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Die "Blue Card-Richtlinie" / eingereicht von Daniel Wiedermann

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Academic year: 2021

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JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at DVR 0093696 Eingereicht von Daniel Wiedermann Angefertigt am Institut für Europarecht Beurteiler / Beurteilerin Assoz. Univ.-Prof. Dr. Franz Leidenmühler November 2019

DIE „BLUE CARD-

RICHTLINIE“

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Rechtswissenschaften

im Diplomstudium

(2)

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Groß-Enzersdorf, am 06.11.2019

Daniel Wiedermann

Gender Erklärung

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Diplomarbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.

(3)

DIE „BLUE CARD-RICHTLINIE“

Inhaltsverzeichnis

1. Kompetenzen der EU zur Regelung des Zugangs zum Arbeitsmarkt

1.1. Gründungsverträge der Europäischen Union (EUV, AEUV) 1.1.1. Vertrag von Amsterdam

1.1.2. Vertrag von Lissabon

1.1.2.1. Bestimmung der Art 79 AEUV 1.1.2.2. Das Subsidiaritätsprinzip

2. Vorschlag zur Erlassung der Blue Card-RL

2.1. Vorangegangene Überlegungen

2.1.1. Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit im Kampf um die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte

2.1.2. Schaffung eines einheitlichen Zulassungssystems

3. Arten der legalen Arbeitsmigration

3.1. Die „Blaue Karte EU“ 3.1.1. Voraussetzungen 3.1.1.1 Hochschulabschluss 3.1.1.2 Notwendiges Mindestentgelt 3.1.1.3 Gültiger Arbeitsvertrag 3.1.1.4 Arbeitsmarktprüfung 3.1.1.5 Krankenversicherungsschutz 3.2. Die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ 3.2.1. Fachkräfte in Mängelberufen 3.2.2. sonstige Schlüsselkräfte 3.2.3. Sonstige Schlüsselkräfte 3.2.4. Studienabsolventen

(4)

3.2.5. Selbstständige Schlüsselkräfte 3.2.6. Start-Up Gründer

3.3. Unterschiede zwischen der „Blue Card“ und der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ 3.4. Berührungspunkte der „Blue Card“ mit nationalen Gesetzen

4. Umsetzung der Blue Card-RL

4.1. Vertragsverletzungsverfahren im Zuge der Umsetzung 4.2. Die Anwendung der „Blue Card-Richtlinie“

5. Trilog-Verhandlungen 2016 – dato

5.1. Änderungsvorschläge 5.2. Umsetzungsprobleme

6. Schlussbemerkungen

1. Kompetenzen der EU zur Regelung des Zugangs zum Arbeitsmarkt

In Österreich leben bereits über 1,4 Millionen Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Etwa 700.000 davon, mit Stand 01.01.2019, sind Drittstaatsangehörige1. Bereits vor dem Vertrag von Amsterdam hat sich die damalige EG

mit dieser Personengruppe befasst. Insbesondere mit der Regelung der Modalitäten für deren Einreise und Aufenthalt2. Auf eine ihr vertraglich übertragene Kompetenz diese

Regelungen treffen zu können konnte sich die EG aber erstmalig mit Inkrafttretens des Vertrags von Amsterdam am 01.05.1999 berufen.

1 Vgl Statistik Austria, Bevölkerung zu Jahresbeginn 2019 nach zusammengefasster Staatsangehörigkeit,

http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/bevoelkerungsstruktu r/bevoelkerung_nach_staatsangehoerigkeit_geburtsland/031407.html.

2 Vgl insb die Entschließungen des Rates bezüglich Familienzusammenführung, bezüglich Ausübung

(5)

1.1.

Gründungsverträge der Europäischen Union (EUV, AEUV)

1.1.1.

Vertrag von Amsterdam

Als Kompetenzgrundlage zur ersten Regelung gemeinsamer einwanderungspolitischer Maßnahmen wurde insbesondere der Art 63 Z 3 lit a EGV3 herangezogen.

Damit konnte der Rat erstmals die „Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen sowie

Normen für die Verfahren zur Erteilung von Visa für einen langfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstiteln einschließlich solcher zur Familienzusammenführung (…)“ beschließen.4

Unklar war bis zum Außerkrafttreten allerdings ob von der Kompetenzbestimmung des Art 63 Z 3 lit a EGV auch der Zugang zum Arbeitsmarkt erfasst war.5 Diese Frage wurde

jedoch aufgrund herrschender Einigkeit der damals handelnden Akteure nie aufgeworfen oder vom EUGH judiziert. In der Literatur wurde die Frage, ob nach dem Willen der Vertragsparteien mit dem Art 63 Z 3 lit a EGV Kompetenzen bezüglich der Zugangs zum Arbeitsmarkt der EG übertragen wurden, kontrovers diskutiert.6 Auf Grundlage dieser

Bestimmung sind jedoch mehrere Sekundärrechtsakte verabschiedet worden bei denen weder die Europäische Kommission, die sämtliche Rechtsakte vorgeschlagen hat7, noch

der Rat, der alle Bestimmungen einstimmig verabschiedet hat, Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit Primärrecht äußerte.

3 Vgl Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur

Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABI C 1997/340, 1, in Kraft bis 30.11.2009.

4 Der sonst in Art 63 EGV immanente Fünfjahreszeitraum ab Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam

galt für diese Bestimmung gemäß Z 6 nicht.

5 Nach Groenendijk wurde die Wortfolge „und Arbeit“ auf Initiative des damaligen deutschen

Bundeskanzlers Kohl kurz vor der Kundmachung aus dem Gesetzestext entfernt, Groenendijk, Which way forward with Migration and Employment in the EU? in Carrera/Guild/Eisele (Hrsg), Rethinking the

Attractiveness of EU Labour Immigration Polices (2014), 92.

6 Vgl Peyrl, Zuwanderung und Zugang zum Arbeitsmarkt von Drittstaatsangehörigen in Österreich (2018),

12.

7 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für die Familienzusammenführungsrichtlinie KOM (1999) 638

endg, ABI C 2000/116E, 66, Europäische Kommission, Vorschlag für Daueraufenthaltsrichtlinie KOM (2001) 127 endg, ABI C 2001/240, 79, Europäische Kommission, Vorschlag für die StdentInnenrichtlinie KOM (2002) 548 endg, ABI C 2003/45, 18, Europäische Kommission, Vorschlag für

ForscherInnenrichtlinie, KOM (2004) 178 endg ABI C 2004/122, 50, Europäische Kommission, Vorschlag für die „Blue Card-Richtlinie“ KOM (2007) 637 endg, ABI C 2008/106, 6.

(6)

Nach der Judikatur des EUGH gelten in den Fällen in denen den Organen der EG durch den Vertrag bestimmte Aufgaben zugewiesen wurden auch sämtliche notwendigerweise zur Erfüllung dieser Aufgaben verbundenen Befugnisse als verliehen, da sonst dieser Bestimmung die Wirksamkeit verloren gehen würde („Implied-powers-Doktrin“).8

Rossi sieht die auf Grundlage des Art 63 Z 3 lit a ergangenen Richtlinienbestimmungen

als Annex zu den Einwanderungs- und Aufenthaltsbestimmungen.9 Diese Ansicht wäre

für die FamilienzusammenführungsRL10, die RL betreffend langfristig

aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige11, sowie der StudentInnenRL12 zwar

vertretbar, bei den Richtlinien die direkt auf den Zugang zur Erwerbstätigkeit unter speziellen Voraussetzungen an bestimmte Personen abzielen, wie etwa die ForscherInnenRL13 und die Blue Card-RL14, eher kaum zu argumentieren.

Die unterschiedlichen Ansichten in der Literatur bezüglich der kompetenzrechtlichen Probleme bei der Erlassung der oben angeführten Richtlinien gehören nun der Vergangenheit an, da die Neufassung dieser Bestimmung durch Art 79 AEUV umfassend geändert wurde.15

1.1.2.

Vertrag von Lissabon

Der mit 01.12.2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon16 hat die

Kompetenzgrundlage für die Normen der Einwanderungspolitik, wie oben angeführt, gegenüber jenen des Art 63 Abs 3 EGV grundlegend verändert.

8 Vgl EuGH 09.07.1985, verb Rs 281, 283 bis 285 und 287/85 Deutschland u.a./ Kommission, Rz 28. 9 Vgl Rossi, Art 79 AEUV RZ 18.

10 Vgl Familienzusammenführungsrichtlinie, RL 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003, ABI L 2003/251,

12

11 Vgl Daueraufenthaltsrichtlinie, RL 2003/109/EG des Rates vom 25.11.2003, ABI L 2004/16, 44. 12 Vgl StudentInnenrichtlinie, RL 2004/114/EG des Rates vom 13.12.2004, ABI L 2004/375, 12,

Mittlerweile durch die RL (EU) 2016/801 ersetzt.

13 Vgl ForscherInnenrichtlinie, RL2005/71/EG des Rates vom 12.10.2005, ABI L 2005/289, 15.

Mittlerweise durch die RL (EU) 2016/801 ersetzt.

14 Vgl „Blue Card-Richtlinie“, RL 2009/50/EG des Rates vom 25.05.2009, ABI L 2009/155, 17. 15 Vgl Weiß in Streinz, EUV/AEUV3 (2018), Art 79 RZ 3.

16 Vgl Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur

(7)

1.1.2.1. Bestimmung des Art 79 AEUV

Art 79 AEUV erklärt nun, neben der Zuständigkeit der Union in den Fällen gemeinsamer Einwanderungspolitik, auch die Maßnahmen zur Steuerung der Migration zu ihren Kompetenzen. Ergänzend hat die EU dabei eine angemessene Behandlung von rechtmäßig auf haltigen Drittstaatsangehörigen zu garantieren. Dabei sind auch die allgemeinen Vertragsziele des Art 3 Abs 3 EUV zu berücksichtigen, dessen Ziel auf nachhaltige Entwicklung Europas, unter anderem durch Vollbeschäftigung, mit Hilfe der Ausgestaltung der Wirtschaftsmigration, unterstützt werden kann.17 Diese

Zuständigkeiten werden durch Art 79 Abs 2 AEUV näher konkretisiert, wobei die EU auf dessen Grundlage dazu ermächtigt ist Gesetze für Maßnahmen der Einreise, der Aufenthaltsvoraussetzungen inklusive der Familienzusammenführung (lit a) zu verabschieden. Auch legislative Regelungen für die in lit b angeführten Rechte von rechtmäßig auf haltigen Drittstaatsangehörigen können auf Grundlage dieser Kompetenz erlassen werden.18 Anders als zu Art 63 Z 3 lit a EGV herrscht zu den deutlichen

Erweiterungen im Art 79 AEUV in der Literatur Einigkeit über die Regelungskompetenz der EU bezüglich des Zugangs zum Arbeitsmarkt.19 Dieser Meinung ist mE nach auch

korrekt: Insbesondere die Formulierungen „Steuerung der Migrationsströme in allen

Phasen“ und „gemeinsame Einwanderungspolitik“ in Abs 1 und „ Festlegung der Rechte“

in Abs 2 lassen keinen Zweifel daran dass die Regelung des Zugangs zur Erwerbstätigkeit jedenfalls von der Bestimmung des Art 79 AEUV umfasst ist. Jedoch ist gemäß Art 79 Abs 5 AEUV, der die ausdrückliche Regelung enthält, dass die Zahl der Drittstaatsangehörigen, die als Arbeitnehmer oder Selbstständige in den einzelnen Mitgliedsstaaten einreisen dürfen, den Mitgliedsstaaten selbst vorbehalten ist. Diese können nach dieser Bestimmung theoretisch auch ein Nullkontingent20 beschließen und

dadurch die Wirtschaftsmigration de facto unmöglich machen, jedoch bleibt die supranationalisierte Kompetenz der EU dadurch unberührt.21

17 Vgl das soziale Marktwirtschaftsmodel dazu, vgl Lengauer/Stöger/Haider in Mayer/Stöger (Hrsg),

EUV/AEUV, Art 3 EUV (2012) RZ 1.

18 Maßnahmen bezüglich illegaler Einwanderung (lit c) und die Bekämpfung des Menschenhandels (lit d)

sind durch Art 79 Abs 2 ebenfalls vorgesehen, aber können für die vorliegende Arbeit vernachlässigt werden.

19 Ua Rossi Art 79 AEUV, RZ 3 und Weiß, Art 79 AEUV, RZ 3 sowie Eilmannsberger in Mayer/Stöger

(Hrsg) EUV/AEUV, Art 4 AEUV (2012), RZ 43f.

20 Eine solche Diskussion ist theoretischer Natur da sich die Zuwanderung weitgehend einer rechtlichen

Steuerung entzieht, Perchinig, von der Fremdenarbeit zur Integration? (Arbeits)migrations- und Integrationspolitik in der Zweiten Republik, ÖGL (2009), 246.

(8)

Ohne Auswirkungen auf die Blue Card-Richtlinie sind die Asylpolitik, welche Art 78 AEUV, und die der kurzfristigen Migration, welche Art 77 AEUV, vorbehalten sind.

1.1.2.2. Das Subsidiaritätsprinzip

Der Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechtes befindet sich im Titel V des dritten Teils der AEUV, in dem auch Art 79 AEUV verankert ist. Gemäß Art 4 Abs 2 lit j AEUV gehört dieser Bereich zu den geteilten Zuständigkeiten.22 Daraus ergibt sich gemäß Art 5

Abs 3 EUV, dass die EU nur in den Angelegenheiten tätig werden darf die sich, insbesondere wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung, auf Unionsebene besser umsetzen lassen. Außerdem müssen die Mitgliedsstaaten außer Stande sein diese Maßnahmen selbst ausreichend zu verwirklichen. (Subsidiaritätsprinzip)23

Weiteres legt der Vertrag in Art 12 EUV eine Reihe von Möglichkeiten fest nationalen Parlamenten die Mitwirkung bei der Gesetzgebung der Europäischen Union zu ermöglichen. Demnach sind die nationalen Parlamente beispielsweise bereits über Entwürfe im Gesetzgebungsverfahren24, oder etwa über Anträge anderer Staaten der

Union beizutreten, zu unterrichten.25 Das Subsidiaritätsprinzip und dessen Einhaltung ist

in Art 12 lit b EUV verankert, welcher bezüglich weiterer einzuhaltender Verfahrens- und Verhältnismäßigkeitsgrundsätze auf das Protokoll (Nr 2)26 verweist27. Zudem werden die

Mitwirkungsrechte nationaler Parlamente durch das Protokoll (Nr 1)28 ergänzt. Die Art 4ff

dieses Protokolls räumen den Parlamenten zwischen dem Gesetzesentwurf und dem Zeitpunkt des Beginns des Gesetzgebungsverfahrens, ausgenommen begründeter Dringlichkeit, mindestens acht Wochen ein ihre Mitwirkungsrechte entsprechend

22 Vgl Muzak in Mayer/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV, Art 77 AEUV (2012) Rz 1.

23 Vglnäheres zum Subsidaritätsprinzip Schima in Mayer/Stöger (Hrsg), Art 5 EUV (2011), RZ 20ff. 24 Vgl Art 12 lit a

25 Vgl Art 12 lit e

26 Vgl Protokoll (Nr 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit

ABI C 83/2010, 206ff; C 326/2012, 203 ff (konsolidierte Fassung); C 202/2016, 206ff (konsolidierte Fassung).

27 Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 101f.

28 Vgl Protokoll (Nr.1) über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union, ABI C

(9)

wahrzunehmen. Innerhalb dieser Zeit muss das jeweilige nationale Parlament29 zum

übermittelten Entwurf Stellung nehmen und gegenüber den Präsidenten des

Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission entsprechend begründet darlegen weshalb sie der Ansicht sind, dass dieser Entwurf gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt. Dabei handelt es sich um die sogenannte Subsidiaritätsrüge die gemäß Art 6 und 7 des Protokolls (Nr 2) von nationalen Parlamenten, noch vor Erlass eines Sekundärrechtsaktes, gegenüber Gesetzesvorschlägen der Kommission erhoben werden kann. Beschließt die Kommission entgegen begründeter Stellungnahmen der Parlamente dennoch den Gesetzgebungsakt löst das eine Begründungspflicht aus in der das Organ der EU darlegen muss warum den Bedenken der Mitgliedsstaaten nicht Folge geleistet wird. Nach dem Erlassen des Gesetzgebungsaktes steht den nationalen Parlamenten an Stelle der präventiven Subsidiaritätsprüfung (Subsidiaritätsrüge) nur mehr die Subsidiaritätsklage als repressive Kontrolle zur Verfügung. Im Zuge dieser können die Mitgliedstaaten gegen bereits erlassene Sekundärrechtsakte der Union Klage vor dem EUGH30 erheben. Bei dieser

sogenannten Nichtigkeitsklage31 erklärt der Gerichtshof bei Begründetheit die

angefochtene Handlung gemäß Art 264 AEUV für nichtig32.

2. Vorschlag zur Erlassung der Blue Card-RL

Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit und der damit einhergehende Neu Zuzug von Drittstaatsangehörigen blickt auf eine lange Entstehungsgeschichte zurück. Erstmals machte die Kommission von ihrem Vorschlagsrecht bezüglich harmonisierter Vorschriften der Wirtschaftsmigration zugleich mit dem Vorschlag einen offenen Koordinierungsmechanismus für Migrationspolitik festzulegen Gebrauch.33

Auf Grundlage der Art 63 Abs 1 Z 3 lit a EGV brachte sie bereits im Jahre 2001 einen Richtlinienvorschlag zur Regelung der Voraussetzungen für die Einreise und

29 Vgl Art 6 des Protokolls (Nr 2)

30 Vgl Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH) 31 Vgl Art 263 Abs 2 AEUV

32 Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 39f.

33 Vgl Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine Migrationspolitik

(10)

den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen ein, um damit ihre Absicht, eine Erwerbstätigkeit in der Union auszuüben, gesetzlich festzulegen.34 Dieser Vorschlag ist

jedoch bei den Mitgliedsstaaten auf geringe Resonanz gestoßen, wurde vom Rat nicht angenommen und schließlich im Jahr 2006 von der Kommission zurückgezogen.35

Zwischenzeitlich beschäftigte sich die Kommission mit der Verwirklichung eines strategischen Plans zur legale Zuwanderung.36 Als Grundlage für diese

Wirtschaftsmigration diente das sogenannten Grünbuch.37 Diesmal wurde jedoch anstelle

des zuvor gescheiterten horizontalen Ansatzes ein Sektoraler gewählt. Die Bevorzugung bestimmter Gruppen (Hochqualifizierte) war auf Grundlage des Terminus „wirksame Steuerung der Migrationsströme“ auch europarechtlich mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar38 und führte schließlich zur Verabschiedung der Blue Card-RL39.

2.1.

Vorangegangene Überlegungen

Kern der Überlegungen war eine umfassende legale Zuwanderungspolitik zu entwickeln um auf die sich ständig ändernden Nachfragen am Arbeitsmarkt reagieren zu können und so bestmöglich die wirtschaftliche Entwicklung der Union fördern zu können.40

34 Vgl Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die

Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit, KOM (2001) 386 endg, 11.07.2001.

35 Vgl ABI C 2006/64.

36 Vgl Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Strategischer Plan zur legalen Zuwanderung, KOM

(2005) 669 endg, 21.12.2005.

37 Vgl Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch über ein EU – Konzept zur Verwaltung

der Wirtschaftsmigration, KOM (2004) 811 endg, 11.01.2005.

38 Vgl Muzak in Mayer/Stöger, Art 70 AEUV, Rz 3.

39 Vgl „Blue Card-Richtlinie 2009/50/EG des Rates vom 25.05.2009, ABI L 2009/155. 40 Vgl KOM (2007) 637 endg., Begründung des Vorschlags, 2.

(11)

2.1.1.

Verbesserung der internationalen

Wettbewerbsfähigkeit im Kampf um die Zuwanderung

hochqualifizierter Arbeitskräfte

Die vorgeschlagene Richtlinie eröffnet der EU zusätzliche Möglichkeiten hochqualifizierte Arbeitsmigranten aus Drittstaaten anzuwerben und durch längerfristige Beschäftigung einen Vorteil im internationalen Vergleich zu erzielen. Der Vorschlag steht auch im Einklang mit der Strategie von Lissabon wobei damit auch auf die angedachte Erweiterung der legalen Zuwanderungsmöglichkeiten Bedacht genommen wurde. Mit dem Entwurf zur Blue Card-RL erwartete man sich auch innergemeinschaftlichen Engpässen von bestimmten qualifizierten Arbeitskräften rascher und einfacher entgegenwirken zu können.41

2.1.2.

Schaffung eines einheitlichen Zulassungssystems

Ziel waren insbesondere auch einheitliche Regelungen innerhalb der Union um eventuell benötigte Arbeitskräfte aus Drittländer nicht schon durch bürokratische Hürden von der Zuwanderung abzuschrecken. Auch die Möglichkeit innergemeinschaftlich in anderen Ländern verwendet zu werden sollte damit erleichtert werden.

Angedacht wurde dabei eben diesen benötigten Fachkräften klare einheitliche Erwerbszuwanderungsmöglichkeiten zu geben. Einerseits sollten die Rechte und Möglichkeiten bereits emigrierter Arbeitnehmer aus Drittstaaten gestärkt werden, andererseits strebt man durch die Richtlinie auch eine Vereinfachung des Antragsverfahrens an. Dadurch soll der Zugang zum Arbeitsmarkt der Union attraktiver gemacht werden. Mit dem Vorschlag verfolgte die Europäische Kommission auch die Aufenthaltsbedingungen für diese Personen einheitlich zu verbessern und im Zuge dessen auch Familienmitglieder mit diversen Annehmlichkeiten auszustatten um deren Zuwanderung attraktiver zu machen. Durch die Vereinheitlichung und Erleichterung bei der Zulassung versprach man sich die angestrebten Vorteile im internationalen Vergleich zu erzielen und so die Wirtschaftsfähigkeit der EU hoch zu halten.42

41 Vgl KOM (2007) 637 endg., Begründung des Vorschlags, S. 2ff. 42 Vgl KOM (2007) 637 endg., Begründung des Vorschlags, S. 2f.

(12)

3. Arten der legalen Arbeitsmigration

Grundsätzlich kann bei der Erwerbsmigration zwischen der europäischen „Blauen Karte EU“, die als Aufenthaltstitel in Folge der Umsetzung der RL 2009/50/EG (Blue Card-Richtlinie) eingeführt wurde, und dem zentralen innerstaatlichen Model der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ unterschieden werden. Während die „Blaue Karte EU“ auf einem

arbeitsmarktbezogenen System beruht erhält man den Aufenthaltstitel der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ auf Grundlage eines Punktesystems.

3.1.

Die „Blaue Karte EU“

Anders als die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ erlaubt die „Blaue Karte EU“ nur hochqualifizierten Drittstaatsangehörigen einen Aufenthaltstitel zur Erwerbsmigration, der an verschiedene materielle Voraussetzungen anknüpft.

3.1.1.

Voraussetzungen

Als materielle Voraussetzung zur Erlangung einer „Blauen Karte EU“ sind ein

Hochschulabschluss, ein notwendiges Mindestentgelt, ein gültiger Arbeitsvertrag, eine Arbeitsmarktprüfung und ein Krankenversicherungsschutz erforderlich.

3.1.1.1. Hochschulabschluss

Die hochqualifizierte Beschäftigung zur Erlangung der „Blauen Karte EU“ erfordert einen Hochschulabschluss, wobei der Begriff der Beschäftigung nach nationalem Recht

auszulegen ist.43 Die Anforderungen an den Hochschulabschluss selbst regelt

innerstaatlich § 12c AuslBG44, wobei die Studiendauer mindestens drei Jahre betragen

muss. Den Begriff der tertiären Bildungseinrichtungen, den § 12c AuslBG verlangt,

43 Vgl Kuczynski/Solka, Hochqualifziertenrichtlinie, 224

44 Vgl Bundesgesetz vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird

(13)

kennt das nationales Universitätsgesetz (UG 2002) nicht.45 Als entsprechende

Studienabschlüsse46 gelten sowohl Diplomandenstudien als auch Studien nach der

Bologna-Struktur.47

Der Durchführungserlass48 des BMASK zur „Rot-Weiß-Rot-Karte und zur „Blauen Karte

EU“verweist zu dieser Beurteilung auf das Klassifizierungssystem der Website

www.anabin.de.49, was wohl auch ohne explizite gesetzliche Regelung im Einklang mit

der freien Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs 2 AVG50 steht. Es besteht gemäß Art 2 lit g

RL 2009/50/EG auch die Option den Hochschulabschluss mit einer fünfjährigen Berufserfahrung gleichzustellen, die Österreich jedoch nicht nutzte.

3.1.1.2. Notwendiges Mindestentgelt

Um die „Blaue Karte EU“ zu beantragen setzt die Richtlinie auch gewisse

Anforderungen an das durchschnittliche Bruttojahresgehalt von Vollzeitbeschäftigten. Dabei muss der Bewerber für seine angestrebte Tätigkeit mindestens das

Eineinhalbfache Einkommen des durchschnittlichen österreichischen Arbeitnehmers nachweisen. Zu entnehmen sind die geforderten Mindestentgelte der letzten jährlichen Veröffentlichung von Statistik Austria.51 Das notwendige Bruttoeinkommen für das Jahr

2019 beträgt laut der von BMI und BMASK gemeinsam betriebenen Website € 62.265.- pro Jahr, also zwölf Monatsgehälter zuzüglich Sonderzahlungen52.

Aufgrund der vorliegenden Daten wurde offenbar bei der Ermittlung des

Bruttojahreseinkommens der Medianwert zur Berechnung verwendet. Art 5 Abs 3 der RL 2009/50/EG stellt aber lediglich auf das „Anderthalbfache des durchschnittlichen

45 Vgl Gemäß § 51 Abs 2 Z 1 UG 2002 sind anerkannte postsekundäre Bildungseinrichtungen jene

Bildungseinrichtungen, die Studien im Ausmaß von mindestens sechs Semestern durchführen, bei denen die Zulassung die allgemeine Universitätsreife iDs UG 2002 (…) und die aufgrund der Rechtsvorschriften des Staates, in denen sie ihren Sitz haben, als Bildungseinrichtungen im Sinne dieser

Begriffsbestimmungen anerkannt sind.

46 Vgl Deutsch/Neurath/Nowotny/Seitz, Ausländerbeschäftigungsgesetz, 282b und 296e. 47 Vgl zum sogenannten „Bologna-Prozess“

http://europa.eu/legislation_summaries/education_training_youth/lifelong_learning/c11088_de.htm

48 Vgl BMASK, Durchführungserlass GZ: BMASK-435.006/0014-VI/AMR/7/2011. 49 Vgl Kreuzhuber/Hudsky, Arbeitsmigration, Rz 276 und 230

50 Vgl Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 371

51 Bei der Statistik Austria handelt es sich gemäß § 22 BundesstatistikG um eine Anstalt öffentlichen

Rechts des Bundes, welche dadurch auch den Veröffentlichungen der relevanten Gehaltsschwelle iSd Art 5 Abs 3 RL 2009/50/EG Genüge tut.

(14)

Bruttojahresgehalts ab53, wodurch meiner Einschätzung nach wohl eher das

arithmetische Mittel zu verstehen wäre. Dadurch würde sich ein merklich höheres

notwendiges Mindesteinkommen ergeben, was zur Folge hätte, dass die österreichische Umsetzung nicht europarechtskonform wäre, da man dadurch das geforderte

Mindestentgelt zu niedrig angesetzt hätte. Hingegen lässt sich an der innerstaatlichen Umsetzung des § 12c AuslBG, der explizit auf Vollzeitbeschäftigte abstellt, im Verhältnis zu Teilzeitbeschäftigten keine Europarechtswidrigkeit erkennen da es sich bei den Gehaltsgrenzen des Art 5 Abs 3 ausdrücklich um Mindesterfordernisse handelt und es den Mitgliedsstaaten frei steht höhere Gehaltsuntergrenzen festzulegen.

Bis heute wurden die angeführten Bedenken jedoch nicht aufgegriffen, vermutlich da Antragssteller durch das behördliche Abstellen auf ein niedrigeres Entgelt mangels Beschwer keinen Rechtsschutz genießen. Allenfalls käme ein

Vertragsverletzungsverfahren in Frage, welches derzeit jedoch auch nicht anhängig ist.

3.1.1.3. Gültiger Arbeitsvertrag

Art 5 Abs 1 lit a RL 2009/50/EG verlangt auch einen gültigen Arbeitsvertrag, alternativ ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für zumindest ein Jahr. Während innerstaatlich § 12c iVm § 20d Abs 1 AuslBG und § 9 Abs 5 Z 2 NAG-DV54 in der Arbeitgebererklärung

gerade mal eine „entsprechende Beschäftigung“ angegeben werden muss, ist die Auslegung des Begriffs „verbindliches Arbeitsplatzangebot nach Maßgabe des

einzelstaatlichen Rechts“ etwas diffiziler. Nach dem österreichischen ABGB handelt es sich dabei um einen Hauptvertrag, beziehungsweise zumindest um ein verbindliches Angebot zu dessen Abschluss, dass zumindest die essentialia negotii enthalten muss.55

Mangels Auflistung in der taxativen Aufzählung in § 9 Abs 5 NAG-DV stellt die

abzugebende Arbeitgebererklärung bloß eine schlichte Verwaltungsvoraussetzung dar. Das tatsächliche Vorliegen eines Arbeitsvertrags muss die Behörde ohnehin als

Ausfluss der Offizialmaxime von Amts wegen feststellen, indem sie alle, zur

53 Vgl in der englischen Fassung: „at least 1,5 times the average gross annual salary in the Member State

concerned.“

54 Vgl Verordnung des Bundesministeriums für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und

Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG-DV), BGBl II 451/2005 idF BGBl II 231/2017.

(15)

vollständigen Klärung des Sachverhalts notwendigen, Erhebungen selbst tätigen muss.56

Falls ein solcher Arbeitsvertrag nicht existiert, oder nicht in der bekannt gegebenen erforderlichen Form (z.B mit zu geringem Entgelt), könnte der Bescheid allenfalls

erschlichen worden sein, was eine amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs 1 Z 1 AVG nach sich ziehen kann57.

3.1.1.4. Arbeitsmarktprüfung

Schließlich kann die „Blaue Karte EU“ gemäß §§ 12c iVm 4 Abs 1 AuslBG nur nach erfolgter Arbeitsmarktüberprüfung erteilt werden58. Dies geschieht in Österreich gemäß

§ 4b AuslBG mittels Ersatzkraftverfahren, wobei im Einzelfall geprüft wird ob für die konkret zu besetzende Stelle nicht andere am Arbeitsmarkt bereits verfügbare

Personen, unabhängig von ihrer Nationalität, in Frage kommen59. Das ist auf Basis des

Art 8 Abs 2 RL 2009/50/EG möglich, welcher die Verfahren zur Arbeitsmarktprüfung den einzelnen Mitgliedstaaten überlässt.

3.1.1.5. Krankenversicherungsschutz

Schließlich verlangt Art 5 Abs 1 lit e RL/2009/50/EG das Anwärter auf eine „Blaue Karte EU“ einen Krankenversicherungsschutz nachweisen können. Eine innerstaatliche Umsetzung dieser Regelung kennt das österreichische Recht jedoch nicht, da Dienstnehmer gemäß § 4 Abs 1 Z 1 ASVG in Österreich mit Arbeitsbeginn ohnehin krankenversichert werden. Gemeint können damit nur Fälle nach bereits erteilter „Blauen Karte EU“, etwa infolge mehr als drei monatiger Arbeitslosigkeit oder

wiederholter Arbeitslosigkeit, sein, für die innerstaatlich § 28 Abs 6 NAG aber ohnehin die Möglichkeit eines Entzugs vorsieht.

56 Vgl Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht Rz 302. 57 Vgl Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht Rz 580. 58 Vgl Kreuzhuber/Hudsky, Arbeitsmigration, Rz 276.

(16)

3.2.

Die „Rot-Weiß-Rot-Karte“

Im Gegensatz zum bis 2011 in Kraft gewesenen Schlüsselkraftmodell60 basiert die

Zuwanderung nun nicht mehr auf Quoten, da die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ nun die Erwerbsmigration nach präzisen qualitativen Kriterien, als sogenanntes

„kriteriengeleitetes Zuwanderungssystem“, regelt.61 Das Modell der

„Rot-Weiß-Rot-Karte“ entstand ursprünglich aus einer Einigung der österreichischen Sozialpartner62 und

begann mit drei Säulen der Zuwanderung. Die besonders Hochqualifizierten, die Fachkräfte in Mängelberufen, und die sonstigen Schlüsselkräfte, welche alle das Erreichen einer bestimmten Punktezahl als Kriterium zur Arbeitsmigration gemeinsam haben. Seit Juli 2011 wurde mit den Studiensabsolventen österreichischer Universitäten und Fachhochschulen eine weitere Säule hinzugefügt. Danach wurden auch noch selbstständige Schlüsselkräfte und im letzten Schritt schließlich „Start-Up-Gründern“ ein erleichterter Arbeitsmarktzugang durch die Möglichkeit der Erlangung der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ eingeräumt.

3.2.1.

Fachkräfte in Mängelberufen

Die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte“ als Fachkraft regelt § 12a iVm § 20d Abs 1 Z 2 AuslBG, wobei als Kriterien eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem Beruf der in der jeweils gültigen Fachkräfteverordnung (§ 13 AuslBG) angeführt ist, eine

bestimmte Punktezahl sowie ein bestimmtes Entgelt festgelegt sind. Die

Fachkräfteverordnung selbst wird auf Grundlage des § 13 Abs 1 AuslBG vom BMASK gemeinsam mit dem BMWJF erlassen. Herrscht ein längerfristiger Arbeitskräftebedarf, der nicht durch im Inland verfügbare Arbeitnehmer gedeckt werden kann, wird dieser in der Verordnung als Mangelberuf definiert und festgelegt. Besteht ein solcher

Arbeitsbedarf nicht muss im betreffenden Kalenderjahr auch keine

Fachkräfteverordnung erlassen werden, was in diesem Fall die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte für Fachkräfte ausschließt.63 Es besteht also grundsätzlich keine

60 Vgl Schumacher/Peyrl, Fremdenrecht, 69. 61 Vgl Kreuzhuber/Hudsky, Arbeitsmigration, 85.

62 Vgl Krings, Von der „Ausländerbeschäftigung“ zur „Rot-Weiß-Rot-Karte“: Sozialpartnerschaft und

Migrationspolitik in Österreich, Austrian Journal of Political Science, 2013, 263.

(17)

Verpflichtung zur Erlassung einer solchen Verordnung, wobei bei einem vorliegenden längerfristigen Mangel eine solche Verordnung wohl erlassen werden muss um ein Ermessen im Sinne dieses Gesetzes auszuüben.64 Pro gemeldeter offener Stelle dürfen

dabei höchstens 1,5 Arbeitssuchende in der entsprechenden Berufsgruppe vorgemerkt sein. Diese 1,5 als sogenannte Stellenrandziffer darf nur in Ausnahmefällen bis maximal 1,8 überschritten werden. Doch diese Berufe „kommen (lediglich) in Betracht“ was nur darüber liegende Stellenrandziffernberufe ausschließt, für niedrigere jedoch keine Verordnungsaufnahmeverpflichtung besteht. Die Definition des Begriffs des „Mangelberufs“ als Mangel an Arbeitskräften in einem bestimmten Beruf zu

bezeichnen65, ist abgesehen davon, dass es sich lediglich um eine Tautologie handelt,

sehr unbestimmt formuliert. Auch das zeitliche Element des „längerfristigen Mangels“ ist nicht näher definiert, wobei saisonale Spitzen dieses Kriterium nicht erfüllen.66 Alles in

allem enthält die Verordnungsermächtigung des § 13 Abs 1 AuslBG mehrere unbestimmte Gesetzesbestimmungen, die nur sehr vage gesetzliche Vorgaben darstellen. Meiner Einschätzung nach reicht dies aber noch nicht um als

Verordnungsermächtigungsgrundlage mit dem Determinierungsgebot in Widerspruch zu geraten.67

§ 12a Z1 AuslBG verlangt außerdem, dass die Fachkräfte über eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Als Qualifikationsniveau von Fachkräften werden zumindest Berufe welche die Möglichkeit einer Lehre anbieten als geeignet angesehen.68 Weiteres müssen 55 von 90 möglichen Punkten erreicht werden, wobei

Punkte für die Ausbildungsqualifikation, ausbildungsadäquate Berufserfahrung, Alter und Sprachkenntnisse vergeben werden.

Schließlich verlangt § 12 Z 3 AuslBG zusätzlich zu dem nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Entgelt auch eine betriebliche Überbezahlung, welche in manchen Berufen, insbesondere bei Unternehmen ohne zu konsultierende Betriebsräte, in der Praxis für die Behörde oft schwer zu ermitteln ist.69

64 Vgl Leitl-Staudinger Barbara, Öffentliches Recht I, RZ 15/47f.

65 Vgl Bichl/Schmid/Symanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration, zu §§ 12b, 13 AuslBG. 66 Vgl Peyrl, Neuordnung Arbeitsmigration, 476.

67 Vgl Leitl-Staudinger Barbara, Öffentliches Recht I, RZ 4/19

68 Vgl § 1 iVm Anlage 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie vom

14.05.1975, mit der die Lehrberufsliste erlassen wird, BGBl 268/1975, zuletzt geändert BGBl II 185/2019

(18)

3.2.2.

Besonders Hochqualifizierte

Die zweite Säule verlangt kein konkretes Arbeitsplatzangebot um nach Österreich einreisen zu können, wobei § 24a FPG, mit Verweis auf das AuslBG, bei ausreichender Punktequalifikation den Antragsstellern zum Zwecke der Arbeitssuche für bis zu sechs Monaten ein Visum D einräumt. Die erforderlichen Punkte sind bei 70 von 100

möglichen erreicht, wobei für besondere Qulifikationen (z.B Abschluss eines mindestens vier jährigen Studiums), Berufserfahrung, Deutsch und Englisch Kenntnisse, sowie für inländische Studien Punkte vergeben werden.70 Über das Vorliegen der erforderlichen

Mindestpunkte entscheidet das Arbeitsmarktservice.71 Nach positiver Rückmeldung vom

Arbeitsmarktservice wird dem Antragssteller von der Vertretungsbehörde72 ein Visum D73

erteilt.

3.2.3.

Sonstige Schlüsselkräfte

Sonstige Schlüsselkräfte erhalten gemäß § 41 Abs 2 Z 2 NAG iVm § 12b Z 1 AuslBG die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ wenn sie mindestens 50 von 75 möglichen Punkten erreichen, wobei Punkte für die Qualifikation, Berufserfahrung Sprachkenntnisse und das Alter vergeben werden. Weiteres müssen Antragssteller ein altersabhängiges Bruttogehalt in der Höhe von, für Antragssteller über 30 Jahre, 60%, Personen unter 30 Jahre 50% der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs 3 ASVG, die mit Stand 2019 EUR 5.220.- beträgt, zuzüglich Sonderzahlungen erhalten.74

Abschließend kommt es bei dieser Möglichkeit die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ zu beantragen auch zu einer Arbeitsmarktprüfung. Bei dieser erfolgt die Zustimmung erst dann, wenn am Arbeitsmarkt weder Österreicher noch bereits vorhandene Ausländer für den betreffenden Arbeitsplatz vorhanden sind. Diesen wäre der Vorzug zu geben.75

70 Vgl Kreuzhuber/Hudsky, Arbeitsmigration, 87ff.

71 Vgl „Zentrale Ansprechstelle“ ist gemäß § 20c Abs 1 AuslBG die Landesgeschäftsstelle des

Arbeitsmarktservice Wien

72 Vgl § 2 Abs 5 Z 3 FPG iVm § 8 Abs 1 FPG

73 Vgl § 24a iVm § 2 Abs 1 Z 1 und Z 2 FPG, wobei auf die gesicherte Widerausreise nach Z 3 aufgrund

des Zwecks der Arbeitsplatzsuche natürlich wegfällt.

74 Vgl Peyrl in Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG, § 41, Rz 10. 75 Vgl Lindmayr, Ausländerbeschäftigung, Rz 321 bzw 354ff.

(19)

3.2.4.

Studienabsolventen

Auch Studienabsolventen die entweder ihr Diplomstudium, zumindest ab dem zweiten Studienabschnitt, alternativ ihr Masterstudium, beziehungsweise seit 01.10.2017 auch ihr Bachelorstudium, oder Doktoratsstudium76 absolviert haben steht die Möglichkeit zu

gemäß § 41 Abs 2 Z 3 NAG iVm § 12b Z 2 AuslBG eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ zu beantragen. Eine weitere Voraussetzung dafür ist, dass das Studium an einer

österreichischen Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität (z.B. Krems) absolviert wurde. Schließlich verlangt diese Möglichkeit die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ zu erlangen auch ein Entgelt dafür zu bekommen das inländische

Studienabsolventen bei vergleichbarer Berufserfahrung für eine vergleichbare Tätigkeit erhalten, aber zumindest 45% der Höchstbeitragsgrundlage betragen muss.77 Der nicht

mehr zeitgemäße Begriff des „inländischen Studienabsolventen“ wird im Lichte des § 17 Gleichbehandlungsgesetzes wohl eher als in Österreich rechtmäßig auf haltige

Personen zu verstehen zu sein, um eine Ungleichbehandlung beim Einstiegsgehalt aufgrund ethnischer Zugehörigkeiten zu vermeiden.78

Anders als bei den anderen Zugangsmöglichkeiten genießen die Studienabsolventen den Vorteil, dass diese Möglichkeit die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ zu erlangen weder an die Erreichung einer bestimmten Punktezahl, noch an eine vorangegangene

Arbeitsmarktprüfung gebunden ist.79

3.2.5.

Selbstständige Schlüsselkräfte

Auch selbstständige Schlüsselkräfte sind nicht an ein Punktesystem gebunden.80 Sie

76 Vgl BGBl I 66/2017, wodurch nun auch das Bachelorstudium sowie das Doktoratsstudium von dieser

Regelung explizit erfasst sind.

77 Vgl Sozialpartner Österreich, Einigung der österreichischen Sozialpartner zur Bekämpfung von Lohn-

und Sozialdumping und zur Schaffung eines kriteriengeleiteten Zuwanderungsmodells (Rot-Weiß-Rot-Karte), 2010, wobei der Vorschlag der Sozialpartner interessanterweise kein explizites Mindestentgelt enthält: http://qs.sozialpartner.at/wp-content/uploads/2015/08/SozialpartnerpraesidenteneinigungIschl-I-zusammengefuehrt.pdf(27.08.2015), 7.

79 Vgl Kreuzhuber/Hudsky, Arbeitsmigration, 107.

(20)

erhalten auf Antrag eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ wenn zur beabsichtigten Erwerbstätigkeit ein Investitionskapital von mindestens € 100.000.- transferiert wird, oder neue

Arbeitsplätze geschaffen beziehungsweise bestehende gesichert werden. Abgestellt wird dabei auf den gesamtwirtschaftlichen Nutzen. (vgl. § 24 Abs 1 AuslBG). Der Gesetzgeber verlangt dabei einen zusätzlichen Impuls für die Wirtschaft.81 Festgestellt

wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mittels Gutachten, auf dessen Basis dann die

Niederlassungsbehörde eine abschließende Entscheidung trifft.

3.2.6.

Start-Up-Gründer

Durch BGBl I 66/2017 wurde auch diesen Personengruppen die Möglichkeit des Erhalts der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ ermöglicht. Der Zugang ist dabei an das Erreichen von

mindestens 50 von 85 möglichen Punkten geknüpft, die für Berufsausbildung,

Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, sowie für eingebrachtes Startkapital und schließlich auch für die „Aufnahme in einem Gründerzentrum oder Förderung durch eine Start-Up Förderstelle in Österreich“ vergeben werden.82 Weiteres müssen durch das Start-Up

Unternehmen innovative Produkte, Dienstleistungen, Verfahren oder Technologien entwickelt und in den Markt eingeführt werden. Schließlich verlangt der Gesetzgeber auch einen schlüssigen Businessplan vorzulegen, wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung vom Antragssteller selbst auszuüben, sowie ein Gründungskapital von zumindest € 50.000.-, davon die Hälfte Eigenkapital, nachzuweisen.83 Auch hier wird

das Vorliegen der genannten Voraussetzungen durch die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mittels Gutachten festgestellt.

3.3.

Unterschiede zwischen der „Blue Card“ und der

„Rot-Weiß-Rot-Karte“

Die Unterschiede zwischen der „Blue Card“ und der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ äußern sich in der Praxis so, dass die Vorteile der „Blue Card“ gegenüber der „Rot-Weiß-Rot-Karte“

81 Vgl VwGH 21.03.2017, Ra 2017/22/0027 mit Verweis auf VwGH 19.11.2014, 2012/22/0102. 82 Vgl § 24 Abs 2 iVm Anlage D AuslBG.

(21)

sehr marginal sind. Hingegen überwiegen die Nachteile deutlich, wofür hauptsächlich das sehr hoch angesetzte Mindestentgelt (näheres dazu unter Punkt 3.1.1.2.)

verantwortlich ist, was zuwanderungswillige Personen eher dazu bewegt, mit der „Rot-Weiß-Rot-Karte“, das nationale Modell zu beantragen. Das schlägt sich auch in der Niederlassungs- und Aufenthaltsstatistik des Bundesministeriums für Inneres nieder. Im Jahr 2018 wurden lediglich 246 „Blaue Karten EU“ erteilt, während 1223 Antragsstellern die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ erhalten haben84.Selbst das Weiterwanderungsrecht der

„Blauen Karte EU“ in andere Mitgliedsstaaten ist wohl eher theoretischer Natur85, da

gemäß Art 18 der RL 2009/50/EG die materiellen Voraussetzungen zur Erteilung der „Blauen Karte EU“ dann auch in allen betroffenen Staaten erfüllt sein müssen.

Zusätzlich ist man auch noch von allfälligen Zuwanderungsquoten dieser Staaten abhängig86. Vom Weiterwanderungsrecht Gebrauch machenden Personen wurden im

Jahr 2018 lediglich vier „Blaue Karten EU“ (Mobilität) erteilt.84

Dass sich Österreich bei der Umsetzung der „Blue Card-RL“ dazu entschlossen hat das diesbezügliche Zulassungsverfahren auf zwei Gesetze aufzuteilen, deren Vollziehung unterschiedliche Behörden obliegt, macht die Beantragung der „Blauen Karte EU“ auch nicht attraktiver87. Jedoch ist dieses Verfahren dem zur Erlangung der

„Rot-Weiß-Rot-Karte“ gleichgeschaltet. Ein Nachteil der „Blauen Karte EU“ ist allerdings, dass diese ausschließlich nach erfolgter Arbeitsmarktprüfung (§§12c iVm 4 Abs 1 AuslBG) erteilt werden kann88, während für die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ auch davon unabhängige

Möglichkeiten existieren. (siehe 3.Kapitel)

Dafür müssen Erstantragssteller der „Blauen Karte EU“ wiederum weder Deutschkenntnisse vorweisen noch eine Integrationsvereinbarung eingehen. § 9 Abs 1 IntG89 und § 21a NAG nennt taxativ die Aufenthaltstitel für welche diese

Voraussetzungen zu erbringen sind, wobei auch der für die „Blaue Karte EU“

84 Vgl Bundesministerium für Inneres, Niederlassungs- und Aufenthaltsstatistik 2018,

https://www.bmi.gv.at/302/Statistik/files/Jahresstatistiken/Niederlassungs-_und_Aufenthaltsstatistik_2018.pdf 27f. Für Start-Up Gründer scheint 2018 in dieser Statistik kein Antrag auf.

85 Vgl Hailbronner, Die gemeinsame Migrations- und Asylpolitik der EU – eine Fiktion? in

Bundesministerium für Inneres (Hrsg), Asyl-Migration-Integration, 40.

86 Art 18 Abs 7 iVm Art 6 RL 2009/50/EU

87 Vgl Norbert Bichl/ Christian Schmid/ Wolf Szymanski, Im Hamsterrad der Gesetzgebung-

„Rot-Weiß-Rot-Karte“, Anwesenheitspflicht für Asylwerber und Schubhaft für Minderjährige, migraLex 2011, 49.

88 VGL Kreuzhuber/Hudsky, Arbeitsmigration, RZ 276.

89 Vgl Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische

(22)

einschlägige § 8 Abs 1 Z 3 NAG diese Voraussetzungen nicht kennt. Weiteres finden durch das geforderte hohe Mindestentgelt sowie mangels Deckung in der RL die

nationalen Bestimmungen der ortsüblichen Unterkunft (§ 11 Abs 2 Z 2 NAG) und die der notwendigen Unterhaltsmittel (§ 11 Abs 2, Z 4, Abs 5) gemäß § 42 Abs 1 Z 1 NAG nur in Extremfällen Anwendung.90

Im Zusammenhang mit diesen unterschiedlichen Regelungen könnte sich allerdings auch die Frage stellen ob die Unterschiede, insbesondere die erhöhten Anforderungen (Deutschkenntnisse, ortsübliche Unterkunft, Unterhaltsmittel) bei der Beantragung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte“, im Vergleich zur RL 2009/50/EG nicht eine sachlich

ungerechtfertigte Schlechterstellung darstellen. Im VfGH Erkenntnis G244/09 wurde dies jedoch verneint und damit begründet, dass dem Gesetzgeber bei der Frage wem er ein Aufenthaltsrecht einräumt, gerade in Fällen ohne unionsrechtlichen Bezug, ein weiterer Gestaltungsspielraum zukommt.91

3.4.

Berührungspunkte der „Blue Card“ mit nationalen

Gesetzen

Trotz ähnlicher bereits bestehende Voraussetzungen bei der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ musste die Blue Card-RL natürlich in österreichisches Recht umgesetzt werden. Dies ist weitgehend durch dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, zuletzt geändert durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018, erfolgt.92 Dadurch ist die Umsetzung auch in

unterschiedlichen Gesetzen zu finden, welche auch von verschiedenen Behörden93

vollzogen werden. Die meisten Regelungen befinden sich im NAG und im AuslBG, welche in diesem Kapitel bereits wiederholt angeführt wurden, andere wiederum im FPG94 und im AsylG95. Dazu existieren zahlreiche weitere Gesetze und Verordnungen.96 90 Vgl Peyrl/Neugschwendtner/Schmaus, Fremdenrecht6, 49ff.

91 VfGH 16.12.2009, G 244/09.

92 Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005,

das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das BFA-Einrichtungsgesetz, das

Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenkstättengesetz, das Meldegesetz 1991, das Personenstandsgesetz 2013, das Zivildienstgesetz 1986 und das

Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 – FrÄG 2018), BGBl. I Nr. 56/2018

93 Vgl Für die angeführten Bestimmungen des NAG ist gemäß § 83 Z 4 NAG der Bundesminister für

Inneres, für den Bereich der meisten relevanten Bestimmungen des AuslBG ist gemäß § 35 Z 5 AuslBG der Bundesminister fürArbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz mit der Vollziehung betraut.

(23)

94 Vgl Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde

und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG), BGBl I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018.

95 Vgl Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005), BGBl I 100/2005,

zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018.

96 Vgl exemplarisch das BFA-VG: Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das

Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen

Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA – Verfahrensgesetz – BFA – VG), BGBl I 87/2012, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018.

4. Umsetzung der Blue Card-RL

4.1.

Vertragsverletzungsverfahren im Zuge der Umsetzung

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union („MS“) hatten gemäß Art 23 Abs 1 bis zum 19.06.2011 Zeit, die Umsetzung der beschlossenen Richtlinie 2009/50/EG

durchzuführen und in ihrem nationales Recht zu verankern.97

Die Verbindlichkeit der einzelstaatlichen Umsetzungen der Sekundärrechtsakte der EU wurden in den Gründungsverträgen der EU (AEUV, EUV) mit dem Beitritt der jeweiligen Staaten für diese verbindlich. Bei der Umsetzung der Richtlinie kam es durch die

Mitgliedsstaaten zu verschiedenen Verstößen, begonnen bei der Nichtumsetzung, über die gemäß Art 23 Abs 2 RL 2009/50/EG vorgesehenen Mitteilung der getroffenen nationalen Maßnahmen zur Umsetzung an die Kommission, bis hin zur mangelhaften Umsetzung.98 Gemäß den Art 258ff AEUV musste die Kommission bei 20 MS wegen

säumiger Umsetzung der „Blue Card-RL“99 Vertragsverletzungsverfahren100 einleiten da

die Fristen zur Umsetzung der Richtlinie nicht eingehalten wurden.

Alle Verfahren die damals eingeleitet wurden sind bereits abgeschlossen. Dadurch bestehen nun bei der Beantragung der Blauen Karte EU in keinem der durch die RL 2009/50/EG gebunden Staaten Hindernisse.101

97 Mit der Ausnahme von Dänemark, dem Vereinigten Königreich und Irland

98 Vgl Pressemitteilung der Europäischen Kommission: Beispielsweise hat die Kommission

Fristsetzungsschreiben (erster Schritt im Vertragsverletzungsverfahren) an Deutschland, Italien, Malta, Polen, Portugal und Schweden gerichtet, die ihrer Mitteilungspflicht nicht nachkommen sind,

https://europa.eu › rapid › press-release_IP-11-1247_de,

99 AT, BE, BG, DE, EL, FR, IT, CY, LV, LT, LU, HU, MT, PL, PT, RO, SI, SK, FI und SE. 100 Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 113f.

101 Vgl Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der

(24)

4.2.

Die Anwendung der „Blue Card-Richtlinie“

Viele MS haben im Zuge der Umsetzung der RL 2009/50/EG auch innerstaatliche Gesetze zur Anwerbung hochqualifizierter Arbeitsmigranten erlassen.102 Manche MS103

haben die Umsetzung mit Quoten geregelt, mit welchen die Anzahl der

hochqualifizierten Migranten beschränkt wird. Andere104 regeln das über günstigere

Bestimmung als die Richtlinie selbst enthält.

Bestimmungen im Hinblick auf bestimmte Vorschriften der Richtlinie.105

Bis 2012 wurde die Richtlinie in allen verbleibenden 25 der 28 Mitgliedstaaten

umgesetzt. Lediglich Dänemark, Irland und Großbritannien nahmen an dem System der blauen Karte nicht teil. Dennoch gab es große Unterschiede in einzelnen Ländern, da den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung einige Freiheiten überlassen wurden. So variiert etwa die Gültigkeitsdauer der „Blauen Karte EU“ zwischen 12 und 60 Monaten. Das liegt daran, dass die RL lediglich an die Dauer des Arbeitsvertrags plus drei Monate anknüpft, die Mitgliedsstaaten jedoch in ihren nationalen Einwanderungsgesetzen diese Dauer selbst festlegen können.106 Auch bei den Kosten für die Erlangung der „Blauen

Karte EU“ bestehen teils nicht nachvollziehbare Unterschiede. Während die Kosten in Finnland und Spanien mit etwas über € 400.- am höchsten sind ist Zypern mit etwa € 50.- am günstigsten.107 Ein EU-weiter Vergleich der Einkommensgrenze und somit des

zur Erlangung der „Blauen Karte EU“ erforderlichen Mindestentgelts gestaltet sich schwierig, da dem verlangten 1,5-fachen der durchschnittlichen Bruttogehälter weder eine einheitliche Definition, noch eine einheitliche Berechnungsgrundlage, falls

überhaupt öffentlich ersichtlich, zu Grunde liegt. Ungarn und die Slowakei berechnen dieses überhaupt branchenabhängig. Auch die der Vergabe vorgelagerte

Arbeitsmarktprüfung haben nicht alle Länder in das nationale Recht übernommen.108 102 AT, BE, CZ, DE, EE, EL, ES, FI, FR, NL, LT, LU, SK, SI und SE.

103 BG, CY, EE, EL und RO.

104 AT, BE, CZ, DE, EL, FI, FR, HU, IT, LU, LV, NL, PT, SE und SI.

105 Vgl Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der

„Blue Card-Richtlinie 2009/50/EG,COM (2014) 287, 2.

106 Vgl Tanja Sitteneder in ifo Schnelldienst, 45.

107 VglEurostat., Zusammenstellung des ifo instituts nach verschiedenen Websites der Länder, Tabelle 1,

45.

108 VglLuxenburg, die Niederlande, Schweden, Finnland, Frankreich, Deutschland, Rumänien, Portugal

(25)

Generell wird die „Blaue Karte EU“ von den Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Deutschland und Luxemburg, kaum genutzt. Im Jahr 2016 hebt sich Deutschland mit 17630 ausgegebenen Karten deutlich vom Rest der EU ab. Während alle folgenden Länder im dreistelligen Bereich liegen schafft es Luxemburg trotz seiner geringen Größe mit 636 erteilten Karten immerhin auf Platz 4.107 Zum Teil ist der geringe Erfolg der

„Blauen Karte EU auch darauf zurückzuführen, dass viele Länder bereits ähnliche Arbeitsmigrationsmodelle in ihrer nationalen Gesetzgebung verankert haben. So erteilten im Jahr 2016 beispielsweise die Niederlande 9084, und Schweden 5288 qualifizierten Migranten die Einreise nach nationalen Programmen, vergaben im selben Zeitraum allerdings nur 42 bzw. 11 „Blaue Karten EU“.109

5. Trilog-Verhandlungen 2016 – dato

5.1.

Vorschlag für die Überarbeitung der Richtlinie

Die derzeitig gültige Blue Card-RL weißt entgegen der ursprünglich bebsichtigten Vereinfachung zahlreiche Mängel, insbesondere bei der einheitlichen Umsetzung, auf. Die Attraktivität der Blauen Karte EU leidet nach wie vor unter den nationalen

Umsetzungen und den daraus resultierenden Unterschieden bei den

Zulassungsverfahren. Dadurch traten in vielen MS im Zuge der Arbeitsmigration die nationalen Bestimmung in den Vordergrund. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen muss die Union danach trachten diese Angelegenheiten selbst zu regeln ohne den MS zuviele Kompetenzen zur Rechtssetzung übrig zu lassen. Diesen Ansatz verfolgte auch Jean-Claude Juncker,der vorige Präsident der Europäischen

Kommission, und sprach sich dafür aus diese Mängel im Zuge einer Ausweitung des Wirkungsbereichs der Blauen Karte EU zu beheben, um damit mehr Zuwanderung zu erreichen.110 Auch die Europäische Migrationsagenda111 macht die Überarbeitung der

Blaue Karte EU zum Kernthema für mehr legale Zuwanderung um die Beliebtheit der Union für die Migration qualifizierter Fachkräfte zu erhöhen. Zentraler Bedeutung kommt dabei der Überarbeitungsvorschlag zur Richtlinie COM(2016), 378 final zu.112

109 Vgl Eurostat (Datensatz: migr_resocc).

110 Vgl Politische Leitlinien von Präsident Juncker; Die Prioritäten der amtierenden Kommission: Schreiben

von Kommissar Avramopoulos

111 Vgl Mitteilung der Kommission vom 13. Mai 2015, Die Europäische Migrationsagenda, COM(2015) 240

final.

(26)

Dieser Vorschlag lässt im Vergleich zur bestehenden Richtlinie 2009/50/EG den Mitgliedstaaten keine Restkompetenz eigene Regelungen in nationalen Gesetzen zu verankern um qualifizierte Fachkräfte anzuwerben. Durch die beabsichtigte Neufassung der Blue Card-RL werden die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet nationale Regelungen, verbunden mit der zwingenden Anwendung der Richtlinie, abzuschaffen. Lediglich nicht in den Anwendungsbereich der Blue Card-RL fallende Regelungen erlauben dann den Parlamenten der Mitgliedstaaten noch im Rahmen geltenden Unionsrechts Gesetze für nationale Regelungen zu verabschieden. So ist dann etwa das Erlassen günstigerer Regelungen nur mehr im Rahmen des Art 4 Abs 2 des Vorschlags möglich.113 Auch

Vereinfachungen bei der Zulassung und den damit verbundenen Verfahren bei der Mobilität und dem Familienzuzug versucht der Vorschlag für potentielle Zuwanderer attraktiver zu gestalten.

Art 5 Abs 2 des Vorschlags widmet sich dem Problem des zu hoch angesetzten

Mindestentgelts. Die Kommission hat bereits bei ihrer Mitteilung an das Parlament und an den Rat im Jahr 2014 vorgeschlagen der Berechnung die Eurostat-Daten114

zumindest als einheitlichen Richtwert115 zugrunde zu legen.116 Beim Bestreben nach

bestmöglicher Harmonisierung folgte auch der Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie diesen Überlegungen und empfiehlt der Berechnung des Mindestgehalts diesen Referenzwert zu Grunde zu legen. Das stark kritisierte zu hoch gewählte

Mindestentgelt wird nun geringer als noch in der Richtlinie 2009/50/EG angesetzt, und empfielt jetzt zumindest das 1,0-fache bis höchstens das 1,4-fache des

durchschnittlichen Bruttojahresgehalts als Anforderung zur Erlangung der Blauen Karte EU festzulegen. Dadurch verspricht man sich einen deutlichen Anstieg bei der

Anwerbung qualifizierter Zuwanderer.117. Durch die feste Bandbreite vom

113 Vgl Verfahrensgarantien (Art 10), Fälle vorübergehender Arbeitslosigkeit (Ar 14), Gleichbehandlung

(Art 15), Rechte der Familienangehörigen (Art 16) sowie bei erlaubten Abwesenheiten vom Hoheitsgebiet nach Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten (Art 17 Abs 5)

114 Daten über die Bruttojahreseinkommen (pro Arbeitgeber), die von Eurostat für Unternehmen ab 10

Beschäftigten veröffentlicht werden (earn_ses10_an). Diese Daten werden alle vier Jahre im Rahmen der Verdienststrukturerhebung (SES) ermittelt und bieten eine Vergleichsquelle für die EU.

115 Vgl Art 20 Abs 3 und Erwägungsgrund 11.

116 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der „Blue

Card-Richtlinie 2009/50/EG, COM (2014) 287, 7.

117 Vgl die Ergebnisse der Analyse der Auswirkungen und der die Integration fördernden verschiedenen

Gehaltsschwellen in den Anhängen 7 und 14 der Folgenabschätzung zu diesem Vorschlag - SWD (2016)193.

(27)

1,0 bis 1,4-fachen können die Mitgliedstaaten, nach Ansicht der Kommission, immer noch ausreichend unterschiedlich auf ihre speziellen Arbeitsmarktverhältnisse reagieren. Der Richtlinienvorschlag erlaubt den MS aber auch Ausnahmen für bestimmte

Mangelberufe.118, Bei jungen Hochschulabsolventen verlangt die überarbeitete Version

der RL als Kompensation ihrer mangelnden Berufserfahrung nur 80 Prozent des festgelegten Mindestgehalts um ihnen den bestmöglichen Start ins Berufsleben zu ermöglichen.119

Letzteres wäre auch mit der Studenten-RL 2016/801 gut vereinbar, da Studenten darin aus ähnlichen Erwägungen gestattet wird 9 Monate im Aufnahmestaat nach Arbeit suchen zu dürfen.

Die Artikel 8ff schlagen diverse Verfahrensvereinfachungen vor. Bei stattgebenden Antrag wird dem Bewerber in seinem Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ gleichzeitig die Bedingungen für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bescheinigt. Als Gültigkeitsdauer werden einheitlich 24 Monate vorgeschlagen. Die Ausnahme von kürzeren

Arbeitsverhältnissen und der Beschränkung auf deren Dauer plus drei Monate wurde nicht adaptiert.

Auch die Erledigungsfrist der Behörden bis zur Entscheidung über die Vergabe der „Blauen Karte EU“ wurde von 90 Tagen in der RL 2009/50/EG auf nunmehr 60 Tage reduziert.

Ein weiterer Vorschlag betrifft die Lockerung der Aufenthaltszeit zur Erlangung einer dauerhaften Aufenthaltsberechtigung. Hier werden nur mehr ununterbrochene drei Jahre im jeweiligen Aufnahmestaat, beziehungsweis für Zuwanderer welche die

Mobilitätsbestimmungen der Blauen Karte-EU in Anspruch nehmen fünf Jahre, verlangt. Dadurch erwartet man sich auch eine bessere Integration im Aufnahmestaat.

Neu geschaffen wurde der Artikel 19, welcher Inhabern der „Blauen Karte EU“ nun auch die Möglichkeit gibt einer geschäftlichen Tätigkeit in einem weiteren EU Staat

nachzugehen. Dabei ist es dem zweiten MS auch nicht gestattet eine Arbeitserlaubnis oder sonstige Genehmigung, mit Ausnahme der vom Einreisestaat ausgestellten „Blauen Karte EU“, zu verlangen.

118 Vgl ISCO (Internationale Standardklassifikation der Berufe); die Hauptgruppen 1 und 2 umfassen

Führungskräfte und Fachkräfte. http://www.ilo.org/public/english/bureau/stat/isco/intro.htm

(28)

Eine Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten sieht der Vorschlag ebenfalls vor. Bei Erfüllung der beruflichen Qualifikationskriterien können demnach nun auch Personen denen internationaler Schutz120 zuerkannt wurde einen Antrag auf Erteilung der „Blauen

Kare EU“ stellen. Damit soll auch die gesellschafftliche Eingliederung dieser Menschen in ihrem Aufnahmestaat, sowie deren Chancen am Arbeitsmarkt verbessert werden. Außerdem schlägt die Richtlinie vor die parallele Selbstständigkeit innovativer Unternehmen zu fördern indem sie Inhabern der „Blauen Karte EU“ diese unabhängig von ihrem Aufenthaltsrecht gestattet. Schließlich wird vorgeschlagen die derzeitige Blue Card-Richtlinie 2009/50/EG aufzuheben.121

5.2.

Umsetzungsprobleme

Die Verhandlungen über den Reformvorschlag122 für die „Blaue Karte EU“, welche im

Rahmen eines Trilogs zwischen der Europäischen Kommission, dem Rat der

Europäischen Union und dem Europäischen Parlament geführt werden, sind jedoch ins Stocken geraten. Die Europäische Kommission übernimmt bei diesen

Trilog-Verhandlungen eine Art moderierende Funktion wobei sie auch den Reformvorschlag

dafür ausgearbeitet hat.122 Während sich das Europäische Parlament mit den

Vorschlägen der Kommission zufrieden zeigt, sind die Standpunkte der Mitgliedsstaaten nach wie vor unterschiedlich, sodass es bisher nicht möglich war sich im Rat auf eine nennenswerte Verbesserung des derzeitigen unbefriedigenden Zustands zu

verständigen. Während die Europäische Kommission und das Europäische Parlament der Ansicht sind, dass eine Reform der Richtlinie „Blaue Karte EU“, nur erzielt werden kann wenn die EU als einziger geschlossener Wirtschaftsraum nach außen auftritt um ihren Größenvorteil bei der Anwerbung hochqualifizierter Arbeitnehmer besser nutzen

120 Vgl Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über

Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

121 Vgl Erwägungsgrund (54) Richtlinie 2011/95/EU 122 Vgl COM (2016) 378 final.

(29)

zu können besteht der Rat auf Beibehaltung nationaler Zulassungspolitik.123 Größten

Widerstand gab es insbesondere gegenüber dem von der Kommission vorgesehenen strikten Verbot parallel anwendbarer nationaler Aufenthaltstitel für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige. Viele Mitgliedstaaten haben nach wie vor erhebliche Bedenken gegen diese Kompetenzverschiebung hin zur Europäischen Union und sehen sich dadurch daran gehindert ihre Zuwanderungspolitik entsprechend ihres

Fachkräftebedarfs zu gestalten und gezielt auf besondere Engpässe auf dem

Arbeitsmarkt reagieren zu können.124 Der Ansicht der Kommission, alleine aufgrund der

Bandbreite vom 1,0 bis 1,4-fachen des Mindestentgelts ausreichend unterschiedlich auf ihre Arbeitsmarktverhältnisse reagieren zu können, konnten die MS bis dato nicht

folgen.Auch der ÖGB und die WKÖ haben Ende 2017 gemeinsam mit den Deutschen, Finnischen und Schwedischen Sozialpartnern ein Schreiben an die zuständigen Organe der EU125 verfasst, in dem sie eine Beibehaltung nationaler Systeme fordern. Ihrer

Ansicht nach würde das den Sinn und Zweck der „Blauen Karte EU“ nicht beeinträchtigen.126

Ein weiteres Umsetzungsproblem stellt das in diesen Angelegenheiten herrschente Einstimmigkeitsprinzip dar. Es kommt zwar ein Großteil von etwa 80 Prozent aller EU-Rechtsvorschriften im Europäischen Rat nach dem Abstimmungsprinzip der

sogenannten qualifizierten Mehrheit zustande. Dabei gilt ein Rechtsakt als beschlossen, wenn 55 Prozent der EU-Staaten mit 65 Prozent der EU-Bevölkerung dem zustimmen. Jedoch kommen Rechtsvorschriften zu einigen Angelegenheiten, die von den

Mitgliedsstaaten als besonders sensibel betrachtet werden, nur zustande, wenn sich alle einig sind. Neben der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sind das vor allem Steuerfragen, Finanzen oder Bürgerrechte die Einstimmigkeit fordern.127

123 Vgl Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Mehr legale Wege nach Europa-unentbehrliche Komponente einer ausgewogenen, umfassenden Migrationspolitik, 5f. 124 Vgl Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgebervereine, Pressemitteilung vom 07.03.2017 über die

Reform der Blue Card-RL, https://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/id/de_reform-der-blue-card-richtlinie-uneinigkeit-bei-anwerbung-hochqualifizierter-drittstaatsangehoer

125 An die EU-Kommission, den Rat und den zuständigen Berichterstatter des EU-Parlaments 126 Vgl ÖGB Europabüro, Bericht über die Endphase der Verhandlungen zur „Blauen Karte EU“,

https://www.oegb-eu.at/cms/S05/S05_1.2.a/1342589121192/unsere-themen/soziales/endphase-der-verhandlungen-ueber-die-blaue-karte-fuer-hochqualifizierte-arbeitskraefte-aus-nicht-eu-laendern?d=Touch

127 Vgl Die offiziele Website des Rates der Europäischen Union,

(30)

6. Schlussbemerkungen

Alles in allem scheint der Versuch die gescheiterte Richtlinie 2009/50/EG in Richtung einer einzigen EU-weiten Regelung zu Lasten einzelstaatlicher Kompetenzen

abzuändern am Widerstand der Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union zu scheitern. Ursprünglich sollte die „Blaue Karte EU“ ja die unterschiedlichen nationalen Regelungen ersetzen und eine gemeinsame Basis für ein einheitliches

Erwerbszuwanderungssystem schaffen. Dies ist der EU durch die Schaffung der RL 2009/50/EG (Blue Card-RL) jedoch weder gelungen, noch konnte damit, entgegen der Absichten, eine weitere Möglichkeit der Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften geschaffen werden.128

Meiner Ansicht nach ordnet sich die „Blue Card-RL“ nur als weiterer Versuch in eine Reihe vorangegangener Rechtsetzungs- und Rechtssprechungsakte ein, welche im Ergebnis danach streben die Grenzen des Subsidiaritätsprinzips zugunsten der EU zu verschieben. Dem Erwägungsgrund (54) des Vorschlags der Kommission129 der

vorschlägt, dass die Richtlinie 2009/50/EG aufgehoben werden soll kann somit nur das Wort „ersatzlos“ hinzufügt werden. Meiner Einschätzung nach konnten und können die unterschiedlichen finanziellen, sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten beim Thema der Arbeitsmigration qualifizierter Arbeitskräfte nur auf nationaler Ebene effektiv geregelt werden, was viele Länder ja auch erfolgreich getan haben.

128 Vgl Collett,Future prospects of a common EU immigration policy in Karlsson/Pelling, Moving beyond

demographics – Perspectives for a common European migration policy, 44.

129 Vgl COM (2016) 378 final,35.

Literaturverzeichnis

Leitl-Staudinger, Öffentliches Recht I8 (2015)

Bichl/Schmid/Szymanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration2 (2011)

Bichl/Schmid/Szymanski, Im Hamsterrad der Gesetzgebung- „Rot-Weiß-Rot-Karte“,

Anwesenheitspflicht für Asylwerber und Schubhaft für Minderjährige, migraLex (2011)

Bittmann, Hochqualifizierte und qualifizierte Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen

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