• Keine Ergebnisse gefunden

Das Projektkind und seine Eltern – Erziehung im gesellschaftlichen Wandel

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Das Projektkind und seine Eltern – Erziehung im gesellschaftlichen Wandel"

Copied!
36
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Das Projektkind und seine Eltern –

Erziehung im gesellschaftlichen Wandel

Ein Beitrag aus bindungstheoretischer Sicht

Dr. Claus Koch

Pädagogisches Institut Berlin

www. paedagogisches-institut-berlin.de Blog: www.kinder-und-wuerde.de

©Claus Koch 2018. Nur für den persönlichen Gebrauch.

(2)

Übersicht: Das Projektkind und seine Eltern

Teil 1: Erziehung im Wandel

Das Erbe: Erziehung in der Kaiserzeit - Erziehung im „Dritten Reich“- Erziehung in den 50er –Jahren

Die Wende: Dr. Spock besucht die Bundesrepublik

Die Rache: 1968 und die antiautoritäre Wende in der Erziehung

Die Vernunft: Autoritative statt autoritäre Erziehung: Die 80er Jahre Zurück zum Gestern? Bueb, Winterhoff & Co.

(3)

Übersicht

Teil 2: Erziehung heute

Generationskonflikt passé - „Anything goes?“

Hauptsache „Leistung“: Gelobt sei, wer es zu etwas bringt Selbstgefühl, Selbstwert und soziales Dominanzstreben Das neue „Projektkind“ als „Premiumkind“

Was kommt nach der Generation Y? Generation „Snowflake“. Generation K.

Generation Smartphone? - Eine Generation erfindet sich neu

Neue gesellschaftliche Herausforderungen: Erziehung zu Weltoffenheit

(4)

Teil 1: Erziehung im Wandel

(5)

Erziehung im Wandel

Erziehungsprinzipien im Kaiserreich:

Unbedingter Gehorsam, Unterwerfung unter den elterlichen Willen Zucht und Ordnung

Sauberkeit

Selbstbeherrschung

Beschämung, Einschüchterung und (körperliche) Bestrafung Liebesentzug

(6)

Erziehung im Wandel

„Als Elfriede nicht so laut hersagte, sollte sie wiederholen, was sie natürlich aus Angst nicht fertig brachte und bekam 2 Tatzen. Nun war sie ganz gestört. Sie kam weinend zu mir in den Garten. Doch so leid sie mir tat, ich gab ihr wenig Unterstützung in ihrem Schmerz …“

Tagebucheintragung 1904

„Glückli ist oft ein gar zu komischer Kauz. Z.B. bleibt sie abends sehr ungern im Bett liegen und hat sie Lust zum Einschlafen. Da haben wir es mit kräftigen Hieble versucht … Nun dachten wir uns eine andere Strafe aus und banden ihr die Füße zusammen ..“

Tagebucheintrag 1924

(7)

Erziehung im Wandel

Die „wissenschaftlichen“ Grundlagen

Das Kind als „Feind“ des Erwachsenen: anarchisch, sündhaft, triebhaft, ungesteuert

Das Kind als „Tyrann“

Die Rolle der Medizin/Kinderheilkunde: Kinder im Säuglingsalter sind asozial, passiv und empfindungslos. Das Neugeborene muss erst noch zum Menschen werden (Säugling als „Rückenmarksindividuuum)

(8)

Erziehung im Wandel

Adalbert Czerny, Berliner Charité, „Der Arzt als Erzieher des Kindes“ (1922); Vorlesungen: „Der Arzt als Erzieher des Kindes“:

Kleinkind ist schmerzunempfindlich, es besitzt keine psychischen Empfindungen.

Geregelte Nahrungspausen als „die erste Erziehung zur Beherrschung des Willens“

Erziehung zur Selbstbeherrschung „dass ihm nicht gestattet wird, sich alles anzueignen, wonach es verlangt. … „Unterbringung in einer Box“

Warnung vor den Großeltern: „Ältere Menschen sind immer weichherziger, nachsichtiger gegen Kinder …“

Elterliche Autorität wird mit der Fähigkeit zur „Subordination unter einen Vorgesetzten“ in Verbindung gebracht.

Die Körperstrafe soll selten angewandt werden und „sei nur dann effektiv, wenn sie mit einer tatsächlichen Schmerzempfindung verknüpft wird.“

(9)

Erziehung im Wandel

Sind die Eltern an allem „schuld“?

„Was uns als die beste Erziehung für unsere Kinder erscheint, hat nur wenig mit den Kindern zu tun, wie sie sind. Es hat vielmehr damit zu

tun, für was sie einmal gebraucht werden. Und da haben beileibe nicht nur die Eltern das Sagen.“

Herbert Renz-Polster in: „Die Kindheit ist unantastbar.“

Projektkind im Kaiserreich: (Soldat / Untertan / Mutter)

(10)

Erziehung im Wandel

Aus Sicht der Bindungstheorie:

Die Bindungssuche des Kindes, die mit seiner Geburt beginnt, wird systematisch beschädigt. Verloren gehen dem Kind das Gefühl von Geborgenheit, Vertrauen und Sicherheit. Seine Umwelt erscheint ihm als Feind. Da es seine Eltern

dennoch liebt (und von ihnen abhängig ist) projiziert das Kind seine aggressiven Gefühle nach Außen.

Bindungsmerkmale der Erziehung im Kaiserreich: Unsicher vermeidend – unsicher ambivalent - desorganisiert

(11)

Erziehung im Wandel

Erziehung im „Dritten Reich“

„Schwachstelle Mütter“: Bewusst betriebene Erziehung zur Bindungslosigkeit

Johanna Haarer: Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind (1934) – in der BRD bis 1987 leicht retuschiert unter dem Titel „Die Mutter und ihr erstes Kind“ weiterhin verkauft, in der DDR 1945 verboten.

(12)

Erziehung im Wandel

Johanna Haarer in: „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind.“ (1934)

„…raten wir ganz unbedingt dazu, das Kind von der Mutter getrennt unterzubringen … Der Mutter wird auf diese Weise nicht nur viel Beunruhigung erspart – sie horcht nur zu gern ängstlich auf jede Lebensäußerung des kleinen Wesens …“

Die Mutter braucht „Strenge“, „Beharrlichkeit“, „Willenskraft“ und vor allem „Unerbittlichkeit“

Wenn das Kind beim Einschlafen weint: „ Versagt auch der Schnuller, dann liebe Mutter, werde hart!

Fange nur nicht an, das Kind aus dem Bett herauszuholen, es zu tragen, zu wiegen oder auf dem Schoß zu halten. Das Kind begreift unglaublich rasch, dass es nur zu schreien braucht, um eine mitleidige Seele herbeizurufen und Gegenstand solcher Fürsorge zu werden. … Und fertig ist der kleine Haustyrann.“

„Affenliebe verzieht das Kind wohl, erzieht es aber nicht … Es wächst führerlos heran.“

(13)

Erziehung im Wandel

Aus Sicht der Bindungstheorie:

Bewusster Bruch jeglicher Bindung. Die entstehende „Leerstelle“ wird ideologisch besetzt: Als äußerer Feind – als Vernichtung des Anderen

Das Projektkind im „3. Reich“: „Hitlers williger Vollstrecker …“

(14)

Erziehung im Wandel

Projektkind: Hitlers willige Vollstrecker:

„Keine Nachgiebigkeit. Nicht zu viel Beachtung. Nicht zu viel Bedauern.

(…) Vorüber sind die Zeiten, wo es erstes und oberstes Ziel aller

Erziehung und Aufzucht war, nur die Eigenpersönlichkeit im Kind und Menschen zu vervollkommnen und zu fördern. Eines ist heute vor allem not, nämlich dass jeder junge Staatsbürger und Deutsche zum

nützlichen Gliede der Volksgemeinschaft werde …“

Johanna Haarer.: „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“

(15)

Erziehung im Wandel

Erziehung in der Nachkriegszeit (1945 bis Mitte der 1960er Jahre)

Aufrechterhaltung des Patriarchats

Kontinuität autoritärer, eher kinderfeindlicher Erziehung Gehorsam, Körperliche Bestrafung

Beschämung

„Das Kind möglichst von sich fernhalten“

Freizeitverhalten der Kinder eher unabhängig von den Eltern und „wild“

Aus Sicht der Bindungstheorie: Im Vordergrund stand wohl die unsicher-vermeidende Bindung

(16)

Erziehung m Wandel

Projektkind: Gehorsam, angepasst und unterwürfig gegenüber Autoritäten

(17)

Erziehung im Wandel

Die Wende:

Dr. Spocks „Säuglings- und Kinderpflege“ (USA 1946, Deutschland 1952) erobert die Bundesrepublik: Das Kind ist von Beginn an sozial. Eltern

sollten es mit Liebe und Wärme aufziehen und sich dabei auf ihre Intuition verlassen.

(18)

Erziehung im Wandel

1968: Abschied von den Eltern

Aus Sicht der Bindungstheorie:

Die Kinder wurden überwiegend nach den Erziehungsprinzipien vor 1945 erzogen. Sie waren überwiegend unsicher und kaum gebunden. Zudem empfanden sie Schuld und Schamgefühle gegenüber dem

Menschheitsverbrechen, die ihre Eltern durch ihr beharrliches Schweigen auf sie übertrugen

„Freedom is just another word for nothing have to lose“ (Janis Joplin)

(19)

Erziehung im Wandel

68 und die Folgen in der Erziehung:

Anti- autoritäre Erziehung als pure Negation elterlichen Erziehungsstils Laisser- faire aus Angst, „Nein zu sagen“

Befreiung der Sexualität als Antwort auf die rigide Moral der 50er-Jahre

Hinwendung zur verfemten Psychoanalyse (Sigmund Freud, Wilhelm Reich) Aber auch: Gründung erster Kinderläden, Beginn feministischer Bewegung;

Kritik an der „schwarzen Pädagogik“(Katharina Rutschky 1977, Alice Miller

„Das Drama des begabte Kindes“ (1979)

(20)

Erziehung im Wandel

Das Projektkind der 68er: Sexuell befreit, anti-autoritär

(21)

Erziehung im Wandel

Ab 1980 bis heute:

Autoritativer Erziehungsstil:

„Gesundes Mittelmaß“ zwischen autoritärer und permissiver Erziehung:

Eltern sollen dem Kind Grenzen setzen, dabei aber empathisch und einfühlsam mit ihnen umgehen.

(22)

Erziehung im Wandel

Zurück zum Gestern? Die Bücher von Bernhard Bueb „Lob der Disziplin“

(2006) und Michael Winterhoff „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ (2008).

Der Film „Elternschule“ (2018)

Projektkind: Kinder und Jugendliche, die der Erziehungsmacht und

Autorität ihrer Eltern, Lehrer und gesellschaftlichen Regeln Folge leisten

(23)

Erziehung heute

(24)

Erziehung heute

Bindungstheoretische Überlegungen

Kinder kommen als „soziale Wesen“ auf die Welt Frühe Kindheit:

Anerkennung, Resonanz führen zu einem guten:

Selbstgefühl, Selbstwert, Selbstwirksamkeit, (Welt)Vertrauen Heute:

60% - 70% sicher gebundene Kinder und Jugendliche

80% der Kinder gelten als unauffällig, 20% als auffällig (KIGSS-Studie)

(25)

Erziehung heute

Die existenziellen Bedürfnisse von Kindern:

(Grundpfeiler jeder guten Bindung)

• Anerkennung: Ich werde gesehen und gehört, also bin ich.“

• Authentizität: So wie Du bist, bist du wertvoll für mich.“

• Selbstgefühl: „Ich bin es wert, geliebt zu werden. So wie ich bin, darf ich sein.“

• Selbstwert: „Ich bin wertvoll.“

• Selbstwirksamkeit: „Was ich mir vornehme, gelingt.“

(26)

Erziehung heute

Autoritative Erziehung heute:

• Feinfühliger Umgang mit dem Säugling und Kleinkind

• Verzicht auf körperliche Gewalt gegen über dem Kind und Jugendlichen

• Respektvoller, einfühlsamer und regelgeleiteter Umgang

Projektkind: Mündiges, selbstbewusstes Kind, das den von seinen Eltern aufgestellten Regeln aus eigener Einsicht folgt

(27)

Erziehung heute

Kindheit, Jugend, frühes Erwachsensein heute:

Generationskonflikt weitgehend passé

70%-80% der Kinder und Jugendlichen wollen ihre Kinder ähnlich erziehen, wie sie selbst erzogen wurden (Shell Jugendstudie)

Anything goes – privat und öffentlich Kidult-Gesellschaft:

„Ich bin doch nicht blöd“ – „Hauptsache, Ihr habt Spaß“ - Konsum und Werbung

(28)

Erziehung heute

Der tägliche Ruf nach Leistung!

Kita („Haus der kleinen Forscher“) – Schule – Ausbildung/Studium

897 Mio. Euro jährlich für private Nachhilfe

87 Euro pro Monat geben Eltern für Nachhilfeunterricht aus 1,2 Mio. Schüler

„Kollateralschäden“:

„Ich bin nur wertvoll, wenn ich etwas leiste“

Erhöhter Verbrauch von Psychopharmaka schon bei Grundschülern

(29)

Erziehung heute

Jedes Kind will etwas leisten – für sich und andere

Was aber passiert, wenn sich die Forderung mach Leistung abkoppelt von Bindungs- und Resonanzprozessen, von Empathie und Selbstverwirklichung?

Wenn Leistung und das Streben nach „sozialer Dominanz“ eine Einheit bilden?

Zum Verhältnis von sicherer Bindung, Durchsetzungsvermögen und soziale Dominanz

(30)

Erziehung heute

Wer erzieht unsere Kinder?

„Was uns als die beste Erziehung für unsere Kinder erscheint, hat nur wenig mit den Kindern zu tun, wie sie sind. Es hat vielmehr damit zu tun, für was sie einmal gebraucht werden. Und da haben beileibe nicht nur die Eltern das Sagen.“

Herbert Renz-Polster in: „Die Kindheit ist unantastbar.“

Neoliberale Vorstellungen: Der Markt entscheidet über alles.

Jede/r ist seines Glückes Schmied. Nur der/die Beste zählen! Es gibt Winner – und leider auch Loser (selber schuld)!

(31)

Erziehung heute

Das neoliberale Ideal vom Projektkind: An die Markterfordernisse angepasst, intelligent, erfolgreich und konsumfreudig.

(32)

Erziehung heute

Die Eltern:

Merkwürdige Ambivalenz zwischen Gewährenlassen in alltäglichen Dingen und gleichzeitig häufig überzogenen Leistungsansprüchen

• Hohe Identifikation mit dem Kind

• Eltern als Coach

• Helikopter-Eltern

• Angst vor sozialem Abstieg

(33)

Erziehung heute

Das Projekt- oder Premiumkind aus Sicht der Eltern:

Beschützt und gefördert, erfolgreich, durchsetzungsstark, „smart“.

Aus Selbstwert wird Selbstoptimierung.

„Erfolg hat, wer sich gut präsentieren kann, zeige dich also immer so, um bei anderen anzukommen und steigere damit deinen persönlichen Marktwert.“

Beate Grosegger, Soziologin

(34)

Erziehung heute

Was auf die Generation Y folgt:

• Generation „Smartphone“ (Digital natives)

• Generation „Selfie“

• Generation „Snowflake“

• Generation „K“

(35)

Erziehung heute

Neue Herausforderungen: Erziehung zu Weltoffenheit Selbstgefühl: „So, wie ich bin, bin ich gut.“

Selbstwertgefühl „Ich fühle mich wertvoll“

Selbstwirksamkeit: „Was ich mir vornehme, schaffe ich“

Kommunikationsfähigkeit: „Ich kann meine Wünsche/Bedürfnisse mitteilen“

Selbstkontrolle: „Ich weiß, was ich tue“

Sinnfindung: „Ich bin ich“

(36)

Erziehung im Wandel

Was dazu kommen kann:

Empathie

Verantwortung

Die Freiheit, man selbst zu sein

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

$Bolf3wirtf)fd)aft mit aller SRadjt entgegengearbeitet Werben. Unfere bisherige ©cfmtbilbung tjat ba§ Snbimbuum im Kampf um feine ©riftenj innerhalb unb außerhalb

angesichts steigender Erziehungsprobleme stellt, lautet: Ist die Erziehung heute so schwierig, weil die Kindheit „keine richtige“ Kindheit mehr ist, oder ist dagegen die Kindheit

die wohl in vorchristlicher Zeit den höchsten Rang behaupteten, weil das ewige Ideal wahrhaft vollkommener Menschlichkeit noch nicht erschienen war, weil es noch

Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann Einwendungen gegen den Plan bis spätestens zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist, das ist bis zum

Teil E – Die Sonne setzt sich durch ( ein gespanntes Chiffontuch geht langsam über der Wiese auf ) , die Vögel zwitschern, der Bach murmelt leise....

Wenn jedoch zu befürchten ist, dass Mädchen oder Buben sich durch die Anwesenheit von Kindern des anderen Geschlechts schwerer auf das Ungewohnte einlassen können (aus

Auch war der Gruppe bewusst, dass es für eine Veränderung der gesellschaftlichen Be- dingungen nicht genügen kann, dass bloß die Frauen sich verändern, sondern eine Verände- rung

Die traditionelle Schul- und Bildungsforschung bemüht(e) sich kaum darum, die Auswirkungen der Koedukation auf Mädchen und Buben zu erfassen, sie konnte es auch gar nicht, zeichnete