des kategorischen Imperativs
möchte
hierim
Einzelfalle schwer-lich apodiktisch, selten assertorischund
oft recht prol^lematisch sein.— Auch
fremdeVollkommenheit
zu befördern, soll nicht Pflicht sein, Aveil sich diese jeder nur selbst erAverben kann.Nun, Kant
wird nicht daran gedacht haben, das grosse Kapitel der Pädagogik, zudem
ja auch die w-echselseitigeErziehung-Erwachsener
mitgehört, aus den- Liste der sitthchen Pfhchten zu streichen.Wir
verstehen,was
gemeint ist: dieentschei-dende
Arbeit l)ei der Kultui' der moralischenMaximen und
der empirischenAnlagen muss
das WillensSubjekt selbst tun.Die
Beihilfe Anderer
liierzu ist aber für (hese Pflicht,und
häufio- eine sehr ernste.
Du]-ch die
Einführung
ch^-s höchsten abgeleiteten Gutesund
seine Begriffsbestinnmmg erhältnun
auch die empirische AVeit eine erweiterteund
befriedigendere Deutung. Nichtmehr
bloss eineMenge von Widerständen gegen
die Befolgung desmorahschen
Gesetzes, sondern zugleich eineunendhche
Füllevon
positivenAufgaben
stellt sie für uns dar, welche sämmtlich durch das letzte Ziel in ihremWerte
bestimmtund
zusammengefasst werden, nämlich auf derErde
ein ßeich der Gerechtigkeitund
Glückseligkeit zu errichten, inwelchem
jeder alsSinnen^esen
dasjenigeMass von
Lust geniesst,was
er sich als
Vermmftwesen
durch seine Moralität verdienthat:„eine Aufgabe, bei der sicli"
—
wieKant
ausdrücklich sagt—
„der
Mensch nach
einer Analogie mit der Gottheit denkt, Avelche,obzwar
subjektiv keines äusseren Dinges bedürftig, gieichwolü nicht oedacht Averden kann, dass sie sich in sich selbst verschlösse, sondern das höchsteGut
ausser sich hervor-zubi-ingen, selbst durch das Bewusstsein ihrer Allgenugsamkeit bestiuimt sei", eine innere Notwendigkeit, diebeim Menschen
Pflicht ist.
Den
letzten Zweclc alles Seinsund Geschehens
auf die Erde, diesesSandkorn
des Universums,und den Menschen
zu beschränken, ist keinannehmbarer Gedanke;
aber es steht ja der
Annahme
nichts entgegen, dass andere Weltkörper'in ihrerEntwickelung
ebenfalls vernünftigeWesen
hervorgebracht haben
und
ferner hervorbringen, derenSinn-_ 34
—
lichkcit imcl mithin deren Glückseligkeit andere
Formen haben
mag, als die menschliche, derenVernunft
aberund
mithin der(m Moralität einheitlich gedaclitwerden
muss.Höheren Wesen
eine andereArt von
Vernunft auch nur hypothetisch zu-sprechen, heisst sich in leere Hirngespinste verlierenund
die Möglichkeit einer einheitlichenWeltanschauung
überhaupt ver-nichten.Denn
das dürfteim
Sinne des Kantischenliationa-hsmus
streng festzuhalten sein, dass das Reich derZwecke
übersinnhchund
nicht dasselbe ist, wie das höchste abgeleiteteOut
oder die besteWelt. Jenes ist dieVerbindung
niclitvon Zwecken,
die zubewirken
sind, sondernvon
selbständigen oderEndzwecken,
die dai'um so genannt ^^'erden, weil sie,absolute
Werte
darstellend, nichtmehr
als Mittel anpeseheuwerden
können, d. i.von
endlichen Vernunftwesen, insofern sie zwai'noch von
der Sinnlichkeit affiziert, aber nichtvon
ihrbestimmbar
d. h. freigedacht
werden. In diesem Keiche hat „ein grosserAon"
kein anderesRecht
als dei'Mensch,
nämlich dasRecht
derAutonomie. Sobald der das höchste G-ut mitkonstituierende Faktor der Sinuh'chkeit hinzutritt, lassen sich eineMenge von
verschiedenen Ei'scheinungswelten denken, indenen
auch das höchsteGut
für die verschieden gearteten vernünftigenWesen
eine andere Gestaltannimmt;
dasReich
derZwecke
aber erstreckt sich über diese alle als einheitliche Voraussetzungund
zugleich alsHindeutung
aufden
letzten Kinheitsgedanken, auf das hier in ]u-aktischerWendung
er-scheinende Ideal der Vei'nunft, das Oberhau])t im Reiche drv Zwecke, bei
dem
Freiheitmitinnerer Notwendigkeitzusammen-fällt, das keine Pflichten, sonder-n nui- Rechte hat, in
dem
alle Glieder zentlos gesetztund
zur Zweck-Einheitverbunden
sind:eine füi- unsei' discursives
Denken
nicht mehi' i'ealisierbai'e,aber logisch gerechtfertigte
und
unvermeidlicheEndvorsteUung.Weil es
immer
dieselbe Vernunft ist, welche operiert,müssen
ihr theoretisches
uud
ihr praktisches Ideal ^ichnotwendig
decken.Das
ist,obwohl
er es in dieserForm
nicht ausführt, in letzter Instanz der Gi'und, Avelcher esKant
unmöglich macht, che Moral auf eine andereBasis zu stellen, unmöglicli, einen anderenBestimmungsgrund und
eine andere Triebfeder des Willens alsmorahsch
anzuerkennen als ein a priori aus35
i'einer Vei'iiuiift abgeleitetes
und darum
nur foiinales Gresetz.Allein durcli Unteroixlnung unter dieses erhält die Be^^"irklmo der für alle Willensbetätigauig unentbelirliclien empirisclicn
Zwecke
moralische Bedeutung.Nun
übersiehtman
die doppelte Stellung, welcJic der Glückseligkeitsbegriffim Systeme
einnimmt.Eben
in seiner hedonistischen Fassung, durch seine ausschliessHcheVer-knüpfung
mit der Sinnlichkeit, dient er einei'seits dazu, das nuraus Vernunftabstrahierte Moraljjrinzip rein herauszustellen, andrerseits bezeichnet erden
durch die Natur gesetzten, also unvermeidlichenund
bedingt berechtigtenZweck
desendhchen
Vernunftwesens.Um
Unterscheidung, nichtnlme
weiteresum Entgegensetzung
dei-Prinzipien handelt es sich.Letztere tritt nur ein,
wenn
dieOrdnung
der Triebfedern inFrage kommt. Es
ist daher doch wolil nicht ganz andem,
dassKant
die Glückseligkeit zur Vordertüre hinausAvii'ft,um
sie zui' Hintertüre wieder hereinzulassen. Sie bleibt vielmehr
immer im
Hause;man
darf sogar sagen, sie ist ein Pfeiler, der das Gedankengebäudc^ der ])raktischen Philosophie trägt.Wenn man
es für unbegreiflich erklärt, \\'ie der grimmigsteGegner
desEudämonismus
so sclimählichenden
konnte, die GlttckseKgkeit als einen unentbehrlichen Bestandteil inden
Begriff des höchsten Gutes aufzunehmen, so darfman
docli billig fragen,wo
der entgegengesetzteWeg enden
A\-üi'de, der allerdings nicht versclilossen Avar.Kant
hätteden
Stoikern folgen, cheTugend
als das alleinige höchsteGut und
die Selbstzufriedenheit als die einzig zulässige wahre Glücksehg-keit erklären, der Sinnlichkeit also jede Berechtigung ab-sprechen können.Dann
wäi'e dieAufgabe
geworden, dieNeigungen
nicht zu beherrschen, sondern auszui-ottiuiund
die Natur zu unterdrücken.Der
Pigorismus wärt^ inAskese und Weltverneinung
übergegangen. Dies aber hig—
ganz abge-sehenvon
der Kcmstruktion der Postulate, die weitcM- unten besprochenwerdim
soll—
nicht in der Riclitung d(>s Kan-tischen Denkens. \\'ie ei' sich in der theoretischeu i^hilo-so])hie scharfvon
den Indern scheidet,indem
er dieWelt
nicht als Schein, sondcMii als Erscheinung fasstund
si'.in eif-r'igstes Pxnniihen daravd' richtet, durchdm
transcenih^ntalen;5*
36
IdeaKsnnis die cmpirisclie Eealität der
Dinge
zn sichern, das UniA'ei'Suni als dni'ch die menschliclie Wissenschaft in nnbe-gi-enzter ^\nnälierung erkennbar aufzuweisen: ebenso ent-schieden trennt er sichvon den
indischen Pliilosophen aufdem
praktisclienGebiet. DiesefürunswirkUcheWelt
Hefertden
Stoff zniii
Handebi und
steht uns positive Aufgaben, die nui' ihre letzteWertbestimmung vom
übersinnlichen em-])fangen.Das Universum
soll dui'ch dasHandehi
der ver-nünftigen AYesen in unbegrenzterAnnäherung
an ein indei-Idee liegendes Ziel
gestaltet
werden.Auf
beiden Grebietenhaben
die Ideen die Leitung, dieAusführung kann
nur in d(^r Rrscheinungsweltund
unter ihrenBedingungen
erfolgen.III.
Über
die arosseFraoe
nun, oh sich ans der Erfahruno' eineAnnäherung
an das Ideal des höchsten Gutes nach-weisen oder wenigstens miteinigerWahrscheinlichkeit schhessenlasse, hat
Kant
sich mit einer gewissen Zurückhaltung, die zuweilen an Zweifel grenzt, dochhn ganzen
bejahend ge-äussert. Jedenfalls wollte er sichden Glauben
anden
Fort-schritt de]- Menschheit nicht erschüttern lassen. „Soimordent-Hch und
z\\'ecklos uns auch die Gescliichte das A-^erhaltendei-Menschen
schildert, so darf uns dieses doch niclit irremachen
zu glauben, dassdennoch dem
Menschengesclilecht einallge-meiner Plan zn
Grunde
hegt,nach
Avelchem, trotz alles Miss-brauchs ihrer Freiheit, doch endlich che grösstmöghchsteVoll-kommenheit
desselben Avird erreicht Averden:denn
bis jetzt übersehen wir ja nur einzelne Teileund
Bruchstücke." Diese Woi'tc wirdKant
inden
Vorlesungen über philosopliische Rehgionslehre (Pölitz pag. 178) geAA'iss öfter als einmal ge-sprochen haben. „DieBestimmung
derGattung
besteht in nichts alsim
Fortschreiten zur Vollkommenheit", sagt erim
„Mutmasslichen
Anfang
derMenschengeschichte" (Anmerkung),„so fehlerhaft auch die ersten, selbst in einer langen Reihe ihrer Glieder uacheinandei' folgenden Versuche, zu diesem Ziele dni'chzudringen, ausfallen
mögen."
ZAvar lieisst es in der „Keligion innerhalb dei'Grenzen
der blossen Vernunft"(1. Stück): „Die Meinung, dass die
Welt
A'om Schlechtenzum
37
Besseren unaufliöiiich (obgleich
kaum
merklich) foi-trücke,wenigstens die
Anlage
dazu in der menschlichen Natur anzu-treffen sei,haben
die Pliilosophen sicherlich nicht aus der Erfahrung geschöpft, Avennvom Moralisch-Guten
oder -Bösen (nichtvon
der Civihsierung) dieRede
ist;denn
da spricht die Geschichte aller Zeiten gar zu mächtiggegen
sie,"und
weiterhin (I. Stück III) handelt er
von den
pohtischen Zu-ständenund
Grundsätzen, die sowenig
mit der Moral ver-einbar sind, „dass der philosophische Chiliasmus, der aufden Zustand
eines ewigen, auf einenVölkerbund
als Weltrepublik gegi-ündeten Friedens hofft, ebenso wie der theologische, der auf desganzen
Menschengesclilechts vollendete moralischeBesserung
harrt, als ScliAvärmerei allgemein veilacht wird''.Dennoch
aber ist ervon dem
Siege des guten Prinzips über das böse, derAnnäherung
des Reiches Gottes aufErden
innigst überzeugt,wenn
auch aufden Beweis
aus dei' Er-fahiTing schon deshalb verzichtetwerden
muss, weil die mo-raUscheDenkart undurchdringhch
ist.Wir können
nui' ausden
empirischenDaten
einenmehr
oderminder
sicheren Wahrscheinlichkeitsschluss ziehen,und
dermag denn
hierund
da recht zweifelhaft aussehen. Übrigens liegt die Beweislast nicht auf denen, welchean den
Fortschrittund den
Sieg desGuten
in derWelt
glauben, sondern auf denen, die beides leugnen. Die bedeutsamste Stehe dürfte indiesei-Hinsicht in der
Abhandlung
überden Gemeinspruch
etc. (III)zu finden sein. Sie
mag
ganz hierher gesetzt werden: „Ichwerde annehmen
dürfen, dass, da das menschliche Geschlecht beständigim
FortrückeninAnsehung
der Kultur,alsdem Natur-zwecke
desselben,ist,esau chimFortschreitenzmnBessei'eninAn-sehung
des moralischenZweckes
seines Daseins begriffen sei,und
dass dieseszwar
bisweilenunterbrochen,
aber nieabgebrochen
seinwerde. Diese Voraussetzung zu beweisen,habe
ich nicht nötig; derGegner
derselbenmuss
beweisen.Denn
ich stützemich
aufmeine
angeborenePfHcht, injedem
Ghede
der Reihe derZeugungen —
worin ich (alsMensch
überhaupt) bin,und doch
nicht mit der an mir erforderlichen moralischen Beschaffenheit so gut, als ich sein sollte, mithin auch könnte—
so auf die Naclikommenschaft zu wirken, dass38
sie