Dohnar-Schlodien-,, Stanislaus Kants Verhältnis zum
eudämonismus
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ofToronto
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INAUGURAL - DISSERTATION
ZUR
ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE.
VON DER PHILOSOPHISCHEN FACULTÄT
DER
Friedrich -Wilhelms
-Universität zu Berlin
GENEHMIGT
UND
NEBST DEN BEIGEFÜGTEN THESEN
IN
DER AULA
DETIUNIVERSITÄT
öffentlich zu verteidigen
AM
19.MÄRZ 1902
um
12 Uhr VON(ji-af
Stau isla US zu Dohua
Haiaptniiiun a.D. aus Breslaix.
OPPONENTEN:
Herr P. Ernst Diestel.
Herr Dr. phil. Ludwig KeUer.
Herr Dr. phil. Theodor Toeche-Mittler.
Berlin,
Reuther & Reichard
1902.
^15 D&
LIBRARY
746588
UNIVERSITY OF
TORONTO
Kants Verhältnis zum Eudämonismus.
Zur Einleitung.
Bei
dem
Meinungsstreit iil)er die etliischen Prinzipien stehtKant
nicht weniger imBrennpunkte
als beidem Kampf um
die theoretischen Probh'mc.Der
Hedonisuius versuchtvon
Zeit zuZeitimmer
wieder eine llevision der altenProzess- akten. Die Auffassung stirbt nicht aus, dass derMensch
ein Triebwerk seiund
all sein Tun, auch die Grewissenstat nichtausgenommen,
aufdem
Lustbedai-f ruheund
aufden
Lust- erwerb gerichtet, mithin das sittlicheEntwicklungsprinzip der Menschheitim
Luststreben enthalten sei (cfr. u. a. Jul.Duboc:
Kant und
derEudämonismus,
im 14.Bande
der Zeitschrift für Völker-Psychologieund
Sprachwissenschaft 1S8B).Auf dem
entgegengesetzten äussersten Flügel siehtman
dasWesen
der MoraUtät nur in der
Verleugnung
des eignen Selbst«, Vernichtung des natürhchenMenschen, Verneinung
(h-sWillenszum Leben nach
Schopenhauer.Da
giebt esund kann
esnur
zweiDichtungen
in derMoral geben: (he heidnische, die auf ihrBanner
dasWort
„Glückseligkeit",und
die christliche, die auf das ihre dasWort
„Selbstverleugnung" schreibt (cfr.Paul
Deussens Rede
überden
Kategorischen Imperativ. Kiel 1891). Die Einenverteidigenden
Apriorismusund Formahsnuis
als
notwendig und
fruchtbar, \\ie Vorlänchi'r (Diss.Marburg
1893), die
Anderem
lehnen ihn als unl)rauc]d)ai' oder wenig- stens unzulänglich ab. wie Fr. Paulsen in seiner Fthikund
in seinem
Kantbuehc
oderFduard
Zeller in seiner Fein- sinnigenAbhandlung
ülx-r das Kantische Moralprinzi[) etc.(Abhandlungen
der BerlinerAkademie
der AViss(>nsehaften 1879), dieden
A'orwurf, die vStrenge des Pflichtbegriffs durch em[)ii-istisch-eudämonistischeBegründung
zu gefährden,1*
vom Energih;inus
erfolgreic-h abwehrtund
einen sehr bcachtt'nswertenWeg
zeigt,dem
formalen Prinzipden mangelnden
Inhalt durch dieAnforderungen
zu geben, die nach ^psychologischerErfahrung im Wesen
desMenschen
be- gründet sindund
somit an jeden gestelltwerden
können.Audi
A. Dorner, der in der Zeitschrift für Pliilosophieund
philo- sophische Kritik (65—
67.Band)
über che Prinzipien derKantischen Ethik geschrieben hat, Aveist die
Schwächen
desPormahsmus
bei allerAnerkennung
des Bestrebens,den
falschen Eiidämonismus zuüberwinden und
unserWollen dem
Zufallzu entreissen.
überzeugend
nach. Darin, dass als einzig selb- ständiger Gregenstand der EthikKants
das Verhältnis der iutelhgentenWesen
zu einanderund
zu sich selbst zu be- zeichnen ist, jconunt er freihch mitHermann Cohen
über- ein, der in seinembedeutenden Buche
:Kants Begründung
der Ethik (Berhn 1877) als das alleinige, nicht nur das oberste sondern auch tlas vollendete, höchsteGut nur
dieGemein-
schaftautonomer Wesen,
das Eeich derZwecke,
das zugleich das einzige Objekt des sitthchen Willens ist, anerkenntund Kants
liöchstes abgeleitetes Gut, alstue Ge^^issheitscliAvächend, welche in der Eealität jenes Eeiches der Z^vecke gegründetist,
und
auch als überflüssigund
durch das Eeich der Frei- heit entwertet, verwirft, mitihm
natürlich auch die Postulate.Scharf
imd unentwegt
hält dieser strenge Kantianer die kritischeGrenzbestimmimg
überall festund
deduziert alleXoumena.
so auch Freiheitund Endzweck,
dieihm
identisch sind, lediglich als regulativeMaximen. Dagegen
erheben sich wieder Andere, welche die Grenzbegriffemehr
sein lassen wollen als logische Gebilde (cfr. z. B. Otto Eiedel:Die
Be- deutung derDinge
an sich in der kritischen Ethik. Prograunn.Stolp 188S).
Kurz: Kant und
keinEnde:
jemehr
der Lösungen,jemehr
tlerEätsel. In einemPunkte
indessenherrscht wenigstens ein ge^xüssesMass von
Übereinstimmung, darinnämhch,
dassKant
einen Abfallvon
seinem Moralprinzip be- ging, als erden
Glückseligkeitsfaktor in sein höchstesGut
einführte.
Auch
Colien entschiddig:tKant wegen
seiner be- greiflichen Konzessionen anden
Zeitgeist. AVenigegehen
allenUngs so Aveit AvieW. Bender
in seinem Aufsatz„Über
Kants
Eeligionsbegriff" (im 61.Bande
der Zeitschrift f. Ph.und
pli. Kritik), dergegen Kant den
sicherlichunbegründeten Vorwurf
erhebt, Sittlichkeitund
Glückseligkeitcoor
diniertund
letztere nichtmehr
blosszum
Objekt, sondernzum
ße-stimmungsgrunde
des Willensgemacht
zuhaben
(S. 51An-
merkung).Zu
leugnen ist nicht, dassdieplötzliche AViederauf-uahme
des Begriffs in der Dialektik der pi-. Y. naclidem
scharfen
Formalismus und
.Rigorismus derAnalytik jenerziem-lich allgemeinen Auffassung starken
Yorschub
leistet;dennoch
hat eine unbefangene Durchsicht der Entwickelungsgeschichte sowohl Avie desSystems dem
Yerfasser ein etwas anderes Bild entstehen lassen, das in iler nachfolgendenAbhandlung
zurPrüfung
vorgelegt wird. Diesenimmt
nicht Stellung zurFrage
der ethischen Prinzipien; sie leistet dafür liöchstens eineVor-arbeit,
indem
sie zeigt, dass das,was Deussen
die christhcheund
heidnische jßichtung in der Moral nennt, sich beiKant
innigerund
natürlicher, als es scheint,verbunden
findet. Viel- leicht darf eine besonnene Moral-Philosophie einmal danach trachten,von Kant
aus-, aber auch überihn liinausgehend,den
geschichtlichnoch
niezerrissenenZusammenhang von
Moi'alund Hehgion zum
allgemeinenNutzen dadurch
aufs neue zu be- festigen, dass sie die christliche Ethikvon
der Weltfluchtund Askese
befreitund
ihr dafür einElement
einordnet, dass wir heber nicht heidnisch, sondei'n humanistischnennen
wollen.Doch nunmehr
zur Sache.Eudämonismus
ist in weitesterFassung
einSammelname
für eine
Reihe
verschiedener Moralsysteme, welche dasGe- meinsame
haben, dass sie dieVorstellung eines höchsten Guteszum
letztenBestimmungsgrunde
des menschlichenHandehis
machen.Unter
ilinen heben sich drei Richtungen besondersvon
einander ab, dieman
alsHedonismus, Energismus und
rehgiösenEudämonismus
zu bezeichnen pflegt.Der Hedonismus
setzt das höchsteGut
in die unter Ein- stellungallerempirischen Faktorenindividuellrichtigberechneteund
verwdrkhchte höchstmöglicheSumme von
Lustgefühlen jeder Art.Aus
der auf dieErfahrung
gestützten,dem
Indi-viduum
angepassten theoretischenBereclmung
(AVeisheit)und
der entsprechenden praktischen
Lebensführung
(Tugend) be-stellt die Moral.
Der Wert
des Leidens bestimmt sich allein durcli dieHöhe
der erreichten Lnstsimnne. Die Abart des universellenHedonismns
dehnt diese Bestinunung auf die Ge- samtheit unter Berücksichtigung- der socialen Lebensbedin-gungen
aus.Der E n
ergisuius,welchem
nach seinemBegründer
Aristo- teles dieBezeichnung
alsEudämonismus im
engeren Sinnehistoi'isch
zukommt,
setzt das höchsteGut
in die AYesens- betätigungund
Entfaltung allei-vorhandenen
Kräfteund An-
lagen des Einzelnen soAvolil ^vie der Gemeinschaften, der A^ölker, der Menschheit, zuletzt desKosmos. Die
Lust istFolgeerscheinung der erfolgreichen AVillensbetätigung, nicht ihr Bestinunungsgrund,
von
der Xatur als Anlocker, wie die X'nlust alsWarner
gesetzt.Das
AVesen dieser Moral ist Selbstei'haltung, Selbstdurchsetzungund
Entwickelung.Der
AVert des
Lebens
hegt inihm
selbst.Für den
i'eligiösenEudämonismus
endlich ist das höchsteGut
ti'anscendent.Es
bestehtineinernichtvorstellbaren, aberdem
L'mfang,dem Grade und
der Dauei'nach vollkommen
gedachten Seligkeit in einer anderen Welt. Sie erscheint alsLohn
für die Erfüllung der als göttlicheGebote
vorgestellten sittHchen Pflichten.Das Leben
hatwahren Wert nur
als\'orbereitung für das zukünftige Dasein.
Kaut
st(dlt sichallem Eudämonismus
dadurch entgegen, dass er nicht die Vorstellung eines Gutes, als eines zu er- i-eichenden Zweckes, sondern dieForderung
eines mitdem Wesen
der reinenVernunft aprioriverbundenen
formalen Ge- setzeszum
Bestimmiuigsgrunde des AA'illens macht.Um
dasVerhältnis aber genauer zu fassen,
muss man
seine Sitten- lehre mitden
dreiangegebenen
Hauptrichtungenim
einzelnen vergleichen. Es wird sich zeigen, dassKant
desHedonismus
als
Gegners
bedarfund
die teleologische Güterlehi-e des Enei- gismus sowie den religiösenEudämonismus
in seine forma- listische Pfhchtenlehre einordnet, freihch nicht in überall lückenloserund
AnderspiiichsfreierGedankenbildung, aber doch tatsächlichund
unvermeidlich.Der Hauptuntersuchung mögen
einigeBemerkungen
zur Entwickelungsgescliichte vorangehen.Bis in
den Anfang
der sechziger Jahre erscheinenKants Anschammgen
in der Moral, soweit sich aus einigenAnden-
tungen der in dieser Peiiode fast ausscldiesshch naturwissen- schaftlichen Schriftenentnehmen
lässt, einerseits durch seine religiöseErziehung,andei'erseits durchdieAufklärung
bestimmt.Wenn
ei' auch die unAvissenschaftliche, ans Kinchsche streifende Natur-Teleologie derletzteren bekämpft,sobehandelt er doch die Phvsiko-Theologie mit grosserAchtung und
neigt sich dervon
derAufklärung so stark betonten religiösen Zukunftslioffnung entschieden zu, wie er siedenn
wähi'end seinesganzen Lebens
nicht aufgegeben hat. In der Allge-meinen
Xaturgescliichteund
Theorie desHimmels
(1755) ei'- füUt ihn derGedanke
der Unsterbhchkeit angesichts der un- ermesslichen Perioden, indenen
sicli geordneteWelten
ausdem
Chaos herausund
in dasselbe wieder zurückbilden, mit Ehi'furclit vor der eigenen Seele, die dieses alles überlebensoll,
um
in der G-emeinschaft mitdem
götthchenWiesen, dessen Kräfte die ganzeSchöpfung
durchdringen,den Oenuss
derwahren Glückseligkeit
zu finden.So
istdenn
diesesLeben
nur Vorstufe des künftigen, dieAufgabe
desMenschen
Yoi- bereitung auf das letztere durchGewinnung
des richtigen Verhältnisses zwischendem
ZeitHchenund
Ewigen. „Die (TÜter (beserErde können imserem
Triebe zur Glückselio-keit keineGenugtuung
verschaffen",und
„derMensch
ist nicht geboren,um
auf dieserSchaubühne
der Eitelkeit ewige Hütten zu erbauen, weil sein ganzesLeben
ein viel edleres Ziel hat".(Aufsatz A'on 175(), LTber das
Erdbeben von
Lissal)on.) Bereits hier gilt es, sicli diirch die bewussteBeziehung
auf die L^r-•pielle der
Vollkommenheit „vom
Geschöpfe zu beli'eien".Es
ist anzumerken, dass sclion in dieser frühen Schrift (Theorie des
Himmels)
sich liinsiclitlieh derArt der Fortexistenz nachdem Tode
einSchwanken
inKants
Anschauiuig findet, dasliis in die letzte Pcniode hineinreicht
und
uns noch weiter be- schäftigen wii-d. Es ist die Frage, ob das künftig!^Leben
als Fort(mtwickelung mit veränderter Sinnlichkeit oder als un- mittelbareVereinigung mit der Gottheit ineinem
rein geistigen8
Dasein zu
denken
ist.Für
das erstere spiicht die ans der Grnndlivjjothese abfliessendeAnnahme,
dass mitdem Abstände
der Planetenvon
derSonne
die physischennd
psvcliisclieVollkommenheit
der anf ihnen etwa befindlichenOrganismen nnd
damit auch diemoraUsche
Qualität der A'ernünftigen AVesenzunehme,
(„ein Yerhältnis, das einenGrad
der G-laubwürdigkeit hat, der nicht Aveitvon
einerausgemachten
GcAvissheit entfernt ist"),ausserdem
die Tatsache, dass dieim Menschen
verschlossenen Kräfte hier nicht zu völligerAus-
wickelung gelangen. Sollte also die unsterbliche Seele ei'st in derganzen
Unendlichkeit ihrer künftigen Dauer, die dasGrab
selber nicht imterbricht, sondern nur verändert, an diesenPunkt
des Weltraumes, an unsere Eixle jederzeit geheftet bleiben? Vielleicht bilden sichdarum noch
einigeKugeln
des Planetensystems aus,um nach
vollendetem Ablaufe dei- Zeit, dieunserem
Aufenthalte allhier vorgeschrieben ist, uns in andernHimmeln neue
AVohn})lätze zu bereiten.Trotzdem
behältgegenüber
„diesen unsicheren Bildern derEinbildungs-ki'aft" die zweiteAuffassung das Übergewicht:
„Der
unstei'b- licheGeist
wird sich miteinem schnellen Schwünge
über alles,was endlich
ist,emporschwingen und
ineinem neuen Verhältnisse gegen
dieganze Natur,
welche aus einer nähei'en Vei'bindung mitdem
höchstenWesen
entspringt, sein Dasein fortsetzen."Über
das Verhältnisvon Tugend und
Glücksehgkeitim
irdischen
Leben
finden sich aufeinem
losen Blatte ausdem
Xachlass (E. 69), das als Vorarbeit für
den
1759 erschienenen„Versuch
einiger Betrachtungen überden
Optimismus" anzu- setzen ist, mehrerebemerkenswerte Gedanken.
Glückselig- keit besteht nicht in der Befriedigung der stets unersätthchenWünsche,
sondern in der inneren Stille der Seele, welche derwahre
Preis derTugend
ist, oder anders: in der Eigenhebe, (he sich mit Gottes-und
des Nächsten Liebe verbindet.Je
grösser die Liebe, je weiter ausgestreckt: desto grösser ist das Glück.Im ganzen
wirdman
sagen können:Kants morahsche
Stimnuing in dieser „dogmatischen" Periode ist ein rehgiöserEudämonismus
mit pietistischemAnhauch.
Mit
dem Anfang
dei- sechziger Jalire lieginnt der Ein- fluss der englischen Moral-Philosophen, zudem
etAvas später deijenigeBons
seaus
hinzutritt.Im
„einzigmöglichen Beweis-grund
füi' eine Demonstration des Daseins Gottes"macht
sichbereits eine
Mischung
des rehgiösenEudämonismus
mit der (xefühlsmoral bemerklich.Dass
dieÜberzeugung vom
Dasein (xottes, welche „glücklicherweise nicht auf der Spitz- findigkeit feiner Schlüsse beralit", zur
(Tlücks(digkeit
un- erlässhch sei, „welclie Avolilniemand
auf die angemasste Richtigkeiteinesmetaphvsisclien BcAveises Avagen Avürde," darinist er mit Shaftesbury einig.
Dessen
ästhetisch-teleologischeAnschauung
klingt auch in derHarmonie
desKosmos
leise Avieder, welcheKant
durch dieBeziehung
aller Einzeldinge auf eineneinheithchenGrund, in physikotheologischer Betrachtung, doch unbeschadet des wissenschaftlichen Eechts, das Kausal- bedürfnis zu befriedigen, als begreifbchund
gesichert ansieht.In der Pi'eisschrift über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürhchen Theologie
und
der Moral tritt (§ 2 der 4. Be- trachtung) zuerst dasSuchen nach
einemunabhängigen
Moral- ]udnzip deutlich hei'A'or.Dass
die Vorstellung A^onZwecken,
wiehoch und umfassend
dieselbenauch
gesteckt seinmögen, immer
nur hypothetische ImperatiA^eohne moralische Yer- bindlichkeit
hervorbringen kann, Avird liier bereits behauptet;auchdass der kategorische Impei'ativ unerweislich sein müsse,
ist schon erkannt,
noch
nicht aber seinWesen
gefunden.„Ob
lediglich das
Erkenntnisvermögen
oder das Gefühl (der ei'steinnere
Grund
desBegehrungsvermögens)
che erstenGrund-
sätze der praktischen WeltAveisheit entscheide,
muss noch
allererst
ausgemacht
Averden." Inz^^•ischen behilft sichKant
mit einem Synkretismusvon
Wolf,Hutcheson und
Crusius.Wolfs A'oUkommenheitsprinzipist
ihm
derersteformale Grund
aller Verbindlichkeit, der aber unfruchtbar ist,
wenn
er sich nichtmiteinem
ebenfalls unerweislichenmaterialen Grunde
A'Crbindet. Dieser ist das nicht weiter auflösliche
Gefühl
des Guten, „das Bewusstsein des Gefühls der Lust mit der Vor- stellimg des Gegenstandes". DieÜbereinstimmung
mitdem
Willen Gottes führtnun
ein solches Gefühl der Lust bei sich.Also
haben
Avir hi(;rmit einen materialen Grundsatz derMoral^10
nämlich
dem
AVillru (iottesgemäss
zu handeln (Crnsms), unter der obersten formalen Eegel der Yf)llkommenlieit, d. i. nach AVolf derharmonischen Wesensentwickelnng.Dass
dieschönenBemerkungen,
di(>Hutcheson und
andere hierzu unterdem Namen
des mrtraliscdien Crefülilsgemacht
haben, „nicht aller erforderlichen F^videnz fähig sind", leuchtet uns mitKant
ein. Andrerseits
mag
bedauert werdi^n, dass die hier aus- gesprochene,in der theoretischen Philosojihie später so frucht- bare Einsicht, mit einei' lilossenForm ohne
Inhalt sei überall nichts anzufangen, bei der entscheidendenFassung
der prak- tischen Philosophie zu sehr ausdem
Blickpunkte gerückt wird.Kant
l)eschäftigt sich weiter mit der Frage, ob der moralische Sinn, das natüi-liche (^(duhl, welches dieHand-
lungen billigt oder niissl)illigt. jenachdem
sie die allgemeine Glückseligkeit befördern oder nicht, als eine erste Tatsache anerkanntund zum
(rrundjiriuzip der Moralgemacht werden
könne; istdoch
Natur-Instinkt ein sicherer Leiter! Inden Beobachtungen
über das Gefühl desSchönen und Erhabenen
(1764) ist dieAnlehnung
an (He p]ngländer sehr sichtbar, aber doch schon mitdem
Bestreben vereinigt, der Sentimen-talität der Zeit
und
der Neigung, inschmelzendem
Mitleidund
grundsatzloser Gefälhgkeit schlechthinTugend
zu sehen, (hirch den Hinweis entgegenzutreten, dasswahre Tugend
nur aufallgemeine Grundsätze
gepfropftwerden
könne, welche freihch nichtspeculativische Eegeln
sind, sondern anfdem
Gefühlvon
der Schönlieitund Würde
der menschlichen Natur beruhen, auswelchem Wohlwollen und Achtung
für Alle, die eigene Person eingeschlossen, entspringen. Dies sind schon punktierte Linien, ausdenen
20 Jahre sj^äter die starken Striche derGrundlegung
zur Metaph^^sik der Sitten werden. Zunächst freilich beabsichtigt Kant, wie wir aus derAnkündigung
seiner Vorlesungen für das Winterhalbjahr 1765/66vernehmen,
,,den Versuchen desShaftesbury,Hutcheson und Hume,
welcheobzwar
unvollendetund
mangelhaft, gleich- A\-ohlnoch am
Aveitesten in derAufsuchung
der erstenGründe
aller Sitthchkeit gelangt sind," durch eine historisch-anthro- pologische (also empiristische)
Methode
diejenige Präzisionund Ergänzung
zu geben, die ihnen mangelt.Der
moralischenWeisheit geljiiclit es elien an A\'issenscliaft
und
Gründlichkeit, weil das Urteil über die sittliche Ilechtmässigkeit derHand-
lungen durch das „Sentiment" vor allenYernunftgründen
bestimmt ^^"ird: daher esdenn
schwer ist,den
sehr gCAVöhn- lichen Titel eines Moralphilosophen wii'klich zu verdienen.FAn dahr späte]- geschieht in den ,,
Träumen
eines Geister- sehers, erläutert dui'chTräume
der Metaphysik", ein Schritt weiter; das sittlicheGefühl wird definiert als „dieempfundene
Abliängigkeit des Privatwillens voui allgemeinen Willenund
als eine Folge der natürlichen
und
allgemeinen AVechsel- wirkung, dadurch die iuuuaterielleWelt
ihre sittliche Einheit erlangt,indem
sie sichnach den
Gesetzen dieses ihres eignenZusammenhangs
zu einemSystem von
geistigerYollkommen-
lieit bildet". Hier
haben
wir schonden Mundus
intelligibilis als systematische Verfassung derdenkenden
Naturen untei- einer sittlichen (Ji'dnung, eine AVeit, cU?r ^\u^ dauernd ange- hören,und
deren klareAnschauung
uns nurwährend
des l<urzen Auftritts versagt ist, der zwischen Geburtund Tod
Hegt (Eefl. IL 1264).
Der Tod
ist nur dasEnde
der Sinn- lichkeitund
damitwohl
auch der Laster, die vielleicht nur eine Folge der Sinnlichkeit sind (Eefl. IL 1265).Kündigt
sich uns doch das Dasein der ülxn'sinnliclien
Welt
eben durch die Tinei'klärliclieNötigung
an, unsere sinnlichenNeigungen
durch dieForderungen
des „allgemeinen Willens" einzu- schränken!Das
sind zunächst „Träume",noch
ohne kritische (Trenzbestimmung, die aber nacli der letzterenimd
durch dieselbe in derHauptsache
systematische Festigkeitgewinnen und
nicht wieder aufgegeben werden. Den- religiöseEudä- numismus
ei-hält den Abschied: „Es scheint der menschlichen Naturuml
der I\(Mnigk(Mt dei- Sitten gemässer zu sein, die Erwai-tung der künftigen Weit auf die Em|)findungen einer wohlgearteten Seele, alsumgekehrt
ihr A\'ohh'erhaIten auf dieHoffnung
dei- anderenWelt
zu gründen.". ('^^Fräume
11. Tbl.III. Hauptstück 2. Abs.)
Wie
sehrKant
in dieser Zeit übei- die I'iinci])ienschwaidv'te, erhellt aus seinem Bi-iefe an Herder a-oiii 9.
Mai
17()7.
Er
schreibt:„Was
mich betrifft, der ich au nichts liäiu-c uud mit einer12
tiefen Gleichgültigkeit
gegen meine
oder andererMeinungen
das ganzeGebäude
öfters umkelireund
aus allerlei Ge- siclitspunkten betrachte,um
zuletztetwa
denjenigen zu treffen, Avoraus ich hoffen kann, esnach
derWahrheit
zu zeichneu.so
habe
ich, seitdem Avir getrennt sein, invielen Stücken anderen Einsichten Platz gegeben, und indem mein
Augeninei'k vornehmlichdarauf gerichtetist, die eigenthche Be-stimmung und
die8chranken
der menschlichen Fähigkeitenund Neigungen
zu erkennen, soglaube ich, dass esmir
indem, was
dieSitten
betrifft,endlich ziemlich gelungen
sei,
und
ich arbeite jetzt an einerMetaphysik
der Sitten,wo
ich mii' einbilde, die augenscheinhchenund
fj'uchtbaren Grundsätze, imgieichen dieMethode angeben
zu können, Avonach diezwar
sehi'gangbaren
aber mehrerenteils doch fruchtlosenBemühungen
in dieserArt
der Erkenntnis ein- gerichtetwerden
müssen, Avenn sie einmalXutzen
schaffen sollen. Ich hoffe, in diesem Jahre damit fertig zu AA-erden, Avofernmeine
stets wandelbare Gesundheit mir daran nicht hinderlich ist."Man
Avirdannehmen
dürfen, dass diese Arbeit an einer MetapliA'sik der Sitten sich indem Gedankengange bewegt
hat, der A^on
den „Träumen"
zu der Dissertationvon
1770 hinüberführt.- Eeflexionen, die in dieser Zeit niedergeschrieben seinmögen,
deuten darauf hin, dassKant
sich Aäel mit derFrage
über dieArt
desLebens nach dem Tode
beschäftigteund
dass die AntAvort, Avelche schon in der Theorie desHimmels
das Übei'gewicht hatte, jetzt unbedingt A'orherrscht.Der
Geist, cl. i. die A^on dei- Sinnhchkeitunabhängig
gedachte reine Vernunft gehört einer anderenOrdnung
derDinge
an, Aveiche die AA^ahre, ursjDi-ünghcheund
selbständigeWirkhch-
keit ist, so dass das gegenAA-ärtige
Leben nur
dieErscheinung und
dasBild
des geistigen A-orstellt, indem
nicht andei'e Gegenstände, sondern eben dieselbenGegenstände
anders(nämUch
intellectualiter) angeschaut Averden (Eefl. II. 1277).Da nun
jedesGefühl
sinnhch ist, so leuchtet ein, dass dieBahnen
derEngländer
Aderlässenwerden
mussten, sobald das„grosse Licht"
von
1769aufgegangen
war.So
erfolgtdenn
in der Dissertation die
berühmte
A"onMendelsohn
(BriefA'om25. 12. 1770) zu hart befundene
Absage
an Shaftesbury et asseclae, welchedem
Epicur wenigstensvon
ferne gefolgt sind: „die Moralphilosopliie, insofern sie erste Prinzipien der Beurteilung aufstellt, wird nur durch reine Vernunft erkanntund
gehört selbst zur reinen Philosophie".Der
Sieg des Pationalismus ist entschieden. Sind aber die empirischen Prinzipien liinausgetan, so erhebt sichnun
das ernsteProblem
derTriebfeder: Wie
ist es möglich, dass reine Yerstandes- begriffe ohneBeziehung
aufLustund
Unlust den Willen be- wegen'?Damit kommt Kant noch
lange nicht ins Peine:T-ielleicht dai-f
man
sagen, er ist nie ganz damit ins Reinegekommen.
Jedenfalls steht die praktischePhilosophie inden
nächsten Jahrennoch im Vordergründe
seines Interesses.Die in der Arbeit befindliche
Metaphysik
dei- Sitten soll dei-veränderten
Form
derMetaphysik
überhauptden Weg
bahnen.Er
schieibt unterdem
2.September
1770 anLambert:
„Ich liabe mir vorgesetzt, diesenWinter meine
Untei'suchungen über die reine moralische Weltweisheit, in der keine empirische Prinzipien anzutreffen sind,und
gleichsam dieMetaphysik
der Sitten inOrdnung
zu bringenund
auszufertigen. Sie A\'ird in vielen Stückenden
wichtigsten Absichten bei der ver- ändertenForm
derMetaphysik den Weg bahnen und
scheint mirüberdem
bei den z. Z. noch so schlecht entschiedenen Prinzipien der praktischen Wissenschaften ebenso nötig zu sein."Letzteres Bedürfnis ist, wie aus Sulzei's Briefe
vom
S.
Dezember
1770 hervorgeht, auch anderAveitig lebhaft em- ])funden worden.Aber
es sollte mit derAusführung noch
guteWeile
haben. Die Metaphysik der Sitten erweitert sichKant
untei' derHand
zu cincui allgemeineren AVerke unter d(?m Titel:Die(^'renzen der Sinnlichkeit und der Ver-
nunft. (Briefe auMarcus Herz vom
7. .Inni 1771und 2L
Februar 1772).Wir
ci-fahreu indem
letztei'en, dassKant
es „in der Unterscheidung desSinnhchen vom
Intellek- tuellen in der Moralund den
daraus entspringendenGrund-
sätzen schon voi'her ziemlich weit gebracht hatte".Wie
weit, ist mit Bestimmtheit nicht zu sagen,
doch
wirdman
nach allem Obigen der
Überzeugung
zuneigen dürfen, dass14
l^ei der Entstehung- des
Systems
das ])raktisclie Interessevon
bedeutendem, vielleichtvon
grcisserem Einfluss war, als ge- wöhnlichangenommen
wird,und
dasBestreben, die englische Geluhls-Moral, die in irgend einerArt immer
wieder aufKudämonismus
hinauslaufen musste, endgültig zu überwinden, einen sehi' Avesentlichen Anteil bei derEntwickelung
der kritischen Philosophiebeanspruchen
daii". (xegenEnde
1773 (Brief anM.
Herz) sind mit grosserMühe
dieGrundhnien
festgelegt: rhe
Hoffnung
gewinnt Gestalt, „der Philosopliie auf eine dauerhafteArt
eine andereund
für lleligionund
Sitte weit vorteilhaftere
Wendung
zu geben".Das
sjiecu- lative Interesse rückt allmählicli inden
Vordergrund,wenn
auch die moral-philosophischenFragen nebenher
nicht auf- holten,Kants
Geist zu beschäftigen. Er ringt fortgesetzt mitdem Problem
der Triebfeder:„Der
obersteGrund
der Moralitätmuss
nicht bloss auf (U\s Wohlgefallen schliessen lassen: ermuss
selbstim
höchstenGrade
Wohlgefallen;denn
er ist keine bloss sjieculative Vorstellung, sondern
muss Be- wegkraft
liaben,und
daher, ob erzwar
intellektual ist, somuss
erdoch
eine geradeBeziehung
auf die ersten Trieb- federn des Willens haben",und
diese sind— Kant
gesteht es hiei'noch
offen zu—
Lustund
Unlust.Er
Avarnt Herz, einen transcendentalen Begriff wie die Realität in der Moral- Philosophie zu verwenden, ist aber offenbar selbstnoch
zu keiner p]ntscheidung gelangt.Der Gedanke
A'erlässt ilm nicht, dass allgemeine Glückseligkeit schliesslich docli die letzte Fi'ucht alles moi'ahschenHandelns
sein müsse,wenn
auchdarum
keineswegs empirische Selbsthebe derBewegungsgrund
eines vernünftigen
Wesens:
vielmehr hat dieses seineHand-
lungendem
allgemeinenZweck
der Menschheit in seiner eigenen Person anzupassen,und
durchÜbereinstimmung
allgemeiner AVillkür Avird reine FreiheitUrsache
der Glück- seHgkeit. (Loses Blatt E. 61; Avelches Avohl in diese Zeit zu setzen.)Wir
bemerken, dass hier energistischeMomente
auftauchen.
—
DieÜberzeugung,
dass Moral nicht aus derßehgion
abfhesse, vielmehr alles,was
in Traditionund
Offen-barung
als göttlich ausgegeben Averde, sicli andem
Prüfstein des inneren moralischen Gesetzes als solches ausAveisen müsse,ist in dfT Bildiiug l)egrii'fL'ri (BriefentAvmi au Lavatci- uarli
dem
28.April 1775).Für
die zweite Hälfte der 70erJahre fehlt es an unmittelbaren Anhaltspunkten für die Fortentwiekelung des KantischenDenkens
auf deur Gebiet der Moralpliilosoplue.Wenn
indessenM.
Heinze, wie sehr wahrscheinlich,Eecht
liat, die
von
Pölitz herausgegebenen Vorlesungen Kants über Metaphysik in diesen Zeitraum zu verlegen, so finden wir in diesenbemerkenswerte
Aufschlüsse. Freilichmüssen
sie mit einigen Vorbehalten \-erwendet werden.Kant
hat diese Hefteweder
selbst geschrieben uocli approbiert. Irrtümerund
selbstänthge Ergänziuigen der Xach-und
Abschreiber sind uicht völlig ausgeschlossen. Einewenn
ancb geringeAnlehnung
an das zuGrunde
gelegteHandbuch Baumgartens
wird stattgefunden haben. Inden
Kollegien wollteKant
nicht nur F-*hil()Sophie oder vielmehr PlrilosO|)hieren lehren, sondern auch (Ue Moral unter der
Jugend
praktisch fcirdernund
die religiösenGrund
Wahrheiten unbedingt stützen. DieWorte
des akademischen Lehrersgewinnen
daher bei allerÜberzeugTingstreue doch eine andere
Färbung
als die Schriften des in erster Linie der wissenschaftlichen \\'elt \'erantwort- lichen Gelehrten. Dies alles wohlim Auge
l)eludtend,kann man
aberimmerhin
aus diesen Heften die Txichtliuien er-kennen, in
denen
sich KantsDenktm
in di(*ser Zeit, aucli liinsichtlich der hier vorliegenden Frage, bewegt. Fr. A\ .Foerster hat in seinem
Entwickelungsgang
der Kantiselu-n Ethik (l>ei-lin 1898) zui' ATisfülhmg der x'orliegench'iiLücke
das grosse Blatt ausdem
Xachlass Xo. Vi h(u-angezogen. (bis lleicke in die 80er oder gar 90er Jahre \ei'legt. Mit guter innererBegründung
ist ausgefülirt. dass esum
1774 zu setzen sein mcieiite. In der "^Pal berührt sieh «ler Inhab sthi' nalu'mit den Vorh;'suugen. ^\\r sehou
Bcmno Erdmauu
in (hese Jahre verwies. Die späti-ie DatierungArnohhs
scheint (hireh Heinze wi(h^rlegt.Der
Formalismus und ih'eAutonomie
sind noch keines-wegs
durchgedrungen. Es steht fest, dasskem
(Geschöpf auf die (xlücksehgkeit verzichten oder hinsichtlich ihrei- gleich- gültig sein kann.Aber
die Vernunft erforchnt, dass,wer
sie i>-eniessen will, ihrer auch würdii'- seiu nniss. Die Wüi'diii,k-eit—
16bestellt aber (S. 321) „in der ja-aktisclien
Überemstimmiuig
iinsi'er
Handlungen
mit der Idee dei- allgemeinen Glückselig- keit. AA-^enn wir uns so verhalten, dass daraus,wenn
siclijedermann so verhielte, die grösste Glücksehgkeit entspringen würde:
dann haben
wir uns so verhalten, dass wir der Glück- seligkeitwürdig
sind. Die Glücksehgkeit eines Geschöpfeskann
nur insofern stattfinden, wiefern seineHandlungen
aus der Idee der allgemeinen Glückseligkeitabgezogen
sindund
mit derallgemeinenGlücksehgkeit üliereinstimmen. "WeilGott die allgemeine Glücksehgkeit will: so stimmt auch das Yei'- halten eines solchenMenschen
mitdem
götthchen Willen überein. Dieses ist der höchstePunkt und
derGrund
aller Moralität."Man
sieht,Kant
ist hiervom
kategorischen Imperativ A\ieder weiter entfernt als in der Preisschrift.AA'eder die
bestimmende
Zweckvorstellungnoch
die rehgiöse Sanktion ist aufgegeben, freilich in der Idee der allgemeinen Ghicksehgkeit das spätere höchsteGut
vorgebildet, abernoch
i]i wesentlich anderer
Wendung.
Die Eationahsierung der Abjral wirdnoch immer
durch das ungelösteProblem
der Triel)feder erschwert:„AVenn
die Erkenntnis des Verstandes eine Kraft hat, das Subjekt zu derHandlung
zubewegen,
bloss desAvegen, weil die
Handlung
an sich gutist, so ist diesebewegende
Kraft eine Triebfeder, Avelche wir auch das mora- lische Gefühlnennen"
(S. 186).Man kann
es aber nicht recht verstehen, wieman
ein Gefühlvon dem haben
soll,was
keinGegenstand
des Gefühls ist, sondern durchden
A'erstand objektiv erkannt wird.Kant
gesteht, dass darinimmer
eine Kontradiktion stecke. Lust ist (S. 169) das Ge- fühlvon
der Beförderung des Lebens.Nun
ist Freiheit d. i.das A^ermögen, <he Triebe chirch die Vernunft zu beherrschen, höchste Lebensbetätigung, führt also Lust mit sich, freihch, wie gleich AA-ieder hinzugefügt Averden muss, intellektuelle, auf Reflexion beruhende, nicht sinnliche, also nicht eigentlich treibende Lust. Fehlt aber die Triebfeder, so sind (he moi-a- lischen Gesetze (S. 289) nur
Gründe
dei- Dijudication, nicht der Execution; sie sind objectiA', aber nicht subjectiA"praktisch.L^m
letzteres zu sein,müssen
sieim Zusammenhang
mit der Glücksehgkeit stehn.Da
Avir aber sehen (S. 239), dass dieHaudkmgen,
A\-odnrch wir uns der Glückseligkeitwürdig
machen, uns hier die Glücksehgkeit nicht ^-erschaffen können, sohaben
allemorahschen Eegeln
keine Kraft,wenn
nicht die Theologie zu Hilfekommt. Das
Gottes-Postulat wird dann,wenn
auchnoch
nicht unter diesemNamen und noch
nicht mit allen scharfen kritischen Voi-behalten, viehnehrnoch
unter Anlel)nung anden
Begriffvom
absolut-notwendigenWesen, doch im wesenthchen
ebenso entwickelt, wie später in der Kritik der praktischen Vernunft.Etwas
anders die Unsterb- lichkeit. Xichtum
sich der Glückwürdigkeit in unendlichem Progressus zu nähern, sondernzum
Ausgleich iler der Moralität gebrachten Opfer an zeitlicher Glücksehgkeitmuss
eine andreWelt
sein,wo
dasWohlbefinden
der Geschöpfedem Wohl-
\'erlialten derselben adäquat sein wiixl, Avobei abei-
Kant
viel stärker als beim Dasein Gottes die speculative Unzulänglich- keit dieses BeA^•eises hervorhebt (S. 240 ff.).Im
übrigen ist ilie rationale Psychologie in diesen Vorlesungennoch
auffallend unkritisch behandelt. DieBedenken gegen
die Substantialitätund
Shnplizität der Seelewerden
kaiun gestreift. Die Be-gründung
der UnsterbHchkeit in A'erschiedenenW^endungen und
die Betrachtmipen über diedenkbaren Formen
desLebens nach dem Tode nehmen
einen breitenRaum
ein. Inletzterer Hinsicht wird mit leichter, aberdoch
unverkennbarerAn-
lehnung an SAvedenborgdem
i'ein geistigen Leben,wo
die Seele gar keinenKörper haben and
sich jenach
ihrer moralischen (Qualität in der Gemeinschaft wolildenkender oder bösartigei' Geister alsim Himmel
oder in der Hölle befinden wird, als der „der Philosophie angemessenstenMeinung",
derVorzug
sowohl vor der Restitution des irdischen Körpers, alsder Seelenwanderung, als der
Verbindung
miteinem
A'erklärten Leibe gegeben.Es
ist in der Tliiit \(iu Wichtigkeit, sich dieGedanken-
Itildung
Kants
in cüesen akademischen Voi-lesungenzum
\'erständnis des
Systems
gegenwärtig zu lialten. Sie giebt u. a. einen Schlüssel für das anscheinende Auseinander- klaffen der x^nalytikund
Dialektik in der Kritik der prak- tischen Vernunft. Diese Avar schon beschlossene Sache, ehe dieGedankenbildung
jener \"ollendet war.2
18
Das Hauptwerk von
1781 iiiuss hinsichtlich der Moral- Pliilosophienoch
zu deren Entwickelungsgescliichte gezählt werden;denn
die entscheidendeGedankenbildung von
1785und
88 ist lüernoch
nicht ganz vollendet.Das
freilich,was
schon die Dissertation ausgesprochen hatte, stehtnun
uner- schütterlich fest:Heine Moral
ist wie die Transcendentalpliilo- sopliieund
dieMathematik
eine i-eine VernunftWissenschaft, in dei' nichtsUngewisses
sein kann, in dei' es ungei'eimt ist,zu „meinen'', sondern in der
man
Avissen oder sich alles Urteilens enthalten muss.AVenn
auchnoch
wieder zuge- standen wird, „dass moralische Begriffe, Aveil ihnen etwas Empirisches zuGrunde
hegt (näinhch Lust oder Unlust!) nichtgänzlich
reine Yernunftsbegriffe sind, sokönnen
sie doch inAnsehung
des Prinzips, AA^odurch die Vernunft der an sich gesetzlosen FreiheitSchranken
setzt (alsowenn man
bloss auf ihreForm
acht hat) gar Avohlzum
Beispiel reiner Ver-nunftbegriffe dienen" (3.
Hauptstück
der Dialektik A'om Ideal der reinen Vernunft 1. Abschn.),und
Aver die Begriffe derTugend
ausErfahrung
schöpfen Avollte, dei- Avürde aus derTugend
einnach
Zeitund Umständen
AA^andelbares, zu keinerEegel
brauchbares, zAveideutigesUnding
machen.Im
2. Al)- schnitt desKanons
der Methodenlehre, der a^oudem
Ideal des höchsten Gutes handelt, ist diesei' Begriff ganz Avie A'orher inden
Vorlesungenund
später in der Kritik dei- praktisclien Vernunft entwickelt.Doch
ist dei- Glückseligkeitsfaktor stärker betontund
natürlicher eingefülirt. „In der praktisclien Idee sind beide Stücke (Glücksehgkeitund
Glüclnvürdigkeit)Avesent- lich A^erbunden,obzwar
so, dass die moralische Gesinnung, alsBedingung,
den
Anteilan
GlückseÜgkeit,und
nichtumgekehrt
die Aussicht auf Glückseligkeit die moralische
Gesinnung
zu- erst möaliclimache: denn
in letzterem Falle Aväre sie nicht moralischund
also auch nicht derganzen
Glücks(digkeit würdig, die A'or der Vernunft keine andei-eEinschränkung
ei--kennt, als die, Avelche A'on
unserem
eignen unsittliclien Ver- halten herrührt."Worin
bestehtdenn
aber die moralische Gesinnung'? Sicherhch in derZusammenstimmung
des Einzel- Willens mitdem
allgemeinenWillen, indem
BeAvusstsein der durchden
letzteren teils beAvegten, teils restringierten Frei-lieit,welche die
aUgemeiue
Grlückseligkeit liervorbringeuwürde,wenn
der liomonoumenon
allein in Betracht käme.Da
aber in der Erscheinungswelt die Voraussetzung jenerZusammen-
stimmung,jenerWilhmsharmonie
nichtzutrifft, auch der Beitritt der Natur '''zuden
moi'alischen Bestrebungen der Yernunft-wesen
nicht ersichtlich ist, sokann
der Gri'und der praktischnotwendigen
Verlcnüpfung beiderElemente
des höchsten (ab- geleiteten) Gutes nur indem
liöchsten ursprünghchen Grute d. i. in Grottund
ihre Bealisierung in der intelhgibleu d. h.morahschen —
füi' uns zukünftigen— Welt von
der Vernunftgedacht werden.
Ohne
dieseAnnahme
sind die moralischen Gesetze leere Hirngespinste.„Daher
sieht sie aucli Jeder-mann
alsGebote
an, Avelches sie aber nicht sein könnten, Avenn sie nicht aprioriangemessene
Folgen mit ihrer Eegel verknüpftenund
alsoVerheissungen und Drolvungen
beisich führten. Dieses aber
können
sie auch nicht tun,wo
sie nicht in einemnotwendigen
"Wesen alsdem
höchstenGut
liegen, welches eine S(jlche
zweckmässige
Einlieit alleinmög- hch machen
kann."Man
sieht, wie weit der Schritt ist,den
der Schreiber flieser Stelle biszum
kategorischen ImperatiA'', der nichts verheisstund
nichts droht, noch zu tun hatte.Am
Sclduss der Kritik ist freilich die Erkemitnis selbstver-ständlich, dass Moraltheologie nur
von immanentem Gebrauche
ist, dass wir
Handlungen
nichtdarum
für verbindhch halten, Aveil sieGebote
Gottes sind, sondern siedarum
als göttlicheGebote
ansehen, weil A\'ir dazu innerlichxcrhunden
sind.Aber
die völlige Verselbständigung dei- Moral ist hier noch nicht erfolgt, der
Gedanke
noch nicht ausges])rochen, dass dasmorahsche
Gesetz auch ohne He/ielning auf (he \(\ce des höchsten Gutes verpflichte, dass Tlieologie der Moral wohl nützlich, nicht aber unentbehrlich sei. Kant findet es „he- denkhch", dass der A^rn-nunftglaube auf die X'oraussetzung moralischerGesinnungen
gegründet Averden nuiss. Fehlen diese, so Avird auch jenerzum
mindestens erschüttert.Da
es aber kein A^ernünftigerMensch übernehmen
kann, die T^nmög- lichkeit des Daseins Gottesund
einer künftigenWeh
zu be- weisen, so giebt di(^ser „negative" (Tlauhe auchdem
Un-morahschen
hinreichenden Grund, die mögliehe Idealität dii^ser20
Noumena
A\'enigstens zufürchteu,
Avodnrclidenn
freilicli keine moi'alischeGesinnung
erzeugt, der„Ausbruch"
derbösen aber mächtig zurückgehalten wii'd.(Kanon
III. Abschnitt).Es
ist erstaunhch, Avie tiefe
Wurzeln
die religiöse Yergeltungs- theorie beiKaut
hat. Sie schimmert hiei' plötzhcham Ende
de]' grossen Kritik, noch dazu in recht äusserhcher
Art
durch.Nach
derHerausgabe
derProlegomenen wendet
sichKant
wiedei' ernstlicli der Moral-Philosophie zu.
Nach dem
Briefe anMendelsohn
A-oni 16.August
1783 hat erden Winter
83/84 zur Ausarbeitung des ersten Teils dei'selbenbestimmt und wohl
auch tatsächlichbenutzt, nichtmehr
ganz, wie esscheint, nritdem
früheren Interesse. Die erkenntnis- theoretischenund
speculativen
Untersuchungen haben
jetzt mein* Reiz für ihn.Bilden sie
doch
auch die unerlässliche,gegen
Zweifel ebensoAvie
gegen
Scliwärmereisichernde Substruction für einegesunde
Moraltheologie, die er als Ki'önung seines AVerkes jederzeitim Auge
behält!Zuvor
aber lässt uns 1784 der Aufsatz in der Berliner Monatsschrift: „Idee zu einer allgemeinen Greschichte in welt- bürgerlicher Absiclit''zum
erstenmal deutlich erkennen, dass auch derEnergismus
inKants Denken
Platz hat. Stark wird betont, dass alle Geschöpfevon
Natur bestimmt sind, ihi'eAnlagen
AT)llständigund zweckmässig
auszuwickeln: so auch derMensch,
der sich aus der grössten Eohigkeit durch Über-windung
der inund
ausserihm
gesetzten zahllosen AYider- stände zur grr)ssten Creschicklichkeit, innerer Yollkomnien- heit dei- Denlcungsartund
dadurch, soweit es aufErden
möglich ist, zur Glücksehgkeit em|)orarbeitenund
dies allein dei' eigenen Vernunft veixlanlien soll. NichtWohl-
befinden, sondern die aus erfolgreicher Tätigkeit quillende vernünftige Selbstschätzung giebtdem Leben
Wert.Das
freihch nie ganz zu erreichende Ziel, die Verwirklichung dei'
morahschen Weltordnung
in der ErscheinungsAvelt, w^elche sich liier als eine vollkonunene bürgerhche Verfassung der Gesellschaft darstellen A^lirde,muss
wenigstens mit allen Kräften erstrebtund
die Geschichte derMenschen-Gattung im
grossen als die Vollziehung eines verborgenen, auf dieses Ziel angelegten Planes der Natur angesehen werden, wobei esdenn
für die
Gattung
zur Erreichung desEndzweckes
nur eines unendlichen Progressusim Diesseits
bedürfen würde. DieseGedanken
in höchst bemerkenswerter "Weise ergänzend, führtKant
1785 in der Eezensionzum
II. Teilvon
Herders Ideen zur Philosophie der Gescliichte aus, dass nicht das Schatten- bild der GlückseUgkeit, welches sich ein Jeder selbst macht,und
das zu allen Zeitenund
an allen Ortenvon
der Stellung abhängig ist, die dasIndiAaduum
zu den esumgebenden
Ver- hältnissennimmt,
sondern die dadurch ins Spiel gesetzteimmer
fortgehendeund
Avachsende Thätigkeitund
Kultur, deren grösstmöghcherGrad
nur dasProdukt
einer nach Begriffen des Menschenrechts geoi'dneten Staatsverfassung, folgUch einWerk
derMenschen
selbst sein kann, wohl das eigenthche Ziel derVorsehung
sein möchte.Es kann
hiernoch
aufden
Inhalt eines losen Blattes auf-merksam gemacht
werden, dasden
80er Jahren angehörenmag,
aber aUer Wahrscheinhchkeitnach
vor derGrundlegung
geschrieben ist. In E. 64 begegnet uns der schonoben
er-wähnte Gedanke
abermals, ob Freiheit eine notwendige Ur- sache der GlückseHgkeit sein könne.Wenn
sie es sein soll,so
muss
sie die Willkür ans Prinzipien der Einheit, sowohl mit der eigenen Personund
zugleich inAnsehung
der Ge- meinschaft mit anderen bestimmen, weil Freiheit, die nicht äusserüchnach
allgemeinen Gesetzenzusammenstimmend
ist, sich selbst an der Glücksehgkeit hindert, in derZusammen- stimmung
aber sie durchaus befördert.Kant
hat ersichtlicli die Möghchl-ceit wiederholt erwogen, ob sich nicht doch die Glückseligkeit als eine notwendigeWirkung
der Sittlichkeit konstruieren lasse.Aber
derGedanke
konnte nicht durch- dringen.Es wäre dann
dasKant
unentbehrlich scheinende Vehikel für das Gottes-Postulat verloren gegangen.Wir
stehenam
Eingangstore des fertigen Moralsystems, das mit derGrundlegung
zurMetaphysik
der Sitten anhebt, in dei- Kritik der praktischen Vernunft sich im wesentlichen vollendet,*im
zw^eiten Teile der Kritik der Urteilskraft wichtigeErgänzungen
erhältund
durch die späterenund
da- zwischen liegenden Schriften gelegentlich interessante Be- leuchtungen erfährt.Einen
Augenblick inue haltend, blicken22
Avir auf die PJntwickelung zui'ück.
Von den
religiösenGrund-
wahrheitenund
ilirer praktischen Notwendigkeit subjektiv über- zeugt, gelangtKant
zu der Erkenntnis, dass die alte Meta- ]»hvsik keinengenügenden
begriffhchenUnterbau
für dieselben liefern kann.Der
A^ille Gottes— man mag
ihnnun
aus der Offenbarung odei' aus der bisherigenPhilosopliie konstruieren—
giebt also inkeinem
Falle ein wissenschafthches Moral- ])rinzip ab.Auch Wolfs
Volllionunenheitslehre erscheint leerund
unzureichend.Da
bietet sich,im
Geiste der Zeitgelegenund von dem
englischenEmpirismus
eingeführt, die Glück- sehgkeit dar.Das
Vei'langen nac-h ihr ist unz^^'eifelhaftvon
derNatur
allenGeschöpfen und
so auchdem Menschen
ein- gepflanzt.Auch
mitdem
Gottesbegriff lässt sie sich A'er-binden:
denn
zuden
letztenZwecken
eines weisenund
gütigen Weltregierersmuss doch
allgemeine GlückseKgkeitnotwendig
gehöi-en.Jedoch kann
für freieYernunftwesen
dieBefolgung
eines Naturtriebes nicht als A'erbindHchkeit gedacht werden. Siemüssen
sich vielmehr der Glücksehgkeitwürdig machen, indem
der auf selbstischeZwecke
gerichtete Einzel- wille sich zuGunsten
der allgemeinenHarmonie
in Freiheit einschränkt. Die Yerbindhchkeit hierzu kündigt sich durch ein Gefühl derNötigung
an, dasmorahscher
Sinn genannt Averden mag. Dei- Missbrauch der Freiheit führt mannig- faches Flend herbei:doch muss
gehofft A^erden, dass das höchsteWesen,
indem
alles natüi'licheund
geistigeLeben
seine Einheit hat, die allgemeine Glücksehgkeit letztlich herbei- führen
und
die AVeltharmonie, die für seine Erkenntnisimmer
besteht, auch für uns einmal wirklich
und
erkennbarwerden
lasse. Dies alles ginge an, Avenn Glücksehgkeit ein reinei-
Vernunftbegriff Aväre: ei' ist indessen,
mau mag
ihn drehenund
Avendcm, wieman
will, A'on empirischenElementen
nicht loszulösenund
deshalb zurBegründung
einer i-einen Yernunft- wissenschaft untauglich. Dies abermuss
die Moral unter allenUmständen
sein. Ist doch,nachdem
dieKritik der theoretischen Vernunft alle bisheiigen Stützen der KeligionsA\'ahrheiten zer-trümmert
hat,Eettung
füi' diese nurnoch
aufdem
praktischen Gebiet zu finden. Sollen sie hier eine neue imerschütterliche Basis erhalten, somuss
die Moral rein a priori konstruiertwerden,
und wenn
es gelungen ist, reine Vei'standesgrundsätze als sichereGrundlage
für eineMetaphysik
derNatur
zu finden, so wird ähnliches auch für eineMetaphysik
dei- Sitten mögiicli sein. Foi't also zunächst mit der Glückseligkeitund
ihrer unvermeidlichen
Beziehung
auf Lustund
Unlust!Es muss
gelingen,auch die Triebfeder des sitthchenHandelns ohne
<liese empirischen Prinzipien zu konstruieren.
Haben
wir erst festenBoden gewonnen, dann
wird es Zeit sein, sich diesesdoch
unveräusserlichenimd unentbehrhchen
Begriffes wieder zu erinnern.So
ungefähr könnteman
sichKants Gedanken- gang
vorstellen, unterbrochenund
durchsetztvon
vielfachen A'ariationen.Nur
beiseite geschoben, nicht innerlich übei'- A^'unden, bleibt in seinem Geiste derGedanke
stehen, dass der gute Wille Lohn, der böse Strafe auf irgend welche AVeisenach
sich ziehe,und
nichtminder
lebendig bleibt der andere, dass die inteUigibleWelt
in der sensiblen Avirksamund
an- näherungsweise erkennbarwerden muss
durch die lebendige,von
Lust begleitete, freilichimmer
durch dasmorahsche
Ge- setz geführteEntwickelung
allerAnlagen
des Individuumsund
der GattunP'.
Schreiten wir
nun
dazu über, dieBeziehungen
desSystems
zuden
dreiEichtungen
desEudämonismus
näher zu prüfen.n.
Wenn
es ein unabAveisliches Bedüi'fnis der Vernunft ist, für alles,was
ist odei' geschieht, dieUrsache
zu suchen, so ebenso auch das andere,den Zweck
zu bestimmen,wozu
es ist oder geschieht.Führt
die Kritik der reinen Yerniuift zu der Einsicht, dass die Kette derUrsachen
in der Erscheinungs- welt ohneEnde
zu verfolgen, derGrund
derganzen
Eeihe dagegen, das ens reahssimum, als Ideal derVernunft
insÜber- sinnliche zu setzen sei, so lehrt die Kritik der teleologischen Urteilskraft, dass eben dieseErscheinungswelt auch angesehen Averdenkönne
als eineim
Allgeistegegebene
Kettevon
Mittelnund
ZAvecken, deren EndzAAeck, als die Eeihe bestimmend,»'benfalls als
dem
Übei'sinnhchenangehörend
gedacht Averden muss;denn ebensowenig
Avie einen Anfang,dem
nichts vorhergeht,können
Avir einEnde
begreifen,dem
nichts24
mehr
folgt.Ein Zweck,
der nichtmehr
Mittel ist,kann
in der Erscheinnngswelt nicht gedacht werden.Das
Finalbedürfni.skommt
ebensowenig
zurE-uhe, wie das Kansalbedürfnis.Da
abei-das InteresseanderFrage:
„Wozu?"
welchersich diepraktische Frage:„Was
soll derMensch
tun?" unmittelbaranghedert, er-hebhch
grösser ist als das an der Frage:„Woher?"
die mit der nur theoretischen Frage:„Was kann
derMensch
wissen?"übereinkommt:
so fordert eben dieses Interesse uns zur sorg- fältigenPrüfung
auf. ob nicht der letzteZweck, den uns
re Urteilskraft innerhalb der Erscheinungswelt zu entdecken ver-mag,
uns nicht etwa aufden
übersinnlichenEndzweck
hin- leiten könne.Nun kann von
unsnur
derMensch,
als das einzige uns bekannte vernünftigeWesen,
als der letzteZweck
der
Natur
angesehen werden, wobei uns überlassenund
durch dieEntdeckungen
der neuei'enAstronomie
sogar angezeigtist, zu meinen, dass etwa auf anderen
Weltkörpern noch
andere A^ernünftigeWesen
existieren.Wenn nun
aucli die Naturdem Menschen,
soweit wii- sehen können, als ihi-emzwar noch
nicht faktischen, aberdoch
betitelten Herrn, als ]\Iittel fürden
In- begriff seinerZwecke
zu Diensten steht, so ist doch damitnoch
nicht dieFrage
beantwortet,welchen Zweck
sein eigenes Dasein habe,imd
ob dieses in irgendeinem
Betracht alsEnd- zweck
alles Seinsund Geschehens
gedachtwerden
könne.Hierzu genügt die Tatsache, dass der
Mensch
Vernunft hat, keineswegs.Denn
diesekönnte einerseits ledighchWerkzeug
sein,
um
seineNaturzwecke
zu erreichen, Avie Instinktund
Trieb es für niedrigere
Organismen
sind; andererseits führt ihr speculatiA^erGebrauch zwar
bis an dieGrenze
des Über- sinnlichen, aber niemals in dieses hinein. Sie giebt uns in diesem Falle ledighch auf,nach einem
weiteren Z^vecke in der f]rscheinungswelt zu suchen, fürden
derMensch
Mittel sein mag. Soll indem Wesen
desMenschen
ein absoluterWert
beschlossen sein, der die
Frage nach einem
weiterenZwecke
überflüssig macht, so