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Biokompatibilität penetrierender Mikroelektroden im ZNS am tierexperimentellen Modell

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Academic year: 2022

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Internationalen Neurowissenschaftlichen Institut Hannover

Biokompatibilität penetrierender Mikroelektroden im ZNS am

tierexperimentellen Modell

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Christos Pantazis aus Hannover

(2)

Angenommen vom Senat der medizinischen Hochschule Hannover am 13.08.2013

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Christopher Baum Betreuer: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Madjid Samii Referent: Prof. Dr. Kerstin Schwabe

Korreferent: Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Horst Kokemüller

Tag der mündlichen Prüfung: 13.8.2013

Produktionsausschussmitglieder:

Prof. Dr. Stefan Bleich Prof. Dr. Karin Weißenborn PD Dr. Burkard Jäger

(3)

Για σένα, Τάνγα µου

(4)

I

Inhaltsverzeichnis

1   Einleitung ... 1  

2   Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem ... 3  

2.1   Biophysikalische Grundlagen ... 3  

2.1.1   Nervenzellen (Neuronen) ... 3  

2.1.2   Stimulation von Nervenzellen (Neuronen) ... 4  

2.1.3   Evozierte Potenziale ... 6  

2.1.4   Elektrische Schnittstellen zum ZNS ... 7  

2.1.4.1   Impedanz ... 7  

2.1.4.2   Parameter der Stimulation ... 8  

2.2   Biokompatibilität ... 10  

2.2.1   Gewebeverträglichkeit von elektrischen Schnittstellen ... 10  

2.2.1.1   Biokompatibilität von Medizinprodukten ... 10  

2.2.1.2   Oberflächen- und Tiefenelektroden ... 10  

2.2.1.3   Existierende Elektrodendesigns ... 11  

2.2.1.4   Isolationsmaterialien ... 14  

2.2.1.5   Biokompatibilität der Elektrodenträger ... 14  

2.2.1.6   Biokompatibilität des Insertionsvorgangs ... 15  

2.2.1.7   Operative Implantationsstrategien ... 16  

2.2.1.8   Initiale Gewebsreaktion ... 17  

2.2.1.9   Chronische Implantation ... 18  

2.2.1.10   Neuronendichte ... 21  

2.2.2   Gewebeverträglichkeit der elektrischen Stimulation ... 22  

2.2.2.1   Reversible Ladungstransferlimits ... 22  

2.2.2.2   Mechanismen der Gewebeschädigung ... 23  

2.2.2.3   Betrachtung von Schädigungsschwellen ... 25  

2.2.2.4   Verringerung der neuronalen Erregbarkeit ... 26  

2.2.2.5   Histologische Beurteilung ... 28  

3   Fragestellung und Zielsetzung ... 31  

4   Material und Methoden ... 33  

4.1   Elektrodendesign ... 33  

4.1.1   Elektrodenimpedanz ... 35  

4.1.2   Verbiege- und Insertionskraft ... 36  

4.1.3   Verwendete Materialien ... 36  

4.2   Versuchstiere und Gruppeneinteilung ... 37  

4.3   Chirurgische Vorgehensweise ... 38  

4.3.1   Perioperatives Management ... 38  

4.3.2   Implantation ... 38  

4.3.3   Perfusion und Explantation ... 40  

(5)

4.4.2   Stimulator ... 42  

4.4.3   Impedanzen ... 43  

4.4.4   Stimulationsablauf ... 43  

4.5   Histologie ... 46  

4.5.1   Verwendete Lösungen und Puffer ... 47  

4.5.2   Histochemische Färbungen ... 49  

4.5.2.1   Hämatoxylin-Eosin-Färbung ... 49  

4.5.2.2   Trichrom-Färbung ... 50  

4.5.2.3   Thionin-Färbung ... 50  

4.5.3   Immunhistochemische Färbung ... 51  

4.5.3.1   Glial fibrillary acidic protein-Färbung (GFAP) ... 51  

4.6   Histomorphometrie ... 53  

4.7   Statistik ... 54  

5   Ergebnisse ... 55  

5.1   Qualitative Auswertung ... 55  

5.1.1   Schädigungen durch den Insertionsvorgang (Versuchsgruppe I) ... 55  

5.1.2   Langfristige materialspezifische Gewebeverträglichkeit (Versuchsgruppe I) ... 57  

5.1.3   Schädigungsmuster durch elektrische Tiefenstimulation ... 59  

5.1.3.1   Versuchsgruppe II (150 µA, Elektrodenträger mit „halbmaximaler“ Reizstärke) ... 59  

5.1.3.2   Versuchsgruppe III (300 µA, Elektrodenträger mit „maximaler“ Reizstärke) ... 61  

5.2   Impedanzen ... 63  

5.2.1   Prä- und postoperativ gemessene Gewebswiderstände ... 63  

5.2.2   Prä- und poststimulativ gemessene Gewebswiderstände ... 64  

5.3   Quantitative Auswertung ... 65  

5.3.1   Hemisphärendifferenzen ... 66  

5.3.1.1   Nichtstimulierte Elektrodenträger (Versuchsgruppe I) ... 66  

5.3.1.2   Stimulierte Elektrodenträger mit Reizstärken von 150 µA (Versuchsgruppe II) ... 70  

5.3.1.3   Stimulierte Elektrodenträger mit Reizstärken von 300 µA (Versuchsgruppe III) ... 73  

5.3.2   Versuchsgruppendifferenzen ... 76  

5.3.2.1   Radialsymmetrische Erfassung der Versuchsgruppen ... 76  

5.3.2.2   Zonenbezogene Erfassung der Versuchsgruppen ... 80  

5.3.3   Sektorale Erfassung ... 83  

6   Diskussion ... 88  

7   Zusammenfassung ... 99  

Abbildungsverzeichnis ... 102  

Tabellenverzeichnis ... 104  

Abkürzungsverzeichnis ... 105  

Formelverzeichnis ... 106  

(6)

III

Literaturverzeichnis ... 107  

Lebenslauf ... 116  

Eidesstattliche Erklärung ... 118  

Danksagung ... 119  

(7)

1 Einleitung

Die Aufnahme von Informationen in das Bewusstsein erfolgt beim Menschen über seine Sinne. Aristoteles beschrieb bereits in seiner Schrift De Anima[1-3] mit dem Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten die im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch verwendeten fünf Sinnesmodalitäten. Neben der visuellen kommt der auditiven Wahrnehmung als maßgeblichem Träger der Informationsaufnahme besondere Bedeutung zu, da über akustische Rückmeldungen die verbale Kommunikation über das gesprochene Wort erst möglich ist. Eine Million Bit, dass ist die Information von 66 normal beschriebenen Schreibmaschinenseiten, strömen im Durchschnitt in jeder Sekunde auf unser Hörorgan ein. Umso mehr stellt der Verlust des Hörens, eine vollständige Ertaubung, einen tiefgreifenden Einschnitt in die Kontaktfähigkeit des Menschen mit seiner Umwelt dar.

Die Wiederherstellung solcher Sinnesfunktionen durch Bioimplantate, die neuronale Zielstrukturen mittels elektrisch evozierter Potenziale stimulieren können, stellt einen wesentlichen Ansatz der Neurotechnik dar. Ein erfolgreiches Beispiel für die Effektivität solcher Implantate im Zntralnervensystem (ZNS) ist die Erzeugung eines Höreindrucks über Elektroden im Bereich der Cochlea und des Hirnstamms[4-8]. Bei Verlust anderer Sinneskanäle gibt es zwar noch keine klinisch-relevante Ersatzmöglichkeit durch elektrische Stimulation im Gehirn; die Entwicklung geeigneter Implantate scheint hierbei aber nur eine Frage der Zeit[9]. Funktionelle Bewegungsstörungen wie Parkinson, Spastik oder Dystonie sowie zentrale Schmerzsyndrome werden ebenfalls bereits mit neuroelektrischen Implantaten behandelt[10].

Im Rahmen der optimalen Anpassung dieser Implantate an die anatomische Zielstruktur beim Menschen („Interfacing“) ergeben sich zwei wesentliche Fragestellungen:

1. Welche Elektrodenmaterialien bzw. -designs sind am besten für eine chronische Implantation geeignet? (Biokompatibilität der elektrischen Schnittstelle)

2. Bis zu welchen Grenzen ist die elektrische Reizung im ZNS biologisch unbedenklich? (Biokompatibilität der elektrischen Stimulation).

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Kapitel 1 Einleitung

2 Diese beiden Faktoren sind eng miteinander verbunden, denn eine effektive Stimulation ist nur dann möglich, wenn die Zielstruktur durch die technische Schnittstelle sowie durch die elektrische Reizung möglichst wenig beeinträchtigt wird.

Die hier vorliegende experimentelle Arbeit untersucht diese Parameter mit einem in Zusammenarbeit mit der Firma MED-EL (Innsbruck/Österreich) und dem Institut für Angewandte Physik der Universität Innsbruck entworfenen Elektrodendesign am Kleintiermodell der Ratte bei elektrischer Stimulation im zerebralen Kortex. Ein wesentliches Ziel der Arbeit stellt dabei die Bestimmung von Schwellenwerten für die Beeinträchtigung des vitalen ZNS-Gewebes durch elektrische Mikrostimulation dar.

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2 Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem

2.1 Biophysikalische Grundlagen

2.1.1 Nervenzellen (Neurone)

Die Anzahl der im menschlichen Nervengewebe existierenden Nervenzellen (griech.:

Neuronen) wird mit bis zu 100 Milliarden angegeben[11, 12]. Im Unterschied zu den meisten anderen Zellen des Menschen können Neurone nur sehr eingeschränkt proliferieren oder regenerieren, d.h. ein Ersatz bzw. eine Teilung alter oder geschädigter Zellen ist außer in bestimmten Regionen (z.B. im olfaktorischen System) kaum möglich. Die primäre Funktion des Nervengewebes ist die schnelle Verarbeitung und der Transport von Informationen. Es ist auf diese Weise an der Koordination, Kontrolle und Regulation fast aller Vorgänge im Körper beteiligt.

Histologisch besteht das Nervengewebe aus einer funktionell untrennbaren Einheit von Nerven- und Gliazellen[11, 13, 14]

. Die Nervenzellen übernehmen dabei die Erregungsbildung, –verarbeitung sowie die –leitung. Demgegenüber haben die Gliazellen neben ihrer metabolischen und mechanischen Funktion eine große Bedeutung für die Entwicklung und den Schutz von Leitungsbahnen im Zentralnervensystem. Darüber hinaus mehren sich die Anzeichen für aktive Funktionen der Gliazellen in der neuronalen Informationsverarbeitung, wie bei der Entstehung von Schmerz im Bereich des Rückenmarks und jüngst auch bei der Regulation der Atmung[14].

Jede Nervenzelle stellt für sich eine geschlossene morphologische, trophische sowie funktionelle Einheit dar. Morphologisch lassen sich Neurone in das Perikaryon (Zellkörper, Soma) und die Fortsätze (Dendriten und ein Axon) unterteilen (vgl. Abb. 1). Das Perikaryon, das den Zellkern enthält, stellt vornehmlich das trophische Zentrum der Nervenzelle dar. Die baumartig verzweigten Fortsätze des Perikaryons, die Dendriten, sind auf den Empfang von Signalen von Sinnesepithelzellen oder anderen Nervenzellen spezialisiert. Diese aus der Umgebung stammende, sogenannte „afferente“, Erregung leiten sie zum Perikaryon hin weiter. Der für die „efferente“, d.h. vom Perikaryon weggerichtete, Erregungsleitung verantwortliche Bestandteil jedes Neurons ist ein stets in Einzahl

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(11)
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Kapitel 2 Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem

6 Auch durch einen von außen eingebrachten elektrischen oder magnetischen Impuls kann eine Änderung des Ruhemembranpotenzials über einen bestimmten Schwellenwert erzielt und ein Aktionspotenzial ausgelöst werden. Dieser Vorgang stellt die Grundlage für die elektrische Stimulation von Neuronen dar.

2.1.3 Evozierte Potenziale

Durch die Reizung eines Sinnesorgans oder seiner afferenten Nerven bzw. durch die Reizung afferenter Nervenbahnen können im Zentralnervensystem (ZNS) elektrische Potenzialänderungen hervorgerufen werden. Außerdem kann man durch Reizung motorischer Bahnen des ZNS Muskelantworten hervorrufen, die ebenfalls mit messbaren elektrischen Spannungsänderungen (= Potenzialen) einhergehen.

Wegen eines ungünstigen Signal-Rausch-Verhältnisses dieser Potenziale müssen meist mehrere Antworten auf einen Reiz gemittelt und verstärkt werden, um einen Potenzialverlauf messbar und sichtbar zu machen. Alle diese durch elektrische oder magnetische Stimulation ausgelösten („evozierten“) Potenziale (EP) lassen in ihrer Form, Amplitude (Höhe) sowie der Latenz (Laufzeit) Rückschlüsse auf die Leitfähigkeit und damit auf die Funktionsfähigkeit von Nervenbahnen zu. In der medizinischen Basis-Diagnostik werden vier Arten von evozierten Potenzialen unterschieden:

Visuell evozierte Potenziale (VEP) werden nach einem Lichtreiz von der Kopfhaut über der Sehrinde abgeleitet. Die sich dabei ergebenden Potenzialänderungen geben Hinweise auf die Funktionsfähigkeit der Sehbahn[17].

Akustisch evozierte Potenziale (AEP) geben Hinweise auf die Funktionsfähigkeit der Hörbahn und werden nach einem Schallereignis meist als Fernfeldpotenziale an verschiedenen Stellen der Schädeloberfläche, aber auch im äußeren Gehörgang oder intraoperativ am Hirnstamm, abgeleitet[18].

Somatosensorisch evozierte Potenziale (SEP bzw. SSEP) kommen zur Prüfung der Integrität somatosensibler Bahnsysteme in der neurologischen Diagnostik, aber häufig auch im Rahmen des intraoperativen Monitorings, zum Einsatz. Die Ableitung kann an der Kopfhaut oder direkt auf dem Gehirn erfolgen und ermöglicht eine Beurteilbarkeit sowohl von zentralen

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somatosensiblen Leitungsbahnen als auch von peripheren sensiblen Neuronen.

Motorisch evozierte Potenziale (MEP) stellen eine spezielle Form von evozierten Potenzialen dar. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten nervalen Reizantworten handelt es sich um Muskelpotenziale, die nach direkter sowie indirekter Reizung der motorischen Hirnrinde bzw. der motorischen Bahnsysteme abgeleitet werden. Intraoperativ lässt sich damit z.B. die Integrität des kortikospinalen Trakts, d.h. der bei der Ausführung von Willkürbewegungen benutzten Bahn zum Motoneuron des Rückenmarks, überwachen.

2.1.4 Elektrische Schnittstellen zum ZNS

Eine neuroelektrische Schnittstelle ist eine Verbindung zwischen neuronalem Gewebe und einer Elektrodenstruktur.

2.1.4.1 Impedanz

Das Einbringen von elektrischen Schnittstellen in das Zentralnervensystem ermöglicht eine elektrische Stimulation von Neuronen. Durch repetitive elektrische Stimulation über neuroelektrische Schnittstellen kann man ähnliche wie die unter Kapitel 2.1.3 beschriebenen Potenzialschwankungen ableiten, die man dann als elektrisch evozierte Potenziale (EEP) bezeichnet. Im implantierten Zustand stellen solche Schnittstellen physikalisch und chemisch meist einen Festkörper-Elektrolyt- Übergang dar. Neben dem Eigenwiderstand der Zuleitung zum Stimulationskontakt (Rs) kommt dem Übergangswiderstand zwischen Elektrode und Gewebe (Rp), der sogenannten Impedanz, eine besondere Bedeutung zu. Die Eigenschaften dieses Übergangs werden von der so genannten Phasengrenze bestimmt. Vereinfacht kann diese als Parallelschaltung einer Kapazität (C) und eines Überganswiderstands (Rp) dargestellt werden (vgl. Abb. 3). Physikalisch ist hierbei C proportional und Rp

umgekehrt proportional zur elektrochemisch aktiven Oberfläche[19].

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Kapitel 2 Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem

10 S[µA/cm2] = I[mA] / Ageom[cm2]

Bei der Berechnung dieser letzten beiden Parameter wird hier auf die geometrische Oberfläche von Stimulationselektroden zurückgegriffen.

2.2 Biokompatibilität

2.2.1 Gewebeverträglichkeit von elektrischen Schnittstellen

2.2.1.1 Biokompatibilität von Medizinprodukten

Aus seinen mechanischen, physikalischen als auch chemischen Wechselwirkungen mit dem Organismus und dessen Reaktionen ergibt sich die Gewebsverträglichkeit eines Materials. Bei Implantation von Medizinprodukten dürfen im Allgemeinen weder akute bzw. chronische Entzündungen noch Veränderungen des anatomischen Zielgewebes verursacht werden[22, 23]. Dies gilt auch für eine funktionelle Beeinflussung des Organismus, wie z. B. durch elektrische Stimulation mittels neuroelektrischer Schnittstellen. Ausgenommen davon sind natürlich die durch Stimulation ausgelösten, erwünschten Veränderungen wie die Aktivierung von Neuronen.

Zur Klassifikation der Biokompatibilität von Medizinprodukten werden spezielle Anforderungen gestellt. Die damit verbundene biologische Beurteilung der Implantate erfolgt anhand der Art und der Dauer des Körperkontaktes und entspricht der DIN EN ISO 10993[24].

2.2.1.2 Oberflächen- und Tiefenelektroden

Zur Wiederherstellung von Sinnesfunktionen durch Bioimplantate werden oft Oberflächenelektroden eingesetzt, die dem zu stimulierenden neuronalen Gewebe aufliegen. Während diese Oberflächenelektroden für das Gewebe schonend sind, weisen sie auch verschiedene Nachteile auf. Ranck et al. konnten beispielsweise zeigen, dass bei Stimulation mit Oberflächenimplantaten bereits eine zarte Gewebsschicht wie die Pia Mater aufgrund ihrer Ohmschen und kapazitiven Eigenschaften zu einer signifikanten Streuung der elektrischen Ladung führt[25].

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Infolgedessen steigen die Schwellenreizstärken, um neuronale Zielstrukturen effektiv zu stimulieren.

Im tierexperimentellen Vergleich von Oberflächen- und Tiefenelektroden bei der direkten Stimulation des Nervus cochlearis zeigten sich die Reizschwellen für Oberflächenelektroden im Gegensatz zu denen penetrierender Elektroden um das fünf- bis sechsfache erhöht[26]. Demgegenüber stellten sich die Schwellen für neuronale Schädigung bei Dauerstimulation mittels Oberflächenimplantaten erheblich niedriger dar als bei penetrierenden Elektrodenträgern[27-32]. Die Arbeitsgruppe um Douglas McCreery konnte im Rahmen einer Versuchsreihe zur elektrischen Stimulation des Kortex der Ratte zeigen, dass Oberflächenimplantate im Gegensatz zu penetrierenden Elektrodenträgern bei gleichen Stimulationsparametern deutlichere morphologische Schädigungen verursachten[28]. Da Tiefenelektroden näher an den neuronalen Zielstrukturen implantiert werden können und sich die Schwellen für die elektrische Stimulation exponentiell proportional zum Abstand der Elektrodenträger verhalten, führten die aufgeführten Arbeiten letztendlich zur Entwicklung von penetrierenden Bioimplantaten[9, 33].

2.2.1.3 Existierende Elektrodendesigns

Die Herausforderung, Elektrodenkontakte direkt an die zu stimulierenden Neuronenpopulationen anzukoppeln und die Reaktion dieser Nervenzellen auf chronisch elektrische Stimulation zu untersuchen, inspirierte eine Anzahl von Forschungsgruppen, penetrierende Mehrkanalelektroden zu entwickeln. Für diese experimentell eingesetzten Tiefenelektroden wurden Mikrodrähte[30, 34-42], spezielle Polymere[43-47] sowie unterschiedliche Typen siliziumbasierter Bioimplantate[48-51]

eingesetzt.

Von diesen Arten von neuroelektrischen Schnittstellen, die derzeit eingesetzt werden, sind die aus Mikrodrähten bestehenden Elektroden am weitesten verbreitet. Die implantierten Drähte bestehen dabei aus einem leitenden Metall wie Platin, Gold[52], Wolfram[53], Iridium[54] oder Edelstahl[55]. Isoliert sind diese mit einem nicht-zytotoxischen Material, wobei die Spitze des Drahtes frei liegt, um darüber stimulieren oder elektrische Signale aus dem Zielgewebe empfangen zu können. Die Anzahl der aus Draht bestehenden Mikroelektroden auf einem Elektrodenträger reicht dabei von vier[52] bis über mehreren hundert[55] (vgl. Abb. 6).

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Kapitel 2 Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem

14 2.2.1.4 Isolationsmaterialien

Sowohl Mikrodrahtelektroden als auch siliziumbasierte Bioimplantate erfordern eine Isolierung. Da der direkte Kontakt zwischen dem Implantat und dem neuronalen Zielgewebe vornehmlich über diese Isolierschicht erfolgt, muss sie aus einem nicht- zytotoxischen Material bestehen, um eine möglichst geringe Fremdkörperreaktion zu gewährleisten.

Mehrere unterschiedliche Materialien sind hierfür bereits als biokompatibel identifiziert und zur Isolation von Tiefenelektroden verwendet worden. Mit großem Erfolg werden beispielsweise Mikrodrähte mittels einfacher Beschichtung aus Teflon oder S-isonel, einem dem Teflon ähnlichen Polyesterlack, isoliert[55, 66]. Epoxydharze wurden ebenfalls erfolgreich bei Mikrodrahtelektroden eingesetzt[54]. Auch wenn bisher in vivo nicht getestet, konnte das im Plasma gelagerte Diamond-Like Carbon (DLC) in vitro seine Eigenschaft als chemisch inerter Isolator sowie gutes bioaktives Substrat für eine reduzierte Fremdkörperreaktion unter Beweis stellen[67, 68].

Bei der Herstellung von mikromechanischen siliziumbasierten Bioimplantaten werden neben der Isolierung aus Siliziumnitrid oder Siliziumdioxid[49, 59] zusätzlich noch Polyesterimid oder häufiger Polyimid zur Beschichtung verwendet[49, 52, 53, 61]

.

Zur Verringerung möglicher Fremdkörperreaktionen werden die Isolierschichten teilweise mit entzündungshemmenden Verbindungen modifiziert, z.B. mit Adhäsionsproteinen oder bioaktiven Molekülen[51, 69-77]

. Ferner finden auch biologische Modifikationen zur Verbesserung der Ankopplung wie beispielsweise die Beschichtung mit Hyaluronsäure, Peptiden, Zucker oder Wachstumsfaktoren[69, 78-80]

Anwendung.

2.2.1.5 Biokompatibilität der Elektrodenträger

Während viele Elektrodendesigns in Kurzzeitstudien bestimmungsgemäß funktionieren, fielen sie in Langzeitversuchen durch eine erhebliche Varianz in ihrer Funktionsfähigkeit auf[36, 54, 55, 63]

. Bei der Entwicklung klinisch einsetzbarer Technologien ist das problematisch, weil Bioimplantate zur Wiederherstellung von Sinneseindrucken über einen langen Zeitraum funktionell verlässlich arbeiten müssen[81].

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Die Beständigkeit von intrakortikalen Elektroden hängt dabei maßgeblich von der biologischen Unbedenklichkeit der für die Elektrodenträger verwendeten Materialien gegenüber dem neuronalen Zielgewebe ab[82].

Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, einen Überblick über die an der Gewebereaktion auf den Vorgang der Insertion und auf die Elektrodenträger beteiligten Vorgänge im ZNS zu geben[83, 84].

2.2.1.6 Biokompatibilität des Insertionsvorgangs

Das durch den Vorgang der Implantation einer neuroelektrischen Schnittstelle entstehende biologische Schädigungsmuster hängt wesentlich von der Form und Dimensionierung der Elektrode ab[45, 55, 56, 69, 85]

.

Eine entscheidende Bedeutung bei der Reduzierung von Gewebsverletzungen durch den Implantationsvorgang kommt dabei dem Design der Elektrodenspitze zu.

Während die bei Einführung von neuroelektrischen Schnittstellen in das Zielgewebe direkt getroffene Neuronen und Kapillaren zwangsläufig verletzt werden, soll durch eine entsprechende Spitzenform eine Ausweitung der Schädigung in das angrenzende Gewebe verhindert werden. Dies wird am besten dann erreicht, wenn während der Penetration das Hirngewebe mit den Neuronen und Kapillaren sauber geschnitten wird, ohne dass auf das angrenzende Gewebe Zug oder Kompression ausgeübt wird. Dadurch kann ein Zerreißen von Neuronen, Glia, Fasern und Blutgefäßen, welches auch zu einer sekundären Schädigung benachbarter Strukturen führen würde, weitgehend vermieden werden.

Im Rahmen einer tierexperimentellen Versuchsreihe entwickelte die Forschungsgruppe um David Edell eine Spitzenform als optimales Design, um bei der Insertion Zug und Kompression des Gewebes weitgehend zu vermeiden[56]. Da das von Edell et al. favorisierte Design der Schwert-Spitze in ihrer Herstellung nur sehr schwer zu realisieren war, entschied man sich die technisch leichter zu realisierende Meißel-Spitze zu verwenden (vgl. Abb. 8).

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Insertionsgeschwindigkeit sowie die Art der Einführung von penetrierendem Fremdmaterial in das neuronale Zielgewebe.

Die Arbeitsgruppe um Nicolelis beispielsweise führte die hohe Rate an funktionsfähigen Elektroden des UEA auf dessen gleichmäßig langsames Einführen mit einer Geschwindigkeit von 100 µm/s in das Nervengewebe zurück[55]. Die Theorie, die dieser Annahme zugrunde liegt, besagt, dass das Zielgewebe durch langsame Insertion besser in der Lage sei, sich dem mechanischen Trauma anzupassen. Allerdings berichten Gruppen, die dieser Annahme ebenfalls gefolgt waren, von erheblichen Gewebsschäden infolge langsamer Implantation[56].

Demgegenüber steht die Strategie einer raschen Einführung von penetrierendem Fremdmaterial. Diese geht davon aus, dass die Kraft der zügigen Insertion das betroffene Gewebe zwar schneiden würde, dieses aber keinen Einfluss auf umliegendes Gewebe hätte[49]. So stellten andere Forschungsgruppen, die auch das UEA verwendeten, fest, dass durch eine hohe Insertionsgeschwindigkeit (8,3 m/s) keine signifikanten Gewebsschäden an der kortikalen Oberfläche zu verzeichnen waren[49, 64, 86]. Andere Gruppen wie die um Turner und Szarowski verwenden Insertionsgeschwindigkeiten zwischen diesen beiden Extremen (2 mm/s) und fanden ebenfalls keine insertionsbedingten Schäden am Zielgewebe vor[60, 62].

Die Art der Einführung von penetrierendem Fremdmaterial in das neuronale Zielgewebe erfolgt ebenfalls nicht nach einer einheitlichen Methodik. Einige Gruppen führen Elektroden mit der Hand ein[52-54, 62, 87]

, während andere Gruppen so genannte

„Microdrives“ – mechanische Vorrichtungen mit gleichmäßigem Vorschub - nutzen, um eine möglichst schonende Insertion zu gewährleisten[55, 58, 62, 64]

.

Edell et al. (1992) sowie Kewley et al. (1997) sahen in der senkrechten Implantation eine wesentliche Grundvoraussetzung für die Funktionsfähigkeit von neuroelektrischen Schnittstellen. In diesem Zusammenhang berechnete Edell, dass ein insertionsbedingter Versatz um nur 1 Grad bei einer 1 mm tiefen Implantation des Elektrodenträgers zu einer Abweichung von 17 µm im Zielgewebe führt[56].

2.2.1.8 Initiale Gewebsreaktion

Die initialen Auswirkungen des Insertionsvorgangs haben insgesamt nur wenige Studien histologisch untersucht. Das mechanische Trauma initiiert eine frühe

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Kapitel 2 Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem

18 Wundheilungsreaktion des ZNS, ein biologischer Mechanismus, der Ähnlichkeiten mit der Wundheilung anderer Gewebe aufweist[86].

Bereits einen Tag nach Insertion erscheinen aktivierte, proliferierende Mikroglia um das Implantat herum[62, 77, 82, 88-92]

. Ein perifokales Ödem sowie Erythrozyten verbleiben auch 4 Tage nach Implantation der neuroelektrischen Schnittstelle, obwohl immer mehr Flüssigkeit und Zelltrümmer infolge der Aktivierung von Mikroglia allmählich lysiert und phagozytiert werden[82, 87]. Erythrozyten-Abbauprodukte sowie Nekrosen konnten sogar 6 Wochen nach Insertion nachgewiesen werden[60, 82, 87]

. Typische entzündliche Zellen oder Blutungen fanden sich in histologischen Untersuchungen zu späteren Zeitpunkten nicht mehr[52]. Lediglich einige Makrophagen konnten noch 16 Wochen nach Implantation um die Stichkanäle diagnostiziert werden[60, 62, 87, 93]

.

Wurden in tierexperimentellen Studien penetrierende Elektrodenträger kurzzeitig inseriert und sogleich explantiert, konnten nach mehreren Monaten nicht einmal mehr Stichkanäle nachgewiesen werden, was als ein Beleg für die Reversibilität dieser mechanisch induzierten Schädigungen betrachtet wird[45, 52, 58, 82, 93, 94]. Folglich sollte die anhaltende Präsenz von neuroelektrischen Schnittstellen im ZNS eine erweiterte Gewebsreaktion nach sich ziehen.

2.2.1.9 Chronische Implantation

Die Gewebsreaktion auf chronisch implantierte Materialien im ZNS würde weniger ein Problem darstellen, wenn sich die oben beschriebenen, initialen zellulären Prozesse nach einigen Wochen – analog bei erlittenen Stichwunden – rückläufig darstellen würden. Histologisch ist jedoch festzustellen, dass nach Abklingen dieser ersten Reaktion auf implantierte Elektrodenträger eine chronische Fremdkörperreaktion, auch als “foreign body reaction” bezeichnet, zu beobachten ist.

Es gibt unterschiedliche Zellpopulationen, die an der chronischen Gewebsreaktion im ZNS beteiligt sind. Neben den Neuronen, die weniger als 25 % der Zellen im Gehirn ausmachen[95], besteht das ZNS vornehmlich aus Gliazellen (Oligodendrozyten, Astrozyten und Mikroglia) und gefäßassoziiertem Gewebe.

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Kapitel 2 Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem

22 Gliose führen, bei stimulierten Form, Frequenz und Stärke der einlaufenden elektrischen Reize.

Mehrere Forschungsgruppen haben sich mit der von Edell et al. beschriebenen “kill zone” beschäftigt. Die Angaben über das Ausmaß dieser Region variieren zwischen 1 µm und mehr als 100 µm[60, 87, 116]

.

Änderungen der Neuronendichte um Bioimplantate werden auch durch Hydratation und Ödembildung verursacht. Druckänderungen im Gewebe konzentrieren sich an den Elektrodenspitzen. Gewebepulsationen (z.B. Atmung, Blutdruck) führen zu einer Zerstörung an die Elektrode angrenzender Neurone. Diese Zellen werden abgebaut und durch Glia ersetzt. Dadurch wächst die Distanz zwischen Elektrodenspitze und stimulierbarem Gewebe[51, 82, 92]. Normale Neurone finden sich nach Stimulation im Bereich der Elektrodenspitze weiter entfernt als im Bereich des Schaftes[56].

Die Arbeitsgruppe um Roy Biran kam mit chronischen Insertionsversuchen zu dem Ergebnis, dass dieser Zellverlust letztlich in direkter Verbindung mit der oben beschriebenen Fremdkörperreaktion zu sehen ist[93].

2.2.2 Gewebeverträglichkeit der elektrischen Stimulation

2.2.2.1 Reversible Ladungstransferlimits

Durch die elektrische Stimulation des Zentralnervensystems mittels biokompatibler Stimulationselektroden fließt Ladung in das biologische Zielgewebe. Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung sprechen dafür, dass dabei für verschiedene Elektrodenträgermaterialien unterschiedliche Grenzwerte für jene Ladung existieren, die reversibel in das Gewebe eingebracht werden kann. In diesem Zusammenhang stellt die Reversibilität alle chemischen Prozesse dar, die während einer Stimulationsphase ablaufen und durch eine Phase entgegen gesetzter Polarität wieder aufgehoben werden.

Neben dem Material hängen diese so genannten reversiblen Ladungstransferlimits (RLTL; engl.: „reversible charge injection limit“) maßgeblich von der Größe und der Form des Elektrodenträgers im Zentralnervensystem ab.

Ferner nehmen die Zusammensetzung des umgebenden Mediums als auch die bei

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elektrischer Stimulation verwendeten Parameter einen direkten Einfluss auf die Höhe dieses Grenzwerts[21].

Bezogen auf die effektive oder geometrische Fläche des Elektrodenträgers erfolgt die Angabe als Ladungsdichte pro Phase (µC/cm2/Phase). Brummer und Turner (1997) beispielsweise ermittelten bei einer Pulsdauer von >600 µs ein reversibles Ladungstransferlimit von 300 ± 20 µC/cm2 für eine anodennahe sowie 350 ± 50 µC/cm2 für eine kathodennahe Stimulation mit Platinelektroden[117].

Kommt es zu einer Überschreitung dieser zulässigen Grenzwerte ist mit einer Schädigung des biologischen Zielgewebes oder der Stimulationselektrode zu rechnen[21]. wobei werden, die im nächsten Kapitel behandelt werden.

2.2.2.2 Mechanismen der Gewebeschädigung

In der Wissenschaft werden zwei mögliche Mechanismen der Gewebeschädigung in Betracht gezogen. Bei der Massenaktionstheorie („mass action theory“) wird von der Annahme ausgegangen, dass eine massive Aktivierung von Neuronenpopulationen durch intrinsische biologische Prozesse Gewebeschäden verursacht. Aus der elektrisch über eine längere Zeitspanne induzierten Hyperaktivität vieler Neuronen würden dieser Hypothese nach durch Sauerstoff- bzw.

Glucosemangel oder Änderungen der intra- sowie extrazellulären Ionenkonzentrationen (z. B. einem Anstieg der extrazellulären Kaliumkonzentration) – ähnlich wie bei prolongierten zerebralen Krampfanfällen - Gewebeläsionen entstehen. So kann infolge einer Überstimulation von erregenden Neuronen eine übermäßige Freisetzung von Neurotransmittern wie Glutamat zu einer so genannten Exzitotoxizität führen, wodurch das umgebende Nervengewebe geschädigt werden kann. Gemäß der Massenaktionstheorie gilt: Je mehr Neurone massenaktiviert und überstimuliert werden, desto größer ist der resultierende Gesamtschaden des Gewebes.

Der zweite Mechanismus der Gewebeschädigung berücksichtigt die Annahme, dass im Rahmen elektrochemischer Prozesse bei Stimulation eine Anhäufung toxischer Redoxprodukte an der Elektrodenoberfläche entsteht. Übersteigt diese das physiologisch tolerierbare Maß, treten auch hier Schäden im Bereich des Zielorgans auf.

(30)

Kapitel 2 Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem

24 Zusätzlich störend für die Effektivität einer neuroelektrischen Schnittstelle sind die ebenfalls durch elektrochemische Vorgänge an der Elektrode ausgelösten Veränderungen in Form von Korrosion. Ein Beispiel für eine solche Reaktion stellt die Korrosion von Platin in einem chloridhaltigen Medium wie der extrazellulären Flüssigkeit dar (vgl. Abb. 13).

Pt + 4Cl- => [PtCl4]2- + 2e-

Abb. 13 Elektrochemische Reaktion der Korrosion

Redoxreaktion der Korrosion von Platin in einem chloridhaltigen Medium[96].

Die elektrochemische Reaktion der Korrosion stellt dabei einen irreversiblen Prozess dar. Die entstehenden Produkte können entweder gelöst ins umgebende Gewebe gehen (und hier ebenfalls eine Reaktion hervorrufen) oder durch Bildung einer festen Oxidschicht auf der Elektrode eine Veränderung der Stimulationsoberfläche bewirken, die zu einer messbaren Beeinträchtigung der Funktion des Elektrodenträgers führen kann.

In einer tierexperimentellen Studie mit identischen Stimulationsparametern jedoch unterschiedlichen Elektrodenträgermaterialien (Platin vs. Tantalpentoxid) stellte die Arbeitsgruppe um Douglas McCreery (1988) fest, dass der elektrisch induzierte Gewebeschaden am Kortex der Katze sich über die unterschiedlichen Materialien statistisch nicht signifikant unterschied[115]. McCreery et al. folgerten daraus, dass das Auftreten neuronaler Schädigung durch die Stimulation weniger von den elektrochemischen Reaktionsprodukten, die sich am Elektrolyt-Gewebe-Übergang anhäufen[21], als vielmehr von jenen Prozessen, die im Zusammenhang mit dem Fluss des Stimulationsstroms durch das Gewebe entstehen, zu begründen sei. Die Forschungsgruppe um Agnew kam zu ähnlichen Ergebnissen[27, 118]. In Studien zur elektrischen Stimulation am Kortex der Katze beschrieb sie einen histologisch gesicherten morphologischen Schaden durch intrakortikale Stimulation mit zwei von elf eingebrachten Mikroelektroden. Allerdings setzten sie diesen Gewebeschaden im Gegensatz zu McCreery zusätzlich noch zu toxischen Redoxprodukten von Platin und Iridium in Beziehung, da sie bei der Stimulation mit reinen Iridium-Elektroden keine Gewebeläsion nachweisen konnten.

(31)

2.2.2.3 Betrachtung von Schädigungsschwellen

In weiterführenden Studien stellte die Arbeitsgruppe um McCreery 1990 fest, dass bei konstanter Reizfrequenz (50 Hz) und Dauer der Stimulation (7 Stunden) mit Oberflächen- und Tiefenelektroden am Kortex der Katze die Ladungsdichte (charge density) sowie die Gesamtladung pro Phase (charge per phase) die entscheidenden Determinanten für die Schädigung von neuronalem Gewebe sind[28]. Im Hinblick auf die „mass action theory“ bestimmt die Ladung pro Phase das Gesamtvolumen innerhalb welcher Neuronen angeregt werden und die Ladungsdichte den Anteil der aktivierten Neuronen in unmittelbarer Nähe zum Elektrodenträger.

Die Daten von McCreery et al. zeigten, dass sobald sich die Gesamtladung pro Phase erhöhte, die Ladungsdichte für eine sichere und somit gewebsverträgliche Stimulation sank. Ist die Gesamtladung pro Phase – wie bei einer penetrierenden Mirkoelektrode – klein, kann folglich eine relativ große Ladungsdichte für eine sichere Stimulation verwendet werden.

Shannon et al. gelang es, die von McCreery ermittelten Daten aufzubereiten und einen mathematischen Ausdruck für die Schädigungsschwelle im Zentralnervensystem zu entwickeln[119]. Dabei wird diese durch das Verhältnis der Kofaktoren Ladungsdichte und Gesamtladung pro Phase bestimmt (vgl. Abb. 14)[28,

115].

log (Q / A) = k - log (Q)

Abb. 14 Schädigungsschwelle im Zentralnervensystem

Mathematischer Ausdruck der Schädigungsschwelle im ZNS wobei Q die Gesamtladung pro Phase (µC pro Phase), Q / A die Ladungsdichte pro Phase (µC/cm2 pro Phase) darstellen.

Unterschiedliche Forschungsgruppen[28, 32, 120, 121] wiesen bei der Stimulation mit elektrischen Schnittstellen im Zentralnervensystem nach, dass sich histologische Schädigungen in einem Bereich fanden, bei dem der Parameter k stets größer als 2 war[115] (vgl. Abb. 15).

(32)
(33)

Abb. 16 SIDNE in Abhängigkeit von der Stimulationsrate und dem Stimulationszyklus Graphische Darstellung der Abhängigkeit von SIDNE von der Rate und dem Zyklus einer siebenstündigen Stimulation[31]. Unter SIDNE wird ein höherer Stimulationsstrom benötigt, um Potenzialänderungen elektrisch evozieren zu können.

Obwohl SIDNE nach mehreren Tagen reversibel ist und ohne histologisch nachweisbare Gewebeschädigung auftritt, ist sie bei der Gestaltung von elektrischen Schnittstellen im Zentralnervensystem zu berücksichtigen. Um Potenzialänderungen elektrisch evozieren zu können, wird unter SIDNE ein höherer Stimulationsstrom notwendig. Im Rahmen einer chronisch hochfrequenten Stimulation würde dies eine kontinuierliche Erhöhung der Gesamtladung erfordern – mit entsprechenden Folgen für die Biokompatibilität der Stimulation.

In einer experimentellen Machbarkeitsstudie zur Entwicklung von humanen Gehörprothesen führte die Gruppe um McCreery aktivierte Iridiumelektroden in den Nucleus cochlearis ventralis (NCV) der Katze ein. Im Rahmen der mehrtägigen Untersuchung der neuronalen Erregbarkeit – hierzu wurden die Potenzialschwankungen des Colliculus inferior als Antwort auf den auslösenden elektrischen Reiz im NCV herangezogen – stellten McCreery et al. fest, dass sich in Intervallen während der Dauerstimulation auch eine vorübergehende Refraktärität der neuronalen Erregbarkeit (SANR, short-acting neuronal refractivity) nachweisen ließ, die kürzer anhält, als die oben beschriebene SIDNE. SANR wurde bisher in ihrem zeitlichen Ausmaß noch nicht ausreichend charakterisiert, allerdings zeigte sie in dieser Versuchsanordnung – wie SIDNE – eine Proportionalität zur Stimulationsrate und –zyklus der elektrischen Stimulation[122].

(34)

Kapitel 2 Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem

28 2.2.2.5 Histologische Beurteilung

In der aktuellen Literatur existiert bislang kein einheitlicher Standard, um das Ausmaß der durch elektrische Stimulation des ZNS resultierenden Gewebereaktion zu beurteilen.

Aufgrund erheblicher Unterschiede in den Versuchsanordnungen der einzelnen Forschungsgruppen in Bezug auf die biologischen (zugrundeliegendes Tiermodell) und physikalischen Variablen (verwendete Elektroden, Handhabung, Implantation, Fixierung sowie Stimulationsparameter) ist eine Vergleichbarkeit der erzielten Ergebnisse nur eingeschränkt möglich[32, 43, 56, 86, 123]

.

Ferner sind viele der Experimente nicht innerhalb kontrollierter Studien und oft unter Verwendung einer zu geringen Anzahl von Tieren durchgeführt worden.

Aussagekraft und Evidenzgrad solcher Untersuchungen sind daher eingeschränkt [56,

63, 124]

.

Alle bisher vorliegenden histologischen Bewertungsschemata sind ursprünglich mithilfe großflächiger, inaktiver Oberflächenelektroden erstellt worden[32]. Weiterführende tierexperimentelle Studien unterschiedlicher Arbeitsgruppen passten dann diese so genannten „Damage Scores“ für penetrierende neuroelektrische Schnittstellen an[43, 56, 86, 125-127]

.

Die Arbeitsgruppe um David Edell beispielsweise führte die Dichte von Neuronen im Zielgewebe als sensibelste morphologische Veränderung für die chronische Funktionsfähigkeit von inaktiven neuroelektrischen Schnittstellen auf. In diesem Zusammenhang führte sie den Begriff einer sogenannten „kill zone“ ein, in der die Neuronendichte auf dem statistischen 10 % Niveau signifikant niedriger als in der Region um die Schnittstelle zu erwarten war (vgl. Kap. 2.2.1.9)[56, 93, 114].

Analog der Gewebsreaktion auf chronisch inaktive Implantate konnten bei aktivierten bzw. elektrisch das umgebende Zielgewebe stimulierenden Mikroelektroden ebenfalls histologische Veränderungen festgestellt werden. In den in der aktuellen Forschung vorliegenden tierexperimentellen Stimulationsstudien fanden sich neben einer Astrozyten- und Gliafaserproliferation sowohl eine deutliche neuronale als auch eine interstitielle Reaktion als Antwort auf die elektrische Stimulation des Zielgewebes[10, 97, 114]

. In unmittelbarer Nähe der aktiven Schnittstellen fielen Neurone durch eine generelle Schwellung und durch eine Hyperchromasie, einhergehend mit

(35)

einer Schrumpfung ihres Zellleibs, auf. Im umgebenden Interstitium kam es zu einer ödematösen Anschwellung mit hyperplastischen Gefäßen, gesteigerter Gefäßpermeabilität mit Hämorrhagien unterschiedlichen Ausmaßes sowie einer Einwanderung von Plasmazellen, Fibroblasten, Makrophagen und einer großen Anzahl von Lympho- und Granulozyten.

Um Schädigungsmuster in Kaninchenhirnen durch chronisch implantierte inaktive Kunststoffelektroden klassifizieren zu können, führte die Arbeitsgruppe um Stensaas und Stensaas 1976 eine histologische Typeinteilung der Gewebsreaktion ein[87]. Sie unterschieden dabei drei Typen von penetrierten Zielgeweben:

Typ 1 war durch eine fehlende Schädigung, allenfalls eine dezente Gliose charakterisiert.

Typ 2 fiel durch eine reaktive astrozytäre Zone um das Implantat auf

und

Typ 3 wies eine kompakte Bindegewebsschicht zwischen der reaktiven astrozytären Zone und dem Implantat auf, wobei eine Verdrängung von Neuronen um mehr als 100 µm von der Schnittstelle erkennbar war.

Aufbauend auf dieser Typisierung nahm das Forschungsteam vom Huntington Medical Research Institute 1998 eine dreiteilige Gradeinteilung der Gewebsreaktion vor[123]. Agnew und McCreery integrierten hierbei auch die von ihnen beschriebenen funktionellen Veränderungen durch aktive chronisch implantierte neuroelektrische Schnittstellen im ZNS wie SIDNE bzw. SANR:

Grad 1 ist durch eine (vorübergehende) Depression der neuronalen Erregbarkeit (SIDNE, SANR) ohne histologisch nachweisbare Gewebeschädigung gekennzeichnet,

Grad 2 ist durch histologische Veränderungen charakterisiert, die nicht zwangsläufig auf eine neuronale Schädigung hinweisen (z.B. Einwanderung von Lymphozyten in das Zielgewebe um die elektrische Schnittstelle)

und

Grad 3 weißt hingegen histologische Veränderungen auf, die eindeutig als Schädigungsreaktion des Zielgewebes zu deuten sind und darüber hinaus einen Schwellenanstieg für elektrisch evozierte Potenziale zur Folge haben.

(36)

Kapitel 2 Elektrische Schnittstellen im Zentralnervensystem

30 Anhand dieser Klassifikation der Schädigungsmuster können repräsentative Studien zur Gewebsverträglichkeit der elektrischen Stimulation mit penetrierenden Mikroelektroden unterschieden werden (vgl. Tab. 1).

Arbeitsgruppe Stimulations-ort / Spezies

Stimulations- parameter

Stimulations- Elektroden

Stimulations-

Intensität Schädigung(3)

Agnew[27] Kortex (Katze)

200µs, 20Hz,

161h

Pt-Ir (70/30):

20⋅10-6cm2(1) 800µC/cm2 (16nC)

keine hist.

Schädigung(2) aktiviertes Ir:

20⋅10-6cm2

keine hist.

Schädigung

Niparko[126] NCV (Meerschwein)

200µs pos, 350µs neg,

20h

Pt-Ir (90/10):

50⋅10-6cm2

400µC/cm2

(20nC) Grad 2

Ir: 3⋅10-6cm2 800µC/cm2

(40nC) Grad 3

McCreery[28] Kortex (Katze)

400µs, 50Hz,

7h

Ir: 65⋅10-6cm2 1600µC/cm2 (0.1µC)

keine hist.

Schädigung

McCreery[34] NCV (Katze)

150µs, 200Hz, 4h

aktiviertes Ir: 1 – 5⋅10-6cm2

720 – 3600

µC/cm2 (3.6nC) Grad 1

McCreery[30] NCV (Katze)

50,75 und 150µs, 500Hz,

35h

aktiviertes Ir: 2, 5 und 20⋅10-6cm2

250 - 2250 µC/cm2

(3nC)

keine Schädigung

(1) geometrische Oberfläche (2) auftretende Erosion der Kontakte

(3) Klassifikation nach Huntington Medical Research Institute (2)

Tab. 1 Gewebsverträglichkeit der elektrischen Stimulation

Modifizierte tabellarische Darstellung von repräsentativen Studien zur Gewebsverträglichkeit der elektrischen Stimulation mittels penetrierenden Mikroelektroden im ZNS[20].

(37)

3 Fragestellung und Zielsetzung

Eine effektive Stimulation mittels neuroelektrischer Schnittstellen ist nur dann durchführbar, wenn die anatomische Zielstruktur durch Elektroden und elektrische Reizung möglichst wenig beeinträchtigt wird. Um dieses Prinzip umzusetzen, müssen zwei grundsätzliche Fragekomplexe beantwortet werden:

Welche Elektrodenmaterialien bzw. -designs sind am besten für eine chronische Implantation geeignet? (Biokompatibilität der elektrischen Schnittstelle) und Bis zu welchen Grenzen ist die elektrische Reizung im ZNS biologisch unbedenklich? (Biokompatibilität der elektrischen Stimulation).

Daraus ergab sich für die vorliegende Arbeit eine doppelt gestaffelte Zielsetzung.

A. Untersuchung der Gewebeverträglichkeit von nicht-stimulierten Elektrodenträgern und Elektrodenkontakten im parietalen Kortex.

In dieser ersten Versuchsphase sollten nach Entwicklung eines den anatomischen Gegebenheiten der Ratte angepassten Elektrodendesigns sowohl die Gewebeverträglichkeit während des Implantationsvorgangs als auch die histologischen Veränderungen nach chronischer Implantation analysiert werden (Kontrollgruppe / Versuchsgruppe I).

B. Bestimmung von Schwellenwerten für die reversible und irreversible histologische Schädigung von Neuronen, Glia und Interstitium durch elektrische Stimulation.

Zur Klassifizierung der Gewebeschädigungen und zur Ermittlung der Schädigungsschwelle als Reaktion auf die elektrische Tiefenstimulation im parietalen Kortex erfolgte in einer zweiten Versuchsphase bei jeweils 12 bzw. 11 Tieren eine 6- stündige Dauerstimulation mit unterschiedlichen Stimulationsparametern (Elektrodenträger mit maximaler bzw. halbmaximaler Reizstärke / Versuchsgruppen II bzw. III).

Beantwortet werden sollten damit folgende Fragen:

1. Entsteht durch Implantation der Elektroden und/oder durch das Verweilen der Elektrode im parietalen Cortex der Ratte ein Gewebeschaden?

(38)

Kapitel 3 Fragestellung und Zielsetzung

32 2. Welche morphologischen Gewebeläsionen treten bei welchen Schwellenwerten der elektrischen Stimulation mit diesen Elektroden auf?

(39)
(40)

Kapitel 4 Material und Methoden

34 Der in die Elektrodenträger eingearbeitete Platin-Iridium-Draht hat einen Durchmesser von 76,2 µm (vgl. Abb. 18). Der Draht wurde in der gewünschten Tiefe der Stimulationskontakte (2 mm) rechtwinklig nach außen gebogen und abgeschert (vgl. Abb. 18).

Abb. 18 Nadelelektrode mit eingelegtem Platin-Iridium-Draht (7-fache Vergrößerung) Der Elektrodenkontakt kann bei diesem Design prinzipiell an jeder beliebigen Stelle aus dem Elektrodenträger herausgeführt werden. Für diese Studie erfolgte die Ausleitung nicht an der Spitze, sondern im Winkel von 90 Grad 2 cm vom Elektrodensockel entfernt.

Die kreisförmige Kontaktfläche an der Seite des Elektrodenschafts ergab eine geometrische Oberfläche des Stimulationskontakts Ageom von 4560 µm2 bzw. 4,56⋅10-5 cm2. Die effektive Oberfläche Aeff des Kontaktes – also die elektrochemisch aktive Fläche – wurde nach der Methode von Brummer[117, 128]

bei einer Messfrequenz von 25 Hz und einem Strom von 100 µA mit 140⋅10-5 cm2 bzw.

0,14 mm2 bestimmt. Der Unterschied zwischen der geometrischen und der effektiven Fläche ergibt sich aus der natürlichen Rauhigkeit des Materials und aus einer zusätzlichen Oberflächenveränderung durch den Herstellungsprozess der Elektrodennadeln.

An das überstehende Ende des im Elektrodenschaft eingelegten Platin-Iridium- Drahts wurde ein 25 µm starker, zugelastisch gewendelter 90/10 Platin-Iridium-Draht in der Mitte angeschweißt. Da zu Beginn der Versuchsreihe vereinzelt Drahtbrüche auftraten, wurde zur Sicherheit die Zuleitung doppelt geführt (vgl. Abb. 19).

(41)
(42)

Kapitel 4 Material und Methoden

36 die Messung in einer Elliot’s B Lösung (7,30 g/l NaCl, 1,90 g/l NaHCO3, 0,229 g/l Na2SO4, 0,2 g/l NaH2PO4 ⋅ 7H2O) durchgeführt.

Abb. 21 Elektrodenimpedanz in Abhängigkeit von der Frequenz

Beispiel einer Insertionselektrode mit einer geometrischen Oberfläche von 4,4*10-5 cm2.

Nachträglich wurde der Epoxydharz-Stecker der Zuleitung mit einer angepassten Silikonkappe bestückt, so dass während der mehrwöchigen Implantation im Subkutangewebe Verwachsungen und Korrosion der Steckkontakte weitgehend vermieden werden konnten.

4.1.2 Verbiege- und Insertionskraft

Zur Prüfung auf Bruchfestigkeit und Elastizität der Elektroden wurden umfangreiche Belastungs- und Insertionstests durchgeführt. Bei keinem der durchgeführten Tests trat ein Bruch der Nadel auf, auch nicht bei stärkerer Biegebelastung während der Insertion. Die mittlere maximale Verbiegekraft bei Druck der vollständigen Elektroden gegen Metall lag im Bereich zwischen 1.34 N (Epo-Tek 353ND + Pt-Ir-Draht) und 1.51 N (Hysol® EE0079 / HD0070 + Pt-Ir-Draht). Die mittlere, maximale Insertionskraft (Insertion in einer reifen Avocado als Hirngewebeäquivalent[129] mit einer Insertionsgeschwindigkeit von 0.5 mm/s über 2 mm) unterschritt diesen Wert mit 0.05 N (< 1/30 der Verbiegekraft) deutlich[20].

4.1.3 Verwendete Materialien

Die bei Herstellung des Elektrodendesigns verwendeten Materialien wie Polyester- Netze, Silikon oder Platin-Iridium-Drähte, haben bei vorangegangenen

(43)

Versuchreihen unterschiedlicher Forschungsgruppen eine sehr gute Gewebeverträglichkeit gezeigt[26, 27, 29, 43, 126, 127, 130]

. Als neuartige Trägermaterialien für den Stimulationskontakt kamen bei der Entwicklung dieser neuroelektrischen Schnittstelle die Epoxyd-Harze Hysol® EE0079 / HD0070 und Epo-Tek 353ND zur Anwendung.

Hysol® EE0079 / HD0070

Zweikomponentiges (4:1), ungefülltes Epoxyd-Harz, das bereits zur Verkapselung von Herzschrittmachern erfolgreich erprobt wurde.

Epo-Tek 353ND

Ebenfalls zweikomponentiges (10:1), ungefülltes Epoxyd-Harz, welches bereits nach USP-Klasse IV zertifiziert ist[23].

4.2 Versuchstiere und Gruppeneinteilung

Sämtliche Experimente wurden im Rahmen eines durch die Bezirksregierung Hannover genehmigten Tierversuchsvorhabens durchgeführt (Genehmigungsbescheid 509.6-42502/7 vom 19.06.2000).

Als Versuchstiere dienten zwei Monate alte, männliche Wistar-Ratten, mit einem mittleren Gewicht von 200 g (± 50). Die Implantation der Elektroden wurde im rechten parietalen Kortex durchgeführt. Die elektrische Stimulation erfolgte frühestens acht Wochen nach operativer Implantation der Elektroden.

Zur Analyse der auftretenden Läsionen wurde eine Versuchsgruppeneinteilung vorgenommen. Dabei galt es zum einen Läsionen, die durch das Elektrodenmaterial selbst und durch den Implantationsvorgang hervorgerufen wurden, von solchen zu trennen, die durch die elektrische Stimulation bedingt waren. Zum anderen war das Ausmaß der Schädigung bei unterschiedlichen Reizstärken zu bestimmen.

Um die morphologische Schädigungsschwelle eingrenzen zu können, wurde eine systematische Untersuchung an zwei Gruppen mit Reizstärken im Sättigungsbereich des Implantats von 300 µA („maximaler“ Stimulationsstrom) und 150 µA („halbmaximaler“ Stimulationsstrom) vorgenommen.

Insgesamt konnten 38 Versuchstiere der histologischen Auswertung zugeführt werden. Dabei entfielen 15 Tiere auf die Gruppe der nicht stimulierten

(44)

Kapitel 4 Material und Methoden

38 Elektrodenträger (Gruppe I / Kontrollgruppe) und 11 bzw. 12 Tiere wurden den Gruppen mit Elektrodenträger der halbmaximalen bzw. maximalen Reizstärke (Gruppe II bzw. III) zugeordnet (vgl. Tab. 2).

Versuchsgruppen

Gruppe I Nicht stimulierte Elektrodenträger (Kontrollgruppe)

Gruppe II Elektrodenträger mit

halbmaximaler Reizstärke

Gruppe III Elektrodenträger mit

maximaler Reizstärke

Anzahl der Tiere [n] 15 12 11

Dauer der

Implantation 8 Wochen 8 Wochen 8 Wochen

Stimulationsstrom

[µA] - 150 300

Tab. 2 Versuchsgruppeneinteilung

Tabellarische Übersicht der Versuchsgruppen mit den für die Einteilung beschriebenen Hauptkriterien.

4.3 Chirurgische Vorgehensweise

4.3.1 Perioperatives Management

Präoperativ wurden die Tiere durch eine intramuskuläre oder intraperitoneale Injektion von Ketamin (80 mg/kg pro KG) und Xylazin (14 mg/kg pro KG) in Narkose versetzt. Nach Erreichen einer ausreichenden Narkosetiefe, welche durch Überprüfung des Zehen- und Kornealreflexes abgeschätzt wurde, erfolgte eine großflächige Rasur des Operationsfeldes. Mit Hilfe einer stereotaktischen Halterung („Stereotakter“, Firma Stoelting, USA), bestehend aus stumpfen Metallstiften für die beiden äußeren Gehörgänge und einer Oberkieferunterstützung, konnte eine sichere Fixierung des Schädels gewährleistet werden. Während des operativen Eingriffs wurde durch Ketamin intraperitoneal (i.p.) im Bolus die benötigte Narkosetiefe sichergestellt. Über eine Rektalsonde konnte eine kontinuierliche Messung der Körpertemperatur gewährleistet werden. Zum Schutz vor Austrocknung und Cornealulzera erfolgte ferner die Applikation von Augensalbe.

4.3.2 Implantation

Nach der Positionierung der Tiere im Stereotakter und der Kontrolle ihrer Vitalparameter erfolgte über der Sagittalnaht eine gerade, in Längsrichtung verlaufende 3 cm lange Hautinzision. Der Schnitt wurde dabei bis auf das Periost vertieft, welches über der Parietalregion beiderseits nach lateral abgeschoben wurde.

(45)
(46)

Kapitel 4 Material und Methoden

40 Nach der bei einer Frequenz von 10 kHz durchgeführten Impedanzmessung wurde die Wunde mit Einzelknopfnähten verschlossen. Eine erneute, postoperative Impedanzmessung erfolgte acht Wochen nach Implantation der Elektroden.

4.3.3 Perfusion und Explantation

Bei den 15 Tieren der Versuchsgruppe I (Kontrollgruppe) erfolgte acht Wochen nach Implantation die intravitale Perfusion und Organentnahme. Durch diese Vorgehensweise war es möglich, Schädigungsmuster durch die Insertion sowie die Gewebeverträglichkeit der Implantate zu beurteilen.

Die Versuchstiere wurden hierfür mit Ketamin und Xylazin i. m. in einer subletalen Dosis narkotisiert. Die Kutis wurde im Bereich des thorakoabdominalen Übergangs über 3 cm quer inzidiert und die abdominelle Muskulatur etwa 1 cm kaudal des Processus xiphoideus angehoben. Anschließend wurde mit einem Transversalschnitt die Bauchhöhle eröffnet und unter Schonung der abdominellen Organe die Laparotomie nach beiden Seiten erweitert.

Die Thorakotomie erfolgte durch die Spaltung des Processus xiphoideus und des Sternums. Nach Einlage eines Wundspreizers wurde das Herz aufgesucht, im apikalen Drittel erfasst und eine Perfusornadel unter Sicht in den linken Ventrikel des Herzens eingeführt. Die Eröffnung des Blutkreislaufs erfolgte schließlich durch die Durchtrennung der Vena cava inferior.

Über die liegende, mittels einer Klemme fixierte und abgedichtete Perfusornadel wurden die Tiere mit einer vorbereiteten Perfusionslösung (250 ml NaCl 0,9 %, 5.000 IE Heparin, 1 ml Mepivacain 2 %) mit einem Druck zwischen 120 und 150 mmHg perfundiert. Während Heparin die Blutgerinnung hemmt, bewirkt Mepivacain eine Vasodilatation und verbessert so die Perfusion. Daran anschließend erfolgte mit dem gleichen Druck die Perfusion mit 4-prozentiger Formalinlösung in Phosphatpuffer (pH 7,3).

Eine gelungene intravitale Perfusion war anhand folgender vier Merkmale erkennbar:

• Abblassung von Leber und Darm,

• Abblassung der Konjunktiven,

• Faszikulation der Muskulatur mit dem Beginn der Perfusion mit Formalin,

• irreversible Kontraktur der Muskulatur nach Abschluss der Perfusion.

(47)

Nach der Perfusion wurden die Haut am Hals kragenförmig abpräpariert, die zervikale Muskulatur und die Weichteile des Halses durchtrennt und der Kopf auf Höhe von HWK 3 mit einer Schere abgesetzt. Das Kopfpräparat wurde mindestens für fünf Tage bei 4 °C fixiert. Durch die primär intrakranielle Fixation des Gehirns konnte das Auftreten von Artefakten aufgrund von Druck auf nicht fixiertes Hirngewebe (erkennbar an dunklen, geschrumpften Neuronen im histologischen Schnitt[131, 132]

) verhindert werden. Ferner konnte durch diese Art der Lagerung des Kopfes die Fixierlösung einen großen Teil des Gewebes durchtränken, wodurch die weitere Präparation erleichtert wurde.

Im Anschluss an die intrakranielle Fixation wurde die Haut vom Nacken aus bis zur Nase in der Mittellinie durchtrennt und stumpf vom Kopf abpräpariert. Nach Abschieben der autochthonen Nackenmuskulatur und der Musculi temporales wurde mit einer kleinen Trennscheibe die Schädeldecke vom Foramen magnum ausgehend zirkulär aufgesägt und mittels einer Knochenzange okzipital abgehoben. Am freigelegten Gehirn wurden rostral die Riechkolben und kaudal das Cerebellum einschließlich des Hirnstamms abgesetzt. Mittels einer Mikroschere wurden die Hirnnerven II und V an der Schädelbasis durchtrennt. Das so mobilisierte und isolierte Gehirn wurde für mindestens 10 Tage in 4-prozentiger Formalinlösung nachfixiert.

4.4 Stimulation

4.4.1 Aufbau

Für die elektrische Reizung mittels neuroelektrischer Schnittstellen wurden Stimulatoren verwendet, wie sie auch bei auditorischen Hirnstamm-Implantaten (Auditory Brainstem Implant; ABI) zum Einsatz kommen.

Grundlegend ist der technische Aufbau des ABI, mit Ausnahme des Designs der aktiven Elektrode (Stimulationselektrode), identisch mit dem des Cochlear Implant.

Die aktive Elektrode wurde in der vorliegenden experimentellen Versuchsreihe den anatomischen Gegebenheiten der Ratte und der chirurgischen Handhabbarkeit angepasst (vgl. Kapitel 4.1 Elektrodendesign).

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