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Bloß keine Einzelkämpfer mehr

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Bayerisches Ärzteblatt 9/2016

443 Meinungsseite | Varia

In der Gesundheitsbranche kochen viele Akteu- re immer noch größtenteils ihr eigenes Süpp- chen – ob Krankenhäuser, Praxen oder Pfle- gedienste. Gut war das noch nie. Aber in einer Zeit, in der immer mehr Menschen sehr alt wer- den, viele verschiedene Medikamente nehmen und viel Unterstützung brauchen, ist es höchs- te Zeit, dass es sich ändert. Und zwar grund- legend. Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei;

jedem muss inzwischen klar sein, dass Koope- ration die Patientenversorgung verbessert. Das gilt nicht nur für komplizierte Behandlungen und chronisch Kranke, sondern schlicht für alle.

Bisher laufen viele Patienten, gerade die be- tagten, vom Facharzt zum Hausarzt, in die Kli- nik und von dort zu einem anderen Facharzt.

Jedes Mal berichten sie ein kleines bisschen anders von ihren Beschwerden, vergessen, wie ihr Blutdrucksenker heißt oder wann eine bestimmte Untersuchung war. Wenn also die Angaben in den vielen Akten teils widersprüch- lich, teils lückenhaft sind – wie soll dann eine optimale Versorgung gelingen? Ganz abgese- hen davon, dass es für die Ärzte derzeit noch einen erheblichen Aufwand bedeutet, die Diag- nosen ihrer Kollegen einzusehen.

All das muss nicht sein. Und das Erfreuliche ist:

Es gibt Modelle in Deutschland, von denen sich andere etwas abschauen können. Etwa gute Ärztenetze. Das Konzept ist nicht neu; das Pra- xisnetz Nürnberg Nord existiert zum Beispiel seit 1997 und hat inzwischen 186 Mitglieder.

Aber es gibt mehrere Gründe, warum es gerade jetzt einen kräftigen Schub erleben sollte: Ers- tens, weil es immer mehr alte Menschen gibt, die besonders davon profitieren. Die demogra- fische Entwicklung zwingt uns geradezu, unser Gesundheitssystem auf die Bedürfnisse alter Menschen einzustellen – und zugleich dafür zu sorgen, dass es finanzierbar bleibt.

Das wissen, zweitens, auch die Krankenkas- sen: Wenn Mediziner besser zusammenarbei- ten – im besten Fall auch mit Krankenhäusern, Reha-Kliniken, Apotheken und Pflegediensten – ersparen sie ihren Patienten lästige Doppel- untersuchungen, im schlimmsten Fall gefährli- che Wechselwirkungen und vielleicht sogar den einen oder anderen Klinikaufenthalt. Und das wiederum spart den Kassen bares Geld, auf das sie in den kommenden Jahren dringend ange- wiesen sein werden.

Der dritte Grund ist die Digitalisierung. Sie erleichtert den Austausch von Patientenda- ten erheblich. Bis Ende 2018 sollen die Vor- aussetzungen geschaffen sein, um die elek- tronische Gesundheitskarte (eGK) mit einer elektronischen Patientenakte auszustatten, die alles speichern kann von Anamnese bis Be- handlungsdaten – sofern der Besitzer der Karte zustimmt, versteht sich. Das Ärztenetz Rosen- heim ist einer der Vorreiter und hat bereits auf eigene Faust eine solche Akte eingeführt: 40 Praxen haben sich elektronisch vernetzt; jeder Arzt braucht nur einen Mausklick, um alle Be- funde zu sehen, und stimmt sich bei Bedarf mit seinen Kollegen über eine Behandlung ab. Das zeigt allerdings auch: Die elektronische Patien- tenakte allein wird kein Allheilmittel sein. Damit ein System entsteht, das den Patienten wirklich nutzt, braucht es eben regionale Kooperation, sprich: persönlichen Kontakt und Vertrauen zwischen den beteiligten Medizinern.

Es wäre wünschenswert, dass mittelfristig zu- mindest alle Praxen und Kliniken in regionale Netzwerke eingebunden sind. Und dass diese tatsächlich als „Koordinatoren und Mode- ratoren in der regionalen Gesundheits- und Daseinsvorsoge agieren und medizinische und soziale Angebote und Hilfestellungen im Sin- ne der Patienten zusammenführen“. Dieses

Ziel haben kürzlich 18 Mitglieder der Agentur deutscher Arztnetze in einem Positionspapier formuliert.

Nur: Das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Im- merhin bekommen etliche Ärztenetze finanzi- elle Förderung von den Kassenärztlichen Ver- einigungen – die schwarz-gelbe Koalition hatte das damals per Gesetz möglich gemacht. Aber von einer langfristigen Sicherheit kann nicht die Rede sein. Dabei zahlen sich zusätzliche Investitionen der Kassen hier eher früher als später aus. Nicht zuletzt, weil die Netzwerke eine politisch lang ersehnte Möglichkeit eröff- nen könnten, Qualität langfristig anhand des Behandlungserfolgs zu messen – und entspre- chend zu vergüten.

Erst einmal wäre aber schon viel gewonnen, wenn die Ärztenetze als Leistungserbringer anerkannt würden und so zum Beispiel auch Medizinische Versorgungszentren übernehmen dürften. Das käme unterversorgten ländlichen Gebieten und zugleich der jungen Generation der Mediziner entgegen: Sie arbeiten ohnehin lieber im Team, mit halbwegs festen Arbeitszei- ten und mehr Zeit fürs Privatleben. Bei ihnen ist der Wandel hin zu mehr Kooperation längst in vollem Gange.

Anmerkung der Redaktion: Gastkommentare geben die Meinung des Autors und nicht grundsätzlich die Meinung der Redaktion oder der Bayerischen Landesärztekammer wieder.

Autorin

Sarah Benecke, Politikredakteurin der

„Nürnberger Nachrichten“

Bloß keine Einzelkämpfer mehr

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