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Verteilung des Weltwirtschaftswachstums | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Internationales

60 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 11-2006

Globale Tendenzen der letzten Jahre Beinahe während des gesamten letzten Jahrhunderts wurde die Entwicklung der Weltwirtschaft vor allem durch die grossen Industrienationen Europas und Nordameri- kas bestimmt. Erst gegen Mitte der Achtziger- jahre gewannen aufstrebende ostasiatische Nationen – allen voran Japan und Südkorea – an Gewicht und schafften insbesondere durch die Besetzung von Schlüsselindustrien den Wandel von Agrar- zu Industriestaaten. Wäh- rend jedoch Japan zu Beginn der Neunziger- jahre aufgrund des Platzens der «Bubble-Eco- nomy» in eine tiefe Krise rutschte, begann der nach wie vor anhaltende Aufschwung von China und Indien.

China auf dem Vormarsch

Bei einer Betrachtung der Anteile einzelner Länder an der Weltwirtschaft eröffnen sich interessante Aspekte. Während der Beitrag der Schweiz zum globalen BIP im letzten Jahr le- diglich 0,4% betrug, steuerten die USA be- achtliche 19,7% bei.

Beiden Ländern ist jedoch gemeinsam, dass ihr Anteil an der Weltwirtschaft seit 1980 nicht mehr gewachsen ist. Dies ist vor allem auf die stark gestiegene Bedeutung der Volks- wirtschaft Chinas zurückzuführen: Das Land, das 1980 nur gerade 3,5% zum Welt-BIP bei- trug, verzeichnete 2005 bereits einen Anteil von 16,8%. Nach Marktwechselkursen gilt die Volksrepublik China momentan noch als sechstgrösste Volkswirtschaft der Welt. In der kaufkraftbereinigten Rangliste rangiert sie aber bereits auf dem zweiten Platz und könnte, sofern das bisherige Wachstumstempo beibe-

halten wird, die US-Wirtschaft bereits in vier Jahren überholen!

Europa verliert an Boden

Fasst man einzelne Länder zu Gruppen zusammen, werden die globalen Veränderun- gen deutlich (siehe Grafik 1). Während sich der Anteil des nordamerikanischen Wirt- schaftsraums (USA und Kanada) nur leicht verringerte, verlor Europa massiv an Gewicht:

1980 wurden noch etwas mehr als 28% des globalen BIP in Europa erwirtschaftet; 2005 waren es noch 22%. Die in den Achtzigerjah- ren aufstrebenden asiatischen Länder (ohne China) konnten zwar ihre Anteile bis Mitte der Neunzigerjahre ausweiten, verloren diese je- doch im Zuge der Asienkrise wieder und be- fanden sich im letzten Jahr erneut auf dem Niveau von 1980.

Als beeindruckend erweist sich die Expan- sion der Bric-Staaten, welche sich in den letz- ten Jahren zur bedeutendsten Ländergruppe entwickelt haben. Da viele der bisher führen- den Industrienationen in den letzten Jahren mit einem tiefen Wachstum zu kämpfen hat- ten, wandten sich die Investoren vermehrt

Verteilung des Weltwirtschaftswachstums

Nach einer Durststrecke zu Be- ginn des neuen Jahrtausends er- holte sich die Weltwirtschaft in den letzten beiden Jahren auf breiter Ebene. Laut dem Interna- tionalen Währungsfonds (IWF) wuchs die Weltwirtschaft in den letzten Jahren so stark wie seit Beginn der Siebzigerjahre nicht mehr. Im Jahr 2004 betrug das globale Wirtschaftswachstum 5,3% und 2005 noch 4,9%. Im laufenden Jahr rechnet der IWF wieder mit einer leichten Be- schleunigung auf 5,1%. Das hohe Wachstum war indes nur teilweise den westlichen Industrienationen zu verdanken. Vor allem die Emer- ging Markets der Bric-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) trugen einen beachtlichen Anteil zum globalen Wachstum bei.

Simon P. Jäggi Ressort Konjunktur, Direktion für Wirtschafts- politik, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

Kasten 1

Berechnung des Welt-BIP zu Kaufkraftparitäten

Um ein Weltwirtschaftswachstum zu berechnen, muss das BIP aller Länder in eine globale Währung (häufig in US-Dollar) umgerechnet und aggregiert werden. Dazu stehen vor allem zwei unterschiedliche Konzepte zur Verfügung: Einerseits können die Aggre- gate zu Marktwechselkursen umgerechnet werden (z.B.

Jahresdurchschnitte); andererseits findet die Methode der Kaufkraftparitäten Anwendung. Verwendet man Marktwechselkurse, so wird vernachlässigt, dass sich die Kaufkraft in verschiedenen Ländern zum Teil mar- kant voneinander unterscheidet. Vor allem Entwick- lungsländer mit einer unterbewerteten Währung wei- sen ihr BIP gemessen in US-Dollar tendenziell tiefer aus. Internationale Organisationen – wie die OECD und der IWF – bevorzugen die Methode der Kaufkraftparitä- ten und korrigieren daher die Wechselkursumrechnung um die empirisch geschätzte Kaufkraft, um die Wirt- schaftsleistung von verschiedenen Ländern angemes- sen vergleichen zu können.

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Internationales

61 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 11-2006

dieser heterogenen Staatengruppe zu. Wäh- rend Brasilien und Russland vor allem als Rohstofferzeuger auftraten, entwickelten sich Indien und China zu konkurrenzfähigen In- dustrienationen. Unterstrichen wird die wachsende Bedeutung der Bric-Staaten auch mit einer Betrachtung der Direktinvestitio- nen: 2003 flossen bereits 15% der weltweiten Direktinvestitionen in die Bric-Staaten; 1980 waren es erst knapp 4%.1

Entwicklungsländer profitieren von hohen Rohstoffpreisen

Einige afrikanische Länder – allen voran Nigeria und Angola – verzeichneten dank den stark gestiegenen Rohstoffpreisen (Rohöl, Erdgas, Uran, Kupfer, Gold und Kaffee) in den letzten Jahren das stärkste Wachstum seit über 30 Jahren. Ähnliches gilt auch für die gas- und ölexportierenden Länder Lateinamerikas.

Insgesamt war jedoch Südamerika in den letz- ten Jahren die am schwächsten wachsende Region unter den Entwicklungsländern. Trotz der momentanen Rohstoffpreis-Hausse ge- lingt es vielen Entwicklungsländern Afrikas und Südamerikas nach wie vor nicht, ihre weltwirtschaftliche Bedeutung markant zu steigern.

Regionale Konzentration des Wachstums – der Gini-Index

Neben der Höhe des weltwirtschaftlichen Wachstums ist auch die Ausprägung der re- gionalen Konzentration von Interesse. Um festzustellen, wie breit das Wachstum auf ver- schiedene Länder abgestützt ist, lässt sich ein so genannter Gini-Index bilden. Diese Mass-

zahl, welche definitionsgemäss zwischen 0 und 1 liegt, gibt Aufschluss über die Vertei- lungsgleichheit des Wachstums. Je näher der Wert des Gini-Index bei 1 liegt, desto einseiti- ger konzentriert sich das globale Wachstum auf einzelne Länder. Ein Gini-Index nahe bei 0 bedeutet dagegen eine ausgewogene Vertei- lung; d.h. alle Länder tragen – gemessen an ihrer Wirtschaftskraft – ähnlich viel zum ge- samten Wachstum des Welt-BIP bei.

Grafik 2 zeigt einen negativen Zusammen- hang zwischen dem Gini-Index und dem weltwirtschaftlichen Wachstum. In weltwirt- schaftlich schwachen Jahren erleiden viele Länder eine Rezession und tragen nicht oder sogar negativ zum Wachstum bei. Die positi- ven Wachstumsraten konzentrieren sich nur auf wenige Länder, was einen Anstieg des Gi- ni-Index zur Folge hat. In expansiven Phasen partizipieren jedoch die meisten Länder am Aufschwung und tragen damit positiv zum Wachstum bei, so dass die Konzentration – und entsprechend der Gini-Index – gering ist.

Auch für die derzeitige Phase (2004 bis 2007) gilt dieses Muster: Da viele Länder momentan einen Aufschwung erleben, ist das Weltwirt- schaftswachstum sehr breit abgestützt und der berechnete Gini-Index entsprechend klein.

Hoher Beitrag der Bric-Staaten

Wie aus der Entwicklung der Anteile am Welt-BIP bereits zu vermuten war, verbergen sich hinter der insgesamt niedrigen weltwirt- schaftlichen Konzentration wesentliche Wachstumsverschiebungen (siehe Grafik 3).

So tragen die vier grössten europäischen Län- der (Deutschland, Frankreich, Italien und

Asien ohne China und Indien

Rest der Welt

Mittel- und Nordamerika

Bric-Staaten (inkl. Hongkong) Europa

Rest der Welt

Mittel- und Nordamerika

Bric-Staaten (inkl. Hongkong) Europa

18%

12%

28%

26%

16%

16%

12%

22%

24%

26%

1980 2005

Asien ohne China und Indien

Quelle: IWF / Die Volkswirtschaft Grafik 1

Anteile von Ländergruppen an der Weltwirtschaft, 1980 und 2005

1 Quelle: Unctad.

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Internationales

62 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 11-2006

Grossbritannien) bereits seit Jahren immer weniger zum weltwirtschaftlichen Wachstum bei, während die Emerging Markets der Bric- Staaten ihren Wachstumsbeitrag beständig erhöht haben. Die USA konnten ihren Beitrag zum Weltwachstum weit gehend behaupten.

Die drei Gruppen (Bric, USA, EU4) zusam- mengenommen sind für rund zwei Drittel des Weltwirtschaftswachstum verantwortlich, was in etwa auch ihrem Anteil am Welt-BIP entspricht.

Ausblick

Im Sommer 2006 haben sich die Anzeichen gemehrt, dass das bislang ausgesprochen leb- hafte Weltwirtschaftswachstum leicht an Schwung einbüssen wird. Insbesondere in den USA dürfte sich das Wirtschaftswachstum im Zuge der Abkühlung am Immobilienmarkt spürbar abschwächen. Nach einer Prognose für 5,1% im laufenden Jahr prognostiziert der IWF jedoch nur eine geringe Abschwächung auf 4,9% im Jahr 2007.

In den kommenden Jahren scheinen vor allem die Industrienationen Europas und Nordamerikas weiter an Terrain gegenüber den Bric-Staaten einzubüssen. Obwohl bereits als gewichtigste Ländergruppe im globalen BIP vertreten, besitzen die Bric-Staaten – ge- messen am durchschnittlichen Einkommen – nach wie vor einen massiven Aufholbedarf. So beträgt deren Pro-Kopf-BIP immer noch le- diglich ein Bruchteil dessen (im Durchschnitt ca. 20%), was in den westlichen Industrie- nationen pro Kopf verdient wird.

Kasten 2

Literatur

– Gulde, Anne Marie und Schulze-Ghattas, Marianne (1993): Purchasing Power Parity Based Weights for World Economic Outlook, IWF Staff Studies for the World Economic Outlook, Dezember, S. 106–123 (www.imf.org/external/pubs/ft/wefs/1993/eng/

studies/pdf/93WEOss3.pdf).

– IWF (2006): World Economic Outlook. Financial Systems and Economic Cycles, September (www.imf.

org/external/pubs/ft/weo/2006/02/pdf/weo0906.

pdf).

– Unctad (2005): World Investment Report 2005, Transnational Corporations and the Internationa- lization of R&D (www.unctad.org/en/docs/wir2005_

en.pdf).

in % des Welt-BIP

USA Rest der Welt

Bric-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich

1981

1982 1983 1984

1985 1986 1987

1988 1989 1990 1991

1992 1993 1994

1995 1996 1997

1998 1999 2000 2001

2002 2003 2004 2005 2006

a

2007a 0

1 2 3 4 5 6

Quelle: IWF, Seco, Jäggi / Die Volkswirtschaft Grafik 3

Wachstumsbeiträge von Ländergruppen zum Welt-BIP, 1981–2007

a Prognosen IWF.

0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 5.0 5.5 6.0

Weltwirtschaftswachstum (linke Skala)

1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007

0 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 0.40 0.45 0.50 0.55 0.60 Gini-Index (rechte Skala)

Quelle: IWF, Seco, Jäggi / Die Volkswirtschaft Grafik 2

Weltwirtschaftswachstum und Gini-Index, 1981–2007

Referenzen

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