Basis erhalten, so
muss
die Moral rein a priori konstruiertwerden,
und wenn
es gelungen ist, reine Vei'standesgrundsätze als sichereGrundlage
für eineMetaphysik
derNatur
zu finden, so wird ähnliches auch für eineMetaphysik
dei- Sitten mögiicli sein. Foi't also zunächst mit der Glückseligkeitund
ihrer unvermeidlichen
Beziehung
auf Lustund
Unlust!Es muss
gelingen,auch die Triebfeder des sitthchenHandelns ohne
<liese empirischen Prinzipien zu konstruieren.
Haben
wir erst festenBoden gewonnen, dann
wird es Zeit sein, sich diesesdoch
unveräusserlichenimd unentbehrhchen
Begriffes wieder zu erinnern.So
ungefähr könnteman
sichKants Gedanken-gang
vorstellen, unterbrochenund
durchsetztvon
vielfachen A'ariationen.Nur
beiseite geschoben, nicht innerlich übei'-A^'unden, bleibt in seinem Geiste derGedanke
stehen, dass der gute Wille Lohn, der böse Strafe auf irgend welche AVeisenach
sich ziehe,und
nichtminder
lebendig bleibt der andere, dass die inteUigibleWelt
in der sensiblen Avirksamund
an-näherungsweise erkennbarwerden muss
durch die lebendige,von
Lust begleitete, freilichimmer
durch dasmorahsche
Ge-setz geführteEntwickelung
allerAnlagen
des Individuumsund
der GattunP'.
Schreiten wir
nun
dazu über, dieBeziehungen
desSystems
zuden
dreiEichtungen
desEudämonismus
näher zu prüfen.n.
Wenn
es ein unabAveisliches Bedüi'fnis der Vernunft ist, für alles,was
ist odei' geschieht, dieUrsache
zu suchen, so ebenso auch das andere,den Zweck
zu bestimmen,wozu
es ist oder geschieht.Führt
die Kritik der reinen Yerniuift zu der Einsicht, dass die Kette derUrsachen
in der Erscheinungs-welt ohneEnde
zu verfolgen, derGrund
derganzen
Eeihe dagegen, das ens reahssimum, als Ideal derVernunft
ins Über-sinnliche zu setzen sei, so lehrt die Kritik der teleologischen Urteilskraft, dass eben dieseErscheinungswelt auch angesehen Averdenkönne
als eineim
Allgeistegegebene
Kettevon
Mittelnund
ZAvecken, deren EndzAAeck, als die Eeihe bestimmend,»'benfalls als
dem
Übei'sinnhchenangehörend
gedacht Averden muss;denn ebensowenig
Avie einen Anfang,dem
nichts vorhergeht,können
Avir einEnde
begreifen,dem
nichts24
mehr
folgt.Ein Zweck,
der nichtmehr
Mittel ist,kann
in der Erscheinnngswelt nicht gedacht werden.Das
Finalbedürfni.skommt
ebensowenig
zurE-uhe, wie das Kansalbedürfnis.Da
abei-das InteresseanderFrage:
„Wozu?"
welchersich diepraktische Frage:„Was
soll derMensch
tun?" unmittelbaranghedert,er-hebhch
grösser ist als das an der Frage:„Woher?"
die mit der nur theoretischen Frage:„Was kann
derMensch
wissen?"übereinkommt:
so fordert eben dieses Interesse uns zur sorg-fältigenPrüfung
auf. ob nicht der letzteZweck, den uns
re Urteilskraft innerhalb der Erscheinungswelt zu entdeckenver-mag,
uns nicht etwa aufden
übersinnlichenEndzweck
hin-leiten könne.Nun kann von
unsnur
derMensch,
als das einzige uns bekannte vernünftigeWesen,
als der letzteZweck
der
Natur
angesehen werden, wobei uns überlassenund
durch dieEntdeckungen
der neuei'enAstronomie
sogar angezeigtist, zu meinen, dass etwa auf anderen
Weltkörpern noch
andere A^ernünftigeWesen
existieren.Wenn nun
aucli die Naturdem Menschen,
soweit wii- sehen können, als ihi-emzwar noch
nicht faktischen, aberdoch
betitelten Herrn, als ]\Iittel fürden
In-begriff seinerZwecke
zu Diensten steht, so ist doch damitnoch
nicht dieFrage
beantwortet,welchen Zweck
sein eigenes Dasein habe,imd
ob dieses in irgendeinem
Betracht alsEnd-zweck
alles Seinsund Geschehens
gedachtwerden
könne.Hierzu genügt die Tatsache, dass der
Mensch
Vernunft hat, keineswegs.Denn
diesekönnte einerseits ledighchWerkzeug
sein,
um
seineNaturzwecke
zu erreichen, Avie Instinktund
Trieb es für niedrigere
Organismen
sind; andererseits führt ihr speculatiA^erGebrauch zwar
bis an dieGrenze
des Über-sinnlichen, aber niemals in dieses hinein. Sie giebt uns in diesem Falle ledighch auf,nach einem
weiteren Z^vecke in der f]rscheinungswelt zu suchen, fürden
derMensch
Mittel sein mag. Soll indem Wesen
desMenschen
ein absoluterWert
beschlossen sein, der die
Frage nach einem
weiterenZwecke
überflüssig macht, so
kann
diesesEtwas
nichtzum
Sensiblen, dies sei physisch oder j)sycliisch, gehöienund muss
zugleich seine objekti^'e Reahtät erweisen. •Nun
findet dieSelbst-beobachtung
wirldich eine Tatsache, derenEealgrund
nur ins Übersinnliche gesetztwerden
kann, Aveil ihreMöghchkeit
un-VO
begreiflich ist, die aber, eben Aveil sie Tatsache ist, eleu Er-kenntnisgruud ffir Jenes abgiebt. Diese Tatsache ist das ab-solute Solleu.
Es
giebt eine unbegreiflicheNötigimg
des Willens, nicht nach der Yorstelluug eines aus derErfahrung genommenen
Zwecks, sondern nacheinem
Gesetze zu handeln, welches vor allei-Erfahrung
durch das AVesen der Vernuuft selbst orea'ebenund
dabei- für alle vernünftigenWesen
nicht allein an aUen Ortenund
zu jeder Zeit, sondern auch unal)-hängigvon Eaum und
Zeit gültig ist: ein Gesetz, das nur formal sein kann, weil alle Materie desWoUens
empirisch ist.Es
lautet in bekannter Formel:Handle
so, dass dieMaxime,
nach derdu
handelst, ineinem
gedachten Reiche d. i. einer systematischenVerbindung
aller vernünftigenWesen
als ein Gesetz für allevon
allenangenommen werden
kann, eine Vorschrift, die voraussetzt, dass jedes Glied dieses lieiches sich selbstund
alle anderen alsWesen
ansieht, dieum
ihrer selbst willen existieren d. i. absolutenWert
oderWürde
haben, eben dasjenige,was zum
Begriffe einesEndzwecks
erforderlichist.
Dass
derMensch können
müsse,Avas er soll, auchwenn
er es in AVirklichkeit niemals täte, isteinenotwendige
Voraussetzung der Vernunft, die sich sonst mit ihrerForderung
selbst wider-sprechen würde.Der
kategorische Imperativ ist durch die Freiheit bedingt. Sie ist ehi übersinnlichesVermögen,
w^eildie ErscheinungsAvelt ungeteilt
und
ausnahmslos der Natur-Kausahtät unterworfenist: abersieistreal, weil ihrErkenntnis-grund
es ist. Beide sind unbegreiflich: aber wir begreifen w^enigstens ihre Unbegreiflichkeit: das letzte,wozu
unser Er-kenntnisvermögen ausreicht.So hängt Kants Lehre vom End-zweck
mit seinem Moralprinzip innigstzusammen. Um den
absoluten
Wert
deshomo noumenon
zu begründen, ist es not-wendig, das Sittengesetzvon
allen empirischenPrinzipien los-zulösenund
es rein formal zu konstruieren.Nun
erstkönnen
wir sagen,was
moralisch gut ist: Nichts in derWelt kann
gut genannt w^erden als ein Wille, der si(;h allein durch das moralische Gesetzbestimmen
lässt, oder auch anders aus-gedrückt: ein Wille, dessenGegenstand
nichts anderes ist, als das reine Willenssubjekt selbst.Doch
bringt der richtig bestimmte Wille oder die moralischeGesinnung noch
keine26
Tat
hervor. Hierzu miiss der AVille durch eine Triebfederbewegt
Averden,und
auch diese ist niclits anderes als dasmorahsche
Gesetz selbst,was
freilich so unbegreiflich ist, wie<lie Möglichkeit der Freiheit.
Es
lässt sich nicht erklären,wie
diese Triebfeder wirkt, axoIiI aberwas
sie wirkt, nämlich das Gefühl derAchtung
vordem
Gesetz, oderwas
dasselbeist, vor der
Würde
der Menschheit, ein Gefühl, dasweder
Lust noch Unlust istund
als das einzigevon
allenmorahsch
genanntwerden
kann. Nicht pflichtmässigesHandeln
allein,sondern
Handeln
aus Pflicht d. li. lediglich ausAchtung
voi'dem
Gesetz ist Moralität.Ob
jemals in derWelt
der Er-scheinungen eine moralische Tat wiildicli A^ollbrachtworden
ist, lässt sich nicht feststelleu, weil die
Denkungsart
oder der intelligible Charakter für die Selbstbeol)achtung, der sich das iiuiereLeben
auch nur als Ei'scheinung darstellt, unerforsch-lich ist.Es kommt
aber hierauf aucli nicht an, sondern nur darauf, dass uiorahscheHandlungen geschehen
sollenund
ge-schehen können, worausdem Menschen
dieAufgabe
erwächst, seine Sinnesart oder seinen emj^irischen Ghai'aktei',den
erer-kennen
kann, nachdem gegebenen
Massstabe zu beurteilenund
in der
Kichtung
auf das gesteckte Ziel fortzubilden.Es
leuchtet ein, dass in diesemGedankengange dem
Be-giiff dei' Glückseligkeit, Avie ihnKant
fasst, nui' der Platz eines unentbehrlichenGegners
eingeräumt Avei'den kann. Ei' definiert (Kr. d. r. V. Meth. L.IL
Hptst.IL
Absch.): Glück-sehgkeit ist die'Befriedigung aller unsererNeigungen, sowohl extensive der Mannigfaltigkeit derselben, als intensivedem
Grade, als auch protensive der
Dauer
nach: oder auch (Kr. d.])r. V. Analytik Gi'undsätze § 3): das BcAvusstsein eines ver-nünftigen AVesens
von
der Annehmlichkeit des Lebens, die un-unterbrochen sein ganzes Dasein begleitet, oder (ebendaIL Buch IL
Hptst. Y): derZustand
eines vernünftigenWesens
in
der Welt, dem
esim ganzen
seiner Existenz allesnach AVunsch und
W^illengeht, oder(Kr.d.Urt.-KraftIL
TeilIL
Abth.5^. 83): der Inbegriff aller
durch
dieNatur
ausserund
iudem Menschen möghchen Zwecke
desselben.Der
Begriff be-i'uht durchaus auf Erfahrung;;denn
ohne siekann man weder
wissen,AvelcheNeigungen
dasind, diebefriedigtwerden
wollen.nuck
welclies die Natunu-sachen sind, die ihre Befriedigung bewirken können: er ist kein Ideal derYernunft, sondern der Einbildungskraft,und
dazu völlig unbestimmt:denn
einerseits ist keinMensch
vermögend, nach irgend einem Grundsatze mit völliger Gewissheit zubestimmen,was
ihn wahrhaft glück-lichmachen
werde, da hierzu Allwissenheit erfoi'derlich sein Avürde,und
andrerseits hängt esvon
eines jeden Subjektsbc-besonderm
Gefühle dei' Lustund
Unlust ab, worin es seine Glückseligkeit zu setzen hat.Ob
die Vorstellung, mit der sich die Lust verlvnüpft,den
Sinnen oderdem
Verstände ents))ringt, ob dieLustgröbereroderfeinererArtist: daskommt
liinsichthch clei'
Bestimnmng
desWillensnichtin Betracht;denn
für diese ist nur derGrad
der Lust (wie stark, wie lange, wie leichterworben und
oft wiederholt die Annehmlichkeit sei)massgebend.
Man
sieht,Kant
fasstden
Glückseligkeitsbegriff durchaus lieclouistiscli.Er
tut es,um
sein übersinnliches Moralprinzi]» vor jeder Verunreinigung zu schützen. Alles,was
die Natui' leisten kann, derMensch nehme
esnun
aus sich selbst alsdem homo phänomenon
oder aus der Erschei-nungswelt ausser ihm, stellt sichdem
Tn(livi(hiuiii letztens als eine Wii'kung auf sein Gefülil dar, die c>s je nach seiner besonderen Konstitution wertet, ans der sichaber nie einall-gemeiner
und
absoluter AVert ergeben Icann. Dielustbringen-den
Gütergehen den Menschen
als Sinnenwesen
sehr viel, alsVernunftwesen
aber gar nichts an.Dass
dieses vielmehrim
stände ist, die ganzeNatur und
selbst die höchstenLust-und
Unlustgefühle, die sie Avirken kann, unter sich zu treten, Avenn es sich clanuu handelt, mit sich selbst, d. i. mitdem
gesetzgebenden allgemeinen Willen, in Übei'einstinnnung zu bleiben: das allein niaclit denMenschen
zn eini'i- sittlichtni Persönlichk(Mt, derenWert
in ilei' sensiblen Welt übi>rhaui)t nichtund
in dei' intelhgiblen nurvon dem
eines heiligenWesens
übertioffenwerden
kann,nämhch
eines solchen, dessen Wille stets mitdem
Gesetz in Übereinstinunung ist. Diesist nur denkbarbei einer reinen Intelligenz ohne Sinnlichkeit, Bedürfnisse
und
Neigungen, il. i. bei Gott. Füi' ein mit Sinnlichkeit behaftetes VernunftAvesen steUt jede moralischeHandlung
sich notAvendig als das I^esultat einesKampfes
—
28zwischen Pfliclit
und Neigung
dar, indem
erstereden
Siegbeliält,
und
der sittlicheWert
istum
so grösser, je grösserdei'
Widerstand
war,den
dieNeigungen
entgegensetzten.Pflicht