auf der
Erde
nichts dergleichen zeigt, so ergiebt sich als die einzig möglicheForm
der Unsterblichkeitnach Kants Lehre
die Fortdauer des
Menschen
als vernünftigen Einzelwesens mit w^ahrscheinlich veränderter Sinnlichkeit aufeinem
anderen"Weltkörper oder sonstwo im
Paume. — Es
ist also an der.entscheidenden Stelle der früher bevorzugte
Gedanke
aufge-geben, dass derTod
durch völligeAufhebung
der Sinnlich-keit zurunmittelbaren Erkenntnis desÜbersinnhchen und zum ewigen
d. h. zeitlosen Dasein hinüberführe. In dei' Tat ver-trägt er sich nicht mit der Idee des moralischen Fortschiitts, welcher der Sinnlichkeit alsElement
des Widerstandesnot-wendig
bedai-f. Eine rein geistige Existenz könntemorahsch
nichts anderes bedeuten, als einTeilhaben an derHeihgkeitund
SeUgkeit des AUgeistes, d. h. die Vollendung, das Bewusst-sein des Gesetztseinsim
Al)soluten.Kant
hat dies aufeinem
losen Blatte ausden
90er Jahren (F. 18) wie folgt ausge-sprochen:„Wenn
die Ewigkeit einen bleibendenZustand
be-deutet, sowürde
jedeUnvoUkommenlieit
nicht ein Schrittzum
besseren sein.Da
aber die seHge E^\igkeit das Besteund VoUkonunenste
sein muss, derMensch
aber jederzeitnur ein Teilzum vollkommensten Ganzen
ist, so ist die sehgeEwig-keit ein
Verschlungenwerden
in der Gottheit." Diese Vor-stellung hat rehgiösen Wert, moralischen aber nur insofern, als die Heihgkeit des Willensnotwendig zum
ürliilde dienen muss,„welchem
sich ins Unendliche zu nähern das Einzige ist,was
allen endlichen vernünftigen AVesen zusteht,und
Axelche das reine Sittengesetz, dasdarum
selbst heilig heisst, ihnen beständigund
richtig voi-Augen
hält,von weichem
ins Un-endlichegehenden
Progressus seinerMaxime und
ITnwandel-barkeit derselbenzum
beständigen Fortschreiten sicher zusein, d. i.
Tugend,
das höchste ist,was endhche
praktische Vernunftbewirken
kann, die selbst wiederum, wenigstens als natüi'lich erworbenesVermögen,
nie vollendet sein kann, weil die Sicherheit in solchem Falle niemals apodiktische Gewiss-heit wirdund
alsÜberredung
sehr gefährlich ist" (Kr. d. pr.V. Analj'tik § 7.
Anmerkung
zur Folgerung).Das
andere Stück des höchsten Gutes, die Glücksehgkeit, ^-erträgt die Vorstellung der Unsterblichkeit als rein intelligibles Dasein erst recht nicht;denn
sie istvon
der Sinnlichkeit unabtrenn-bar. In der kritischenAufhebung
derAntinomie
der prak-tischen Vernunft (DialektikIL
Hptst. II) begründetKant
dieMöghchkeit
des höchsten Gutes also:„Da
ich nicht alleinbefugt bin,
mein
Dasein auch alsNoumenon
in einer Ver-standeswelt zu denken, sondern sogaram
moralischen Gesetze einen rein intellektuellenßestimmungsgrund
meiner Kausa-htät (inder Sinnenwelt)
habe, so ist es nicht un-möglich, dass die Sittlichkeit derGesinnung
einen,wo
nicht unmittelbaren, doch mittelbai-en (vermittelst eines intelhgiblen Urhebers dei' Natur)und zwar notwendigen Zusammenhang
als
Ursache
mitder GlückseligkeitalsWirkung
inder Sinnen-welt
habe".— Da
also die volle Glückwürdigkeit in diesemLeben
nicht erreichbarund
überhaupt nur a])[)roximativ zudenken
ist, die Glückseligkeit aber, die doch ^proportional sein soll, nur in einer Sinnenwelt stattfindenkann, so giebt es keinAusweichen:
alles zukünftigeLeben
bleibt ein sinnliches.Man
muss
gestehen,Kant
ist an dieser Konsecjuenz inden Haupt-werken
miteiner gcAvissenScheu
vorübergegangen,wohl
weil die andere Auffassung seiner grundlegendenLehre vom
Muu-dus intelligibilisund
sensibilis näher lag, vielleicht auch weil er sieh bewusst war, das Verhältnis des Sinnlichenzum
Übersinnlichen nicht überall zu duiclisichtiger Klarheit gebracht zu haben. Mein- findet sich darüber in
den
Neben-schriften, Reflexionen
und
Vorlesungen,und
es zeigt sich dort48
noch ein stai'kes Seliwanken, ja hier
imd
da eine deuthcheNeigung
für die—
Pneumatologie. InEefL
II, 1318 ver-sucht er, die beiden Auffassungen ge\^'issermassen zu ver-hinden,indem
er eine alhnähliclieVerminderung
der SinnHcli-i<eit annimmt. Ein Teil des Stückes ist interessantund
wich-tigjgenug,um
Axörtlieh citiert zu werden: „Die erste Frage: Ist die S(^ele nachdem Tode
ein reiner Geist odernoch die Seele eines Tieres? DieBeantwortung
gründet sich auf die Ent-scheidung der Frage, oh die Seele nocli nachdem
jetzigen Gesetz der Sinnlichkeit mit der Welt, also auch mit der Körpe)'\\elt inVerbindung
sei.Irgend
eineSinnlichkeit
Avird wolil bleiben.Die
zweite: Ist die andere "Welt eine andereGegend
der Sinnenwelt oder ist sie derForm
nacli anders? Antwort: Objektivkann
nur eineWelt
sein;denn
alle Substanzen ausser der obersten Ursache
machen
einGanzes
aus, aber subjektiv, d. i. der Art nach, wie das Sub-jekt sie voi'Stellt,kann
eine andereWelt
sein:und
da ist zu vermuten, dass sich die Sinnlichkeit vermindereund
also derÜbergang
ausdem Mundo
sensibili inden
intelligibilem per approximationem übergehe.Der
Intuitus ist comparativeintellectualis, je
mehr
der innere Sinn Avächst."Dieser
Gedanke
entsprichteinem von Kant
nicht seltenangezogenen
Liehlingsargument für die Unsterblichkeit:dem
Missverhältnis, welches zwischen der
Kürze
des Erdenlebensund dem Reichtum
der innerenAnlagen
desMenschen
be-steht, Avelche in demselben nicht zu A'ölhger Aus^^ickelung gelangen können.Da
uns die Erfahrungnun
hinreichend helehrt, dass die Natur nichts Z^veckloses produziert, sokann man
aufGrund
eineszwar
nicht stringenten, aber vernünf-tigen Analogieschlussesannehmen,
dass für dieVerwertung und
Fortbildung jenerAnlagen
durch neueFormen
desDa-seins die
Möghchkeit
Aveixle geboten Averden. Inden
Vor-lesungen über rationale Psychologie ausden 90er Jahren
(cfr. Heinze, Mitteilungen der K. Sachs.
Akademie
der Wissen-schaften 1894) AA'ird das Sterben als Befreiung desLebens-prinzips
A'^onaUen
Hindernissen, einLeben der Seele
aber Aviederum nur durch cheVerbindung
dieses Prinzips mit49
einem
Körper
mögiicli gedaclit,ohne
welchen keineActus
desLebens
stattfindenkönnen
(a. a. 0. p. 68S).Dies alles geht
noch
mit der „amtlichen" Unsterbhchkeits-lehreKants
allenfallszusammen. Wenn
aber Heil. II, 1306 behauptet, dassdiemenschhchen
Seelenein geistigesLeben
auch vordem Körper
gehabt haben, weil derAnspruch
auf die Ewigkeit,wenn
erdem Erwachsenen zukommt,
doch auchdem
Neugeborenen,
dem Emluyo
u. s. w. nicht versagtwerden
kann, also offenbar nichtvon
der zufälligenVerbindung
mitdem Körper
abhängt;wenn
ganz in Übereinstinnnung damit inden erwähnten
Vorlesungen übei- rationale Psychologie die Frage, ob derMensch nach dem Tode
einneuesCorpuscrdum
oder dasVehiculum
der Seeleannehmen
werde, mit: „Wahr-scheinlicherWeise
nein!" beantwortetund
derÜbergang
aus der sinnhchenWelt
in eine andere bloss als diewahre Anschauung
seiner selbst, welcheHimmel
oder Hölle be-deutenmag,
bezeichnet wird (a. a. 0. p. 677),wenn
eben dort (pag. 691) sichannehmen
lässt, dass unser künftigesLeben
ein reines geistiges Leben, alsdann aber dieAbsonderung
der Seelevom Körper
nicht ein Versetzenvon
einem Ortzum
andern sei:wenn
endlich in der„Eehgion
innerhalb"' (III. Stück2.Abt.)die materialistischeTheoiieder Auferstehung-drastischbekämpft und
der H^'pothese des Spirituahsmus ver-nünftiger Weltwesen,wo
derKörper
tot in derErde
bleibenund doch
dieselbe Person lebend da sein, ingleichen derMensch dem
Geistenach
(in seiner nichtsinnlichen Quahtät)zum
Sitz der Seligen,ohne
in irgend einen Ortim
unend-hchen Raum,
der dieErde
umgiebt, (undden
wir auchHimmel
nennen) versetzt zu werden, gelangen kann, alsder
Vernunft günstiger
bezeichnet wird: somuss man
ein seltsamesSchwanken
des Meisters hinsichtlich der Unsterb-lichkeitslehre bis in die s]:)äteren Jahre hinein zügelnenund
kann
auchden
Verfasser der Paralogismen nur dadurch vorWidersprüchen
schützen, dassman
sich der kritischenGrenz-bestimmung
sehr eindringlich erinnertund
scharf festhält, dass alles,was
über die Erkenntnistheorieund
die reine Moral-wissenschaft liinausgeht, in praktischer Absichtund
aussub-50
jektivem Bedürfnis konstruiert ist
und
keine objektive Allge-meingültigkeit beansprucht.Wie
die Rücksiclit auf das Individuum, seinen übersinu-lichenWert und
seinen aus der Sinnenseite folgenden An-spruch auf Glückseligkeit die Unsterblichkeitslehreund
ihreForm
bestimmt, so auch die Art, \\'ieKant
das Gottes-Postulat konstruiert. Nui-einer intellektualenAnschauung
ist esmöghch,
die
moraUsche
Gesinnung, d. i. die übersinnliche Quahtät des hinter der inneren Erscheinung stehenden Willenssubjektes zu erkennenund
also dieGlückwürdigkeit festzustellen,und
selbstwenn man zugeben
wollte, dass die erkennbare Legalität derHandlungen
ein vielleicht nicht adäquates, aber doch derPro-|>ortion
nach
korrespondierendesPhänomenon
der Moralität sei^so
vermag
das vernünftige Einzelwesen dochden
Naturlauf, inden
es selbst eingegliedert ist, nicht derart zu beherrschen^dass daraus der Moralität proportionierte Glückseligkeit für jedes Einzelwesen resultieren könnte.
Dazu
gehört einall-mächtiger
und
zugleich morahschei- Wille,den anzunehmen zwar
nichtPfhcht, aber moralisches Bedürfnis ist, weil anders dieForderung
des moralischen Gesetzes, das höchsteGut
zu befördern, eine ins Leere gehende, jjhantastische, füghch un-vei-nünftige sein würde. Die Scll^^ierigkeiten, welche dieseGedankenbildung umgeben,
liegen nahe.Es
ist geradevom
indiAäduahstischen Stand^Dunkte aus schwer einzusehen,
warmn
eine allweise, gütige
und
gerechte Weltregiei'ung nicht für jedes Einzelwesen zu jeder Zeit che vernunftgemässe Propoi-tion zwischen Glückwürdigkeitund
Glückseligkeit herstellt.Täuscht luis vielleicht die Erfahrung, dass in ungezählten Fällen der Gerechte leidet
imd
der L'ngerechte mit Glücks-gütern überschüttet ist? Besteht das Verhältnisdennoch?
Ist würdiges Leiden Glück, unAvürdiges Geniessen
Unglück?
Kant
willund kann
es bei seinerFassung
des Glücksehg-keitsbegriffs nichtzugeben.Aber
andererseits:wenn
der Aus-gleichnur durch dieTotahtät derunendhchen
Reihe erfolgt, die wir nichtüberbhcken und summieren
können: ist esdann noch
ein Ausgleich für
uns? Wenn
wir das Gesetz,nach dem
die Reihe ansteigt, nicht erkennen, weil wir selbst
immer
innerhalb der Reihe bleiben: hat
dann
derGedanke,
dass vordem Auge
des Allgeistes sich alle Missverhältnisse auflösen,noch
praktischeBedeutung
für uns?Und
in praktischerAb-sicht ist ja
doch
die ganze Konstruktion geschehen!Wenn
das Einzehvesen die Möglichkeit des höchsten Gutes nicht
für
sich selbst einsieht, so ist eben für dieses Einzelwesen dieForderung
des G-esetzes sinnlos.Da wäre wohl nur noch
die Ausflucht, dass in zukünftigen
Wandlungen
bei sichimmer mehr
vermindernder Sinnlichkeit eineimmer
klarere Erkennt-nis derWeltharmonie
eintreten könnte.Das
heisstim Grunde
nur: wir dürfen hoffen, dass Avii' spätei' einmal mitmehr Grund werden
hoffen können.Ausserdem:
verminderte Sinnlichkeit bedeutetzunehmende
Bedürfnislosigkeitund
ab-nehmende
GlückseUgkeit:Annäherung
an die Seligkeit. Ist aber dies derWeg
der Zukunft,warum dann
nicht jetzt schonan
derUnterdrückung
der Bedürfnisse arbeiten?Wir kämen
auf die
Askese
zurück.Und
endhch: ist die steigendeBe-freiung von
der Natur derWeg
zurVollendung:wozu
bedarf esdann
eines Gottes, den wir nur nötig hatten,um
derNatur
die GlückseUgkeit abzuzwingen, deren gerechte
Austeihmg
Avir A'on ihr zu erwarten keinen Anlass
haben?
Hierzu