Das Persönliche im Konflikt
Interventionen in den unterschiedlichen Eskalationsstufen partnerschaftlicher und familiärer Konflikte
Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatung in Hessen e.V.
Ressourcenorientierung Methodenflexibilität
Prozessorienterierung Längsschnittsdiagnose
Beratung (eher)
Defizitorientierung Methodenfixierung Ergebnisorientierung Querschnittsdiagnose
Therapie (eher)
Definition „Hochstrittigkeit“
• Emotionale Probleme der Eltern stehen im Vordergrund.
• Partner sind unfähig/unwillens, Konflikte ohne Gericht zu lösen.
• Einbeziehung: Kinder werden in den Paarkonflikt einbezogen.
• Mehrere Versuche von Beratung und Mediation sind gescheitert.
1/3 der Fälle ein Partner ist als hochstrittig identifiziert2/3 der Fälle beide Partner sind als
• emotionale Bindung = Lösungsunfähigkeit
• intrapsychische Bewältigungsformen
(Projektion, Spaltung)
• paranoide Vulnerabilität
• stabile, globale und polarisierende
Attributionsmuster 1. Objekt absolut böse, erziehungsunfähig Subjekt gut, bei Verfahrensausgang in Richtung Objekt wird
das Selbst entwertet
Entstehungsbedingungen für die „Hochstrittigkeit“
• ungelöste Paarkonflikte zeitliche Übertragung
• Kommunikationsstil:Beziehungsebene ersetzt Inhaltsebene,
von Paarebene wird auf Elternebene geschlossen,
Autonomie wird als Bedrohung erlebt
• Konflikteskalation zum lose – lose, point of no return, paranoides System
• Einbezug des sozialen Umfeldes (Herkunftsfamilie als Bollwerk)
• Einfluss der Rechtsdynamik („Belastungsdruck“ i. S.
belastenden Aussagen)
• Transgenerative Transmissionseffekte (Modelle aus der
Deskription der „Hochstrittigkeit“
in sechs Stufen Konsens
Kompro miss
Delegation
Unterwerfung/Unte rordnung
Flucht
Hierarchie- entwicklung
Dreistufiges Diagnosemodell (n.
Alberstötter)
1. Stufe: zeitweilig gegeneinander gerichtet
• Eltern wissen, dass es für das Kind gut ist, zu beiden einen guten
Kontakt zu haben
• Eigeninteresse kann zum Kindwohl zurückgestellt werden
• Trennung von Elternebene und Paarebene ist stabil, auch die
Trennung von Inhalts- und Beziehungsebene
• Konflikte werden als solche erkannt
1. Stufe: psychoanalytische Beschreibung der psychischen
Ressourcen
• realistische Priorierung
• Objektfreundlichkeit
• Relativierung narzisstischer Bezogenheit
• Affektdifferenzierung
• Integration des Affektes von Traurigkeit
• Identifikationsfähigkeit
• kognitive Selbstüberprüfung
• Fähigkeit zur Besorgnis um das Kind
• neurotisches Angstniveau
2. Stufe: Verletzendes Agieren und Konfliktausweitung
• Polarisierung
• Mythenbildung zum Bösen des Partners
• Dekontextualisierung
• aktive Einbeziehung von Dritten
•„Degradierungszeremonien“ (Garfinkel)
• Instrumentalisierung von Dritten
2. Stufe: psychoanalytische Beschreibung der psychischen
Verarbeitungsmöglichkeiten
• egozentrische Priorierung
• zunehmende Objektfeindlichkeit
• beginnende Triebentmischung
• Affektdominanz von Wut und Ekel bezogen auf den Partner
• unsichere Identifikationsfähigkeit
• Instabile Selbstüberprüfung
• Sorge um das Kind wird zur Handlungsbegründung
• Projektionen
• Borderline-typisches Angstniveau
3. Stufe: „Beziehungskrieg“
• Gefühle von Hass und Verzweiflung
• Tabuisierung der Liebesgeschichte
• Bedürfnis nach Destruktion / Rache
• Zuschreibung von Unmenschlichkeit
• Schädigung des Partners wird zum Ziel
• Instrumentalisierung des Kindes und der Herkunftssysteme
3. Stufe: psychoanalytische Beschreibung der psychischen
Verarbeitungsmöglichkeiten
• „egofugale“ Priorierung
• polarisierende Objektfeindlichkeit
• „Ent-Libidinisierung“
• Affektdominanz Hass
• Kind als Selbstobjekt
• fehlende Selbstreflexion
• Sorge um das Selbst im paranoiden System
• paranoides Angstniveau
Angstniveau
Angst im Sinne von Furcht (Phobie)
Angst vor körperlicher Versehrtheit (Hysterie) Angst vor Autonomie-Verlust
(Zwangsneurose)
Angst vor Objektverlust (Allein-Sein als Einsamkeit)
Angst vor Entwertung (Narzismus)
Angst vor dem Selbstverlust (Angstneurose) Angst vor dem Bösen (BPS)
paranoid-schizoide Position (n. Melanie Klein)
paranoid-schizoide Position depressive Position (paranoide Vulnerabilität bei Hochstrittigkeit)
Sorge um das Selbst Fähigkeit zur Besorgnis
Fremdüberprüfung Selbstüberprüfung
paranoide Angst depressive Angst
(Zerstörungswut) (schlechtes Gewissen) Erleben von Schuld im Fremd Erleben von Schuld im Selbst
Streben nach Vergeltung Fähigkeit zur
Gefahren der paranoid-schizoiden Position
1. Teile des Selbst werden projiziert, ohne dass das Projizierte
verändert wird.
Bei hohem Affektdruck wird dieses Projizierte nicht relativiert
sondern in Teile gespalten.
Diese Teile werden auf Teile des Objektes projiziert.
Somit ist das Objekt in Teile gespalten.
subjektiver Vorteil: das Objekt ist nie vollständig, es besteht kein Neid
objektiver Nachteil: das Erleben des Objektes ist nicht mehr kohärent,
Gefahren der paranoid-schizoiden Position
2. Die zwischen den Objekten
wahrgenommenen Beziehungen werden sexualisiert.
Es entstehen unbewusst sexuelle
Phantasien, die von Sexualneid geprägt sind.
Gefahren der paranoid-schizoiden Position
3. Jedes potenzielle Idealobjekt wird beneidet.
Der Neid ist unaushaltbar, weswegen das potenzielle Idealobjekt über
Teilprojektionen zerteilt und als ganzes nicht mehr wahrgenommen wird.
So entfällt die Möglichkeit der Identifikation.
Die depressive Position
• Die libidinösen Strebungen werden als stärker als die aggressiven erkannt.
• Ein Idealobjekt wird geachtet, nicht mehr beneidet, vielmehr wird es introjiziert,
später über Identifikation verinnerlicht.
• Böses muss nicht immer projiziert werden, da es gute Anteile “enthält”.
• Das Objekt wird realistischer erkannt und mit guten und bösen Anteilen erlebt.
Aus der depressiven Position folgen
• Die eigene Hilflosigkeit wird erkannt, Hilfesuchkompetenz wird entwickelt.
• Es entsteht Dankbarkeit bei Hilfe und es entwickelt sich
Wiedergutmachungskompetenz.
• Projektionen werden zurücknehmbar und als eigene Anteile realisiert.
• Es folgt Objektschonung durch Hemmung eigener destruktiver Impulse.
Um die depressive Position zu erhalten, braucht es Zeit für das Überwiegen der guten Erfahrung, die im
Beratungsprozess betont werden muss.
Beratung bei Hochstrittigkeit braucht Zeit, Mittelfrequenz, Konfrontation mit paranoider Abwehr sowie realistische Grenzsetzung von Außen.
Folgen für die Beratung
Stufe 1 - neurotisches Angstniveau und depressive Position
Methode - systemisch – konstruktivistisch – aufdeckend –
konfliktzentriert
Technik - „participant observer“
Umfeldbedingungen - freiwillig – ohne Berichte an Behörden –
sanktionsfrei ohne Zielvereinbarung und
Folgen für die Beratung
Stufe 2 - Angst vor Entwertung, Selbstverlust und dem
Gewinn des Bösen (Borderline- Niveau)
Methode - kognitiv-konstruktivistisch Technik - konfrontierend mit
Emotionalisierung,
mit Wechsel von Inhalts- und Beziehungsebene sowie
Wechsel von Paar- und Elternebene, Verbalisierung der Besorgung um das Kind,
Konfrontation mit der
Umfeldbedingungen - verabredet, Information an beteiligte Behörden,
Folgen für die Beratung
Stufe 3 - Angst vor dem personifiziertem Bösen (paranoides Niveau)
Methode - „re“-edukativ informierend Technik - Verletzungen unterbinden, Projektionen bremsen,
„Gutes“ konkretisieren,
Teilidentifikation mit dem Kind stützen,
Konfrontation mit verleugneten Gemeinsamkeiten,
Regeldefinition bei eingeschränkter Elternautonomie
Umfeldbedingungen - Schutz des Zieles durch Begrenzung,
gerichtliche Anordnung,
Stundenprotokolle mit „Sozialvertrag“, Schlichtung im Einzelfall und
bei Hochstrittigen ?
Rollenwechsel
• Auftragserfüller gesellschaftlicher Verantwortung
• Berater als verlängerter Arm des Gesetzes
• Berater nicht mehr partizipierend, sondern hoch kontrollierend
• weniger Empathie, mehr Struktur und Regelung
bei Hochstrittigen ?
Methodenwechsel
• psychoedukativ
• Förderung durch Forderung
• Zielvereinbarung, Protokolle
• Entautonomisierung
• Regeldefinition
Gefahren im Umgang mit Hochstrittigen
• Regressionsausbreitung auf Berater
• Annahme subjektiver Realität
• Annahme von Projektionen
• Instrumentalisierung des Beraters
• Dekontextualisierung
• durch die Gewaltprojektionen wird der Berater selbst destruktiv und nutzt
die „Gerichtsmacht“
• Regression auf eine sado-masochistische Ebene
Verständnisgrundsätze
1. Jeder kann regredieren, die
Wahrscheinlichkeit ist höher, wenn die Persönlichkeit prädisponiert ist.
2. Der Berater wird in den drei Stufen unterschiedlich erlebt:
1. Stufe - kompetenter Helfer, Idealobjekt,
Hilfs-Ich,
Über-Ich-“Entlaster“,
im partnerschaftlichen Dialog 2. Stufe - ambivalent besetzter
omnipotenter Helfer,
parteiischer Ratgeber, Über-Ich-“Stärker“,
im abhängigen Dialog
3. Stufe - Wächter, Kontrolleur,
Das Persönliche im Konflikt bei hochstrittigen Paaren bezieht sich auf deren
RegressionsbereitschaftFixierungsstellen im eigenen Lebenslauf
neurotische Bereitschaft
Persönlichkeitsprofil
aber in erster Linie auf deren
Bereitschaft, auf die paranoid-schizoide
Durch Struktur und Klarheit kann Regression gebremst, sogar Progression auf die depressive Position erreicht werden.
Dem Misstrauen muss Klarheit entgegen gebracht werden, den Unterstellungen relativierende Objektivitäten.
Ziel und Maßnahme