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Digitalisierung trifft Land härter als Stadt | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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ARBEITSMARKT

50 Die Volkswirtschaft  5 / 2017

Digitalisierung trifft Land härter als Stadt

Ländliche Regionen sind vom Strukturwandel stärker betroffen als städtische. Dies zeigt eine laufende Studie der Hochschule Luzern zu den regionalen Folgen der Digitalisierung.

Es besteht die Gefahr, dass das Wohlstandsgefälle zwischen Stadt und Land weiter zunimmt.  

Ivo Willimann, Stephan Käppeli

D

er technische Fortschritt beschleu- nigt den Strukturwandel in der Wirt- schaft. Die Digitalisierung und die Robote- risierung verändern die Produktion sowohl von Gütern als auch von Dienstleistungen grundlegend. Dank der Computertechnik lassen sich immer mehr Tätigkeiten auto- matisieren – man denke beispielsweise an selbstfahrende Lastwagen.

Abstract  Die Digitalisierung führt zu grundlegenden Veränderungen in der Arbeitswelt und bietet bisher kaum absehbare Entwicklungspotenziale. Der Strukturwandel bedroht aber auch viele Arbeitsplätze. Eine Forschungsgruppe der Hochschule Luzern hat erste Hinweise dafür gefunden, dass in der Schweiz der ländliche Raum stärker vom Wegfall von Arbeitsplätzen be- troffen sein könnte als städtische Gebiete. Ein Grund dafür ist das regional unterschiedliche Bil- dungsniveau. Die Forschung wird fortgeführt, um die regionalen Wirkungen solider einschät- zen und um Handlungsmöglichkeiten aufzeigen zu können.

Da sich der Wandel beschleunigt, droht ein gewichtiger Anteil der Arbeitstätigkei- ten in relativ kurzer Frist wegzufallen. In einer viel beachteten Studie aus dem Jahr 2013 untersuchten Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der Universität Ox- ford die Gefährdung bestehender Arbeits- plätze aufgrund der Digitalisierung. Dazu schätzten sie für rund 700 Berufe im US-

Arbeitsmarkt, mit welcher Wahrschein- lichkeit diese in den nächsten 20 Jahren computerisiert und somit automatisiert werden. Insgesamt schätzten die beiden den Anteil gefährdeter Arbeitsplätze in den USA auf 47 Prozent.

Im Vergleich mit anderen Forschungs- ergebnissen ist dieser Wert zwar eher hoch. Ob nun aber 20 Prozent oder 50 Prozent der Arbeitsstellen wegfallen, ein Fazit bleibt dasselbe: Von Arbeitskräf- ten ist künftig ein hohes Mass an Entwi- cklungs- und Anpassungsfähigkeit gefor- dert. Dies vor allem auch deshalb, da nicht vorausgesagt werden kann, welche neuen

KEYSTONE

Städte sind besser auf die Digitalisierung vor- bereitet als ländliche Gebiete. Zürich mit Prime Tower im Hintergrund.

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ARBEITSMARKT

Die Volkswirtschaft  5 / 2017 51 Berufe aufgrund der Digitalisierung ent-

stehen werden. Ebenfalls unklar ist, wie hoch die Zahl der neu geschaffenen Stel- len sein wird.

Nebst dem Ausmass an möglichen Arbeitsplatzverlusten interessiert auch deren räumliche Verteilung. Eine For- schungsgruppe der Hochschule Luzern untersucht daher in einer laufenden Stu- die, wie stark unterschiedliche Regio- nen in der Schweiz vom Strukturwan- del betroffen sind. Als Informationsbasis dient die vom Bundesamt für Statistik (BFS) durchgeführte Arbeitskräfteerhe- bung von 2015, in welcher landesweit über 40 000 Erwerbstätige befragt wor- den sind. Indem wir diese Daten mit den Wahrscheinlichkeitswerten von Frey und Osborne verknüpften, konnten wir regio- nale Unterschiede in der Intensität des Strukturwandels abschätzen.

Akademiker wohnen in der Stadt

Bezüglich des Gefährdungspotenzials von Arbeitsplätzen zeigt sich ein Stadt-Land- Graben: Die Arbeitsplätze von Personen, die in dünn besiedelten Gebieten wohnen, sind mit rund 57 Prozent stärker gefährdet als jene in städtischen Räumen (46%). Der lan- desweite Durchschnitt liegt bei 51 Prozent.

Ein wesentlicher Grund für diese Dif- ferenz zwischen Stadt und Land ist das unterschiedliche Bildungsniveau der Er- werbstätigen (siehe Abbildung 1). Beson- ders ausgeprägt ist das Phänomen bei der akademischen Ausbildung: Von den Er- werbstätigen, die im dicht besiedelten Ge- biet wohnen, haben fast 40 Prozent einen Universitätsabschluss, in dünn besiedel- ten Gebieten sind es hingegen lediglich 17 Prozent. Dafür ist die Berufsbildung im ländlichen Raum um 20 Prozentpunkte stärker vertreten.

Die durchschnittliche Arbeitsplatz- gefährdung variiert je nach Bildungsab- schluss erheblich – was sich insbesonde- re bei den beiden quantitativ wichtigsten Ausbildungsgängen «Berufsbildung» und

«akademische Ausbildung» deutlich zeigt:

Während bei Erwerbstätigen mit Berufsbil- dung 65 Prozent der Arbeitsplätze gefähr- det sind, liegt dieser Wert bei Akademikern bei 25 Prozent (siehe Abbildung 2). Personen mit Berufsbildung dürften in den nächsten Jahrzehnten somit besonders stark vom Strukturwandel betroffen sein. Für Berufs- schulabgänger gilt im besonderen Masse, was immer mehr zum allgemeinen Credo

wird: Lebenslanges Lernen wird zur Vo- SAKE

(BFS), FREY UND OSBORNE (2013), BERECHNUNGEN WILLIMANN UND KÄPPELI

Abb. 3: Anteil gefährdeter Arbeitsplätze der erwerbstätigen Wohnbevölkerung nach Regionen

  <50%        50 bis 55%         55 bis 60%         >60%

SAKE (BFS), BERECHNUNGEN WILLIMANN UND KÄPPELI / DIE VOLKSWIRTSCHAFTSAKE (BFS), FREY UND OSBORNE (2013), BERECHNUNGEN WILLIMANN UND KÄPPELI

    Erwerbstätige 2015         Gefährdete Arbeitsplätze (rechte Skala)

Abb. 2: Berufsabschlüsse: Verteilung und Gefährdungsgrad

0

50 Anteil Erwerbstätige, in % Anteil gef. Arbeitsplätze, in % 75

60

45

30

15

0 40

30

20

10

Obligatorische

Schule Allgemeinbildende

Schule Berufsbildung Höhere

Berufsbildung Akademische Ausbildung   Obligatorische Schule        Allgemeinbildende Schule     

    Berufsbildung         Höhere Berufsbildung         Akademische Ausbildung

Abb. 1: Berufsabschlüsse nach Urbanisierungsgrad

Dünn besiedeltes Gebiet

Mitteldicht besiedeltes Gebiet

Dicht besiedeltes Gebiet

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

In %

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ARBEITSMARKT

52 Die Volkswirtschaft  5 / 2017

Ivo Willimann

Dozent, Institut für Betriebs- und Regional- ökonomie, Hochschule Luzern – Wirtschaft

Stephan Käppeli

Dozent, Institut für Betriebs- und Regional- ökonomie, Hochschule Luzern – Wirtschaft

raussetzung, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Dies muss als eine Herausforderung nicht nur für die Arbeits- kräfte, sondern auch für die Bildungsinsti- tutionen gesehen werden.

Risiko in Randgebieten am grössten

Die Auswertung nach geografischen Re- gionen zeigt eine leicht erhöhte Arbeits- platzgefährdung im Bernbiet sowie in der Ost- und in der Zentralschweiz, wo das Ri- siko jeweils 53 Prozent entspricht. Dies sind jene Regionen, die im landesweiten Ver- hältnis etwas weniger dicht besiedelt sind.

Demgegenüber weist der dicht besiedelte Grossraum Zürich einen tieferen Anteil ge- fährdeter Arbeitsplätze von 47 Prozent auf.

Die kleinräumigere regionale Auswer- tung bestätigt dieses Bild: Nebst dem Grossraum Zürich liegt der Anteil gefähr- deter Arbeitsplätze auch in den Stadtre- gionen Basel, Bern, Lugano, Genf und Lau-

sanne unter 50 Prozent (siehe Abbildung 3).

In stark ländlich geprägten, peripher gele- genen Regionen steigen die Werte hin- gegen auf teilweise über 60 Prozent. Für einige einwohnermässig kleinere Regio- nen ist die Aussagekraft aufgrund der ge- ringen Stichprobenzahl allerdings einge- schränkt.

Aufgrund der bisherigen Forschungs- ergebnisse lässt sich sagen: Die «Schwä- cheren» sind stärker vom Wandel in der Arbeitswelt betroffen. Dies bezieht sich sowohl auf die strukturschwachen, peri- pheren Regionen wie auch auf Personen mit tieferem Bildungsniveau. Die Frage stellt sich, wie gut sich diese stärker be- troffenen Erwerbstätigen in einer verän- derten Arbeitswelt zurechtfinden werden und wie die stärker betroffenen Regionen mit dem Strukturwandel umgehen. Hier- für mitentscheidend ist, welche neuen Arbeitsplätze geschaffen werden, welche Qualifikationen diese Jobs erfordern und wo diese Arbeitsplätze entstehen. Dies wird wesentlich von der Anpassungsfähig- keit der Erwerbstätigen sowie der Wand- lungsfähigkeit der Regionen abhängen. Es

Arbeitsplätze auf dem Land sind angesichts des digitalen Wandels besonders gefährdet. Ein Bauer in der Leventina.

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besteht die Gefahr, dass der Wandel in der Arbeitswelt das Wohlstandsgefälle sowohl zwischen Regionen wie auch in der Bevöl- kerung vergrössert.

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