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Die Zukunft im Zentrum!?

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Academic year: 2022

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Bayerisches Ärzteblatt 6/2004 327

Leitartikel

Theorie und Praxis klaffen häufig weit aus- einander, wenn Politiker meinen, ein funktio- nierendes System auf neue Beine stellen zu können. Dies trifft zwar nicht nur, aber doch in besonderem Maße auf unser Gesundheits- system zu. Was hatten die Beteiligten, allen voran Ulla Schmidt und Horst Seehofer, nicht alles versprochen, würde sich durch das GKV- Modernisierungsgesetz ändern: Mehr Mit- sprache, mehr Effizienz, mehr Qualität – so lauteten die Schlagworte. Inzwischen ist vie- lerorts Ernüchterung eingekehrt, wie das Bei- spiel „Medizinische Versorgungszentren“

(MVZ) zeigt. Ich zitiere aus einer Broschüre des Bundesgesundheitsministeriums, die zum Start des neuen Gesetzes herausgegeben wurde:

„In medizinischen Versorgungszentren arbei- ten zukünftig alle an Ihrer Behandlung betei- ligten Ärzte, Therapeuten und andere Heilbe- rufler zusammen. So werden die Medikamente besser abgestimmt, Doppeluntersuchungen werden vermieden. Hier erhalten Sie besonde- re medizinische Versorgungsqualität aus einer Hand. Der Weg zur Gesundheit wird kürzer.“

Meiner Meinung nach muss man nicht eigens Zentren errichten, um die Verschreibung von Arzneimitteln besser zu koordinieren und Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Dafür würde es auch reichen, den Mut aufzubringen und dem Patienten statt seiner scheinbaren Chipkarten-Freiheit einen kompetenten Hausarzt als Partner an die Hand zu geben.

Aber auch ohne diesen Einwand und ganz ob- jektiv betrachtet, haben die MVZ bislang alles andere als eine Erfolgsstory abgeliefert. Rund 20 Anträge auf Errichtung eines solchen MVZ liegen den Zulassungsausschüssen bayernweit bislang vor. Bei rund 21 000 Vertragsärzten nicht gerade eine gigantische Zahl. Bemer- kenswert dabei: Das Kalkül des Ministeriums, man könnte durch die Versorgungszentren den Kliniken ein neues Betätigungsfeld im ambu- lanten Bereich eröffnen, scheint bislang nicht aufzugehen. Nur ein Antrag eines Kranken-

hauses traf bislang in Bayern ein. Auch dies beweist, dass auf dem Weg von der hochgeisti- gen Theorie in die Niederungen der Praxis ei- niges schief gelaufen ist oder zumindest nicht bedacht worden war.

Gründen kann ein MVZ jeder, der am GKV- System teilnimmt. Der viel zitierte Friseur um die Ecke scheidet damit aus, übrig bleiben neben den Vertragsärzten beispielsweise auch Krankenhäuser, ermächtigte Ärzte, Apotheker und Physiotherapeuten. Leistungserbringer in einem MVZ können angestellte Ärzte oder Vertragsärzte sein. Notwendig ist, dass unter diesen eine fachübergreifende Kompetenz vor- handen ist. So ist die Kombination Orthopäde und Chirurg vorstellbar, die Kopplung Ortho- päde und Physiotherapeut hingegen nicht. Es ist ein ärztlicher Leiter zu bestimmen, der im MVZ als Vertragsarzt oder angestellter Arzt tätig ist und die Leistungsbereitschaft des Zentrums sicherstellt. Das MVZ kann natür- lich nicht auf der grünen Wiese errichtet wer- den, sondern ist wie jeder Vertragsarzt an die Zulassungsbeschränkungen gebunden. Nach- dem in Bayern die überwiegende Zahl von Planungsbereichen gesperrt sind, kommen nur drei Alternativen in Frage. Erstens der Zu- sammenschluss bereits zugelassener Vertrags- ärzte, zweitens der Verzicht eines Vertrags- arztes, um in dem MVZ als Angestellter tätig zu werden, und drittens die Übernahme eines frei werdenden Arztsitzes durch das MVZ.

Auch was die Anstellung von Ärzten angeht, so haben die MVZ-Gründer nicht etwa freie Hand: Wegen einer möglichen Interessenkolli- sion ist die Beschäftigung von Ärzten, die zu- gleich im Krankenhaus tätig sind, grundsätz- lich nicht möglich.

All dies zeigt bereits, unter wie engen recht- lichen Rahmenbedingungen ein solches Zen- trum seinen Platz in der ambulanten Versor- gung finden muss. Die größte Hürde ist meiner Ansicht nach allerdings momentan die ungeklärte Abrechnungsproblematik, wo die wesentlichen vertraglichen Grundlagen in EBM, Honorarverteilungsmaßstab, den Bundesmantelverträgen und dem Sozialge- setzbuch noch fehlen. Von der Systematik her treffen zwei Philosophien aufeinander: In Bayern sind wir der Meinung, jeder teilneh- mende Vertragsarzt in einem MVZ sollte eine eigene Abrechnungsnummer und eine eigene

Buchungsmitteilung erhalten, der gemeinsame Honorarbescheid gilt dann für alle Teilnehmer im MVZ. Die Kassenärztliche Bundesverei- nigung verfolgt hingegen ein anderes Kon- zept. Dabei erhält das MVZ eine Abrech- nungsnummer, eine Buchungsmitteilung und einen Honorarbescheid. Jeder Arzt innerhalb des MVZ muss seine Leistungen explizit kennzeichnen. Setzten wir dies so um, würde das bedeuten, dass wir zur Abrechnung der MVZ-Fälle eine komplett neue Infrastruktur schaffen müssten. Wenn es um eine bundesweit einheitliche Lösung der Abrechnungsfragen geht, steht eines aus meiner Sicht fest: Die MVZ dürfen keinen Bonus gegenüber Ge- meinschaftspraxen erhalten. Ansonsten wären gerade größere Praxen auf dem Lande, bei de- nen nicht kurzfristig eine fachübergreifende Erweiterung möglich ist, stark benachteiligt.

Gegenüber einer Gemeinschaftspraxis sind die MVZ sowieso schon im Vorteil durch die größe- ren Werbefreiheiten und den erheblich breite- ren Spielraum bei der Anstellung von Ärzten.

Sicher lesen Sie aus meinen Zeilen Skepsis her- aus. Ich persönlich bin sehr besorgt darüber, dass der freiberuflich tätige Arzt in eigener Praxis offensichtlich von einigen Politikern als Auslaufmodell gesehen wird. Ich befürchte, dass Krankenhäuser versuchen werden, defizitäre Abteilungen auszulagern und als MVZ neu zu etablieren. Ich sehe Versorgungslücken auf- treten, wenn sich innerhalb eines Planungsbe- reichs mehrere Vertragsärzte in einem MVZ zusammenschließen und nicht mehr an ihrem angestammten Praxissitz tätig sind. Und ich befürchte existenzielle Probleme für niederge- lassene Kolleginnen und Kollegen, die freiwil- lig oder aufgrund wirtschaftlichen Drucks auf die Zulassung verzichten zu Gunsten einer Anstellung in einem MVZ. Sie erhalten eine neue Zulassung nämlich nur dann, wenn ein Planungsbereich offen sein sollte oder sie min- destens fünf Jahre lang eine Vollzeittätigkeit in dem MVZ ausgeübt haben. Wer kann denn garantieren, dass ein solches Zentrum auch wirklich wirtschaftlich betrieben werden kann und man nicht nach zwei Jahren auf der Stra- ße steht – ohne Anstellung und ohne Zulas- sung? Mein Fazit: Die MVZ mögen in der Theorie einen gewissen Charme haben, praxistauglich sind sie deshalb aber noch lange nicht.

Die Zukunft im Zentrum!?

Dr. Wolfgang Hoppenthaller, stellv.

Vorsitzender des Vorstands der KVB

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