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Umdenken - Gegenlenken: Verbraucher und Beschäftigte am Finanzmarkt schützen

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Academic year: 2022

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DGB-Bundesvorstand Web: http://www.dgb.de Henriette-Herz-Platz 2 Tel.: 030 / 240 60 - 0

Claus Matecki, Rede

Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes

Umdenken - Gegenlenken:

Verbraucher und Beschäftigte am Finanzmarkt schützen

DGB-Fachtagung in Berlin, 9. September 2009 Es gilt das gesprochene Wort!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Durch die Auswirkungen der Finanzmarktkrise werden zunehmend alle Bereiche der Realwirtschaft beträchtlich beeinflusst. Betroffen sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Verbraucherinnen und Verbraucher. Obwohl sie die Krise nicht zu verantworten haben, spüren sie am deutlichsten die Auswirkungen. Und an den internationalen Finanzmärkten werden schon wieder hoch risikoreiche Anlage- produkte gehandelt. Das Casino hat wieder geöffnet. Die gehandelten hoch risiko- reichen Anlageprodukte bergen wie zuvor ein erhebliches Verlustpotenzial in sich.

Die Krise an den Finanzmärkten hat bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu teilweisen Totalverlusten ihrer Spareinlagen geführt und sie hat deutlich gemacht, dass auch die Beschäftigten im Finanzsektor unter den hohen Vertriebsvorgaben und unter dem hohen Provisionsdruck leiden. Die Beschäftigten in der Finanzmarkt- branche sind in den letzten Jahren weniger Berater und mehr Verkäufer geworden.

Hierbei ist deutlich geworden, dass die Zerrissenheit der Beschäftigten in der Fi- nanzbranche zwischen eigener Einkommensmaximierung und verbraucherorientier- ter und verbrauchergerechter Anlageberatung zu persönlichem Druck und Zielkon- flikten geführt haben.

Die Beschäftigten und die Verbraucher erwarten endlich ein Umdenken im Krisen- management und vor allem zügig umgesetzte konkrete Maßnahmen, damit sich die jetzige Krise nicht wiederholt. Aus Sicht des DGB besteht deshalb erheblicher politi- scher Handlungsbedarf für eine verbraucher- und beschäftigtenfreundliche Regulie- rung der Finanzmärkte.

Mit der heutigen Fachtagung knüpft der DGB an die Debatten zur Regulierung der Finanzmärkte an, die wir auf unserem Kapitalismuskongress am 14./15. Mai dieses Jahres begonnen haben. Wir suchen heute das Gespräch mit Ihnen, mit den

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Verbraucherschützern, mit den Verbandsvertretern und mit Politikern, um Ihnen unsere Vorstellungen für einen besseren Verbraucherschutz an den Finanzmärkten zu präsentieren. Ein besserer Verbraucherschutz an den Finanzmärkten ist Teil von Finanzmarktregulierung. Diese beispiellose Krise hat deutlich gezeigt, dass unregu- lierte Finanzmärkte ganze Volkswirtschaften in den Ruin stürzen können. Und bes- serer Verbraucherschutz an den Finanzmärkten und Schutz der Beschäftigten in der Finanzbranche ist ein wesentlicher Bestandteil von regulierten Finanzmärkten.

Lassen sie mich zu Beginn der Tagung ein paar Eckpunkte nennen, die für uns Ge- werkschaften von zentraler Bedeutung sind, wenn wir über regulierte Finanzmärkte und einen besseren Verbraucherschutz an den Finanzmärkten reden. Verbraucher- freundliche Finanzmärkte sind möglich. Durch diese aktuelle Finanzmarktkrise sind zahlreiche Verbraucher dramatisch geschädigt worden. Nicht nur, aber besonders viele ältere Anleger haben nahezu ihre gesamten Ersparnisse verloren. Die Politik ist deshalb aufgerufen, Reformen der Finanzmärkte im Interesse der Verbraucher auszugestalten. Das überall anzutreffende Ziel hohe Rendite zu erzielen, nach dem Motto „Verkaufen koste es was es wolle“, hat nicht nur Verbraucherinnen und Verbraucher geschädigt, sondern auch die Beschäftigten in den Banken massiv unter Druck gesetzt. Für die Gewerkschaften bedeutet besserer Verbraucherschutz an den Finanzmärkten deshalb zweierlei: Wir wollen ein hohes Verbraucherschutz- niveau an den Finanzmärkten, damit Totalverluste wie die Pleite der Lehmann- Brothers, wodurch viele Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Erspartes verloren haben, nicht mehr passieren können, und wir wollen faire Gehälter für die Beschäf- tigten in der Finanzbranche und keine ausufernden Provisionsbestandteile.

wie können wir das erreichen? Als erstes ist die Politik gefordert. Wir fordern von einer neuen Bundesregierung rasches Handeln:

- Eine kurze und fokussierte Verbraucherinformation, mir der Pflicht zur Offenlegung aller Kosten sowie einer transparenten und klaren Risiko- kennzeichnung, ist dringend erforderlich.

- Gleiches gilt für eine klare und verständliche Risikokennzeichnung. Dies kann in Form eines „Ampelcheck Geldanlage“ umgesetzt werden. Rot bedeutet hohes Risiko, Gelb steht für mittleres Risiko, und Grün steht für eine sichere und empfehlenswerte Geldanlage.

- Das Angebot an unabhängiger Finanzberatung sowie eine effiziente Re- gelung und Beaufsichtigung aller Produkte und Anbieter muss ausgewei- tet werden. Dies gilt auch für den so genannten grauen Kapitalmarkt, den unregulierten Kapitalmarkt.

- Für den Schutz der Beschäftigten im Finanzsektor fordern wir den Abbau der Provisionsorientierung im Vertrieb und die Prüfung von Vertriebsbe- schränkungen für bestimmte komplexe Finanzinstrumente wie Zertifikate.

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- Darüber hinaus brauchen wir einen Finanzmarkt-TÜV. Ein Finanz-TÜV, der bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an- gesiedelt ist, muss alle Produkte am Finanzmarkt bewerten.

Auch alle an anderen Standorten zugelassenen Finanzinnovationen, sollten zukünf- tig durch den Finanz-TÜV geprüft werden. Eine Zulassung auf dem heimischen Fi- nanzmarkt erfolgt erst nach Prüfung der Produkte.

Die BaFin muss, aus Sicht des DGB, Prüfverfahren und Ergebnisse veröffentlichen, um mehr Transparenz und ggf. Verbraucherwarnung herstellen zu können!

Schlussendlich muss die BaFin finanziell und personell besser ausgestattet werden, um die ihr zugewiesene neue Kontroll- und Zulassungsfunktion bedarfsgerecht aus- üben zu können. Der gesamte Kapitalmarkt muss aus Sicht des DGB nach dem Motto Kein Produkt, kein Anbieter ohne Zulassung und Aufsicht schnell und umfassend reguliert werden! Aber besserer Verbraucherschutz muss eingebettet sein in eine umfassende und internationale Regulierung der Finanzmärkte. Klare Regeln auf den internationalen Finanzmärkten sind dringender denn je erforderlich.

Die Ursache der Krise an den Finanzmärkten mit ihren sozialen und wirtschaftlich verheerenden Auswirkungen für Arbeitnehmer, Verbraucher und Unternehmen, liegt vor allem in der Deregulierungspolitik der letzten Jahrzehnte. Eine wirksame interna- tionale Finanzmarktregulierung kann nur durch koordiniertes staatliches Vorgehen, durch die Stabilisierung und Rückführung des Finanzmarktes auf seine Zweckbe- stimmung sowie die Kreditversorgung der Verbraucher und der Realwirtschaft und durch verstärkte Transparenz künftig vermieden werden.

Unternehmen, Banken und Finanzinstitute, die staatliche Gelder in Anspruch neh- men, stehen in einer besonderen Verantwortung für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für ihre Mitarbeiter aber auch für das gesamte Gemeinwesen. Diese Krise zeigt, dass viele Banken, zahlreiche Finanzinstitute und einige Unternehmen dieser Verantwortung nicht gerecht werden. Wir fordern die Politik auf, aus der ge- genwärtigen Krise an den Finanzmärkten klare Konsequenzen zu ziehen. Dazu ge- hört, Hilfe für Banken kann es nur nach dem Prinzip Leistung nur für Gegen- leistung geben! Darüber hinaus muss der Zufluss von frischem Kapital in Spekula- tionsgeschäfte weltweit verhindert werden. Ein erster Schritt dazu ist die Austrock- nung aller Steueroasen. Zudem fordern wir als ersten Schritt auf dem Weg zu einer europäischen Finanztransaktionssteuer, zunächst die Einführung einer Börsenum- satzsteuer. Eine Finanztransaktionssteuer erfasst alle Arten von Finanzgeschäften - seien es Aktien, Derivat- oder Devisengeschäfte, seien sie börslich oder außerbörs- lich gehandelt. Damit sollen kurzfristige und spekulative Finanztransaktionen diskri- miniert und die langfristigen Investitionen gefördert werden. Dadurch schafft man eine Langfristorientierung für Unternehmen. Wenn ein besserer Verbraucherschutz an den Finanzmärkten in eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte eingebet- tet wird, kann es gelingen Verantwortung zu stärken und die Gier zu bekämpfen.

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Die aktuelle Krise verdeutlicht die Zerstörungskraft unregulierter Finanzmärkte. Un- regulierte Finanz- und Kapitalmärkte werden auch als Graue Kapitalmärkte be- zeichnet: Nach Schätzungen der Stiftung Wartentest verlieren Anleger und Verbrau- cher jedes Jahr rund 30 Milliarden Euro allein in Deutschland am so genannten Grauen bzw. unregulierten Kapitalmarkt. Die BaFin schätzt, dass es in Deutschland über 200.000 freie Finanzvermittler gibt. Diese hohe Zahl an so genannten Vermö- gens- und Anlageberatern verdeutlicht das Ausmaß dieser fragwürdigen Aktivitäten am Grauen Kapitalmarkt. Unvorstellbare Summen werden außerhalb der Banken und Finanzinstitute am Grauen Kapitalmarkt von den Finanzvermittlern eingesam- melt und in teilweise hoch risikoreiche Anlageprodukte investiert. Verbraucher wer- den in vermeintlich sichere Anlageprodukte wie Immobilien oder international aufge- stellte Aktienfonds gelockt! Verbraucherschutzorganisationen warnen zu Recht vor den erheblichen Risiken, die von stark überteuerten Immobilienangeboten bis hin zu möglichen Totalverlusten bei den Fonds reichen können! Weitere unkontrollierte und stark risikoreiche Anlageprodukte sind stille Beteiligungen, bei denen sich der Anle- ger an Unternehmensvermögen beteiligt. Dies gilt zum Teil auch für vermeintlich

„grüne“ Geldanlagen, die mit Beteiligungsangeboten an Wind- Solar – und Wasser- kraftanlagen werben und an das ökologische Gewissen der Verbraucher appellieren ohne die auch dort möglichen Verlustrisiken deutlich auszuweisen. Eine Vielzahl unseriöser Anbieter tummelt sich auf dem „Grauen Kapitalmarkt“ und versucht das derzeitige fehlende Vertrauen der Verbraucher in klassische Finanzinstitute zu ih- rem Vorteil auszunutzen. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Deshalb fordern wir einheitliche und staatlich kontrollierte Qualifikations- und Ausbildungsab- schlüsse für Finanzberater.

Das Berufsbild des Finanzvermittlers oder Anlageberaters muss qualifikatorisch beschrieben und festgesetzt werden. Jeder andere Beruf zeichnet sich durch Min- destanforderungen und Qualifikationsnachweise aus. Dies muss auch für freie Fi- nanzvermittler Geltung haben. Ich fordere die Bundesregierung auf, die Spaltung in einen regulierten und einen unregulierten Kapitalmarkt zu beenden. Wir fordern:

Eine verantwortungsvolle Politik für die Verbraucherinnen und Verbraucher und für die Beschäftigten in der Finanzbranche, statt die zu fördern, die durch maßlose Gier die Verursacher der Finanzkrise sind.

Mit der heutigen Fachtagung wollen wir, wie gesagt, eine Brücke schlagen zwischen Beschäftigteninteressen und Verbraucherinteressen am Finanzmarkt. Wir sind uns sicher, dass Beschäftigte in den Banken gute Beratungsleistungen erbringen kön- nen und auch wollen. Hierfür brauchen sie faire und sichere Einkommen. Die Sha- reholder value-Orientierung, die sich in verstärktem Provisionsdruck, Vertriebsvor- gaben und Zielvereinbarungen auch im Banksektor zeigt, muss beendet werden.

Bankmitarbeiter brauchen faire Gehälter, jedoch keine ausufernden Provisionsbe- standteile in ihrem Einkommen oder geißelnde Vertriebsvorgaben. Der Zielkonflikt zwischen eigener Einkommensmaximierung oder der Erfüllung von strengen Ver-

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muss beendet werden. Darüber hinaus muss zugunsten einer verbraucher- und arbeitnehmerorientierten Finanzberatung das Angebot an unabhängigen, qualifizier- ten Anlageberatern verstärkt werden. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen sichere Sparanlageformen und keine hochrisikoreichen Produkte. Dies setzt jedoch auch ein verbessertes Wissen bei den Verbrauchern über die finanzielle und wirt- schaftliche Eigensituation voraus. Finanzielle Verbraucherbildung muss schon im Schulalter beginnen. Finanzielle Verbraucheraufklärung muss deshalb in den Lehr- plänen der Schulen verankert werden. Wir als Gewerkschaften wissen: Wenn Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer privat für das Alter vorsorgen sollen, dann müs- sen sie vor einem unregulierten Finanz- und Kapitalmarkt besser geschützt werden.

Hier ist die Politik in der Pflicht, ein umfassendes Schutzniveau zu gewährleisten.

Ich freue mich, dass Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner ihre Bereitschaft er- klärt hat an unsere Fachtagung teilzunehmen. Sie wird im Anschluss ihre Vorstel- lungen und Perspektiven für einen besseren Verbraucherschutz darstellen. Im Laufe des Tages werden wir mit Verbraucherschützern, Verbandsvertretern und meinem Kollegen Uwe Fullong von ver.di sowie mit finanz- und verbraucherpolitischen Ex- perten der Bundestagsfraktionen ins Gespräch kommen. Ich wünsche der Fachta- gung einen guten Verlauf und übergebe das Wort zurück an den Moderator des heutigen Tages Helmut Rehmsen.

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