder gar noch weiter sinkt. Kein Konjunkturpro- gramm könnte die Ausfälle im Ex- port kompensieren. Neue Aktivitä- ten könnten also nur dazu beitra- gen, daß die deutsche Wirtschaft den Anschluß an die Erholung der Weltwirtschaft findet, mit der kaum noch in diesem Jahr, aber mögli- cherweise doch vom Frühjahr 1976 an gerechnet werden kann. wst

Aus der

pharmazeutischen Industrie

Sanorania-Neubau Kürzlich konnte die Firma Sanorania, Dr.

Gerhard Strohscheer oHG, in Ber- lin eine neue Produktions- und Ver- waltungsstätte beziehen, die den GMP-Richtlinien entspricht. Ent- wicklung, Produktion, Qualitäts- kontrolle und Verwaltung sind hier unter einem Dach vereint. Die Fir- ma war seit 1931 in Oranienburg bei Berlin ansässig. Sie wird als reines Familienunternehmen finan- ziell unabhängig geführt Mit einem Kostenaufwand von 6 Millionen DM sind Einrichtungen geschaffen wor- den, mit denen die Firma allen ge- genwärtigen und zukünftigen For- derungen auf dem Arzneimittelge- biet gewachsen ist. KI

Wohnwände

Nach wie vor sind aus einzelnen Elementen zusam- mengestellte Wohnwände einer der wichtigster Teile des Möbelangebots. Mehr und mehr wird dabei auf leichte Mon- tage und Variabilität geachtet — man soll die Wand beim Umziehen auch mitnehmen können. Zwei Beispiele von der diesjährigen Möbelmesse:

Oben das Selbstbauprogramm „Norda" (Hersteller: Poschinger Möbel GmbH & Co, 811 Murnau, Postfach 30). Das aus nur wenigen Elementen bestehende Wand- und Raumteilerprogramm ist in Kiefer natur, in schwarz gebeizter Eiche oder weiß lackiert zu haben. Unten: „Romana"

aus sandstrahlbehandelter und gebeizter Eiche (Hersteller: Banz Bord International KG, 8106 Oberau, Postfach 38). Die senkrechten Wand- teiler dieses Programms sind Schränke, die auf die Raumhöhe zuge- schnitten werden. Mit ihnen läßt sich eine gute Gliederung der Wand erreichen Werkfotos/kb

PRAXIS UND HAUS WIRTSCHAFT

2190 Heft 30 vom 24. Juli 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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