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DieAlgebraische Graphentheoriebehandelt graphentheoretische Probleme mit algebrai-schen Methoden. Kam die (Lineare) Algebra in den ersten drei Kapiteln bereits spora-disch als Hilfmittel zum Einsatz, soll dieses vierte Kapitel dem Leser einen intensiveren Einblick in eines der Themen aus diesem Zweig der Graphentheorie geben.

Im ersten Abschnitt „entdecken“ wir nach und nach die in einem Graphen verborgene algebraische Struktur durch die Untersuchung gewisser Objekte:Zykeln,Minimalzyklen (=Kreise), Schnitte (=Kozyklen) und Minimalschnitte (=Kokreise). Dabei handelt es sich zunächst um Kantenteilmengen des betrachteten Graphen.

Mit der Mengenoperation dersymmetrischen Differenz M+N = (M\N)∪(N\M) für Teilmengen M,N einer festen Obermenge X wird die Potenzmenge 2X zu einer abel-schen Gruppe, also auch zu einem F2-Vektorraum 2X.

Für einen Graphen G = (V,E, ∂) haben wir so zunächst denbinären Knotenvektorraum 2V und denbinären Kantenvektorraum 2E. In 2E bilden nun die Menge der Zykeln inG einen Teilraum, den binären Zyklenraum Z2(G), und die Menge der Schnitte in G den binären Schnittraum S2(G). Das Adjektiv „binär“ bezieht sich dabei auf den Grundkör-per F2 ={0,1}.

Als erstes stellen wir fest, dass Z2(G) und S2(G) zueinander orthogonale Teilräume sind. Im nächsten Schritt wird dargestellt, wie nach Wahl eines G aufspannenden Wal-des T mit graphentheoretischen Methoden Basen von Z2(G) und S2(G) konstruiert werden können, die nur aus Kreisen bzw. Kokreisen bestehen. Wir nennen sie daher Kreisfundamentalsystembzw.Kokreisfundamentalsystemin G bzgl. T.

Mit der Einführung der binären Randabbildung b : 2E −→ 2V bzw. binären Korand-abbildung bt : 2V −→ 2E machen wir einen weiteren wichtigen Schritt zur Algebrai-sierung. Die binäre Randabbildung b kann i.W. als lineare Erweiterung der Inzidenzab-bildung ∂ angesehen werden, und ihre darstellende Matrix bezüglich der kanonischen Basen E von 2E und V von 2V ist gerade die Inzidenzmatrix B mod 2, wodurch die Randabbildung die gesamte Information des Graphen (bis auf die Randknoten von Schlingen) beinhaltet. Letzteres gilt auch für die Korandabbildung bt, deren darstellende Matrix bzgl. V und E gerade (Bmod 2)t ist.

Ein erstes zentrales Ergebnis ist hier die Übereinstimmung des Zyklenraumes mit dem Kern der Randabbildung bzw. des Schnittraumes mit dem Bild der Korandabbildung.

Bis dahin war es möglich, dank der Festlegung auf den Grundkörper F2 die algebraische Interpretation gewisser struktureller Eigenschaften von Graphen auf die den Graphen angemessene Weise anschaulich mengentheoretisch zu realisieren. Diese Festlegung ist

167

168 Kapitel 4. Zyklenraum und Schnittraum

nicht mehr haltbar, wenn wir z.B. Digraphen mit algebraischen Methoden behandeln wollen, da mit der Charakteristik 2 des Grundkörpers die Orientierung der Bögen unter-drückt wird. Wir kommen schon deswegen nicht umhin, F2 zu ersetzen, und entwickeln die Theorie für einen beliebigen Grundkörper K. Das geht jetzt im zweiten Abschnitt nicht mehr mit graphentheoretischen Methoden wie im ersten Abschnitt, die Resultate wären sonst zu denen des ersten Abschnitt teilweise unverträglich. Vielmehr werden die Konflikte dadurch gelöst, dass wir mit Digraphen statt mit Graphen arbeiten und die Li-neare Algebra von vorn herein mit voller Stärke zum Einsatz bringen. Den Graphenfall erhält man einfach durch die Wahl einer beliebigen Orientierung. Die Ergebnisse des ersten Abschnitt sind dabei Grundlage und Orientierung, so dass wir sie für K =F2 be-stätigt sehen, im Übrigen analoge Resultate auf allgemeinerer Basis erhalten.

Ist die Charakteristik von K gleich 0, erhalten wir sogar weitergehende Aussagen, wie z.B. dass Zyklenraum und Schnittraum zueinander orthogonale Komplemente sind.

Wir treiben die Lineare Algebra dabei soweit, bis wir in der Lage sind, die Basen der frag-lichen Teilräume des Knoten- bzw. Bogenvektorraums mit elementaren algebraischen Mitteln (Gauß-Algorithmus) zu bestimmen.

Dieser recht abstrakte Ansatz schließt Anwendungen keineswegs aus, im Gegenteil. Im dritten Abschnitt beschränken wir uns allerdings auf einen Einblick in die Theorie elek-trischer Netzwerke, die aufGustav Robert Kirchhoff (Mitte des 19. Jhs.) zurückgeht.

Der letzte Abschnitt ist lediglich ein kleiner Exkurs über Matroide, aus Platzgründen oh-ne Beweise, in dem der Leser auf eioh-ne den Begriff„Abhängigkeit“ bzw. „Unabhängig-keit“ bei Matrizen und Graphen vereinheitlichende Theorie aufmerksam gemacht werden soll. Insbesondere für die wiederholt angesprochene „Dualität“ erhält man hier einen be-friedigenden abstrakten Rahmen und hoffentlich ein vertieftes Verständnis.

Obgleich sich die wichtigsten Ergebnisse dieser Kurseinheit im Abschnitt 4.2 befinden, werden diese ohne gründliches Studium des Abschnitts 4.1 nicht leicht verdaulich sein.

Sie haben in 4.1 die Gelegenheit, Ihre Anschauung zu entwickeln, bevor Sie eine höhere Abstraktionsstufe in Angriffnehmen. Beide Abschnitte stehen in einem engen Zusam-menhang, der zweite verallgemeinert und erweitert die Resultate des ersten. Wer mit der Linearen Algebra über beliebigen Körpern noch wenig vertraut ist, kann in 4.2 getrost erst einmal K=R setzen und auf seine Kenntnisse aus dem Kurs 01143 Lineare Algebra zurückgreifen.

Der Abschnitt über die Analyse einfacher elektrischer Netzwerke hat vor allem das Ziel, Sie exemplarisch von der fruchtbare Wechselbeziehung zwischen Theorie und Anwen-dung zu überzeugen.

Den kleinen Exkurs über Matroide können Sie als Anhang betrachten und ohne weite-res zurückstellen. Die Rolle, die Matroide für die Graphentheorie spielen können, geht allerdings weit über das hier Angedeutete hinaus.

Hier fehlen die Seiten 169 bis 188

4.2 Zyklenraum und Schnittraum in Digraphen (und Graphen) 189

wegen m=|X|= dimKX eine Basis von KX. Es folgt U⊕U= KX. Im Folgenden sei, sofern nichts anderes gesagt wird, stets ein beliebiger Körper K zu-grunde gelegt, auf den sich alle in diesem Abschnitt behandelten Begriffe der Linearen Algebra beziehen.

4.2.7 Definition

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph.

(1) C0(D) :=KV heißtKnotenvektorraumvon D über K. (2) C1(D) :=KE heißtBogenvektorraumvon D über K. 4.2.8 Definition

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph.

(1) Unter derRandabbildung b:C1(D)−→C0(D) von D verstehen wir die durch E −→C0(D), e7−→vw =v−w für e∈E mit ∂(e)=(v,w)

eindeutig bestimmte lineare Erweiterung (vgl. dazu Kurs 01141, 8.4.1) auf C1(D) . (2) Unter derKorandabbildung bt :C0(D)−→C1(D) von D verstehen wir die durch

V −→C1(D), v7−→ P

e∈E+(v)

e− P

e∈E(v)

e = P

e∈E+(v)

e− P

e∈E(v)

e für v∈V eindeutig bestimmte lineare Erweiterung auf C0(D) .

4.2.9 Definition

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph. Dann heißen (1) Z(D) :=Kernb derZyklenraumvon D, (2) S(D) := Bildbt derSchnittraumvon D.

4.2.10 Bemerkung (vgl. 4.1.29)

(1) Sei D=(V,E, ∂) ein Digraph mit der Menge L seiner Schlingen, den nummerierten Knoten- bzw. Bogenmengen V = {v1, . . . ,vn}, E = {e1, . . . ,em}, sowie der Inzidenzma-trix B= (bi j) bzgl. dieser Nummerierungen.

Dann gilt für i∈ {1, . . . ,n}, j∈ {1, . . . ,m} und für ej ∈E mit ∂(ej)=(v,w) b(ej)(vi)=(vw)(vi)=v(vi)−w(vi)

=













1 fürvi =v,w,

−1 fürvi =w,v, 0 sonst

=













1 fürej ∈E+(vi)\L,

−1 fürej ∈E(vi)\L, 0 sonst

= bi j,

190 Kapitel 4. Zyklenraum und Schnittraum

bt(vi)(ej)= ( P

e∈E+(vi)

e− P

e∈E(vi)

e)(ej)= P

e∈E+(vi)

e(ej)− P

e∈E(vi)

e(ej)

=













1 fürej ∈E+(vi)\L,

−1 fürej ∈E(vi)\L, 0 sonst

=bi j,

d.h. insbesondere

bt(v)(e)= b(e)(v) für alle v∈V und e∈ E.

Für die Matrixdarstellung von b bzw. bt bzgl. der kanonischen Basen V vonC0(D) und E von C1(D) über dem Körper K bedeutet dies

VME(b)=(bi j)= B bzw. EMV(bt)=(bji)= Bt.

Bezüglich der kanonischen Basen ist im Fall von Digraphen die darstellende Matrix der Korandabbildung demnach wie in 4.1.29 gerade die Transponierte der darstellenden Ma-trix der Randabbildung.

(2) Mit der Notation von (1) induzieren die Matrizen B und Bt lineare Abbildungen (vgl. Kurs 01141 (Mathematische Grundlagen), 8.1.2(a))

fB :Km −→Kn, fBt :Kn −→Km, fB((a1, . . . ,am)t) := B(a1, . . . ,am)t = (

m

P

j=1

b1jaj, . . . ,Pm

j=1

bn jaj)t, fBt((c1, . . . ,cn)t) := Bt(c1, . . . ,cn)t =(

n

P

i=1bi1ci, . . . ,Pn

i=1bimci)t.

Nach 4.2.3(3) sind ιV : Kn −→ KV = C0(D) und ιE : Km −→ KE = C1(D) K -Vektor-raumisomorphismen und ihre Inversen sind gegeben durch

ι−1E (ej)= ε(m)j , also ι−1E (f)= (f(e1), . . . , f(em))t für f ∈KE bzw.

ι−1V (vi)=ε(n)i , also ι−1V (g)=(g(v1), . . . ,g(vn))t für g∈KV. Wir erhalten dadurch kommutative Diagramme von linearen Abbildungen

C1(D)=KE ...b ......

KV =C0(D) ιE

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

... ...

...

...

...

...

...

...

ι−1E ιV ...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

... ...

...

...

...

...

...

...

ι−1V Km.........

fB Kn

C0(D)=KV ...bt ......

KE =C1(D) ιV

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

... ...

...

...

...

...

...

...

ι−1V ιE ...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

... ...

...

...

...

...

...

...

ι−1E

, Kn .........

fBt Km d.h.

b= ιV ◦ fB◦ιE1 und fB = ιV1◦b◦ιE bzw.

btE ◦ fBt ◦ι−1V und fBt = ι−1E ◦bt◦ιV.

Den Beweis dieser Gleichungen sollten Sie selbst durchführen.

L

(3) Die folgende Proposition zeigt, dass bt die zu b adjungierte lineare Abbildung ist (vgl. 4.1.30(3) und 4.1.29).

4.2 Zyklenraum und Schnittraum in Digraphen (und Graphen) 191

Bei den Namensgebungen in 4.2.8 wurde dieser Dualismus mit dem Präfix Ko- gewür-digt und sie korrespondieren auch mit den entsprechenden Begriffsbildungen in der Al-gebraischen Topologie (Homologie und Kohomologie), wo diese Konzepte verallgemei-nert werden. Würde man diese Analogie in die Namensgebung der Teilräume Bildb, Kernbt und Bildbt einfließen lassen, müsste man sie „Randraum“, „Kozykelraum“ und

„Korandraum“ nennen. In der Theorie der Matroide (vgl. 4.4) sind aber nicht die Ele-mente von Kernbt, sondern diejenigen von Bildbt dual zu den Zyklen, werden also mit einigem Recht Kozyklen genannt (vgl. 4.1.2(4)). Um hier keinen Beitrag zur weiteren Begriffsverwirrung zu leisten, unterlassen wir eine weitere Namensgebung für Bildb, Kernbt und Bildbt.

4.2.11 Proposition

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph. Dann gilt

hf,bt(g)iE = hb(f),giV für alle f ∈C1(D) und g∈C0(D).

Beweis: Wegen der Linearität von b und bt sowie der Bilinearität von h·,·iE und h·,·iV genügt es, die Behauptung lediglich für Basiselemente e ∈E bzw. v ∈V zu zeigen. Es gilt nach 4.2.10(1) bt(v)(e)=b(e)(v) für alle e∈ E und v∈V, folglich

he,bt(v)iE = P

e0∈E

e(e0)·bt(v)(e0)= bt(v)(e)=b(e)(v)= P

v0∈V

b(e)(v0v(v0)

=hb(e),viV.

4.2.12 Satz

Sei D=(V,E, ∂) ein Digraph, r :=c(U(D)) und D[Vi], i∈ {1, . . . ,r} die Komponenten von D.

Dann ist P

v∈V1

v, . . . , P

v∈Vr

v eine Basis von Kernbt. Beweis: Für ein P

v∈Vβvv∈C0(D) und ein e∈E mit ∂(e)=(ve,we) gilt bt(P

v∈V

βvv)(e)= P

v∈V

βvbt(v)(e)= P

v∈V

βvb(e)(v)= P

v∈V

βv(vewe)(v)

= P

v∈V

vve(v)−βvwe(v))= P

v∈V

βvve(v)− P

v∈V

βvwe(v)

ve −βwe. Es folgt

P

v∈V

βvv∈Kernbt ⇔bt(P

v∈V

βvv)= 0⇔ βvewe für alle e∈E.

Für je zwei in U(D) verbindbare Knoten v0 und v00 folgt daher induktiv βv0v00, d.h.

es gibt für jedes i∈ {1, . . . ,r}, also für jede Komponente D[Vi], ein βi ∈K mit βv = βi

für alle v∈Vi. Folglich gilt

192 Kapitel 4. Zyklenraum und Schnittraum

Kernbt =Pr

i=1βi(P

v∈Vi

v)|βi ∈Kfür allei∈ {1, . . . ,r} . P

v∈V1

v, . . . , P

v∈Vr

v ist demnach ein Erzeugendensystem von Kernbt. Diese Vektoren sind aber auch linear unabhängig, da aus

r

P

i=1

β0i(P

v∈Vi

v) = 0 und β0v := β0i für alle v∈Vi und i∈ {1, . . . ,r}

0= Pr

i=1

β0i(P

v∈Vi

v)= Pr

i=1

(P

v∈Vi

β0iv)= P

v∈V

β0vv

gilt, d.h. β0v = 0 für alle v∈V, da V eine Basis vonC0(D) ist, und damit β0i =0 für alle

i∈ {1, . . . ,r}.

4.2.13 Korollar

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph. Dann gilt:

(1) dimC0(D)=|V|.

(2) dimC1(D)=|E|.

(3) dim Kernbt =c(U(D)).

(4) dim Bildbt =|V| −c(U(D)).

(5) dim Bildb=|V| −c(U(D)).

(6) dim Kernb= |E| − |V|+c(U(D)).

Beweis: (1) und (2) folgen aus 4.2.3(2).

(3) folgt aus 4.2.12.

(4) folgt aus (1), (3) und der Dimensionsformel für lineare Abbildungen:

dim Bildbt = dimC0(D)−dim Kernbt =|V| −c(U(D)).

(5) folgt aus (4) in 4.2.10(1):

dim Bildb=Rg(VME(b))=Rg(B)=Rg(Bt)=Rg(EMV(bt))=dim Bildbt

=|V| −c(U(D)).

(6) folgt wieder aus der Dimensionsformel für lineare Abbildungen sowie (2) und (5):

dim Kernb=dimC1(D)−dim Bildb=|E| −(|V| −c(U(D)))

=|E| − |V|+c(U(D)).

4.2.14 Korollar

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph.

(1)In C1(D) gilt Kernb= (Bildbt) und (Kernb)=Bildbt. (2)In C0(D) gilt Kernbt = (Bildb) und (Kernbt)=Bildb.

4.2 Zyklenraum und Schnittraum in Digraphen (und Graphen) 193

Beweis: (1) Sei f ∈ Kernb, d.h. b(f) = 0. Für jedes beliebige g ∈ Bildbt gibt es ein h∈C0(D) mit g= bt(h). Nach 4.2.11 folgt

hf,giE =hf,bt(h)iE = hb(f),hiV = h0,hiV =0, d.h. f ∈(Bildbt) und somit Kernb⊆ (Bildbt). Nach 4.2.4(3) und 4.2.13(4),(6) gilt

dim(Bildbt) =|E| −dim Bildbt =|E| − |V|+c(U(D))= dim Kernb, also Kernb= (Bildbt).

Nach 4.2.4(3) gilt weiter (Kernb)= ((Bildbt))= Bildbt.

(2) überlassen wir dem Leser als Übung.

L

4.2.15 Definition

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph und T =(V,ET, ∂T) ein U(D) aufspannender Wald.

(1) Jeder Bogen e∈E, der, aufgefasst als Kante von U(D), eine Sehne von T ist, indu-ziert einen Fundamentalkreis ZeT in U(D) zu e bzgl. T, vgl. 4.1.22/25. Wir orientieren ZeT zu einem Dikreis Z~eT so, dass die Orientierung von e in D mit der Orientierung von e in Z~eT übereinstimmt, d.h. e∈Z~eT gilt.

u u u u

D[ZeT] e

-6 6

u u u u

ZeT e

u u

e

u u

Z~eT

-6

?

Jedem solchen Dikreis Z~eT ordnen wir einen Vektor zTe ∈C1(D) zu, definiert durch zTe : E−→ K, zTe(e0) :=













1 füre0 ∈Z~eT,

−1 füre0 ∈ZeT, abere0 <Z~eT, 0 füre0 <ZeT.

(2) Jeder Bogen e ∈ E mit ∂(e) = (ve,we), der, aufgefasst als Kante von U(D), ein Zweig von T ist, induziert einen Fundamentalkokreis STe = U(D)[V1e,V2e] in U(D) zu e bzgl. T mit ve ∈ V1e, vgl. 4.1.22/25. Wir orientieren die Kantenmenge SeT so, dass die Anfangsknoten alle in V1e und die Endknoten alle in V2e liegen und bezeichnen diese Bogenmenge mit S~Te.

u e u u

e

D[STe]

@

@

@

@ R

6

e

Z ZZ~

u e u u

e

STe

@

@

@

@

e

Z ZZ

u e u u

e

S~eT

@

@

@

@ I

6

e Z

ZZ }

Jedem solchen orientierten Fundamentalkokreis S~Te ordnen wir einen Vektor sTe ∈C1(D) zu, definiert durch

194 Kapitel 4. Zyklenraum und Schnittraum

sTe :E −→K, sTe(e0) :=













1 füre0 ∈S~Te,

−1 füre0 ∈STe, abere0 <~STe, 0 füre0 <STe.

4.2.16 Satz

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph und T = (V,ET, ∂T) ein U(D) aufspannender Wald.

Dann gilt:

(1)Die Vektoren b(e), e∈ET bilden eine Basis von Bildb.

(2)Die Vektoren zTe, e∈E\ET bilden eine Basis von Z(D)=Kernb.

(3)Die Vektoren sTe, e∈ET bilden eine Basis von S(D)= Bildbt. Beweis: (1) Für Bögen e∈E sei stets ∂(e)=(ve,we).

Da die b(e), e ∈ ET nach Definition in Bildb liegen und ihre Anzahl nach 4.2.13(5) wegen |ET| = |V| −c(U(D)) mit dim Bildb übereinstimmt, genügt es zu zeigen, dass die b(e), e∈ET bereits Bildb erzeugen. Wegen der Linearität von b und der Teilraum-eigenschaft von Bildb genügt es zu zeigen, dass für jedes e ∈E b(e) eine Linearkom-bination der b(e) mit e∈ET ist.

Da T ein U(D) aufspannender Wald ist, gibt es einen ve¯,we¯-Weg F¯e in T. Wir orien-tieren die Kanten von Fe¯ gegebenenfalls neu zu einem ve¯,we¯-Bogenweg F~e¯. Hierdurch erreichen wir, dass P

e∈F~¯e(v0e−w0e)=ve¯−we¯ gilt, wenn in F~e¯ v0e den Anfangsknoten, w0e den Endknoten von e∈F~¯e bezeichnet. Wir definieren für jeden Bogen e∈ET

αe :=













1 füre∈F~e¯,

−1 füre∈Fe¯, abere<F~e¯, 0 füre<Fe¯.

Dann gilt

b(¯e)= v¯e−we¯ = P

e∈F~e¯

(v0e−w0e)= P

e∈Fe¯

αe(ve−we)= P

e∈ET

αe(ve−we)

= P

e∈ET

αeb(e), was zu zeigen war.

(2) Für Bögen e∈E sei stets ∂(e)= (ve,we).

Sei nun e∈E\ET. Für Bögen e∈Z~eT¯ sei stets v0e der Anfangsknoten, w0e der Endkno-ten von e in Z~eT¯. Da Z~eT¯ ein Dikreis ist, gilt P

e∈Z~eT¯(v0e−w0e)=0.

Andererseits gilt P

e∈~ZT¯e

(v0e−w0e)= P

e∈ZeT¯

zT¯e(e)(ve−we)= P

e∈E

zTe¯(e)(ve−we)= P

e∈E

zTe¯(e)b(e)

= b(P

e∈E

zTe¯(e)e)= b(zT¯e), d.h. b(zTe¯)=0 und damit zTe¯ ∈Kernb.

4.2 Zyklenraum und Schnittraum in Digraphen (und Graphen) 195

Da jedes e ∈ E \ET zu genau einem Fundamentalkreis gehört, nämlich ZeT¯, kann ein zTe¯ nicht als Linearkombination der übrigen zTe, e ∈ E\(ET ∪ {e¯}) dargestellt werden.

Folglich sind die zTe, e∈E\ET linear unabhängig und wegen

|E\ET|= |E| − |ET|= |E| − |V|+c(U(D))=dim Kernb (vgl. 4.2.13(6)) eine Basis von Kernb.

(3) Für Bögen e∈E sei stets ∂(e)= (ve,we). Sei nun e∈ET. Dann gilt für ein beliebiges e∈E

bt(P

v∈V¯e

1

v)(e)= P

v∈Ve¯

1

bt(v)(e)= P

v∈Ve¯

1

b(e)(v)= P

v∈Ve¯

1

(ve(v)−we(v)).

Daraus können wir ablesen:

Ist ve,we ∈V1¯e oder ve,we ∈V2¯e, so ist einerseits e<ST¯e, d.h. sTe¯(e)=0, andererseits ist P

v∈V¯e

1(ve(v)−we(v))=0, also bt(P

v∈Ve¯

1v)(e)=0= sTe¯(e).

Ist ve ∈ V1¯e und we ∈ V2¯e, so ist einerseits e ∈ S~Te¯, d.h. sTe¯(e) = 1, andererseits ist P

v∈V¯e

1(ve(v)−we(v))=1, also bt(P

v∈Ve¯

1v)(e)=1= sTe¯(e).

Ist ve ∈ V2e¯ und we ∈ V1e¯, so ist einerseits e ∈ STe¯, aber e < S~Te¯, d.h. sT¯e(e) = −1, andererseits ist P

v∈V¯e

1(ve(v)−we(v))= −1, also bt(P

v∈V¯e

1v)(e)=−1= sTe¯(e).

Damit ist bt(P

v∈Ve¯

1v)(e)= sT¯e(e) für alle e∈E, und da E eine Basis von C1(D) ist, gilt sTe¯ =bt(P

v∈V¯e

1

v)∈Bildbt.

Da jedes e ∈ET zu genau einem Fundamentalkokreis gehört, nämlich SeT¯, kann ein sTe¯ nicht als Linearkombination der übrigen sTe, e ∈ ET \ {¯e} dargestellt werden. Folglich sind die sTe, e∈ET linear unabhängig und wegen

|ET|= |V| −c(U(D))=dim Bildbt

(vgl. 4.2.13(4)) eine Basis von Bildbt.

4.2.17 Korollar

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph und char(K)=0. Dann gilt:

(1) C1(D)=Kernb⊕Bildbt = Z(D)⊕ S(D).

(2) C0(D)=Kernbt⊕Bildb.

Beweis: 0,1 ∈ K liegen notwendig in jedem Teilkörper von K, also im Primkörper P von K. Damit gilt 0,1,−1∈P.

Die in 4.2.15/16 angegebenen Basen von Kernb und Bildbt liegen damit beide in PE, die in 4.2.12 und 4.2.16 angegebenen Basen von Kernbt und Bildb liegen beide in PV. Nach 4.2.14 und 4.2.6 folgen die Behauptungen (1) und (2).

196 Kapitel 4. Zyklenraum und Schnittraum

4.2.18 Bemerkung

(1) Nach Korollar 4.2.17 sind im Falle char(K) = 0 Kernb und Bildbt zueinander orthogonale Komplemente (vgl. 4.2.4(3)) in C1(D), und ebenso Kernbt und Bildb zu-einander orthogonale Komplemente in C0(D). Gilt char(K),0, so braucht das nicht zu gelten: Zeigen Sie dies am Beispiel eines Dikreises der Länge 4.

L

(2) Eine Verallgemeinerung der Algebraisierung vonGraphen, wie wir sie in Abschnitt 4.1 mit dem Grundkörper F2 dargestellt haben, auf beliebige Körper K ist jetzt mit dem Umweg über Digraphen möglich geworden. Man wählt zu einem gegebenen Graphen G einfach eine feste Orientierung D:=O(G), vgl. 1.3.10(3). Es ist dann U(D)=G.

Nach 4.2.13 hängen die Dimensionen aller hier betrachteten Teilräume von C0(D) und C1(D) nicht von der Wahl der Orientierung ab. Nach 4.2.12 und 4.2.16(1) gilt dies off en-sichtlich auch für die Teilräume Kernbt und Bildb von C0(D).

Bei den Teilräumen Kernb und Bildbt von C1(D) ist zu beachten, dass eine Änderung der Orientierung von G bei den Koeffizienten der Basiselemente dieser Teilräume aus 4.2.16(1),(2) einen Vorzeichenwechsel bewirkt.

Der Leser mache sich Gedanken über den Einfluss der Wahl der Orientierung auf die L

Ergebnisse für den Zyklenraum und den Schnittraum.

(3) Ist K = F2, so wird bei Digraphen D die Orientierung unterdrückt und wir erhalten dann die Ergebnisse aus Abschnitt 4.1 für den unterliegenden Graphen U(D).

(4) Für den vollständigen Graphen K3 =(V,E) mit V = {v1,v2,v3}, E ={e1,e2,e3} und e1 =v2v3, e2 =v1v3, e3 =v1v2 lautet die Inzidenzmatrix

B=













0 1 1 1 0 1 1 1 0













Nach Abschnitt 4.1 ist

dimS2(K3)= dim Bildbt =Rg(B)= 2, dimZ2(K3)= Kernb=3−Rg(B)=1, und mit T = (V,ET), ET = {e1,e2} als K3 aufspannendem Baum erzeugen E(v2) = {e1,e3} und E(v1) = {e2,e3} den binären Schnittraum S2(K3) und E den binären Zy-klenraum Z2(K3).

Wählen wir einen beliebigen Körper K und die Orientierung e1 =(v2,v3), e2 =(v1,v3), e3 = (v1,v2), so wird S(K3) von sTe1 und sTe2, Z(K3) von zTe3 erzeugt. Dabei gilt für die den Vektoren sTe1 und sTe2 unterliegenden Fundamentalkokreise STe1 = E(v2) und STe2 = E(v1), für den dem Vektor zTe3 unterliegenden Fundamentalkreis ZeT3 = E.

In 4.2 würde eine direkte Verallgemeinerung von 4.1 ohne den Umweg über Digraphen bei char(K) , 2 Rg(B) = 3 und damit dimS(K3) = 3 und dimZ(K3) = 0 liefern, d.h. wir müssten alle Kantenteilmengen von K3 als Schnitte deuten und hätten keine

4.2 Zyklenraum und Schnittraum in Digraphen (und Graphen) 197

nichttrivialen Zyklen, was mit der in 4.1 entwickelten Theorie unverträglich wäre.

4.2.19 Beispiel

Wir greifen den Graphen G aus Beispiel 4.1.27 nochmals auf und versehen ihn mit einer Orientierung. D bezeichne diesen Digraphen. Wir wählen wie in 4.1.27 als U(D) = G aufspannenden Baum T :=G[{e1,e2,e3,e4}] :

u u

u u

u

v4 v1

v3 v2

v5

e1 e3

e4

e2

e5

e6 e7

D

-6 6

@

@

@

@

@

@

@R ""

"

"">"

b b

b b

b~b

u u

u u

u

v4 v1

v3 v2

v5

e1 e3

e4

e2

e5

e6 e7

U(D)

@

@

@

@

@

@

@""

"

"

""

"

"

"

"""

"

"

"

"

""

b b

b b

bb

Nach 4.1.27 sind ZeT

5 = e1+e2+e3+e5, ZeT

6 = e3+e4+e6 und ZeT7 = e2+e3+e7 die

Fundamentalkreise in G bzgl. T, also nach 4.2.15(1), 4.2.16(2) zTe

5 = e1+e2−e3+e5, zTe

6 =e3−e4+e6 und zTe7 = −e2+e3+e7 eine Basis von Z(D)=Kernb.

Nach 4.1.27 sind STe1 = e1 + e5, SeT2 = e2 + e5 + e7, STe3 = e3 + e5 + e6 + e7 und STe4 = e4 + e6 die Fundamentalkokreise in G bzgl. T, also nach 4.2.15(1), 4.2.16(3) sTe1 =e1−e5, sTe2 = e2−e5+e7, sTe3 = e3+e5−e6−e7 und sTe4 =e4+e6 eine Basis von S(D)=Bildbt.

Nach 4.2.16(1) ist b(e1)=−v1+v4, b(e2)= v1−v2, b(e3)= −v2+v3 und b(e4)= v3−v5 eine Basis von Bildb.

Nach 4.2.12 ist v1+v2+v3+v4+v5 eine Basis von Kernbt. 4.2.20 Definition (vgl. 4.1.25(3))

Sei D= (V,E, ∂) ein Digraph und T =(V,ET, ∂T) ein U(D) aufspannender Wald.

Ist r := c(U(D)), V = {v1, . . . ,vn} und E = {e1, . . . ,em} so nummeriert, dass ET = {e1, . . . ,en−r} gilt, dann heißt die (m−n+r)×m-Matrix

Z := (zi j) mit zi j := zTen−r+i(ej)

eineKreisfundamentalmatrixvon D bzgl. T, und die (n−r)×m-Matrix S := (si j) mit si j := sTe

i(ej)

eineKokreisfundamentalmatrixvon D bzgl. T.

4.2.21 Bemerkung

Wegen 4.2.16(2) und 4.2.14 gilt für die Inzidenzmatrix B und die in 4.2.20 definierten L

Hier fehlen die Seiten 198 bis 224

5 Flüsse in Netzwerken und die Mengerschen Sätze