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Den Beschwerden wird gemäß 21 Abs Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide werden behoben.

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(1)

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 08.05.2017

Geschäftszahl W241 2138583-1

Spruch

W241 2138580-1/7E

W241 2138583-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) von XXXX, geboren am XXXX,

2.) der minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch ihre Mutter XXXX, beide Staatsangehörigkeit Somalia, beide vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2016, Zahlen 1112217108-160565989 (ad 1.) und 1116850103-160759125 (ad 2.), beschlossen:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide werden behoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer (in der Folge BF) XXXX (BF1) sowie ihre minderjährige Tochter XXXX (BF2), sind somalische Staatsangehörige.

Die BF1 brachte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.04.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG), ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab eine erkennungsdienstliche Behandlung der BF1 im Rahmen einer Asylantragsstellung am 12.04.2016 in Ungarn.

2. Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.04.2016 brachte die BF1 vor, von Somalia über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien nach Ungarn gereist zu sein. Asylantrag hätte sie dort keinen gestellt, sie wäre mit einem Bus nach Österreich weitergereist. Sie sei im 7.

Monat schwanger.

(2)

Zum Fluchtgrund befragt gab die BF1 an, dass sie in Somalia Angst gehabt hätte, von einer Terrorgruppe getötet zu werden.

3. Das BFA richtete am 17.05.2016 ein auf Art. 18. Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn.

4. Nach Geburt der BF2 brachte die BF1 als gesetzliche Vertreterin am 31.05.2016 für ihre Tochter ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

5. Mit Schreiben vom 05.07.2016 teilte die österreichische Dublin-Behörde Ungarn mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO eine Verfristung eingetreten und Ungarn nunmehr für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren zuständig sei.

Gleichzeitig wurden die ungarischen Behörden über die Geburt der BF2 in Kenntnis gesetzt.

6. Am 22.09.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der BF1 vor dem BFA im Beisein einer Rechtsberaterin. Dabei gab die BF1 an, dass sie als hochschwangere Frau in Ungarn keine Unterkunft und keine medizinische Versorgung erhalten hätte. Sie hätte hier in Österreich eine Frühgeburt erlitten, das Kind sei krank und stehe in Behandlung.

Die BF1 legte eine Stellungnahme zum ungarischen Asylverfahren und verschiedene Befunde vor, aus denen hervorgeht, dass die BF2 eine Spontangeburt gewesen sei und an Trinkschwierigkeiten, Conjunktivitis (Entzündung der Bindehaut des Auges), Apnoen und Bradykardien ("Langsamherzigkeit") sowie Sättigungsabfällen leide.

7. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 05.10.2016 wies das BFA die Anträge auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Ungarn für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkte I.). Die Außerlandesbringung der BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der BF nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkte II.).

Festgestellt wurde, dass die BF an keinen schweren lebensbedrohenden Krankheiten leiden würden und in Ungarn die medizinische Versorgung gegeben sei. Es lägen keine aus der Person der BF resultierenden Umstände vor, welche einer Ausweisung aus Österreich nach Ungarn entgegenstünden. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Parteien ernstlich für möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht erstattet worden.

Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.

Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

8. Mit Schreiben vom 19.10.2016 brachten die BF durch ihre gewillkürte Vertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem die Bescheide gesamtinhaltlich angefochten und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde.

In der Beschwerdebegründung wurde das ungarische Asylverfahren und die dortige Versorgung kritisiert und erneut Befunde betreffend die BF2 vorgelegt.

9. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 02.11.2016.

(3)

10. Mit Beschlüssen des BVwG vom 04.11.2016 wurde den Beschwerden gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das BVwG hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF, Staatsangehörige Somalias, stellten am 20.04.2016 (BF1) bzw. 31.05.2016 (BF2) in Österreich Anträge auf internationalen Schutz.

Das BFA richtete am 17.05.2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn.

Mit Schreiben vom 05.07.2016 teilte die österreichische Dublin-Behörde Ungarn mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß 25 Abs. 2 Dublin III-VO eine Verfristung eingetreten und Ungarn nunmehr zuständig für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren sei.

Am 28.03.2017 trat ein neues Gesetz betreffend das Asylsystem in Ungarn in Kraft.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen auf der Dokumentation des Verfahrens im vorliegenden Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl.

I 2013/33, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idF BGBGl I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass

§§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr.

24/2016 anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des

(4)

Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Abs. 1:

"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt.

Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird."

Art. 13 Abs. 1:

"Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

Gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO ist der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrages in einem anderen Mitglied-staat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

Gemäß Art. 18 Abs. 2 der Dublin III-VO prüft der zuständige Mitgliedstaat in allen dem Anwendungsbereich des Abs. 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Abs. 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurück- gezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrages abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Abs. 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der An-trag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

(5)

§ 21 Abs. 3 BFA-VG lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

3.2. Zunächst ist vorauszuschicken, dass das BFA in den gegenständlichen Verfahren unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Konsultationsverfahrens zutreffend davon ausgegangen ist, dass in materieller Hinsicht die Zuständigkeit Ungarns zur Prüfung der Anträge der BF auf internationalen Schutz begründet ist. Die Verpflichtung Ungarns zur Wiederaufnahme der BF ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO, da die BF1 von Serbien (einem Drittstaat) kommend die Grenze zu Ungarn überschritten und Ungarn vor Entscheidung über ihren dort gestellten Asylantrag verlassen hat.

Allerdings kann in casu die allfällige Verpflichtung Österreichs zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes noch nicht abschließend beurteilt werden. Dies deshalb, da am 28.03.2017 in Ungarn neue (verschärfte) Gesetze betreffend das dortige Asylsystem in Kraft getreten sind. Laut im Internet verfügbaren Berichten sollen etwa Asylwerber in Ungarn in "Internierungslagern" an der serbischen Grenze festgehalten werden ("Tiroler Tageszeitung online" vom 07.03.2017:

http://www.tt.com/politik/europapolitik/12708839-91/ungarn-will-asylbewerber-k%C3%BCnftig-in-

internierungslagern-festhalten.csp), wobei der EGMR zwischenzeitig mittels sogenannten "interim measures"

(einstweiligen Verfügungen) eine Verlegung von acht unbegleiteten, minderjährigen Asylwerbern und einer schwangeren Frau in die Lager gestoppt habe ("Die Presse" vom 28.03.2017:

http://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5191144/Menschenrechtshof-stoppt-Internierung-von- Fluechtlingen-in-Ungarn).

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16.06.2014, U2543/2013, sowie vom 25.06.2014, U 2679/2013 u.a., bemängelte, dass anlässlich einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG und einer damit verbundenen Ausweisung nicht das aktuellste, eine rezente Gesetzesänderung berücksichtigende, Berichtsmaterial zur Lage von Antragstellern auf internationalen Schutz in Ungarn gewürdigt worden wäre. In gleicher Weise sprach auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt aus, dass Asylbehörden, insoweit es um die Feststellung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat (Zielstaat) als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens eines Antragstellers geht, von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch zu machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten internationalen Organisationen in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 11.11.2008, 2007/19/0279); den Asylbehörden sei es insbesondere auch oblegen, von Amts wegen aktuelles Berichtsmaterial heranzuziehen (VwGH 14.11.2007, 2005/20/0473, u.a.).

In Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 21.12.2011, C-411/10, C-493/10, kommt eine Rückführung in den nach der Dublin II-VO (nunmehr Dublin III-VO) zuständigen Mitgliedstaat dann nicht in Frage, wenn bekannt ist, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die ernsthafte Gefahr beinhalten, dass der Fremde einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Diese Aspekte müssen aber zunächst durch die Verwaltungsbehörde und nicht das erkennende Verwaltungsgericht geklärt werden.

Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist es unerlässlich, dass sich das BFA im fortgesetzten Verfahren auf der Grundlage von entsprechenden Berichten mit der aktuellen, faktischen und rechtlichen Situation für Antragsteller in Ungarn bzw. auch für im Dublin-Verfahren nach Ungarn rücküberstellte Personen umfassend auseinandersetzt, insbesondere damit, ob auch Dublin-Rücküberstellte zur Führung ihres Verfahrens auf internationalen Schutz in die (haftähnlichen) "Transitzonen" an der serbischen Grenze gebracht werden, und die Frage klärt, ob in Ungarn systemische Mängel vorliegen und daher der Selbsteintritt Österreichs zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC geboten ist.

Darüber hinaus handelt es sich bei der BF1 um eine alleinerziehende Mutter mit einem Kind, welches als Frühgeburt zur Welt gekommen ist. In diesem Kontext wird das BFA daher abzuklären haben, in welchem aktuellen Zustand sich die BF2 befindet und ob sie aktuell einer konkreten medizinischen Behandlung bedarf.

Schließich wird zu prüfen sein, ob bei den BF eine dauernde oder bloß vorübergehende Reiseunfähigkeit vorliegt und wie sich gegenwärtig die Unterbringungssituation und Versorgunglage für rücküberstellte alleinstehende Frauen mit kleinen Kindern - auch im Lichte der obgenannten neuen Gesetze - in Ungarn darstellt.

(6)

Die belangte Behörde wird die BF mit den erhobenen Ermittlungsergebnissen zur Wahrung des Parteiengehörs konfrontieren müssen und letztlich auch zu prüfen haben, ob eine Einzelfallprüfung in den gegenständlichen Verfahren nicht einen Selbsteintritt Österreichs gebieten würde.

Der vorliegende Sachverhalt erweist sich daher so mangelhaft, dass eine Ergänzung desselben und damit verbunden eine mündliche Verhandlung unvermeidlich erschiene, sodass den Beschwerden gemäß § 21 Abs. 3 2.

Satz BFA-VG stattzugeben war.

3.3. Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung;

weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl.

OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2017:W241.2138583.1.00

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