• Keine Ergebnisse gefunden

Selbstbestimmungsrecht oder Verpflichtung zur Gesundheit?

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Selbstbestimmungsrecht oder Verpflichtung zur Gesundheit?"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Co pyr i ght Q by

u int ess e n z

Alle R echte v

orbehalt en

Liebe Leserin, lieber Leser,

erstaunlich, Prävention beherrscht wieder einmal die Schlag- zeilen in Deutschland. Aber nicht etwa der bevorstehende Tag der Zahngesundheit regt schon vorab auf. Nein, die sekundäre präventive Frühdiagnostik und insbesondere das Screening von Brust- und Darmkrebs werden zurzeit zwischen den ideologischen, parteipolitischen und verschiedenen Fachinteressen zermahlen. Während der Gesetzgeber eine Pflicht zur Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen beschlossen hatte, soll nun nach den Ausführungen des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Psychothera- peuten, Krankenhäusern, Kassen und Patienten lediglich eine Beratung zur Pflicht werden. Ansonsten drohen chronisch Kranken höhere Zuzahlungen.

Es ist müßig, die verschiedenen Interessen der einzelnen Gruppierungen zu analysieren. Interessant sind aber die grundsätzlichen politischen Ausführungen der Beteiligten zur Prävention generell und zu verpflichtenden Maßnahmen im Besonderen.

In der soziologischen Theorie wird von einer Arzt- und Krankenrolle ausgegangen, bei der der Kranke einerseits von der Verantwortung für die Krankheit befreit ist, sich jedoch andererseits einer Erwartung oder Verpflichtung aussetzt, fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen und mit dem Arzt zu kooperieren. Zeitgemäße Definitionen von Krankheit gehen da wesentlich weiter. Selbst das Non-Compliance-Verhalten wird als Teil der Krankheit interpretiert, und es gibt bereits begründete Hypothesen für eine genetische Ursache. Ist es dann wirklich gerechtfertigt, die Höhe der solidarisch finan- zierten Unterstützung vom Wohlverhalten abhängig zu machen? Medizinisch nicht, aber politisch möglicherweise.

Schließlich gilt es einen Ausgleich zu finden zwischen de- nen, die Kosten „verursachen“, und denen, die Beiträge zahlen.

Kann es wirklich sein, dass das Selbstbestimmungsrecht des Menschen einschließt, dass man sich einer gesundheits- fördernden Beratung entziehen können muss, wie es die Repräsentanten der Patientenvertreter formulierten? Darf man auch einer Impfung aus dem Wege gehen, aber sich dann im Infektionsfall auf den Versorgungsanspruch berufen? Diese Fragen sind sicherlich eher politischer als medizinischer Natur. Traurig ist aber, dass es offenbar nicht primär darum geht, weniger Krebstote zu beklagen, sondern vielmehr da- rum, weniger Geld auszugeben.

Man mag sich ausmalen, welche Chancen es gäbe, end- lich auch in Deutschland mehr zahnmedizinische Prävention zu implementieren. Das politische Tauziehen im Rahmen der Krebsvorsorge ist da eher abschreckend. Deutlich wird aber auch, dass ohne einen gesellschaftlichen Konsens über die Rechte und Pflichten der Patienten keine befriedigende flächendeckende Verbesserung der Gesundheit der Bevölke- rung erzielbar ist. Die Grenze zwischen „selbst verschuldet“

und „Schicksal“ kann doch nicht von der Kassenlage ab- hängen.

793

Quintessenz 2007;58(8):793

EDITORIAL

Selbstbestimmungsrecht oder Verpflichtung zur Gesundheit?

Prof. Dr. Michael J. Noack Chefredakteur

Ihr

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Alle, außer einem: Der Arzt, der die Operation durch- geführt hatte, zog sich in das Ärztezimmer zurück: „Ich bleibe noch eine Stunde, für den Fall, dass es doch noch

Nach meiner Auffassung sollten Ärztinnen und Ärzte, die die in- fektiologische Sinnhaftigkeit einer MNB in Frage stellen, nicht den weitgehend gesellschaftlichen Konsens über

Aber auch in der Umweltpolitik sind wir weiter hochaktiv, wenn wir uns in den Orts- und Kreisgruppen oder auf Landesebene für eine bessere Agrarpolitik oder eine

„Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Verbesserung der Situati- on bei Küps, der Ausbau der B303 auf der bestehenden Trasse wäre aber die bessere Lösung.. Ein

Grundsätzlich muss hier auch noch über die Rolle des Vormundschaftsgerichts und über die strafrechtliche Sicherheit des Arz- tes diskutiert werden, wenn der mutmaßliche Wille

Das Handbuch richtet sich an alle Ärzte, Pharmakolo- gen, Apotheker und auch an alle, die mit der UAW-Risiko- Erfassung, -Bewertung, -Do- kumentation und -Weiterbil- dung

Burt (2005) zufolge wird soziales Kapital aus der Positio- nierung von Akteur*innen in Netzwerken generiert und kann daher nicht als Attribut einzelner Akteur*innen isoliert

Meine gesamte juristische Ausbildung einschließlich der vorliegenden Arbeit wäre ohne die Unterstützung und den Rückhalt meiner Familie und Freunde nicht möglich gewesen. Ihnen