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Leseprobe zu Kurs 01306: Graphentheorie

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Academic year: 2021

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(1)

Fakultät für

Mathematik und

Informatik

Thomas Müller

Graphentheorie

Leseprobe

(2)

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbe-halten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der FernUniversität reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, ver-vielfältigt oder verbreitet werden.

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Inhaltsverzeichnis

Präliminarien 1

Vorwort . . . 3

Literatur . . . 7

1 Grundbegriffe der Graphentheorie 9 1.0 Einleitung . . . 9

1.1 Graphen . . . 11

1.2 Nummerierte Graphen und Matrizen . . . 23

1.3 Digraphen . . . 31

1.4 Nummerierte Digraphen und Matrizen . . . 40

1.5 Kleiner Exkurs: Komplexitätstheorie . . . 45

Lösungshinweise zu Kapitel 1 . . . 47

2 Zusammenhang und Bäume 59 2.0 Einleitung . . . 59

2.1 Wege, Kreise und Zusammenhang in Graphen . . . 61

2.2 Bäume . . . 71

2.3 Anzahl der aufspannenden Bäume eines Graphen . . . 80

2.4 Wege, Kreise und Zusammenhang bei Digraphen . . . 88

2.5 Quell- und Senkenbäume . . . 93

2.6 Anzahl aufspannender Quell- und Senkenbäume in Digraphen . . . 100

Lösungshinweise zu Kapitel 2 . . . 105

3 Eulertouren und Hamiltonkreise 115 3.0 Einleitung . . . 115 3.1 Eulertouren in Graphen . . . 117 3.2 Eulertouren in Digraphen . . . 129 3.3 Hamiltonkreise in Graphen . . . 141 3.4 Hamiltonkreise in Digraphen . . . 154 Lösungshinweise zu Kapitel 3 . . . 159

4 Zyklenraum und Schnittraum 167 4.0 Einleitung . . . 167

4.1 Binärer Zyklenraum und binärer Schnittraum . . . 169

4.2 Zyklenraum und Schnittraum in Digraphen (und Graphen) . . . 186

4.3 Analyse einfacher elektrischer Netzwerke . . . 203

4.4 Kleiner Exkurs: Matroide . . . 211

(4)

2 Präliminarien

Lösungshinweise zu Kapitel 4 . . . 215

5 Flüsse in Netzwerken und die Mengerschen Sätze 225 5.0 Einleitung . . . 225

5.1 Flüsse in Netzwerken . . . 227

5.2 Algorithmische Bestimmung von Maximumflüssen . . . 239

5.3 Die Mengerschen Sätze . . . 249

Lösungshinweise zu Kapitel 5 . . . 265

6 Unabhängige Mengen und Überdeckungen 277 6.0 Einleitung . . . 277

6.1 Grundlegendes über unabhängige und bedeckende Mengen . . . 279

6.2 Unabhängige und bedeckende Mengen in bipartiten Graphen . . . 295

6.3 Maximum-Matchings in allgemeinen Graphen . . . 306

Lösungshinweise zu Kapitel 6 . . . 319

7 Färbung von Graphen 329 7.0 Einleitung . . . 329

7.1 Knotenfärbungen . . . 331

7.2 Das chromatische Polynom . . . 346

7.3 Kantenfärbungen . . . 356

Lösungshinweise zu Kapitel 7 . . . 367

Anhang 377 Verzeichnis allgemeiner mathematischer Symbole . . . 377

Symbolverzeichnis zur Graphentheorie . . . 381

(5)

Vorwort

Graphen und Digraphen beschreiben eine zwar elementare, im Bezug auf die Model-lierung anwendungsbezogener Fragestellungen jedoch auch eine vielseitige mathemati-sche Struktur. Ihr zugrunde liegt eine Menge von Objekten, dargestellt als Punkte, und deren Verbindungen untereinander, gegebenenfalls veranschaulicht als (orientierte) Li-nien zwischen solchen Punkten. Die Objekte nennen wir Knoten, die LiLi-nien Kanten und die orientierten Linien Bögen. Den kontinuierlich-geometrischen Inhalt fast gänz-lich außer Acht lassend, fassen wir diese Struktur im Wesentgänz-lichen bloß kombinatorisch-mengentheoretisch auf und beschreiben die Beziehungen der Objekte untereinander al-lein durch eine Inzidenzabbildung, die einer Kante ihre Randknoten, einem Bogen das Knotenpaar, bestehend aus dem Anfangs- und dem Endknoten, zuordnet. Graphen sind dann solche Strukturen, in denen nur Kanten auftreten, Digraphen solche, in denen nur Bögen vorkommen können. Durch diese Abstraktion können gemeinsame Probleme aus zahlreichen verschiedenen Anwendungen simultan angegriffen werden. Gleichwohl wird in nicht allzu komplizierten Fällen eine z.T. recht reizvolle anschauliche Darstellung als „Netzwerk“ aus Punkten und diese verbindenden Linien bzw. Pfeilen die Behandlung der Probleme häufig erleichtern.

Wenn wir hier von einer „elementaren Struktur“ sprechen, bedeutet dies lediglich, dass die Begriffe und Aussagen ohne tiefere mathematische Vorkenntnisse verstanden werden können. Wir behaupten damit allerdings nicht, die Probleme wären stets einfachen Lö-sungen zugänglich. Wie in der Elementaren Zahlentheorie ist nicht selten das Gegenteil der Fall. Vom Leser dieses Kurses wird eine gewisse mathematische Reife erwartet. Die frühesten Arbeiten über Graphen entstanden aus Rundreiseproblemen (Königsberger Brückenproblem – Euler, um 1740; Städtetourenspiel – Hamilton, um 1860), Netzwerk-analysen (elektrische Netzwerke – Kirchhoff, um 1845), Strukturfragen (Verbindungen der organischen Chemie – Cayley, um 1875), Färbungsprobleme (Vierfarbenvermutung – Guthrie, Cayley u.a. seit 1852) etc.

Als erstes Lehrbuch der Graphentheorie kann Dénes K˝onig, Theorie der endlichen und unendlichen Graphen, Leipzig 1936 gelten. Nach K˝onig geht die Bezeichnung Graph auf Sylvester (1878) zurück.

Nach verhaltenem Beginn entwickelte sich die Graphentheorie seit den 1960er Jahren parallel zur Informatik mit einer enormen Dynamik, die bis heute ungebrochen ist. Das populäre, 1976 von K. Appel und W. Haken mit massivem Computereinsatz gelöste Vier-farbenproblem spielte dabei eine erhebliche Rolle.

Damit einher geht eine starke wechselseitige Einflussnahme zwischen der Graphentheo-rie und Gebieten wie Informatik, Kombinatorische Optimierung, KomplexitätstheoGraphentheo-rie, Operations Research und anderen Bereichen der angewandten Wissenschaften.

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4 Präliminarien

In Anbetracht der heutigen Themenvielfalt in der Graphentheorie sind der Stoffauswahl des vorliegenden, einführenden Kurses recht enge Grenzen gesetzt. So gehen wir z.B. nicht auf planare Graphen ein, Minoren werden ebenso wenig diskutiert wie Zufallsgra-phen usw.

Die dargebotenen Themen werden vom strukturellen Standpunkt her entwickelt, weniger vom algorithmischen. Wichtige Algorithmen werden lediglich informell präsentiert. Fra-gen einer möglichst effizienten Implementierung der Algorithmen und der Analyse ihrer Komplexität (Rechenaufwand in Abhängigkeit vom Umfang der Eingabedaten) werden allenfalls vereinzelt aufgegriffen. Den Leser verweisen wir hierfür – neben einem kleinen Exkurs über Komplexitätstheorie am Ende von Kapitel 1 – auf die einschlägige Literatur, Fernstudierende zusätzlich auf den FernUni-Kurs 01216 Kombinatorische Optimierung - Effiziente Graphenalgorithmen, dem das Buch von Hochstättler und Schliep ([11]) zu-grunde liegt, sowie auf den FernUni-Kurs 01686 Komplexitätstheorie.

Für das Fernstudium und damit auch für das Selbststudium geschrieben ist der Stoff sehr ausführlich dargestellt und dergestalt in sich abgeschlossen, dass er ohne Rückgriff auf die Literatur studiert werden kann. Wer dennoch eine Begleitlektüre wünscht, greift am besten zu Bondy und Murty ([4]) oder West ([17]).

Dem Zweck entsprechend sind in den Lehrtext Übungsaufgaben eingestreut oder einige Beweiselemente Ihnen zur Übung überlassen. Am Ende jedes Kapitels finden Sie dazu detaillierte Lösungsvorschläge, auf die im Lehrtext am Rande mit einem „L“ hingewie-sen wird.

Hier sind ein paar Worte zur Lern- und Arbeitsweise angebracht. Grundsätzlich erarbei-tet man sich einen mathematischen Text im serarbei-tetigen Wechsel zweier Perspektiven: dem Überblick und dem Detail. Erst wird man sich einen Überblick verschaffen wollen über die wesentlichen Fragestellungen, die zentralen Begriffe und Aussagen dazu, die Grob-struktur der Beweise, den roten Faden insgesamt und die Anwendungsmöglichkeiten. Dies wird indessen nicht ausreichen, mit den Gegenständen so vertraut zu werden, um mit ihnen auch eigenständig umgehen zu können. Hier wird man sich dann mit den klein-teiligen Argumenten in den Beweisen auseinandersetzen müssen und dann auch lernen, die Rolle der Voraussetzungen und ihre Notwendigkeit in den Sätzen (Gegenbeispiele) zu verstehen etc. Die Ausführlichkeit der Darstellung des vorliegenden Kurses mag Stu-dierende demgegenüber in Versuchung führen, den Lehrtext nur rezeptiv zu lesen. Wie Sie vielleicht selbst schon erfahren haben, führt dies allein nicht zu einem tieferen Ver-ständnis mathematischen Stoffs. Versuchen Sie daher zunächst, die Ihnen überlassenen Passagen, die am Rand mit „L“ markiert sind, selbstständig zu lösen. Darüber hinaus ist immer zu empfehlen, sich zuerst eigene Gedanken zur Begründung einer Aussage des Lehrtextes zu machen. Auf diese Weise kann Ihnen der Lehrtext selbst zum Übungsma-terial werden. Auch wenn Ihnen dabei vielfach ein Erfolg versagt sein sollte, wird dieser

(7)

Vorwort 5

eigenständige Umgang mit den Begriffen und Methoden des Kurses Sie nach und nach immer besser mit seinen Begriffen, Fragestellungen und den Hintergründen der gewon-nenen Antworten vertraut machen. Beim Durcharbeiten des Lehrtextes sollten Sie sich wenigstens selektiv die Mühe machen, sich mit „Bleistift und Papier“ durch die Details zu kämpfen. Die dabei erforderliche Skepsis gegenüber dem Text ist eine Grundhaltung des Mathematikers, der nach einer Begründung verlangt, und nicht so sehr darauf ver-traut, es wird schon alles richtig sein, was da steht, und statt dessen lediglich auf die Fähigkeit erpicht ist, vorgefertigte Rezepte sicher durchführen zu können.

Wie schon angedeutet, eignet sich die Graphentheorie in besonderer Weise dazu, sich von den Begriffen und Resultaten über die formale Darstellung hinaus eine anschauliche Vorstellung zu verschaffen. Das Zeichnen von Figuren ist gerade hier eine stetige Quelle von Einsichten, die Sie nutzen sollten.

Nicht zuletzt durch die Einsendeaufgaben wird Ihnen ein 14-tägiger Bearbeitungstakt vorgegeben. Es ist ratsam, diesen Takt einzuhalten und lieber (vorübergehend) ein paar Lücken zu lassen, als im Stoff zurückzubleiben, der Umfang des Kurses wird Sie mögli-cherweise dazu zwingen. Die Frustrationstoleranz, die ein Mathematikstudium erfordert, gestattet den Mut zur Lücke: Es gibt gelegentlich schwierigere Passagen, die man zu-nächst durchaus zurückstellen kann, um sie bei späterer Gelegenheit wieder anzugreifen. In den Kapiteleinleitungen werden Sie zu den Prioritäten, die Sie setzen sollen, einige Hinweise finden.

Die erfolgreiche Bearbeitung dieses Kurses wird regelmäßig mit dem Bestehen einer mündlichen Prüfung (als Prüfungsleistung, im Master- oder Diplomstudiengang auch als Leistungsnachweis) nachgewiesen. Um diesem Prüfungstyp gerecht zu werden, ist zu empfehlen, sich einen Überblick über die Methoden und die Zusammenhänge der Begriffe und Ergebnisse zu verschaffen. Versuchen Sie, die im Kurs erarbeiteten Kennt-nisse mit eigenen Worten themenweise in der Art eines Leitfadens zusammenzufassen und diesen mit dem Wachsen Ihrer Kenntnisse auszubauen und zu präzisieren. Während der unmittelbaren Prüfungsvorbereitung sollten Sie versuchen, den (vermeintlich) ge-lernten Stoff frei sprechend sich selbst oder einer anderen Person (die nicht notwendig viel davon verstehen muss) vorzutragen („lautes Denken“). Sie werden dabei feststellen, wie sicher Sie den Stoff tatsächlich beherrschen und wo Sie unsicher sind oder noch grö-ßere Lücken haben. Die Fähigkeit zum mündlichen mathematischen Diskurs, dies zeigt die Erfahrung, ist bei bloßem Fern- bzw. Selbststudium oft zu wenig entwickelt, und et-waige Mängel sollten sich möglichst nicht erst in einer Prüfung offenbaren.

Dem elementaren Gegenstand entsprechend kann man die Eingangsvoraussetzungen für diesen Kurs, abgesehen von der schon angesprochenen gewissen mathematischen Reife, im Großen und Ganzen auf mathematisches Grundlagenwissen beschränken.

(8)

Da-6 Präliminarien

zu gehört der sichere Umgang mit Mengen und Abbildungen sowie gute Kenntnisse der Linearen Algebra, wie sie in den FernUni-Kursen 01141 Mathematische Grundlagen und 01143 Lineare Algebra bereitgestellt werden. Das schließt nicht aus, dass an weni-gen Stellen dieses Kurses etwas tiefere Ergebnisse aus der Algebra erforderlich sind, die aber ad hoc zur Verfügung gestellt werden.

An den genannten beiden Kursen orientiert sich auch die für die mathematischen Grund-begriffe gewählte Schreibweise.

Das Ende eines Beweises wird mit dem Symbol  gekennzeichnet.

Zur einfacheren Handhabe ist der Kurs mit einem Index und einem Symbolverzeichnis versehen.

Die Stoffauswahl des Kurses (das Wesentliche hierzu ist dem Inhaltsverzeichnis zu ent-nehmen) orientiert sich an dem gleichnamigen FernUni-Kurs von Ulrich Seip, als dessen Aktualisierung der vorliegende Kurs ursprünglich geplant war, sich aber im Verlauf der Erstellung zusehens emanzipiert und erweitert hat. Die Terminologie und die Notation wurden dem mittlerweise sich verstetigenden internationalen Standard angepasst. Bei Graphen und Digraphen werden jetzt, sofern keine diesbezüglichen Einschränkungen erforderlich sind, Schlingen und Parallelitäten zugelassen. Die zahlreichen Pseudocode-Implementierungen von Algorithmen wurden entfernt und durch einschlägige Algorith-men, die sich aus den strukturellen Betrachtungen bzw. Beweisen ergaben, ersetzt, wobei allerdings nur noch eine informelle Darstellung gewählt wurde.

Zu den neu hinzugekommenen Themen gehören u.a. die de Bruijn-Graphen und de Bruijn-Zyklen, der Algorithmus Breitensuche, eine Analyse einfacher elektrischer Netz-werke, ein kleiner Exkurs über Matroide, Flüsse in Netzwerken mit der Edmonds-Karp-Implementierung des Algorithmus von Ford und Fulkerson (der Zugang zu den Menger-schen Sätzen wurde entsprechend abgeändert), der Blüten-Algorithmus von Edmonds für das Maximum-Matching-Problem in allgemeinen Graphen, ein effizienter algorith-mischer Beweis des Satzes von Szekeres und Wilf, der Satz von Brooks über die Ab-schätzung der chromatischen Knotenzahl und eine Verallgemeinerung des Satzes von Vizing.

Sicher wird der vorliegende Kurs nicht ohne Fehler sein. Für Ihre Hinweise darauf sowie für Kommentare zur Darstellung, insbesondere für Anregungen, die dem besseren Ver-ständnis dienen, ist Ihnen der Autor (E-Mail: thomas.mueller@fernuni-hagen.de) sehr dankbar.

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Literatur

In der folgenden Literaturliste sind diejenigen Lehrbücher aufgeführt, die, abgesehen vom Vorgängerkurs von U. Seip, Einfluss auf die Präsentation des Kursinhalts genom-men haben. Hier sind, über den ganzen Kurs gesehen, vor allem Bondy-Murty ([4]) und West ([17]) hervorzuheben. Der Einfluss der übrigen ist mehr oder weniger auf bestimm-te Abschnitbestimm-te oder Themen beschränkt. Inbestimm-teressierbestimm-te können die angegebene Libestimm-teratur, die inhaltlich teilweise weit über den vorliegenden Kurs hinausgeht, auch zum weiter-führenden Studium zu Rate ziehen.

[1] Bang-Jensen, J. und Gutin, G., Digraphs: Theory, Algorithms and Applications, 2nd ed., Springer 2009.

[2] Biggs, N., Algebraic Graph Theory, 2nd ed., Cambridge University Press, 1993.

[3] Bollobás, B., Modern Graph Theory, Graduate Texts in Mathematics, Vol. 184, Springer, 1998.

[4] Bondy, J.A. und Murty, U.S.R., Graph Theory, Graduate Texts in Mathematics, Vol. 244, Springer, 2008.

[5] Cook, W.J., Cunningham, W.H., Pulleyblank, W.R. und Schrijver, A., Combinato-rial Optimization, John Wiley & Sons, Inc., 1998.

[6] Diestel, R., Graphentheorie, 4. Aufl., Springer, 2010.

[7] Even, S., Graph Algorithms, 2nd ed., Cambridge University Press, 2012.

[8] Fleischner, H., Eulerian Graphs and Related Topics, Part 1, Vol. 1 und 2, Annals of Discrete Mathematics 45 bzw. 50, North-Holland, 1990/91.

[9] Gordon, G. und McNulty, J., Matroids: A Geometric Introduction, Cambridge Uni-versity Press, 2012.

[10] Gross, J. und Yellen, J., Graph Theory and Its Applications, CRC Press, 1999.

[11] Hochstättler, W. und Schliep, A., CATBox: An Interactive Course in Combinatorial Optimization, Springer, 2010.

[12] Jungnickel, D., Graphen, Netzwerke und Algorithmen, 3. Aufl., BI-Wissenschafts-verlag 1994.

[13] Oxley, J.G., Matroid Theory, Oxford University Press, 1992.

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8 Präliminarien

[14] Stanley, R.P., Enumerative Combinatorics, Vol. II, Cambridge Studies in Advan-ced Mathematics, Vol. 62, Cambridge University Press, 1999.

[15] Turau, V., Algorithmische Graphentheorie, 2. Aufl., Oldenbourg Wissenschafts-verlag, 2004.

[16] Volkmann, L., Fundamente der Graphentheorie, Springer, 1996.

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1 Grundbegri

ffe der Graphentheorie

1.0 Einleitung

Im Verlauf dieses ersten Kapitels werden nach und nach die zur Darstellung und zur Strukturanalyse von Graphen und Digraphen notwendige Terminologie und Notation eingeführt.

Obwohl wir uns auf die Untersuchung von endlichen Graphen bzw. Digraphen beschrän-ken werden, liegt es doch auf der Hand, dass die im Vorwort angedeutete grafische Dar-stellung dieser Objekte durch Punkte und diese verbindenden (orientierten) Linien in der Ebene nur für relativ „kleine“ Graphen bzw. Digraphen eine adäquate Form ihrer Dar-stellung sein kann. Eine formale Beschreibung des uns interessierenden kombinatorisch-mengentheoretischen Aspekts der Struktur von Graphen und Digraphen leistet dagegen auf befriedigende Weise die Inzidenzabbildung. Auf sie können wir auch deshalb nicht verzichten, weil wir stets neben Schlingen auch parallele Kanten bzw. Bögen zulassen, sofern wir dies nicht ausdrücklich ausschließen. (Der Leser möge beachten, dass in der Literatur unter einem „Graphen“ häufig nur ein schlichter Graph ohne Schlingen und ohne parallele Kanten (Mehrfachkanten) verstanden wird.)

Daneben betrachten wir auch Matrixdarstellungen von Graphen bzw. Digraphen, die Adjazenz- und die Inzidenzmatrix. Sie setzen eine Nummerierung der Knotenmenge, für die Inzidenzmatrix auch eine Nummerierung der Kanten- bzw. Bogenmenge voraus. Diese Matrizen können möglicherweise zahlreiche Nullen als Einträge enthalten und werden daher heutzutage wegen ihrer Redundanz beim Computereinsatz durch Inzidenz-oder Adjazenzlisten bzw. andere speicherplatzsparende Darstellungen ersetzt. Unser In-teresse an diesen Matrizen ist mathematischer Natur. Sie ermöglichen vor allem eine Verbindung zur Linearen Algebra, die wir dadurch zur Lösung graphentheoretischer Pro-bleme einspannen können.

Zu den wichtigen Grundbegriffe der lokalen Struktur gehören die beiden verschiedenen Typen von Nähe (Nachbarschaft bzw. Adjazenz und Inzidenz bzw. Bedeckung) und der Knotengrad. Der Leser verfolge aufmerksam die Unterschiede, die sich bereits hier zwi-schen Graphen und Digraphen auftun. Als immer wieder nützlich erweist sich auch die Möglichkeit, die Knotengrade aus der Adjazenz- bzw. Inzidenzmatrix als Zeilen- oder Spaltensummen zu berechnen.

Größere Teilstrukturen sind die (induzierten bzw. aufspannenden) Teil(di)graphen, die in allen Untersuchungen über Graphen bzw. Digraphen ausdrücklich oder implizit vor-kommen. Sie dienen z.B. der Beschreibung erster, in der Graphentheorie notorisch auf-tretender Konstruktionen wie das Entfernen oder Hinzufügen von Knoten, Kanten oder Bögen. Weitere Konstruktionen, die Ihnen bereits in diesem Kapitel begegnen, sind das

(12)

10 Kapitel 1. Grundbegriffe der Graphentheorie

Komplement eines schlichten Graphen und der Kantengraph.

Ferner lernen Sie die ersten wichtigen Klassen von Graphen kennen: die vollständigen Graphen und die (vollständig) bipartiten Graphen.

Schon verhältnismäßig „kleine“ Graphen lassen sich grafisch auf solch unterschiedli-che Weise darstellen, dass es auf den ersten Blick unmöglich ersunterschiedli-cheint zu entsunterschiedli-cheiden, ob es sich dabei strukturell um ein und denselben Graphen handelt. Dahinter verbirgt sich die Frage nach der Isomorphie von Graphen, d.h. der Entscheidung, wann zwei Graphen strukturell gleich sind oder nicht. Durch den Begriff des Graphen- bzw. phenisomorphismus wird die strukturelle Übereinstimmung zweier Graphen bzw. Digra-phen formal beschrieben. Während in manchen mathematischen Bereichen wie z.B. der Theorie der endlichdimensionalen Vektorräume die Isomorphiefrage leicht zu entschei-den ist, konnte in der Graphentheorie hierfür bislang noch kein effizienter Algorithmus gefunden werden. Die hier angegebenen Propositionen zu Isomorphie von Graphen bzw. Digraphen sind im Grunde nur Umformulierungen des Problems und keine effizienten Charakterisierungen. Sie sind nur von technischem Interesse.

Eigenschaften von Graphen bzw. Digraphen oder mit ihnen auftretende numerische Grö-ßen nennt man Invarianten, wenn sie unter Isomorphismen erhalten bleiben. So ist z.B. der Knotengrad eine lokale numerische Invariante, die Komplementbildung bei schlich-ten Graphen oder die Vollständigkeit eine globale Invariante. Solche Invarianschlich-ten kann man sich zunutze machen, um wenigstens die Nichtisomorphie zweier Graphen zu tes-ten: zwei Graphen können nicht isomorph sein, wenn sie sich in einer Invarianten un-terscheiden. Allerdings können z.B. die Gradfolgen zweier nichtisomorpher Graphen übereinstimmen, obgleich es sich bei der Gradfolge um eine Invariante handelt.

Ergebnisse über Graphen können bisweilen für Digraphen genutzt werden und umge-kehrt. Den Wechsel zwischen diesen beiden Typen beschreiben die Operationen „un-terliegender Graph“ eines Digraphen, der einem Graphen „zugeordnete symmetrische Digraph“ bzw. die „Orientierung“ eines Graphen. Im Verlauf des Kurses wird davon ge-legentlich Gebrauch gemacht.

Ein etwas komplizierteres, für gewisse Anwendungen interessantes Beispiel für einen Digraphen ist der de Bruijn-Graph, den wir in den nächsten beiden Kapiteln weiter ver-folgen werden.

Ein kleiner Exkurs über Komplexitätstheorie beschließt das erste Kapitel.

Naturgemäß ist ein erstes Kapitel voll mit zahlreichen Festlegungen bzgl. Terminologie und ihrer Notation, mit denen Sie sich nach und nach vertraut machen müssen. Dies dürfte keine größeren Schwierigkeiten bereiten, da die Sprache der Graphenteorie i.A. sehr anschaulich ist. Zahlreiche interessante Sätze sind demgegenüber hier noch nicht zu erwarten.

(13)

1.1 Graphen 11

1.1 Graphen

Die Mächtigkeit einer Menge A bezeichnen wir mit |A|, im endlichen Fall ist das die Anzahl ihrer Elemente.

Für k ∈ N := {0, 1, 2, . . .} und eine Menge V sei Vk := {V0 | V0 ⊆ V und |V0| = k} die

Menge der k -elementigen Teilmengen von V, so dass V2∪V1 = {v, w} | v, w ∈ V die Menge aller nichtleeren Teilmengen von V mit höchstens zwei Elementen bezeichnet. Die Notation ist den Binomialkoeffizienten entlehnt, da |Vk|=|V|k für endliches V.

1.1.1 Definition

Ein Graph G besteht aus zwei disjunkten endlichen Mengen V und E sowie einer Abbildung ∂ : E −→V2∪V1 = {v, w} | v, w ∈ V .

1.1.2 Bemerkungen und Bezeichnungen

Nach Definition ist ein Graph G ein Tripel G = V, E, ∂ : E −→V2∪V

1

 .

Die Elemente von V heißen Knoten (engl. vertices) von G, V selbst nennt man die Knotenmenge von G.

Die Elemente von E heißen Kanten (engl. edges) von G, E selbst nennt man die Kan-tenmenge von G.

Die Abbildung ∂ : E −→ V2∪V1 heißt Inzidenzabbildung von G.

Falls erforderlich schreiben wir auch VG für V, EG für E und ∂G für ∂, um beim

Auf-treten mehrerer Graphen Missverständnisse zu vermeiden. Für {v, w} ∈V2∪V

1



schreiben wir meist kürzer vw, solange dies nicht zu Missverständ-nissen führt. Damit ist keine Anordnung unterstellt. Es gilt vielmehr vw= wv.

Ist ∂(e)= vw für eine Kante e, so heißen v und w die Randknoten von e.

Gibt es Kanten e und e0 mit e , e0 und ∂(e) = ∂(e0), so sprechen wir von parallelen Kanten oder Mehrfachkanten.

Gilt ∂(e)= vw mit v = w für eine Kante e, so nennen wir e eine Schlinge.

Die Menge aller Schlingen (engl. loops) von G bezeichnen wir mit LG bzw. kurz mit L.

1.1.3 Beispiel

Zur Veranschaulichung des Graphenbegriffs betrachten wir den folgenden Graphen G : Die Knotenmenge von G sei V := {t, u, v, w, x, y, z}, die Kantenmenge von G sei E := {a, b, c, d, e, f, g} und die Inzidenzabbildung ∂ : E −→ V

2



∪V1 sei definiert durch ∂(a) = ut, ∂(b) = uv, ∂(c) = vw, ∂(d) = vw, ∂(e) = uw, ∂( f ) = ww, ∂(g) = yz.

(14)

12 Kapitel 1. Grundbegriffe der Graphentheorie G t u v w x y z a b c d e f g u u u u u u u @ @ @ @ @ @   1.1.4 Definition

Sei G = (V, E, ∂) ein Graph.

Eine Kante e ∈ E und ein Knoten v ∈ V heißen inzident, wenn v ∈ ∂(e) gilt.

Zwei Knoten v, w ∈ V heißen benachbart oder adjazent, wenn ein e ∈ E existiert mit ∂(e) = {v, w}; andernfalls heißen v und w unabhängig.

Zwei Kanten e, e0 ∈ E, e , e0

heißen benachbart oder adjazent, wenn ∂(e) ∩ ∂(e0) , ∅ gilt, d.h. wenn ein v ∈ V existiert mit v ∈ ∂(e) und v ∈ ∂(e0); andernfalls heißen e und e0 unabhängig. Eine Schlinge betrachten wir als zu sich selbst benachbart.

1.1.5 Bemerkungen und Bezeichnungen

Sind e ∈ E und v ∈ V inzident, so existiert ein w ∈ V mit ∂(e) = {v, w}:

w vu e u oder w=v u   e

Je nach Standpunkt sagen wir dann auch: v bedeckt e bzw. e bedeckt v.

Sind v ∈ V und w ∈ V benachbart, so nennen wir w einen Nachbarn von v (und umgekehrt). Gilt ∂(e) = vw für ein e ∈ E, so stellen wir das folgendermaßen dar:

vu e wu oder w= v   u e Sind e, e0

∈ E mit e , e0 benachbart, so nennen wir e einen Nachbarn von e0 (und

umgekehrt). Gilt v ∈ ∂(e) ∩ ∂(e0) für ein v ∈ V, so haben wir eine der Konstellationen

v e0 e u u u v   e e0 u u e0 u e v u     v u e0 e , , oder . 1.1.6 Definition

Zwei Graphen G = (V, E, ∂) und G0 = (V0, E0, ∂0) heißen isomorph, wenn es bijektive Abbildungen αV : V −→ V0 und αE : E −→ E0 gibt, so dass für jedes e ∈ E mit

∂(e) = {v, w} gilt: ∂0

(αE(e))= {αV(v), αV(w)}.

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(16)

2 Zusammenhang und Bäume

2.0 Einleitung

Wir können Graphen wie eine Straßenkarte auffassen, wobei die Knoten Stationen sind und die Kanten zwei Stationen verbindende Straßen. Will man von einem Knoten v zu einem Knoten w gelangen, der nicht benachbart ist, hat man evtl. noch die Möglich-keit, einen Umweg über andere Knoten und Kanten zu machen, um doch noch innerhalb des Graphen von v nach w zu gelangen. Solche Verbindungen zweier Knoten v und w werden formal durch v, w -Kantenfolgen beschrieben. Das sind alternierende Folgen von Knoten und Kanten der Form v0, e1, v1, . . . , vk−1, ek, vk, wo jede Kante ei die beiden

Knoten vi−1 und vi verbindet und v0 = v, vk = w gilt. Gibt es für jedes Knotenpaar

ei-ne solche Kantenfolge, ei-nenei-nen wir den Graphen zusammenhängend. Graphen, die nicht zusammenhängend sind, zerfallen in mehrere maximale, zusammenhängende, nichtleere Teilgraphen, die Komponenten.

Kantenfolgen unterliegen bzgl. Wiederholungen von Knoten und Kanten keinen Be-schränkungen. Schließt man Wiederholungen von Kanten aus, erhält man den Begriff Kantenzug. Ist er geschlossen, kehrt er also zum Ausgangspunkt zurück, spricht man von einer Tour. Geht man noch weiter und lässt nicht einmal Wiederholungen von Kno-ten zu, so hat man den noch spezielleren Begriff des Kantenwegs oder, im geschlossenen Fall, des Kreises.

Kreise spielen schon in diesem Kapitel eine große Rolle. Mit ihnen bzw. ihrem Feh-len werden wir so wichtige Graphentypen wie bipartite Graphen, Bäume oder Wälder charakterisieren. Bäume sind die maximal kreislosen, zugleich auch die minimal zu-sammenhängenden Graphen und erlauben nur einen einzigen Kantenweg zwischen zwei Knoten, sind daher insbesondere schlicht. Als Teilgraphen eines Graphen G sind sie von Bedeutung, wenn sie aufspannende Bäume sind, d.h. jeden Knoten von G enthalten. Der Algorithmus Breitensuche findet zu jeder Komponente eines Graphen und einem ih-rer (frei wählbaren) Knoten, der Wurzel, einen diese Komponente aufspannenden Baum, so dass für jeden Knoten v der Kantenweg innerhalb des aufspannenden Baumes von der Wurzel zu diesem Knoten v ein kürzester Weg ist, d.h. ein Weg von minimaler Länge. Aufspannende Bäume können nur in zusammenhängenden Graphen auftreten, dann aber durchaus zahlreich: im Kn gibt es nach dem Satz von Cayley immerhin nn−2

aufspan-nende Bäume. Dieser Satz ist ein Spezialfall des Matrix-Tree-Theorems, das auf Gustav Robert Kirchhoff zurückgeht, und die Bestimmung der Anzahl τ(G) der aufspannenden Bäume eines Graphen G auf rein algebraischem Wege ermöglicht. Die im Beweis ver-wendete Konstruktion von Kontraktionsgraphen modulo einer Kante, die uns auch an anderer Stelle des Kurses begegnen wird, ermöglicht eine Rekursionsformel (2.3.14) für

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60 Kapitel 2. Zusammenhang und Bäume

die Anzahl der aufspannenden Bäume, die der Rekursionsformel für das chromatische Polynom im Kapitel 7 über Färbung von Graphen ähnelt.

Dieses Programm kann man auch in entsprechender Weise für Digraphen aufziehen. Da-bei sind jedoch einige Unterschiede zu beachten. Ein Bogen ist wie eine Einbahnstraße, er darf nicht in Gegenrichtung durchlaufen werden. Dies gilt auch für jede nichttriviale Bogenfolgeund führt zu einer Unterscheidung zwischen dem Zusammenhang (das ist der Zusammenhang des unterliegenden Graphen) und dem starken Zusammenhang, der für die Verbindung zweier Knoten v und w Bogenfolgen sowohl von v nach w als auch von w nach v fordert. Definiert man entsprechend eine starke Komponente eines Digraphen als maximalen, stark zusammenhängenden, nichtleeren Teilgraphen, so ist zu beachten, dass hier Digraphen nicht in ihre starken Komponenten zerfallen wie die Graphen in ih-re Komponenten, sondern Bögen existieih-ren können, die zu keiner starken Komponente gehören.

Während bei Bäumen eine Wurzel frei wählbar ist, sorgt die Orientierung bei Digraphen dafür, dass hier der Begriff in Quell- bzw. Senkenbäume zerfällt und die Rolle einer Wur-zel nur je einem einzigen Knoten zukommt, der Quelle bzw. Senke.

Dank des Dualitätsprinzips der Richtungsumkehr müssen wir hier nicht die doppelte Arbeit leisten, sondern können Aussagen über Quellbäume auf Aussagen über Senken-bäume zurückführen und umgekehrt.

Entsprechend den aufspannenden Bäumen in Graphen definieren wir aufspannende Quell- bzw. Senkenbäume in Digraphen und gelangen schließlich auch hier zu einem Analogon des Matrix-Tree-Theorems, dem Directed Matrix-Tree-Theorem, das auf Wil-liam Thomas Tutte zurückgeht. Abgesehen von den natürlich entsprechend verschiede-nen Matrizen liegt ein wesentlicher Unterschied beim Matrix-Tree-Theorem in der freien Wahl des zur Berechnung heranzuziehenden algebraischen Komplements, während beim Directed Matrix-Tree Theorem dieses durch die Quelle bzw. Senke festgelegt ist.

Das Kapitel schließt mit dem Beispiel der Berechnung der Anzahl der aufspannenden Senkenbäume des de Bruijn-Graphen Dn(S ) zu einer festen Senke s. Besteht S aus b

Symbolen, so sind das immerhin bbn−1−n

solcher Senkenbäume.

Auch dieses Kapitel enthält noch reichlich Terminologie bzw. Notation, deren sichere Kenntnis im weiteren Verlauf des Kurses unerlässlich ist. Mit dem in 2.1.6 präzisierten Sprachgebrauch von maximal und minimal und seiner Unterscheidung zu Maximum und Minimumsollten Sie vertraut werden, da er im Verlauf des Kurses immer wieder verwen-det wird. Dies gilt natürlich erst recht für das Thema Bäume bzw. aufspannende Bäume, wobei in diesem Kurs der Graphenfall gegenüber dem Digraphenfall der wichtigere ist. Der Algorithmus Breitensuche und die Matrix-Tree-Theoreme sind Ergebnisse dieses Kapitels, die Sie verstanden haben sollten. Auch viele „kleinere“ Propositionen und Sät-ze werden sich später als ausgesprochen nützliche Helfer erweisen.

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3 Eulertouren und Hamiltonkreise

3.0 Einleitung

Durchlaufungsfragen gehören zu den ältesten Problemstellungen der Graphentheorie, voran das berühmte Königsberger Brückenproblem, in dem vielfach der historische Auf-takt der Graphentheorie gesehen wird. Nach Leonhard Euler, der mit diesem Problem einen bis dahin nahezu unbekannten Zweig der Mathematik, die geometria situs oder, nach Gottfried Wilhelm Leibniz, die analysis situs bekannt machte, werden denn auch die wichtigsten Begriffe und Ergebnisse bei den Untersuchungen zur Existenz überde-ckender Touren in Graphen bzw. Digraphen benannt.

Die Existenz solcher Eulertouren kann sowohl in Graphen als auch in Digraphen bemer-kenswert einfach getestet werden (Satz von Euler). Aus der erstaunlichen Fülle von e ffi-zienten Algorithmen zur Bestimmung von Eulertouren, wie sie z.B. in den Bänden von H. Fleischner([8]) studiert werden können, haben wir uns hier im Fall von Graphen für die ausführliche Darstellung eines Algorithmus entschieden, der zugleich auch eine Lö-sung des Labyrinth-Problems liefert in Form einer Kantenfolge, die jede Kante in jeder Richtung genau einmal durchläuft. Dieser Algorithmus zieht bei jedem Verfahrensschritt nur lokale Informationen über den Graphen heran und nicht globale, die einen Überblick über den ganzen Graphen erfordern wie z.B. die Überprüfung des Zusammenhangs. Er erlaubt zudem eine reizvolle Darstellung in Anlehnung an die griechische Mythologie. Eine verwandte Fragestellung ist die nach der Existenz überdeckender Kantenfolgen kür-zester Länge. Sie ist unter dem Namen Chinesisches Postbotenproblem populär und rich-tet sich an zusammenhängende Graphen mit Gewichtsfunktion, wobei die Gewichte als Weglänge gedeutet werden können. Mit den Resultaten des ersten Abschnitts lässt sich dieses Problem prinzipiell lösen, die Präsentation eines effizienten Algorithmus ist hin-gegen zu anspruchsvoll, um hier noch Aufnahme zu finden.

Im Fall von Digraphen gehen wir anders vor und beschreiben einen effizienten Algo-rithmus, der Eulertouren nach Wahl aufspannender Senkenbäume erzeugt. Er ermöglicht zusätzlich die Berechnung der Anzahl der verschiedenen Eulertouren in Digraphen (Satz von van Aardenne-Ehrenfest und de Bruijn). Als Anwendung entwickeln wir dieses Ver-fahren im Spezialfall der de Bruijn-Graphen weiter zu einem Algorithmus zur Erzeugung von de Bruijn-Zyklen, die in verschiedenen wissenschaftlichen und technischen Berei-chen eine Rolle spielen.

Im zweiten Teil dieses Kapitels wenden wir uns der Frage nach der Existenz und der algorithmischen Bestimmung von aufspannenden Kreisen, den Hamiltonkreisen zu. Auf den ersten Blick scheint es sich dabei um eine ganz ähnliche Problematik zu handeln. Ihr Zugang wird sich jedoch als erheblich schwieriger herausstellen. Bislang ist weder

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116 Kapitel 3. Eulertouren und Hamiltonkreise

eine einfache Charakterisierung der hamiltonschen Graphen, d.h. solcher Graphen, die einen Hamiltonkreis enthalten, gelungen noch ein effizienter Algorithmus zur Überprü-fung dieser Eigenschaft gefunden worden. Es wird allgemein vermutet, dass dies auch nicht gelingen wird. Demzufolge werden wir hier mit bescheideneren Ergebnissen in der Art notwendiger oder hinreichender Bedingungen zufrieden sein müssen.

Hauptergebnis ist der Satz von Bondy und Chvátal, der im Wesentlichen eine wiederholte Anwendung des Lemmas von Ore darstellt, das seinerseits auf der Knotengradbedingung von Orefür ein Paar nicht benachbarter Knoten fußt: die Summe ihrer Knotengrade ent-spricht mindestens der Anzahl der Knoten insgesamt. Dabei wird das Problem aber nur verlagert auf einen anderen Graphen, den Hamiltonabschluss, von dem man hofft, dass er der Lösung des Problems zugänglicher ist, weil er über zusätzliche Kanten verfügt. Eine Abschwächung in Kauf nehmend liefert der Satz von Chvátal eine unmittelbare hinrei-chende Bedingung für die Existenz eines Hamiltonkreises über die Chvátal-Bedingung für die Gradfolge.

Die algorithmische Behandlung des Hamilton-Problems muss unbefriedigend bleiben, da wir keinen effizienten Algorithmus angegeben können. Der Beweis des Satzes von Bondy-Chvátal ist jedoch konstruktiv, so dass unser darauf aufbauender Algorithmus Bondy-Chvátal bei Kenntnis eines Hamiltonkreises im Hamiltonabschluss eines Gra-phen G nach Eingabe desselben einen Hamiltonkreis in G erzeugt.

In Zusammenhang mit dem Hamilton-Problem stellen wir auch das bekannte Problem des Handelsreisenden(Traveling Salesman Problem) kurz vor.

Ebenfalls knapp werden wir den Digraphenfall des Hamilton-Problems behandeln, wo wir nur Turniere untersuchen. Diese Digraphen, deren unterliegender Graph vollständig ist, sind nicht notwendig hamiltonsch, enthalten aber nach dem Satz von Rédei stets einen aufspannenden Weg, d.h. einen Hamiltonweg. Nach dem Satz von Moon sind die hamil-tonschen Turniere genau die stark zusammenhängenden Turniere.

Nach dem Studium dieses Kapitels sollten Sie die zentralen Begriffe und Ergebnisse wie die Sätze von Euler für Graphen und Digraphen und den Satz von Bondy-Chvátal bzw. das Lemma von Ore sowie ihre Beweismethoden gründlich verstanden haben. Dies gilt ebenso für den Algorithmus von Euler-Tarry und den Algorithmus zur Bestimmung von Eulertouren in Digraphen. Den Satz von van Aardenne-Ehrenfest und de Bruijn sollten Sie in diesem Zusammenhang ebenfalls kennen.

Informiert sein sollten Sie ferner über den Satz von Chvátal sowie die Sätze von Rédei und Moon über Turniere und schließlich über die populären Probleme des Chinesischen Postboten und des Handelsreisenden.

Zurückgestellt werden kann hingegen die nicht ganz einfache Anwendung auf die de Bruijn-Zyklen.

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3.1 Eulertouren in Graphen 117

3.1 Eulertouren in Graphen

Warum Euler?

In seiner 1741 erschienenen Arbeit Solutio problematis ad geometriam situs pertinentis. Commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae 8 (1736), 128 - 140, die als eine der ersten Arbeiten auf dem Gebiet der Graphentheorie gilt, beschäftigte sich der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler mit dem

3.1.1 Königsberger Brückenproblem.

Im 18. Jahrhundert führten in der ostpreußischen Stadt Königsberg 7 Brücken über den Fluss Pregel und seine Seitenarme, den Alten Pregel und den Neuen Pregel, die die ein-zelnen Stadtteile und die zentrale Dominsel, den Kneiphof, untereinander verbanden.

Die Bürger von Königsberg fragten sich nun, ob man einen Rundgang durch ihre Stadt so einrichten könne, dass dabei jede dieser 7 Brücken einmal und nicht mehr als einmal überquert wird.

Euler sah natürlich, dass eine Lösung dieses Problems durch genaues Aufzählen aller möglichen Gänge wegen der großen Zahl der Kombinationen sehr mühsam und für gleichartige, aber kompliziertere Situationen nicht mehr praktikabel wäre, und suchte nach einer sehr viel einfacheren Methode. Sie beruhte darauf, die durch den Fluss Pregel mit seinen beiden Seitenarmen abgetrennten Stadtteile mit Buchstaben A, B, C, D zu bezeichnen und ebenso die verbindenen Brücken mit a, b, c, . . . und führte so implizit den diesem Problem zugrunde liegenden Graphen ein:

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118 Kapitel 3. Eulertouren und Hamiltonkreise A B C D a b c d e f g  Pregel Neuer Pregel Alter Pregel u u u u Q Q Q Q Q Q Q Q Q         A B C D a b c d e f g

Euler zeigte nun in seiner Arbeit, dass es in Königsberg keinen Rundgang der gewünsch-ten Art geben kann, da der zugrunde liegende Graph Knogewünsch-ten ungeraden Grades besitzt.

Im Folgenden werden wir die Fragestellung in der mathematisch gebotenen Allgemein-heit behandeln.

3.1.2 Definition

Sei G = (V, E, ∂) ein Graph und F eine Kantenfolge in G .

F heißt eulerscher Kantenzug in G , falls F jede Kante von G genau einmal enthält. F heißt Eulertour, falls F ein geschlossener eulerscher Kantenzug ist.

Der Graph G heißt eulersch, wenn er eine Eulertour enthält.

Der Graph G heißt gerade, wenn jeder Knoten v ∈ V geraden Knotengrad hat.

3.1.3 Aufgabe

Sei G = (V, E, ∂) ein Graph. L

Zeigen Sie:

(1) Jede Tour ist, aufgefasst als Teilgraph in G , ein gerader Graph.

(2) Ist G gerade und F eine Tour in G mit Kantenmenge EF, so ist auch G0 := G − EF

gerade.

(3) Ist G gerade, so ist jeder nicht über sein Ende hinaus verlängerbare Kantenzug in G (vgl. 2.1.9(6)) eine Tour.

(4) Ist G nichttrivial, zusammenhängend und gerade, so gilt dG(v) ≥ 2 für alle v ∈ V .

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3.1 Eulertouren in Graphen 119

3.1.4 Satz (Euler)

Sei G = (V, E, ∂) ein Graph mit V , ∅. Dann sind äquivalent:

(1) G ist eulersch.

(2) G hat höchstens eine nichttriviale Komponente und diese Komponente ist gegebe-nenfalls Vereinigung paarweise kantendisjunkter Kreise.

(3) G ist gerade und hat höchstens eine nichttriviale Komponente.

Beweis: (3) ⇒ (1): Falls G trivial ist, ist jede triviale Tour eine Eulertour in G und (1) offensichtlich richtig.

Ist G nicht trivial, so sei K die einzige nichttriviale Komponente von G . Da E endlich ist, gibt es in K einen Kantenzug F maximaler Länge `(F). G ist nach (3) gerade, also auch K und somit F nach 3.1.3(3) eine Tour in K .

Angenommen, F , K . Da K zusammenhängend ist, gibt es eine Kante e in K mit ∂(e) = vu und v ∈ F , die nicht in F liegt. Durchlaufen wir F , beginnend und endend bei v und gehen dann über e nach u , so erhalten wir einen Kantenzug F0 in K mit

`(F0) > `(F) , was der Maximalität von `(F) widerspricht.

Folglich ist F = K und F somit eine Eulertour in K und damit in G .

(1) ⇒ (2): Wir beweisen die Aussage durch Induktion nach der Anzahl |E| der Kanten. Für |E|= 0 ist G trivial, also hat G offensichtlich die Eigenschaft (2).

Angenommen, (2) sei richtig für alle Graphen mit höchstens k ≥ 0 Kanten.

Ist |E| = k + 1, so hat G mindestens eine Kante und enthält nach (1) eine nichttriviale Eulertour F . Da F alle Kanten von G enthält, lässt sich F als ein maximaler zusam-menhängender nichtleerer Teilgraph von G und somit als eine nichttriviale Komponente von G auffassen. Da evtl. vorhandene weitere Komponenten von G keine Kanten ent-halten können, sind diese trivial. F ist nach 3.1.3(1) auch gerade, enthält daher nach 3.1.3(4),(5) einen Kreis C = (V0, E0, ∂0). Da C eine Tour ist und F gerade, ist nach 3.1.3(2) auch F0 := F − E0 gerade und damit auch alle nichttrivialen Komponenten von F0, die wegen (3) ⇒ (1) eulersch sind und somit nach Induktionsvoraussetzung Verei-nigungen paarweise kantendisjunkter Kreise. F = F0∪ C ist folglich eine Vereinigung paarweise kantendisjunkter Kreise.

(2) ⇒ (3): Sei v ∈ V . Ist dG(v) , 0 , so liegt v in der einzigen nichttrivialen

Kompo-nente K von G , die nach (2) Vereinigung von paarweise kantendisjunkten Kreisen ist. v liege in maximal l von diesen Kreisen. Da diese Kreise kantendisjunkt sind, inzidiert v pro Kreis mit genau zwei Kanten oder einer Schlinge, und diese kommen in anderen Kreisen nicht vor, so dass dG(v)= dK(v)= 2l gilt und somit G gerade ist. 

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3.3 Hamiltonkreise in Graphen 141

3.3 Hamiltonkreise in Graphen

Hamiltonkreise sind benannt nach dem irischen Mathematiker, Astronomen und Physi-ker Sir William Rowan Hamilton. Hamilton brachte im Jahre 1859 unter dem Namen „Traveller’s Dodecahedron or A Voyage Round The World“ ein Spiel heraus, bei dem es im Wesentlichen darum ging, aufspannende Kreise im Graphen des Dodekaeders zu finden: u u u u u u u u u u u u u u u u u u u u ...... ...... ...... ... ... ... ... ... ... ... ... . ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...

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Die fetten Kanten bilden einen aufspannenden Kreis.

3.3.1 Definition

Sei G ein Graph und F eine Kantenfolge in G .

F heißt Hamiltonweg in G , falls F ein aufspannender Weg in G ist. F heißt Hamiltonkreis in G , falls F ein aufspannender Kreis in G ist. Der Graph G heißt hamiltonsch, wenn er einen Hamiltonkreis enthält.

3.3.2 Bemerkungen und Beispiele

(1) Die Eigenschaft „aufspannend“ bedeutet, jeder Knoten des Graphen wird erreicht (vgl. 1.1.23(2)).

(2) Jeder vollständige Graph G= (V, E) mit mehr als zwei Knoten ist hamiltonsch: Sei n := |V| ≥ 3; man wähle eine Knotennummerierung V = {v1, . . . , vn} und folge den

Kanten ei := vi−1vi, i ∈ {2, . . . , n} und schließlich e := vnv1.

(3) Hingegen sind alle vollständigen Graphen mit gerader Knotenanzahl nicht eulersch, da ihre Knotengrade ungerade sind.

Umgekehrt gibt es eulersche Graphen, die nicht hamiltonsch sind: z.B. Graphen, die aus zwei Kreisen der Länge mindestens 2 bestehen mit genau einem gemeinsamen Knoten.

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142 Kapitel 3. Eulertouren und Hamiltonkreise

(4) Ist G ein Graph und C ein Hamiltonkreis in G, so ist C − e für jede Kante e ∈ C ein Hamiltonweg in G .

Umgekehrt gibt es allerdings Graphen, die einen Hamiltonweg enthalten, aber keinen Hamiltonkreis. Jeder Weg ist ein solcher Graph.

(5) Sei G= (V, E, ∂) ein Graph, |V| ≥ 2, x < V und {ev | v ∈ V} ∩ E = ∅.

Wir definieren G∗ := (V∗, E∗, ∂∗) durch V:= V ∪ {x}, E∗ := E ∪ {e

v | v ∈ V} und

∂∗(e) := ∂(e) für e ∈ E, ∂(e

v) := vx für alle v ∈ V.

G enthält genau dann einen Hamiltonweg, wenn G∗ einen Hamiltonkreis enthält. Beweis: Ist W ein v, w -Hamiltonweg in G , so ist v , w und C := x, ev, W, ew, x ein

Hamiltonkreis in G∗.

Ist C ein Hamiltonkreis in G∗, so ist C − x ein Hamiltonweg in G .  Damit lassen sich Ergebnisse über die Existenz von Hamiltonkreisen in solche über die Existenz von Hamiltonwegen umdeuten.

3.3.3 Aufgabe Zeigen Sie: L

(1) Ist G hamiltonsch und v ein Knoten von G , so ist G − v zusammenhängend. (2) Ist G ein bipartiter hamiltonscher Graph, so gilt |V1| = |V2| für jede Bipartition

(V1, V2) von G .

3.3.4 Definition und Aufgabe

u u u u u u u u u u ...... ...... ...... ...... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ......... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...... v4 v3 v5 v2 v1 v9 v8 v10 v7 v6 G heißt Petersen-Graph.

Untersuchen Sie, ob der Petersen-Graph G einen Hamiltonkreis enthält. L

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3.3 Hamiltonkreise in Graphen 143

Die Frage nach der Existenz eines Hamiltonkreises in einem Graphen G ist zwar in ge-wisser Weise analog zur Frage nach einer Eulertour in G − es handelt sich in beiden Fällen um Durchlaufungsprobleme − , jedoch ist diese Ähnlichkeit nur vordergründig. Wir haben mit dem Satz von Euler 3.1.4 eine sehr einfache vollständige Charakterisie-rung für eulersche Graphen und mit dem Algorithmus Euler-Tarry einen sehr effizienten (weil linearen) Algorithmus zum Auffinden einer Eulertour in einem eulerschen Graphen angegeben. Entsprechende Ergebnisse für hamiltonsche Graphen werden uns hier nicht möglich sein. Es handelt sich um schwierige, derzeit noch ungelöste Probleme. Allge-mein wird angenommen, dass sich für die Lösung des Hamilton-Problems der Ent-scheidung, ob ein Graph hamiltonsch ist oder nicht, kein effizienter (d.h. polynomialer) Algorithmus finden lässt. Im Folgenden werden Sie einige notwendige bzw. hinreichende Bedingungen für hamiltonsche Graphen kennen lernen.

3.3.5 Bemerkung

Offensichtlich ist ein Graph G mit mehr als zwei Knoten genau dann hamiltonsch, wenn sein unterliegender schlichter Graph S (G) (vgl. 1.1.9) hamiltonsch ist.

Hamiltonsche Graphen mit höchstens zwei Knoten sind ein Graph mit einem Knoten und mindestens einer Schlinge und ein Graph mit zwei Knoten und mindestens zwei parallelen Kanten; die jeweiligen unterliegenden schlichten Graphen sind indes nicht ha-miltonsch. Bis auf diese ziemlich uninteressanten Typen können wir uns daher in diesem Abschnitt des Kurses i.W. auf die Untersuchung schlichter Graphen beschränken.

3.3.6 Proposition

Ist G = (V, E, ∂) ein hamiltonscher Graph und U ⊆ V mit U , ∅, so hat G − U höchs-tens |U| Komponenten.

Beweis: Die Behauptung ist offensichtlich richtig für hamiltonsche Graphen mit höchs-tens zwei Knoten.

Sei n := |V| ≥ 3, C ein Hamiltonkreis in G mit Knotenspur v1, . . . , vn, v1, ∅ , U ⊆ V

und C1, . . . , Cr, r ≥ 2 die Komponenten von G − U (der Fall r < 2 ist trivial).

Wir definieren nun vn+1 := v1, ik := max{ i ∈ {1, . . . , n} | vi ∈ Ck und vi+1 < Ck} für

k ∈ {1, . . . , r} und U := {u ∈ U | es gibt ein i ∈ {1, . . . , n} mit u = vi+1und vi < U} .

Für jedes k ∈ {1, . . . , r} gilt vik ∈ Ck ⊂ G − U und vik+1 < Ck, also vik+1 ∈ U, da

an-dernfalls vik und vik+1 in G − U benachbart wären, was vik+1< Ck widerspricht. Wegen

vik < U gilt sogar vik+1∈ U.

Für 1 ≤ k < l ≤ r gilt ik , il, da Ck und Cl als Komponenten von G − U

disjunkt sind. Die vik+1, k ∈ {1, . . . , r} sind daher paarweise verschieden und somit

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144 Kapitel 3. Eulertouren und Hamiltonkreise 3.3.7 Bemerkung G1 u u u u u u u u ... ... ... ... ...... ............... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...... ...... ... ... ... .... G2 u u u u u u u ...... ...... ...... ...... ...... ...... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...

Diese beiden Graphen sind nicht hamiltonsch. G1 ist bipartit und ein Beispiel dafür, dass

L

die notwendige Bedingung in 3.3.3(2) nicht hinreichend ist. G2 zeigt, dass die

notwen-dige Bedingung in 3.3.6 nicht hinreichend ist.

Die Idee, durch Verschärfung der notwendigen Bedingung aus 3.3.6 eine hinreichende Bedingung zu gewinnen, führt zum Begriff der Robustheit eines Graphen:

Sei t eine positive reelle Zahl.

Ein zusammenhängender Graph G = (V, E, ∂) heißt t-robust (engl. t-tough), falls für jedes ∅ , U ⊆ V mit G − U nicht zusammenhängend t·c(G − U) ≤ |U| gilt.

t(G) := max{ t | G t-robust} heißt Robustheit von G .

Proposition 3.3.6 lässt sich nun so formulieren: Jeder hamiltonsche Graph ist 1-robust. Die Robustheitsvermutung von Chvàtal (1973) besagt:

Es gibt eine Konstante t , so dass jeder Graph G mit t(G) ≥ t hamiltonsch ist.

Einige Zeit hatte man erwartet, diese Vermutung wäre wahr für t = 2, was inzwischen aber widerlegt wurde.

Wir kommen nun zu einigen hinreichenden Bedingungen für hamiltonsche Graphen.

3.3.8 Lemma (Ore)

Sei G = (V, E) ein schlichter Graph und v , w zwei verschiedene, nicht benachbarte Knoten, deren Knotengradsumme größer oder gleich der Anzahl der Knoten von G ist, d.h. die die folgende Knotengradbedingung von Ore erfüllen:

( ∗ ) d(v)+ d(w) ≥ |V| Dann sind äquivalent:

(1) G ist hamiltonsch.

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3.3 Hamiltonkreise in Graphen 145

Beweis: (1) ⇒ (2): Klar, da das Hinzufügen einer Kante an der Existenz eines Hamil-tonkreises nichts ändert.

(2) ⇒ (1): Sei C+ ein Hamiltonkreis in G+ vw. Wir nehmen an, vw ist eine Kante in C+, denn andernfalls ist C+ ein Hamiltonkreis in G und wir sind fertig.

Um einen Hamiltonkreis C in G zu erhalten, werden wir eine kleine Änderung im Ha-miltonkreis C+ von G+ vw vornehmen, um die Kante vw zu vermeiden. Dazu num-merieren wir die Knoten von G so, dass v1, v2, . . . , vn, v1 die Knotenspur von C+ ist

mit v1 = v und vn = w, und hoffen auf die Existenz von „Überkreuzkanten“ vvi+1 und

wvi, i ∈ {2, . . . , n − 2} in G , so dass wir durch Austauschen von vw und vivi+1 gegen

vvi+1 und wvi einen Hamiltonkreis C in G erhalten. Zum Nachweis der Existenz

sol-cher Kanten suchen wir in der Menge E0 := {e ∈ E | e ∩ vw , ∅} aller Kanten von G ,

die entweder mit v oder mit w inzident sind, und betrachten dazu die Abbildung

f : E0 −→ V \ {w} mit f (e) :=          vi, falls e= wvi, vi−1, falls e = vvi.

f ist wohldefiniert, da G schlingenfrei und v, w in G nicht benachbart sind.

Da G schlicht ist und v, w nicht benachbart sind, gilt außerdem |E0|= d(v) + d(w), also nach der Knotengradbedingung von Ore |E0| ≥ |V| > |V \ {w}| .

Es gibt daher ein vi ∈ V \ {w} und e1, e2 ∈ E0 mit e1 , e2 und f (e1)= f (e2)= vi.

Da G keine parallelen Kanten hat, gilt nach geeigneter Wahl der Nummerierung der ej,

j ∈ {1, 2}, e1 = wvi, e2= vvi+1∈ E und i ∈ {2, . . . , n − 2}.

Wir fügen e1 und e2 in C+ ein, entfernen dafür vw und vivi+1, und erhalten einen

Hamiltonkreis C in G mit der Knotenspur v, vi+1, . . . , vn−1, w, vi, . . . , v2, v .

...... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ......u u vw w v C+ ...... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ......u u vw w v u u vivi+1 vi vi+1 ...... ...... ... ... ... e2 e 1 C++ {e1, e2} ...... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... u u w v u u vi vi+1 ...... ...... ... ... ... e2 e 1 C  3.3.9 Lemma

Sei G = (V, E) ein schlichter Graph und C(G) = (V, E0) ein Graph, der aus G hervor-geht durch fortgesetztes Hinzufügen einer zusätzlichen Kante, die ein Paar von verschie-denen, bislang nicht benachbarten Knoten verbindet, sofern sie die Knotengradbedin-gung von Ore erfüllen, bis kein solches Knotenpaar mehr übrig ist.

Dann ist C(G) schlicht und durch G eindeutig bestimmt, d.h. C(G) hängt nicht von der Wahl bzw. der Reihenfolge der hinzugefügten Kanten ab.

(30)

146 Kapitel 3. Eulertouren und Hamiltonkreise

Beweis: Die Schlichtheit von C(G) ist klar, da weder Schlingen noch parallele Kanten erzeugt werden.

Seien e1, . . . , er und e1, . . . , es Folgen von zusätzlichen Kanten, so dass sowohl G1 :=

(· · · ((G+ e1)+ e2)+ · · · + er) als auch G2 := (· · · ((G + e1)+ e2)+ · · · + es) nach dem

Konstruktionsprinzip für C(G) entstanden sind.

Wir zeigen durch Induktion nach der Nummerierung der Kanten, dass e1, . . . , es Kanten

von G1 sind.

Die Aussage ist für k = 1 richtig: Die Randknoten von e1 müssen die

Knotengrad-bedingung von Ore bzgl. G erfüllt haben. Da G1 durch Hinzufügen von Kanten aus

G hervorgeht und die Knotengrade sich daher höchstens erhöhen können, erfüllen die Randknoten von e1 auch die Knotengradbedingung von Ore bzgl. G1. Dann muss aber

e1 eine Kante von G1 sein.

Angenommen, k ∈ {2, . . . , s} und die Behauptung ist richtig für e1, . . . , ek−1.

Dann müssen die Randknoten von ek die Knotengradbedingung von Ore bzgl. der

Er-weiterung (· · · ((G+ e1)+ e2)+ · · · + ek−1) erfüllen und wegen der Induktionsannahme

gilt mit der entsprechenden Begründung wie im Fall k = 1: ek ist eine Kante von G1.

Damit ist die Behauptung bewiesen und es folgt daraus G2 ⊆ G1.

Entsprechend zeigt man G1 ⊆ G2 und somit gilt G1 = G2. 

3.3.10 Definition

Sei G = (V, E) ein schlichter Graph.

Der nach 3.3.9 wohldefinierte schlichte Graph C(G) heißt Hamiltonabschluss von G .

3.3.11 Satz (Bondy, Chvátal)

Sei G = (V, E) ein schlichter Graph.

G ist hamiltonsch genau dann, wenn sein Hamiltonabschluss C(G) hamiltonsch ist. Beweis: Fortgesetztes Anwenden des Lemmas von Ore. 

Der Satz von Bondy-Chvátal sieht zwar auf den ersten Blick aus wie eine Charakterisie-rung hamiltonscher Graphen, aber verlagert er nicht lediglich das Hamilton-Problem auf einen anderen Graphen?

Der Nutzen dieses Satzes liegt darin, dass der Hamiltonabschluss über zusätzliche Kan-ten verfügt, was das gestellte Entscheidungsproblem vereinfachen kann.

Ist z.B. der Hamilonabschluss C(G) eines schlichten Graphen G mit mehr als zwei Kno-ten vollständig, so ist nach 3.3.2(2) C(G) und nach 3.3.11 auch G hamiltonsch. Beispiele hierfür sind die in den folgenden Korollaren angesprochenen Typen von Graphen.

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4 Zyklenraum und Schnittraum

4.0 Einleitung

Die Algebraische Graphentheorie behandelt graphentheoretische Probleme mit algebrai-schen Methoden. Kam die (Lineare) Algebra in den ersten drei Kapiteln bereits spora-disch als Hilfmittel zum Einsatz, soll dieses vierte Kapitel dem Leser einen intensiveren Einblick in eines der Themen aus diesem Zweig der Graphentheorie geben.

Im ersten Abschnitt „entdecken“ wir nach und nach die in einem Graphen verborgene algebraische Struktur durch die Untersuchung gewisser Objekte: Zykeln, Minimalzyklen (=Kreise), Schnitte (=Kozyklen) und Minimalschnitte (=Kokreise). Dabei handelt es sich zunächst um Kantenteilmengen des betrachteten Graphen.

Mit der Mengenoperation der symmetrischen Differenz M + N = (M \ N) ∪ (N \ M) für Teilmengen M, N einer festen Obermenge X wird die Potenzmenge 2X zu einer

abel-schen Gruppe, also auch zu einem F2-Vektorraum 2X.

Für einen Graphen G = (V, E, ∂) haben wir so zunächst den binären Knotenvektorraum 2V und den binären Kantenvektorraum 2E. In 2E bilden nun die Menge der Zykeln in G einen Teilraum, den binären Zyklenraum Z2(G), und die Menge der Schnitte in G den

binären Schnittraum S2(G). Das Adjektiv „binär“ bezieht sich dabei auf den

Grundkör-per F2 = {0, 1}.

Als erstes stellen wir fest, dass Z2(G) und S2(G) zueinander orthogonale Teilräume

sind. Im nächsten Schritt wird dargestellt, wie nach Wahl eines G aufspannenden Wal-des T mit graphentheoretischen Methoden Basen von Z2(G) und S2(G) konstruiert

werden können, die nur aus Kreisen bzw. Kokreisen bestehen. Wir nennen sie daher Kreisfundamentalsystembzw. Kokreisfundamentalsystem in G bzgl. T.

Mit der Einführung der binären Randabbildung b : 2E −→ 2V bzw. binären Korand-abbildung bt : 2V −→ 2E machen wir einen weiteren wichtigen Schritt zur Algebrai-sierung. Die binäre Randabbildung b kann i.W. als lineare Erweiterung der Inzidenzab-bildung ∂ angesehen werden, und ihre darstellende Matrix bezüglich der kanonischen Basen E von 2E und V von 2V ist gerade die Inzidenzmatrix B mod 2, wodurch die Randabbildung die gesamte Information des Graphen (bis auf die Randknoten von Schlingen) beinhaltet. Letzteres gilt auch für die Korandabbildung bt, deren darstellende Matrix bzgl. V und E gerade (B mod 2)t ist.

Ein erstes zentrales Ergebnis ist hier die Übereinstimmung des Zyklenraumes mit dem Kern der Randabbildung bzw. des Schnittraumes mit dem Bild der Korandabbildung. Bis dahin war es möglich, dank der Festlegung auf den Grundkörper F2 die algebraische

Interpretation gewisser struktureller Eigenschaften von Graphen auf die den Graphen angemessene Weise anschaulich mengentheoretisch zu realisieren. Diese Festlegung ist

(33)

168 Kapitel 4. Zyklenraum und Schnittraum

nicht mehr haltbar, wenn wir z.B. Digraphen mit algebraischen Methoden behandeln wollen, da mit der Charakteristik 2 des Grundkörpers die Orientierung der Bögen unter-drückt wird. Wir kommen schon deswegen nicht umhin, F2 zu ersetzen, und entwickeln

die Theorie für einen beliebigen Grundkörper K. Das geht jetzt im zweiten Abschnitt nicht mehr mit graphentheoretischen Methoden wie im ersten Abschnitt, die Resultate wären sonst zu denen des ersten Abschnitt teilweise unverträglich. Vielmehr werden die Konflikte dadurch gelöst, dass wir mit Digraphen statt mit Graphen arbeiten und die Li-neare Algebra von vorn herein mit voller Stärke zum Einsatz bringen. Den Graphenfall erhält man einfach durch die Wahl einer beliebigen Orientierung. Die Ergebnisse des ersten Abschnitt sind dabei Grundlage und Orientierung, so dass wir sie für K = F2

be-stätigt sehen, im Übrigen analoge Resultate auf allgemeinerer Basis erhalten.

Ist die Charakteristik von K gleich 0, erhalten wir sogar weitergehende Aussagen, wie z.B. dass Zyklenraum und Schnittraum zueinander orthogonale Komplemente sind. Wir treiben die Lineare Algebra dabei soweit, bis wir in der Lage sind, die Basen der frag-lichen Teilräume des Knoten- bzw. Bogenvektorraums mit elementaren algebraischen Mitteln (Gauß-Algorithmus) zu bestimmen.

Dieser recht abstrakte Ansatz schließt Anwendungen keineswegs aus, im Gegenteil. Im dritten Abschnitt beschränken wir uns allerdings auf einen Einblick in die Theorie elek-trischer Netzwerke, die auf Gustav Robert Kirchhoff (Mitte des 19. Jhs.) zurückgeht. Der letzte Abschnitt ist lediglich ein kleiner Exkurs über Matroide, aus Platzgründen oh-ne Beweise, in dem der Leser auf eioh-ne den Begriff „Abhängigkeit“ bzw. „Unabhängig-keit“ bei Matrizen und Graphen vereinheitlichende Theorie aufmerksam gemacht werden soll. Insbesondere für die wiederholt angesprochene „Dualität“ erhält man hier einen be-friedigenden abstrakten Rahmen und hoffentlich ein vertieftes Verständnis.

Obgleich sich die wichtigsten Ergebnisse dieser Kurseinheit im Abschnitt 4.2 befinden, werden diese ohne gründliches Studium des Abschnitts 4.1 nicht leicht verdaulich sein. Sie haben in 4.1 die Gelegenheit, Ihre Anschauung zu entwickeln, bevor Sie eine höhere Abstraktionsstufe in Angriff nehmen. Beide Abschnitte stehen in einem engen Zusam-menhang, der zweite verallgemeinert und erweitert die Resultate des ersten. Wer mit der Linearen Algebra über beliebigen Körpern noch wenig vertraut ist, kann in 4.2 getrost erst einmal K = R setzen und auf seine Kenntnisse aus dem Kurs 01143 Lineare Algebra zurückgreifen.

Der Abschnitt über die Analyse einfacher elektrischer Netzwerke hat vor allem das Ziel, Sie exemplarisch von der fruchtbare Wechselbeziehung zwischen Theorie und Anwen-dung zu überzeugen.

Den kleinen Exkurs über Matroide können Sie als Anhang betrachten und ohne weite-res zurückstellen. Die Rolle, die Matroide für die Graphentheorie spielen können, geht allerdings weit über das hier Angedeutete hinaus.

(34)
(35)

4.2 Zyklenraum und Schnittraum in Digraphen (und Graphen) 189

wegen m = |X| = dim KX

eine Basis von KX. Es folgt U ⊕ U⊥= KX.



Im Folgenden sei, sofern nichts anderes gesagt wird, stets ein beliebiger Körper K zu-grunde gelegt, auf den sich alle in diesem Abschnitt behandelten Begriffe der Linearen Algebra beziehen.

4.2.7 Definition

Sei D= (V, E, ∂) ein Digraph.

(1) C0(D) := KV heißt Knotenvektorraum von D über K.

(2) C1(D) := KE heißt Bogenvektorraum von D über K.

4.2.8 Definition

Sei D= (V, E, ∂) ein Digraph.

(1) Unter der Randabbildung b : C1(D) −→ C0(D) von D verstehen wir die durch

E −→ C0(D), e 7−→ v−w = v − w für e ∈ E mit ∂(e) = (v, w)

eindeutig bestimmte lineare Erweiterung (vgl. dazu Kurs 01141, 8.4.1) auf C1(D) .

(2) Unter der Korandabbildung bt : C

0(D) −→ C1(D) von D verstehen wir die durch

V −→ C1(D), v 7−→ P e∈E+(v) e− P e∈E−(v) e = P e∈E+(v) e − P e∈E−(v) e für v ∈ V eindeutig bestimmte lineare Erweiterung auf C0(D) .

4.2.9 Definition

Sei D= (V, E, ∂) ein Digraph. Dann heißen (1) Z(D) := Kern b der Zyklenraum von D, (2) S(D) := Bild bt der Schnittraum von D.

4.2.10 Bemerkung (vgl. 4.1.29)

(1) Sei D = (V, E, ∂) ein Digraph mit der Menge L seiner Schlingen, den nummerierten Knoten- bzw. Bogenmengen V = {v1, . . . , vn}, E = {e1, . . . , em}, sowie der

Inzidenzma-trix B= (bi j) bzgl. dieser Nummerierungen.

Dann gilt für i ∈ {1, . . . , n}, j ∈ {1, . . . , m} und für ej ∈ E mit ∂(ej)= (v, w)

b(ej)(vi)= (v−w)(vi)= v(vi) − w(vi) =              1 für vi = v , w, −1 für vi = w , v, 0 sonst =              1 für ej ∈ E+(vi) \ L, −1 für ej ∈ E−(vi) \ L, 0 sonst = bi j,

(36)

190 Kapitel 4. Zyklenraum und Schnittraum bt(vi)(ej)= ( P e∈E+(vi) e− P e∈E−(v i) e)(ej)= P e∈E+(vi) e(ej) − P e∈E−(v i) e(ej) =              1 für ej ∈ E+(vi) \ L, −1 für ej ∈ E−(vi) \ L, 0 sonst = bi j, d.h. insbesondere

bt(v)(e)= b(e)(v) für alle v ∈ V und e ∈ E.

Für die Matrixdarstellung von b bzw. bt bzgl. der kanonischen Basen V von C

0(D) und

E von C1(D) über dem Körper K bedeutet dies

VME(b)= (bi j)= B bzw. EMV(bt)= (bji)= Bt.

Bezüglich der kanonischen Basen ist im Fall von Digraphen die darstellende Matrix der Korandabbildung demnach wie in 4.1.29 gerade die Transponierte der darstellenden Ma-trix der Randabbildung.

(2) Mit der Notation von (1) induzieren die Matrizen B und Bt lineare Abbildungen

(vgl. Kurs 01141 (Mathematische Grundlagen), 8.1.2(a)) fB : Km −→ Kn, fBt : Kn −→ Km, fB((a1, . . . , am)t) := B(a1, . . . , am)t = ( m P j=1 b1 jaj, . . . , m P j=1 bn jaj)t, fBt((c1, . . . , cn)t) := Bt(c1, . . . , cn)t = ( n P i=1 bi1ci, . . . , n P i=1 bimci)t.

Nach 4.2.3(3) sind ιV : Kn −→ KV = C0(D) und ιE : Km −→ KE = C1(D) K

-Vektor-raumisomorphismen und ihre Inversen sind gegeben durch ι−1 E (ej)= ε (m) j , also ι −1 E ( f )= ( f (e1), . . . , f (em))t für f ∈ KE bzw. ι−1 V (vi)= ε (n) i , also ι −1 V (g)= (g(v1), . . . , g(vn)) t für g ∈ KV.

Wir erhalten dadurch kommutative Diagramme von linearen Abbildungen

C1(D) = KE ... . b KV = C0(D) ιE ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ι−1 E ιV ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ι−1 V Km ... fB K n C0(D) = KV ... . bt KE = C1(D) ιV ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ι−1 V ιE ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ι−1 E , Kn ... fBt K m d.h. b= ιV ◦ fB◦ι−1E und fB = ι−1V ◦ b ◦ιE bzw. bt = ι E ◦ fBt ◦ι−1 V und fBt = ι −1 E ◦ b tι V.

Den Beweis dieser Gleichungen sollten Sie selbst durchführen. L

(3) Die folgende Proposition zeigt, dass bt die zu b adjungierte lineare Abbildung ist (vgl. 4.1.30(3) und 4.1.29).

(37)

4.2 Zyklenraum und Schnittraum in Digraphen (und Graphen) 191

Bei den Namensgebungen in 4.2.8 wurde dieser Dualismus mit dem Präfix Ko- gewür-digt und sie korrespondieren auch mit den entsprechenden Begriffsbildungen in der Al-gebraischen Topologie (Homologie und Kohomologie), wo diese Konzepte verallgemei-nert werden. Würde man diese Analogie in die Namensgebung der Teilräume Bild b, Kern bt und Bild bt einfließen lassen, müsste man sie „Randraum“, „Kozykelraum“ und

„Korandraum“ nennen. In der Theorie der Matroide (vgl. 4.4) sind aber nicht die Ele-mente von Kern bt, sondern diejenigen von Bild bt dual zu den Zyklen, werden also mit

einigem Recht Kozyklen genannt (vgl. 4.1.2(4)). Um hier keinen Beitrag zur weiteren Begriffsverwirrung zu leisten, unterlassen wir eine weitere Namensgebung für Bild b, Kern bt und Bild bt.

4.2.11 Proposition

Sei D= (V, E, ∂) ein Digraph. Dann gilt h f, bt(g)i

E = hb( f ), giV für alle f ∈ C1(D) und g ∈ C0(D).

Beweis: Wegen der Linearität von b und bt sowie der Bilinearität von h·, ·iE und h·, ·iV

genügt es, die Behauptung lediglich für Basiselemente e ∈ E bzw. v ∈ V zu zeigen. Es gilt nach 4.2.10(1) bt(v)(e)= b(e)(v) für alle e ∈ E und v ∈ V, folglich

he, bt

(v)iE = P e0∈Ee(e

0

) · bt(v)(e0)= bt(v)(e)= b(e)(v) = P

v0∈Vb(e)(v

0

) · v(v0)

= hb(e), viV. 

4.2.12 Satz

Sei D= (V, E, ∂) ein Digraph, r := c(U(D)) und D[Vi], i ∈ {1, . . . , r} die Komponenten

von D. Dann ist P

v∈V1

v, . . . , P

v∈Vr

v eine Basis von Kern bt.

Beweis: Für ein P

v∈Vβvv ∈ C0(D) und ein e ∈ E mit ∂(e) = (ve, we) gilt

bt(P v∈V βvv)(e)= P v∈V βvbt(v)(e)= P v∈V βvb(e)(v)= P v∈V βv(ve −we)(v) = P v∈V (βvve(v) − βvwe(v))= P v∈V βvve(v) − P v∈V βvwe(v) = βve −βwe. Es folgt P v∈V βvv ∈Kern bt ⇔ bt(P v∈V βvv)= 0 ⇔ βve = βwe für alle e ∈ E.

Für je zwei in U(D) verbindbare Knoten v0 und v00 folgt daher induktiv βv0 = βv00, d.h.

es gibt für jedes i ∈ {1, . . . , r}, also für jede Komponente D[Vi], ein βi ∈ K mit βv = βi

(38)

192 Kapitel 4. Zyklenraum und Schnittraum Kern bt = Pr i=1 βi(P v∈Vi v) | βi ∈ K für alle i ∈ {1, . . . , r} . P v∈V1 v, . . . , P v∈Vr

v ist demnach ein Erzeugendensystem von Kern bt. Diese Vektoren sind aber auch linear unabhängig, da aus

r P i=1 β0 i( P v∈Vi v) = 0 und β0 v := β 0 i für alle v ∈ Vi und i ∈ {1, . . . , r} 0= r P i=1 β0 i( P v∈Vi v)= r P i=1 (P v∈Vi β0 iv)= P v∈V β0 vv gilt, d.h. β0

v = 0 für alle v ∈ V, da V eine Basis von C0(D) ist, und damit β0i = 0 für alle

i ∈ {1, . . . , r}. 

4.2.13 Korollar

Sei D= (V, E, ∂) ein Digraph. Dann gilt: (1) dim C0(D)= |V|.

(2) dim C1(D)= |E|.

(3) dim Kern bt = c(U(D)).

(4) dim Bild bt = |V| − c(U(D)). (5) dim Bild b = |V| − c(U(D)). (6) dim Kern b= |E| − |V| + c(U(D)). Beweis: (1) und (2) folgen aus 4.2.3(2). (3) folgt aus 4.2.12.

(4) folgt aus (1), (3) und der Dimensionsformel für lineare Abbildungen: dim Bild bt = dim C

0(D) − dim Kern bt = |V| − c(U(D)).

(5) folgt aus (4) in 4.2.10(1):

dim Bild b= Rg(VME(b))= Rg(B) = Rg(Bt)= Rg(EMV(bt))= dim Bild bt

= |V| − c(U(D)).

(6) folgt wieder aus der Dimensionsformel für lineare Abbildungen sowie (2) und (5): dim Kern b = dim C1(D) − dim Bild b= |E| − (|V| − c(U(D)))

= |E| − |V| + c(U(D)). 

4.2.14 Korollar

Sei D= (V, E, ∂) ein Digraph.

(1) In C1(D) gilt Kern b= (Bild bt)⊥ und (Kern b)⊥= Bild bt.

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