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Handlungsspielraum der Staaten ist eingeschränkt | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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VERSCHULDUNG

10 Die Volkswirtschaft  12 / 2016

aufnahme von IWF und Weltbank zeigt jedoch:

Die Schulden in diesen Ländern steigen erneut.2 Dies betrifft insbesondere sogenannte Frontier- Märkte wie Ghana, Mosambik oder Senegal so- wie Kleinstaaten wie den karibischen Inselstaat Dominica.

Ein Grund für die Verschuldung ist der ver- besserte Zugang zu den internationalen Kapital- märkten. Dadurch können sich Entwicklungs- länder heute einfacher verschulden als früher.

Weitere Gründe sind die besser entwickelten in- ländischen Märkte sowie das tiefe Zinsumfeld.

Auch neue Gläubiger wie China spielen für diese Staaten eine wichtige Rolle.

Gefährliche Privatverschuldung

Die hohe oder steigende öffentliche Verschul- dung gäbe weniger Anlass zur Sorge, wenn die private Verschuldung in den Industrie- und Schwellenländern tief wäre: Verschiedene Stu- dien weisen darauf hin, dass ein Anstieg der pri-

D

ie weltweite Verschuldung hat einen Höchst- stand erreicht. Gemäss dem Internationa- len Währungsfonds (IWF) beträgt die öffentliche und private Verschuldung insgesamt rund 152 Billionen Dollar.1 Sowohl in den Industrieländern als auch in Schwellen- und Entwicklungsländern hat die Verschuldung in den letzten Jahren zuge- nommen (siehe Abbildung). Allerdings sind die Schwellen- und Entwicklungsländer von einer tieferen Basis gestartet.

In vielen Industriestaaten – wie beispielswei- se Griechenland, Japan, Italien und die USA – be- findet sich die Staatsverschuldung seit der Fi- nanzkrise auf einem Höchststand. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das globale Wachs- tum seit der Krise im Vergleich zu vorherigen Kri- sen nicht richtig an Schwung gewinnen konnte und die Inflation in den letzten Jahren tief oder sogar negativ ausgefallen ist.

Bei ärmeren Ländern führten multilateral ko- ordinierte Entschuldungsrunden um die Jahr- tausendwende zwar zu einer deutlichen Reduk- tion der öffentlichen Schuldenstände, weil ihnen bilaterale und multinationale Geldgeber in den beiden Initiativen «Heavily Indebted Poor Count- ries» und «Multilateral Debt Relief Initiative»

einen Schuldenerlass gewährten. Eine Bestands-

Handlungsspielraum der Staaten ist eingeschränkt

Hohe öffentliche und private Schulden stellen heute etliche Staaten vor Schwierigkeiten.

Der IWF kann ihnen helfen, aus Schuldenkrisen wieder herauszufinden. Am nachhal- tigsten sind vorbeugende strukturelle Reformen, die das Wachstumspotenzial erhöhen.   

Caroline Wehrle

Abstract  Weltweit hat die öffentliche und private Verschuldung zugenommen.

Die geringeren haushaltspolitischen Spielräume erhöhen das Risiko für Verwer­

fungen. Programme des Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie ein Rahmen für die Restrukturierung von Staatsschulden unterstützen zwar den Ausweg aus Schuldenkrisen. Um Krisen zu verhindern, sind jedoch vor allem strukturelle Re­

formen notwendig, welche den effizienten Umgang mit Staatseinnahmen und eine Erhöhung des langfristigen Wachstumspotenzials ermöglichen. Denn: Staat­

liche Stimulierungspakete wirken meist nur kurzfristig und können die nach­

haltige Stärkung der Widerstandsfähigkeit durch Reformen nicht ersetzen.

1 IWF (2016).

2 IWF und Weltbank (2015).

3 z. B. Batini, Melina und Villa (2016).

Kasten 1: Wie werden Schulden tragfähig gemacht?

Massnahmen zur Verbesserung der Schuldentragfähigkeit las- sen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen:

Makroökonomischer Ansatz (mehr Wachstum, mehr Inflation):

Mehr Wachstum erhöht die Rückzahlungsfähigkeit lang- fristig. Schuldner profitieren in der Regel von einer höheren Inflation, da die Inflation die reale Schuld und höhere Ver- mögenswerte die Nettoverschuldung reduzieren. Wachs- tum und moderate Inflation schaffen Spielraum zum Abbau der Schulden, ohne die Nachfrage übermässig unter Druck zu stellen.

Bilanzansatz (Rückzahlungen, Restrukturierungen, Abschrei- bungen): Falls der Schuldenüberhang hoch ist, müssen Mass- nahmen zur Entschuldung der Bilanzen getroffen werden.

Insbesondere Restrukturierungen und Abschreibungen kön- nen schmerzhaft für Gläubiger und Unternehmen sein, da sie nicht mehr den vollen Nominalwert der Schuld erhalten.

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  12 / 2016 11 vaten Verschuldung weitaus schädlicher für die

Realwirtschaft sein kann als die höhere öffentli- che Verschuldung alleine. 3 Denn: Ein nicht nach- haltiger privater Schuldenstand kann Krisen aus- lösen. Hohe private Schulden verschärfen zudem normale Konjunkturabschwächungen.

Im Krisenfall sind hoch verschuldete Kredit- nehmer besonders gefährdet: Da sie entweder zahlungsunfähig oder nicht mehr kreditwürdig sind, müssen sie ihren Konsum und ihre Inves- titionen drosseln sowie ihre Schulden abbauen – mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung.

Weltweit beträgt der Anteil der privaten Schulden an der Gesamtverschuldung rund zwei Drittel. Dieser Wert wird vor allem von der priva-

ten Verschuldung in den Industrie- und Schwel- lenländern getrieben. In den Schwellenländern ist insbesondere die Verschuldung von Unter- nehmen stark angestiegen. Der erhöhte Zugang von Unternehmen zu den internationalen Kapi- talmärkten bietet expandierenden Firmen einer- seits Chancen, gleichzeitig birgt er jedoch auch Gefahren: Die Risiken nehmen zu, wenn die glo- balen Zinsen steigen oder die Schulden in Fremd- währung denominiert sind.

Das gleichzeitige Auftreten von hohen öffent- lichen und privaten Schulden in einer Vielzahl von Ländern engt den Handlungsspielraum der Regierungen im Kampf gegen die Privatverschul- dung ein: Sie können gezielte Fiskalstimuli nur beschränkt einsetzen, denn: Dadurch könnte die

KEYSTONE

Hunderte protestie- ren 2014 in Buenos Aires gegen einen amerikanischen

«Geierfonds», wel- cher eine Restruktu- rierung der argentini- schen Staatsschulden blockiert.

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VERSCHULDUNG

12 Die Volkswirtschaft  12 / 2016

Entwicklung der Bruttoverschuldung (in % des BIP) Tragfähigkeit der öffentlichen Schulden gefährdet werden. Solche Länder können den Empfehlungen des IWF, der im Krisenfall möglichst rasche, zeit- lich gut abgestimmte und gezielte Massnahmen empfiehlt, nicht mehr nachkommen. Dabei soll bei- spielsweise die Sanierung des Finanzsektors un- mittelbar und vor gezielten haushaltspolitischen Massnahmen stattfinden (siehe auch Kasten 1).

IWF stellt Bedingungen

Geht von einer Schuldenkrise ein starker Druck auf die Leistungsbilanz einer Volkswirtschaft aus, kann ein betroffenes Land den IWF um einen Kredit ersuchen. Der IWF verknüpft den Kredit mit einem Reformprogramm, welches mit wirtschaftspoli- tischen Massnahmen und Strukturreformen die Nachhaltigkeit wiederherstellen soll. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Schuldentragfähigkeit des Landes in der mittleren Frist gesichert ist, wo- mit auch die IWF-Kredite zurückbezahlt werden können. Bei Programmen in Ländern mit niedrigen Einkommen gelten dabei klare Richtlinien zu öf- fentlichen Verschuldungsobergrenzen. Diese hän- gen von der Risikokategorie aus der sogenannten Schuldentragfähigkeitsanalyse ab (siehe Kasten 2) sowie von der wahrgenommenen institutionellen Kapazität der öffentlichen Finanzverwaltung.

Ist das Ausmass der Krise – wie in Griechenland – derart gross, dass Sparmassnahmen zur Wieder- herstellung der Schuldentragfähigkeit nicht aus- reichend oder wirtschaftlich zumutbar sind, muss der IWF die Kreditgewährung von einer Restruktu- rierung der Staatsschulden abhängig machen. Das Ausmass einer solchen Restrukturierung richtet sich nach der Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWF.

Private und offizielle Gläubiger müssen in schweren Fällen zu einschneidenden Reduktio- nen ihrer Forderungen einwilligen. Restrukturie- rungen können um zusätzliche bilaterale Beiträge durch andere offizielle Gläubiger ergänzt werden, um die Finanzierungslücke zu schliessen. Dies war beispielsweise bei Griechenland und der Uk- raine der Fall. Bei weniger gravierenden Fällen be- steht die Möglichkeit eines «Reprofiling», bei dem die Zahlungsfristen bestehender Schulden ver- längert werden.

Um die Unsicherheit auf den Märkten und die Ansteckungsgefahren zu minimieren, ist in einer Industrieländer

300 250 200 150 100 50

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2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

Schwellenländer

125

100

75

50

25

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

  Gesamtverschuldung        Private nicht finanzielle Verschuldung        Öffentliche Verschuldung

Entwicklungsländer

150

125 100 75 50 25

0

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

IWF FISCAL MONITOR (OKTOBER 2016) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  12 / 2016 13 Kasten 2: Die Schuldentragfähigkeitsanalyse

des IWF

Mit der Schuldentragfähigkeitsanalyse (Debt Sustainability Analysis) verfügt der IWF über ein standardisiertes Überwa- chungsinstrument zur Bewertung der Schuldentragfähigkeit seiner Mitgliedsstaaten. Quantitative und qualitative Analysen sowie Stresstests vergleichen die Höhe und die Zusammen- setzung der Schulden mit makroökonomischen Kerngrössen und prognostizieren den Verlauf der Schulden in verschiedenen Szenarien. Die Ergebnisse werden mit bestimmten Grenzwer- ten verglichen. Basierend darauf werden insbesondere ärmere Länder in Risikokategorien (bereits überschuldet, hoch, mittel, tief) eingeteilt.

Literatur

Abbas, S. A., Akitoby, B., Andritzky, J., Berger, H., Komatsuzaki, T. & Tyson, J. (2013). Dealing with High Debt in an Era of Low Growth. IMF Staff Discussion Note, SDN/13/07.

Batini, N., Melina, G. & Villa, S. (2016). Fiscal Buf- fers, Private Debt, and Stagnation: The Good, the Bad and the Ugly. IMF Working Paper, WP/16/104.

IWF (2015). The Fund’s Lending Framework and Sovereign Debt – Further Considerations.

IWF (2016). October 2016 Fiscal Monitor.

IWF und Weltbank (2015). Public Debt Vulnerabi- lities in Low-Income Countries – The Evolving Landscape.

Caroline Wehrle

Ökonomin, Abteilung Multilaterales, Internationale Finanzinstitutionen, Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF), Bern

Schuldenkrise eine hinreichende und rasche Lö- sung zentral. Seit 2013 arbeitet der IWF deshalb intensiv an möglichen Verbesserungen des Rah- mens für die Restrukturierung von Staatsschul- den. Im Fokus sind insbesondere sogenannte Hold-out-Gläubiger. Solche auf Hold-out-Strate- gien spezialisierte Fonds hatten beispielsweise Ar- gentinien in den Jahren 2005 und 2010 eine Re- strukturierung verweigert, indem sie den vollen Nennwert ihrer Schulden zurückverlangten.

Ein Meilenstein im Kampf gegen solche Prak- tiken wurde 2014 mit der Ausarbeitung von Modell-Kollektivklauseln für öffentliche An- leiheverträge durch den Branchenverband Inter- national Capital Market Association (ICMA) in Zusammenarbeit mit dem IWF erreicht. Diese ICMA-Modellklauseln definieren Prozeduren und Mehrheiten, um Restrukturierungen möglichst gerecht und effizient zu gestalten und Hold-out- Fälle auszuschliessen. Mittlerweile sind solche Klauseln bei den meisten internationalen Neu- emissionen von Staatsschulden enthalten.

Dieser vertragsbasierte Ansatz hat jedoch Grenzen, da der bereits bestehende Bestand an Staatsschulden noch keine Kollektivklauseln enthält. So können auf Hold-outs spezialisierte

Fonds weiterhin gezielt Anleihen ohne Kollek- tivklauseln erwerben und ihr Recht auf vollum- fängliche Auszahlung geltend machen.

Schweiz unterstützt IWF-Ansatz

Vorbeugen ist besser als Heilen: Angesichts der weltweiten Schuldenlage sollten Strukturrefor- men stärker in den Vordergrund rücken. Damit könnten mittelfristig bessere institutionelle Vo- raussetzungen für nachhaltiges Wachstum ge- schaffen werden. Um den sparsamen und pro- duktiven Umgang mit Staatseinnahmen zu fördern und Spielraum für schlechtere Zeiten aufzubauen, sind beispielsweise Haushaltsregeln wie die Schweizer Schuldenbremse sinnvoll.

Finanzpolitische Stimulierungspakete wir- ken hingegen nur kurzfristig und stehen bereits hoch verschuldeten Ländern kaum zur Verfü- gung. Reformen zur nachhaltigen Stärkung von Wachstum und Widerstandsfähigkeit können sie deshalb nicht ersetzen.

Aus Sicht der Schweiz wäre eine weitere Stär- kung des Rahmens für die Restrukturierung von Staatsschulden sinnvoll. Daher setzt sie sich im IWF und in Expertengruppen für weitere Arbei- ten und Verfeinerungen des bestehenden ver- traglich basierten Ansatzes ein.

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