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Der Arzt zwischen Ethik und Selbstbestimmungsrecht

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Academic year: 2022

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Leitartikel

Die Selbstbestimmung bei der Entstehung des Lebens, das informationelle Selbstbestim- mungsrecht grundsätzlich, die Gefahr des glä- sernen Bürgers und das Selbstbestimmungs- recht am Ende des Lebens sind Themen, die einer gesellschaftlichen Grundsatzdiskussion bedürfen. Konkret geht es um zwei Gesetzent- würfe, die das Bundesministerium der Justiz auf den Weg gebracht hat.

DNA-Tests

Sollen heimliche Vaterschaftsteste strafrechtlich geahndet werden, wie im Entwurf eines Ab- stammungs- und Erbrechtsänderungsgesetzes vorgesehen? Führt eine großzügigere Handha- bung des genetischen Fingerabdrucks als Er- mittlungsinstrument in der Verbrechensbe- kämpfung zum gläsernen Bürger? Denn mit dem Material kann weit mehr als nur die bio- logische Vaterschaft eines Kindes bestimmt werden. Zudem sind die präanalytischen Be- dingungen beim heimlichen Vaterschaftstest zu unsicher. Was gerade gegenüber der deutschen Versicherungswirtschaft befürchtet wird: Dür- fen Versicherungen Einblick in den genetischen Code potenzieller Versicherter erhalten? Dies sind Fragen, die zurzeit engagiert, zum Teil emotionalisiert, in der deutschen und europäi- schen Öffentlichkeit diskutiert werden. Bei all diesen Fragen wird teilweise auf uns Ärzte nur geschielt, größtenteils aber unsere Stel- lungnahme, gerade in der Missbrauchs-Frage, eingefordert.

Aus ärztlicher Sicht sind heimliche Abstam- mungsteste grundsätzlich abzulehnen, da hier- bei die Persönlichkeitsrechte und die ärztliche Schweigepflicht verletzt werden. Hierzu hat das Robert-Koch-Institut bereits 1996 in den Richtlinien für die Erstattung von Abstam- mungsgutachten und der 104. Deutsche Ärzte- tag im Mai 2001 eindeutig Stellung bezogen.

Bezüglich der DNA-Analysen in der forensi- schen Medizin stellt die Rechtsmedizin ein-

deutig fest, dass die hierbei verwendeten mo- lekulargenetischen Verfahren keine relevanten Erbmerkmale offen legen und dass zudem ein Nutzungsverbot für persönlichkeitscodierte Ge- ne besteht, was mit der Bezugnahme auf § 81 e Strafprozessordnung (StPO) verdeutlicht wird.

Sterbebegleitung

Deutlich schwieriger wird es bei der Beurtei- lung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Betreuungsrechts einschließlich der Wertigkeit der Patientenverfügung. Wie weit ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten in der Sterbephase auszulegen? Allein die Schlagzei- len wie „Droht uns ein Skandal – das erste deutsche Sterbegesetz steht vor der Tür“ oder

„Sterbehilfe à la Zypries“, aber auch „Zypries will Selbstbestimmung der Patienten stärken“

zeigen, wie kontrovers dieses Thema diskutiert wird.

Die Bundesärztekammer (BÄK) hat die Grundsätze der Sterbebegleitung 2004 neu verabschiedet und eindeutig festgehalten, dass sie am Nein zur aktiven Sterbehilfe und zur Mitwirkung des Arztes bei Selbsttötung fest- hält. Die BÄK spricht bewusst von Sterbebe- gleitung und verdeutlicht, dass es um eine Hil- fe im und beim Sterben und nicht um Hilfe zum Sterben geht. Therapieziel muss die Symptombekämpfung sein, das heißt, Pallia- tivmedizin ist geboten. Deshalb ist der Ausbau der bedarfsgerechten und wohnortnahen palli- ativmedizinischen Versorgung unserer bayeri- schen Bevölkerung ein gemeinsames Ziel eines beim bayerischen Sozialministerium einge- richteten Expertenkreises, in den unter ande- rem auch die Bayerische Landesärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns aktiv eingebunden sind.

Ich erwarte von einem neuen Gesetz klare rechtliche Vorgaben, um Rechtssicherheit bei unserer schwierigen Aufgabe in dem Grenzbe- reich zwischen Leben und Sterben zu erhalten.

Klar muss auch sein, dass die Entscheidung des Arztes nicht von der sicheren Feststellung eines irreversibel tödlichen Verlaufs des Sterbepro- zesses – wie von der Enquete-Kommission

„Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages gefordert – abhängig gemacht werden kann, sondern letztendlich der Wille des Patienten entscheidend ist.

§ 1901 a Bürgerliches Gesetzbuch neu gibt al- len Beteiligten, das heißt Patienten und Ärz- ten, nur eine scheinbare Rechtssicherheit, weil die derzeitigen Anforderungen an eine Pa- tientenverfügung unzureichend sind. Der Entwurf verzichtet auf jedwede flankierende Vorschrift, die geeignet wäre, Willensbildung, Erkennbarkeit und Nachvollziehbarkeit des Willens des Patienten in einer Patientenver- fügung möglichst rechtssicher zu gestalten.

Einzufordern ist meines Erachtens die Schrift- form, die vorhergehende ärztliche Beratung, primär wohl durch den Hausarzt, und inhalt- liche Mindestanforderungen.

Im krassen Missverhältnis zu der Form- und Inhaltsfreiheit der Patientenverfügung steht das völlige Schweigen des Entwurfs zur Frage der Zumutbarkeit der Umsetzung von Ent- scheidungen des Patienten durch den Arzt. Le- diglich in der Begründung – nicht jedoch im Gesetzestext – wird das arztrechtlich verbote- ne Tun oder die Missachtung der ärztlichen Indikation als Zumutbarkeitsgrenze genannt.

Auch die weitere im Entwurf vorgesehene Möglichkeit, dem Patientenwillen von geset- zeswegen Wirkung zu verschaffen, nämlich in Gestalt des „mutmaßlichen Willens“ in § 1904 Abs. 3, bringt den Arzt in die Rolle einer „Er- mittlungsbehörde des Betreuungsrechts“ bzw.

in die Rolle als „Notar“ des mutmaßlichen Pa- tientenwillens. Grundsätzlich muss hier auch noch über die Rolle des Vormundschaftsgerichts und über die strafrechtliche Sicherheit des Arz- tes diskutiert werden, wenn der mutmaßliche Wille des Patienten nicht eindeutig festgestellt werden kann.

Allein anhand dieser aufgeführten Problembe- reiche ist erkennbar, dass die Diskussion um die beiden Gesetzentwürfe in keiner Weise ab- geschlossen ist und dass diese Diskussion nur mit uns Ärzten und nicht gegen uns geführt werden kann. Im ersten Augenblick ist die Verlockung groß, ethische Fragen mit Gesetzes- änderungen lösen zu wollen und ihnen als Allheilmittel schnell einen Platz im gesell- schaftlichen Diskurs einzuräumen. Wir Ärzte werden an einer gesetzlichen Lösung mitar- beiten, den Diskurs aber weiter führen, geht es doch letztendlich um das Leben, von seinem Entstehen bis zu seinem Ende.

Der Arzt zwischen Ethik und Selbstbestimmungsrecht

Dr. Max Kaplan, Vizepräsident der BLÄK

Bayerisches Ärzteblatt 3/2005 163

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