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Rückkehr für junge arbeitsfähige Männer zumutbar

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VG Augsburg, Urteil v. 23.05.2017 – Au 5 K 17.31854 Titel:

Rückkehr für junge arbeitsfähige Männer zumutbar Normenketten:

VwGO § 113 Abs. 5 AsylG § 3, § 4

AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 Leitsätze:

1 Beruft sich der Ausländer zur Begründung seiner Verfolgungsfurcht auch auf Vorgänge und Geschehensabläufe nach dem Verlassen seines Herkunftsstaates, hat er die Umstände, aus denen er seine begründete Furcht vor Verfolgung iSv § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ableitet, zu beweisen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

2 Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 28 Abs. 1a AsylG ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch Nachfluchttatbestände ohne eine entsprechende Vorprägung im Heimatland beachtlich sein können. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

3 Grundsätzlich ist Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz) 4 Es ist davon auszugehen, dass junge, gesunde und arbeitsfähige Männer in der Lage sind, in Kabul zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen und sich so ihren Lebensunterhalt zu sichern.

(Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

5 Stellungnahme und Einschätzung von Organisationen wie UNHCR und Pro Asyl beruhen auf von diesen Organisationen selbst angelegten Maßstäben, die nicht den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts entsprechen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Afghanistan, Volkszugehöriger der Pashtunen aus der Provinz ..., Keine Anknüpfung an asylrechtlich relevantes Merkmal geltend gemacht, Inländische Fluchtalternative, Rückkehr für junge arbeitsfähige Männer zumutbar, Abschiebungsverbote (verneint)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand 1

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich Afghanistans.

2

Der am ...1994 in ... (Afghanistan) geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Pashtunen und muslimischen Glauben.

3

Seinen Angaben zufolge reiste er am 26. September 2015 erstmalig auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 2. Juni 2016 Asylerstantrag stellte.

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Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 29. November 2016 führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass er vor seiner Ausreise in der Provinz ...

in ... gelebt habe. Er habe am 1. Dezember 2014 einen Drohbrief von den Taliban erhalten und sei am 3.

Januar 2015 daraufhin aus dem Militärdienst entlassen worden. Er habe sich bei den Taliban melden sollen, habe dies aber nicht wollen. Sein Bruder habe sich bei den Taliban gemeldet und sei seit dem

verschwunden. Nach der Drohung der Taliban, sei er nach ... umgesiedelt und habe dort bei seinem Schwager gelebt. Er habe dann noch zweimal den Wohnsitz gewechselt und sich für ca. vier Monate versteckt gehalten. In dieser Zeit habe er sich entschlossen, Afghanistan zu verlassen und sei schließlich ausgereist. Persönlich sei ihm nichts passiert. Für das weitere Vorbringen des Klägers wird auf die über die Anhörung gefertigte Niederschrift des Bundesamtes verwiesen.

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Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21. März 2017 wurden die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt (Nr. 1 und 2 des Bescheids).

Nr. 3 bestimmt, dass dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor. In Nr. 5 wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach

Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass der Kläger auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner

Rückübernahme verpflichtet sei. Nr. 6 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.

6

In den Gründen des Bescheids ist u.a. ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Falle des Klägers nicht vorliegen. Ein Ausländer sei Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinde, dessen Staatsangehörigkeit er besitze. Der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne dieser Definition. Insoweit der Kläger vortrage, einen Drohbrief von den Taliban erhalten zu haben und sonst keiner individuellen Bedrohung ausgesetzt gewesen zu sein, könne nicht von einer flüchtlingsrelevanten Verfolgungshandlung ausgegangen werden. Selbst wenn man an das Merkmal der politischen Opposition gegenüber den Taliban anknüpfen würde, wäre der Kläger auf die Möglichkeit einer internen Schutzalternative im Sinne des § 3e Asylgesetz (AsylG) zu verweisen, um sich einer Bedrohung durch die Taliban zu entziehen. Der Kläger habe die Möglichkeit, etwaigen Nachstellungen durch eine Wohnsitznahme an einem anderen Ort auszuweichen. Es sei nicht anzunehmen, dass der Aufenthalt des Klägers in der Millionenstadt Kabul, die über kein Meldewesen verfüge, den Taliban bekannt werden würde. Selbst wenn die Taliban tatsächlich in der Lage wären, Personen landesweit überall ausfindig zu machen, so würden derartige Anstrengungen nur für Personen unternommen werden, die hochrangige Personen bekleideten. Da die größeren Städte, wie z.B. Kabul, aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz bieten würden, als kleinere Städte oder

Dorfgemeinschaften, wäre es dem Kläger auch zuzumuten, in Kabul weiter zu leben. Der Kläger habe im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine landesweite asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG zu erwarten. Der Kläger sei jung und erwerbsfähig. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger sich in einer afghanischen größeren Stadt, wie z.B. Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif dort das erforderliche Existenzminium erlangen könne. Auch lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht vor. Zwar sei davon auszugehen, dass in Afghanistan ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt bestehe oder zumindest nicht ausgeschlossen werden könne und der Kläger als Zivilperson sich daran nicht aktiv beteiligt habe. Es drohten ihm jedoch bei einer eventuellen Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt. Eine relevante Gefahrenlage wäre dann anzunehmen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt

kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder ggf. in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet des Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Der vorliegend für Afghanistan festzustellende Grad willkürlicher Gewalt erreiche nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche Niveau. Der Kläger habe bereits nicht dargelegt, einen ernsthaften Schaden infolge des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erlitten zu haben. Folglich hätten

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sich die allgemeinen konfliktbedingten Gefahren in seiner Person nicht schutzauslösend zugespitzt.

Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Eine Abschiebung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG sei unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Der Kläger habe darüber hinaus keine individuellen Gefahren geltend gemacht. Für den Kläger als jungen, gesunden, arbeitsfähigen und alleinstehenden Mann bestehe in urbanen und semi-urbanen Umgebungen, die die notwendige Infrastruktur sowie die Erwerbsmöglichkeit zur Sicherung der

Grundversorgung bieten würden, und die unter wirksamer staatlicher Kontrolle stünden, allenfalls in einem geringfügigen Maß ein Verelendungsrisiko. Daher könne der Kläger hierauf als interne Schutzalternativer verwiesen werden. Jedenfalls seien nach Rückkehr nicht alsbald schwerste Leibes- und Lebensgefahren zu befürchten. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen.

Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sei vorliegend angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere

Fristfestsetzung, aufgrund schutzwürdiger Belange, sei weder ausreichend vorgetragen noch läge sie nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor. Der Kläger verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die berücksichtigungsfähig wären.

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Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 21. März 2017 wird ergänzend verwiesen.

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Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 31. März 2017 Klage erhoben und beantragt,

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unter insoweitiger Aufhebung ihrer Entscheidung vom 21. März 2017 - Gz: ... - wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger gemäß § 3 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

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hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 4 AsylG, 11

höchsthilfsweise, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Islamischen Republik Afghanistan vorliegen.

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Zur Begründung der Klage ist mit Schriftsatz vom 24. April 2017 vorgetragen, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze. Der Kläger habe begründete Furcht davor, im Falle einer erzwungenen Rückkehr in sein Herkunftsland erneute Verfolgung zu erleiden, da er bereits vor seiner Flucht entsprechender Verfolgung ausgesetzt bzw. unmittelbar davon bedroht gewesen sei. Die „Rekrutierung“ durch die Taliban folge keinem Regelwerk. Die Verweigerung der Mitarbeit bringe den Kläger in die beachtliche Gefahr, von den Taliban als „Verräter“ menschenrechtswidrig behandelt zu werden. Staatlichen Schutz gegen Maßnahmen der Taliban könne der Kläger nicht erlangen. Tatsächlich erweise sich der afghanische Staat gegenüber den Taliban in rapide zunehmendem Maße als machtlos. Die Auseinandersetzung mit den Taliban erfolge überwiegend nicht mit polizeilichen Mitteln, sondern durch militärische Auseinandersetzungen mit den afghanischen Sicherheitskräften. Diese seien in immer größeren Landesteilen offenkundig auf dem Rückzug. Ein relevanter Schutz gegen nichtstaatliche Akteure sei nicht anzunehmen. Nicht nur die militärische Schwäche der Sicherheitskräfte lasse den afghanischen Staat als ungeeignet erscheinen, wirksamen und dauerhaften Schutz gegen nichtstaatliche Akteure zu gewährleisten.

Auch die Polizeikräfte würden einen solchen Schutz gerade gegen Gewalt religiöser Extremisten, nicht zuverlässig gewährleisten. Dies liege daran, dass die Polizei in Afghanistan praktisch keine Schutzfunktion ausübe, sondern fast ausschließlich zur Gefahrenabwehr eingesetzt werde. Der Schwerpunkt liege in der Gewährung präventiven Schutzes. Unzutreffend sei auch die Annahme der Beklagten, der Kläger könne internen Schutz erlangen. Die spezifischen Strukturen der afghanischen Gesellschaft ließen es als

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ausgeschlossen erscheinen, dass der Kläger sich selbst bei einer Verlegung seines Wohnsitzes nach Kabul auf Dauer mit der von § 3e AsylG geforderten nachhaltigen Sicherheit etwaigen Verfolgern entziehen könne. Eine Verfolgungssicherheit in Kabul sei nicht gegeben. Mittlerweile habe sich die Lage in Kabul nochmals drastisch verschärft. Die Zahl der Binnenvertriebenen sei extrem hoch. Auch der UNHCR warne vor der deutlichen Verschlechterung der humanitären Lage in Kabul, die sich durch die im Jahr 2016 stark gestiegenen Rückkehrerzahlen gravierend verschlechtert habe. Im Falle einer Rückkehr nach Kabul drohe dem Kläger daher mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Leben in Obdach- und Mittellosigkeit. Es sei demnach nicht davon auszugehen, dass der Kläger auf sich gestellt, in Kabul sein Existenzminimum sichern könnte.

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Auf den weiteren Vortrag im Klagebegründungsschriftsatz vom 20. April 2017 wird ergänzend Bezug genommen.

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Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.

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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. April 2017 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

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Am 23. Mai 2017 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegenden Gerichts- und Verfahrensakten verwiesen.

Entscheidungsgründe 18

Der nach § 76 Abs. 1 AsylG zuständige Einzelrichter konnte trotz Ausbleibens der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten in der Ladung auf die Tatsache, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, ausdrücklich hingewiesen wurden (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

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Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der

Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist ihm weder der subsidiäre Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, noch liegen in seiner Person nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.

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1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

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Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

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Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vormals nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG, nunmehr nach § 3 Abs. 1 AsylG) ist weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, für dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerwGE 80, 315).

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Teilweise geht der Internationale Flüchtlingsschutz im Ergebnis der Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU über den Schutz des Asylgrundrechts hinaus. So begründen nach Maßgabe des § 28 Abs. 1a AsylG auch selbstgeschaffene Nachfluchtgründe sowie gemäß § 3c Nr. 3 AsylG eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, etwa in Bürgerkriegssituationen, in denen es an staatlichen Strukturen fehlt, ein

Abschiebungsverbot. Ferner stellt § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG klar, dass eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn Anknüpfungspunkt allein das Geschlecht ist. Schließlich umfasst gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG der Schutz vor Verfolgung wegen der Religion im Ergebnis der Umsetzung von Art. 10 Abs. 1b der Richtlinie 2011/95/EU auch die

Religionsausübung im öffentlichen Bereich sowie sonstige religiöse Betätigungen oder

Meinungsäußerungen, die sich auf eine religiöse Betätigung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.

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Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

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Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft und der

Voraussetzungen des subsidiären Schutzes der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung mehr (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2012 - 10 C 7/11 - juris). An dessen Stelle gilt nunmehr nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU die

tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Hierdurch wird den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigemessen (vgl. EuGH, U.v. 2.3.2010 - Rs. V 175/08 u.a., Abdullah). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür vorzulegen, dass sich verfolgungsbegründende bzw. schadensstiftende Umständen bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

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Dessen ungeachtet ist es Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen, § 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU. Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u.a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen

persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.

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Beruft sich der Ausländer indes zur Begründung seiner Verfolgungsfurcht auch auf Vorgänge und Geschehensabläufe nach dem Verlassen seines Herkunftsstaates, so gilt die das Maß der

Darlegungsanforderungen bestimmende Beweiserleichterung nicht, weil nicht mehr davon auszugehen ist, dass die für Vorgänge in dem „Verfolgerstaat“ bestehenden Beweisschwierigkeiten außerhalb des

Herkunftsstaates fortbestehen. Der Flüchtling hat vielmehr die Umstände, aus denen er seine begründete Furcht vor Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ableitet, zu beweisen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Nachfluchtgründe in einem Verhalten des Ausländers bestehen, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung und Ausrichtung ist, § 28 Abs. 1a AsylG. Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in § 28 Abs. 1a AsylG ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen,

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dass auch Nachfluchttatbestände ohne eine entsprechende Vorprägung im Heimatland beachtlich sein können.

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Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes.

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Eine asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist gegenüber dem Kläger nicht festzustellen.

Der Kläger konnte gegenüber dem Gericht nicht glaubhaft machen, dass bei ihm ein Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Afghanistan von Seiten der Taliban wegen seiner Tätigkeit als Soldat für das afghanische Militär persönlich bedroht worden ist, knüpft dieser Vortrag nicht an ein in § 3 Abs. 1 AsylG genanntes Merkmal an.

Wegen der ausgesprochenen Drohung ist der Kläger darauf zu verweisen, Schutz bei der afghanischen Regierung bzw. bei der Polizei zu suchen. Den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt, handelt es sich insoweit um kriminelles Unrecht, das ihm widerfahren ist, das jedoch keine Asylrelevanz vor dem

Hintergrund des § 3 Abs. 1 AsylG aufweist. Insoweit bedarf es letztlich auch keiner Entscheidung darüber, ob man dem Vortrag des Klägers Glauben schenkt. Überdies bestehen auch an der Glaubwürdigkeit des Klägers Zweifel, da für das Gericht nicht nachvollziehbar erscheint, warum der Kläger nach einer

kurzfristigen Übersiedlung nach ... aus Furcht vor einer Verfolgung in der Region ... vor seiner Ausreise erneut in diese Region zurückgekehrt ist, obwohl nach seinem eigenen Vorbringen dort verstärkt nach ihm gesucht worden sei und sich die Bedrohung für ihn dort am stärksten manifestiert hat.

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Des Weiteren ist der Kläger selbst bei Annahme einer asylerheblichen Verfolgung durch die Taliban diesbezüglich auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (§ 3 e AsylG). Demzufolge wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn ihm in einem Teil seines Herkunftslandes keine Verfolgung droht und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Die Beurteilung des Vorliegens einer solchen Fluchtalternative erfordert stets eine Einzelfallprüfung (BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 13a ZB

13.30185 - juris Rn. 5). Es ist jeweils die konkrete Situation des Klägers und der Grad seiner Vorverfolgung in Blick zu nehmen.

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Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Kläger Fluchtmöglichkeiten innerhalb Afghanistans besitzt. Der Kläger ist darauf zu verweisen, sich in Kabul oder einer anderen Großstadt niederzulassen.

Grundsätzlich ist Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BayVGH, B.v. 19.6.2013 - 13a ZB 12.30386 - juris). Es ist davon auszugehen, dass der Kläger in Kabul in der Anonymität der Stadt Schutz suchen kann. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Anhänger der Taliban den Kläger landesweit suchen und auffinden werden.

Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Tatsache, dass der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen lediglich einfacher Soldat der afghanischen Streitkräfte gewesen ist und sich seine Tätigkeit somit nicht als eine herausgehobene darstellt. Auch hat der Kläger ausgeführt, dass die von ihm geschilderten Bedrohungen für Militärangehörige quasi an der Tagesordnung gewesen seien und die Zahl der Streitkräfte seiner Einheit sich zwischen 700 und 1.000 Personen belaufen habe. Dies zugrunde gelegt, weist die Vorverfolgung, sofern man von einer solchen überhaupt ausgeht, gerade keinen solchen Grad auf, dass mit einer landesweiten Verfolgung des Klägers zu rechnen ist. Aufgrund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Drohungen allenfalls von einer lokal begrenzten Gruppe der Taliban ausgingen und die

Verfolgungsgefahr sich damit ebenfalls allenfalls auf den Stationierungsort (...) bzw. Heimatort des Klägers und dessen nähere Umgebung begrenzt. Hinzu kommt, dass die vormalige Bedrohungssituation des an die Tätigkeit des Klägers für das afghanische Militär anknüpfte. Diese Tätigkeit hat der Kläger jedoch aufgrund eigenen Entschlusses aufgegeben. Eine fortdauernde Bedrohungssituation aufgrund der vormaligen Tätigkeit des Klägers ist für das Gericht daher nicht zu erkennen. Mit Aufgabe der Tätigkeit des Klägers für das afghanische Militär ist der Anknüpfungspunkt für eine persönliche Bedrohung des Klägers nach Einschätzung des Gerichts entfallen. Ebenfalls wäre es für den Kläger möglich gewesen, weiter im Schutz des afghanischen Militärs seiner Tätigkeit nachzugehen.

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Es ist dem Kläger auch zumutbar, sich in Kabul niederzulassen, da nach Auffassung des Gerichts davon auszugehen ist, dass er seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs folgend (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 25.1.2017 - 13a ZB 16.30374 - juris) ist davon auszugehen, dass junge, gesunde und arbeitsfähige Männer, zu denen auch der Kläger zu rechnen ist, in der Lage sind, in Kabul zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen. Dass der Kläger Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner nur religiös angetrauten Ehefrau zu erfüllen hätte, ist für das Gericht nicht erkennbar, nachdem der Kläger auch vorgetragen hat, dass er seit längerem zu seiner Ehefrau keinen Kontakt unterhält.

34

Im Übrigen sind unter Berücksichtigung der Auskunftslage insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position, die auch Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des

Lebensunterhalts eröffnet (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 13.5.2013 - 13A B 12.30052 - juris Rn. 12).

35

Das Gericht ist der Überzeugung, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Gefahren hinsichtlich einer (erneuten) Verfolgung drohen.

36

2. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.

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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden geht dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c - e AsylG

entsprechend. Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist - wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft - der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - BVerwGE 136, 377 ff.).

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Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG hat der Kläger bereits nicht geltend gemacht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach

§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG liegen nicht vor, weil der Kläger jedenfalls auf internen Schutz nach § 3e AsylG zurückgreifen kann.

39

Nach § 3e Abs. 1 AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird einem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Klägers zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 20; U.v. 29.5.2008 - 10 C 11/07 - juris Rn. 35). Die Beurteilung erfordert dabei eine Einzelfallprüfung (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 13a ZB 13.30185 - juris Rn. 5). Dabei sind die

individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte des Klägers in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen. Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicher Ort das wirtschaftliche Existenzminimum des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach

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Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (vgl. VG

Gelsenkirchen, U.v. 22.8.2013 - 5A K 156/11.A - juris Rn. 38).

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Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative besteht.

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Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Kläger in Afghanistan für ihn zumutbar auch außerhalb seiner Heimatstadt an einem Ort niederlassen kann, an dem er verfolgungssicher ist. Für den Kläger als jungen Mann dürfte es in einer größeren afghanischen Stadt auch abseits seiner Herkunftsprovinz möglich sein, sich ein Existenzminimum zu sichern. Diese Einschätzung entspricht auch der aktuellen

Auskunftslage. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bieten größere Städte aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleinere Städte oder Dorfgemeinschaften (Lagebericht S. 18). Eine schützende Anonymität bieten nach Auffassung des Gerichts daher insbesondere die Städte Kabul, Herat oder Kandahar. Dort könnte sich der erwerbsfähige Kläger niederlassen, ohne der ernsthaften Gefahr einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt zu sein. Der Kläger ist mit einem Alter von 23 Jahren in der Lage, auf dem hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt eine Arbeit zu finden, von der er leben kann. Der Kläger hat sich vor seiner Ausreise bereits in der Landwirtschaft betätigt und war drei Jahre lang beim

afghanischen Militär beschäftigt. Da der Kläger auch über einen gewissen Mindest-Schulbesuch verfügt, dürfte es für ihn in einer größeren afghanischen Stadt möglich sein, erneut eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, und sich der Gestalt sein Existenzminimum zu sichern. Hinzu kommt, dass der Kläger sein gesamtes bisheriges Leben in Afghanistan verbracht hat und mit den dortigen Verhältnissen durchaus vertraut ist. Auch sind nach dem eigenen Vorbringen des Klägers mehrere Familienangehörige (Eltern, Geschwister) nach wie vor in Afghanistan vorhanden und verfügt der Kläger damit über einen

Familienverbund, der ihn erneut aufnehmen bzw. entsprechend unterstützen könnte.

42

Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, weil dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keinen erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt landesweit drohen. Insoweit folgt das Gericht den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG).

43

Hieran vermögen auch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016 nichts zu ändern. Stellungnahme und Einschätzung von Organisationen wie UNHCR und Pro Asyl beruhen auf von diesen Organisationen selbst angelegten Maßstäben, die nicht den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts entsprechen.

44

An dieser Rechtsprechung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch im Nachgang der angeführten Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2016 mehrfach festgehalten. Auf die Entscheidungen vom 8.

Februar 2017 (BayVGH, B.v. 8.2.2017 - 13a ZB 17.30016 - juris Rn. 7) und vom 25. Januar 2017 (BayVGH, B.v. 25.1.2017 - 13a ZB 16.30374 - juris Rn. 11) wird verwiesen. Ungeachtet neuer Erkenntnismittel ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gerade nicht zu einer Neubewertung der Voraussetzungen des § 4 Abs.

1 Nr. 3 AsylG hinsichtlich eines landesweit existierenden innerstaatlich bewaffneten Konflikts in Afghanistan gelangt.

45

3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen ebenfalls nicht.

(9)

46

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sie aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die

Abschiebung unzulässig ist. In Fällen, in denen gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des

§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (vgl. BVerwG, U.v.

31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris).

47

Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine solche Abschiebestoppanordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.

48

Auch ist das Gericht der Auffassung, dass die allgemeine Gefahr in Afghanistan sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet hat, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten

Voraussetzungen sind nicht erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 13a ZB 13.30119 u.a. - juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 27.4.2012 - A 11 S 3079/11 - juris). Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer reinen quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssten jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. So besteht eine extreme Gefahrenlage dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher

Lebensgrundlage dem baldigen und sicheren Hungertod nach erfolgter Abschiebung ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

49

In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (z.B. B.v.

19.2.2014 - 13A ZB 14.30022 - juris) geht das Gericht davon aus, dass derzeit für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende, alleinstehende, männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige, zu denen auch der Kläger zu rechnen ist, in Afghanistan nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG führt. Gegen das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes spricht beim Kläger zudem, dass dieser seinem eigenen Vortrag über mehrere Familienangehörige in Afghanistan verfügt, die den Kläger bei einer Rückkehr erneut aufnehmen können. Damit droht dem Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Zwar gestaltet sich die allgemeine Versorgungslage nach wie vor schwierig. Trotz dieser kritischen Versorgungslage muss nicht jeder Rückkehrer aus Europa generell im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung erleiden. In der Gesamtschau der ins Verfahren eingeführten aktuellen Auskünfte ist nicht davon auszugehen, dass jeder Rückkehrer aus Europa generell in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste (vgl. BayVGH, U.v. 20.1.2012 - 13A B 11.30425 - juris Rn. 32 ff.). Nur für besonders schutzwürdige Rückkehrer wie alte oder

behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien und Personen, die aufgrund persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen oder die über keinen aufnahmebereiten Familienverbund verfügen, lässt sich eine extreme Gefahrenlage begründen. Für junge und arbeitsfähige Männer ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen, besteht die Möglichkeit,

(10)

sich eine neue Existenz in Kabul oder einer anderen größeren Stadt aufzubauen (stRspr. des BayVGH, beispielsweise U.v. 15.3.2012 - 13a B 11.30439 - juris Rn. 25). Für das Gericht ist nicht erkennbar, dass der Kläger etwa bei einer Rückkehr nach Kabul erneut einer Bedrohung durch die Taliban ausgesetzt wäre.

Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Kläger dort, um sein Existenzminium sicherzustellen, einer erneuten beruflichen Tätigkeit nachgehen muss. Dass der Kläger landesweit bei einer Rückkehr von den Taliban gesucht und aufgespürt würde, erachtet das Gericht als nicht für naheliegend. Hiergegen spricht auch, dass die vom Kläger gegenüber dem Gericht dargestellte Tätigkeit für das afghanische Militär von

untergeordneter Bedeutung war. Der Kläger war vor seiner Ausreise aus Afghanistan einfacher Soldat der Streitkräfte. Inwieweit die Taliban ein Interesse daran haben könnten, den Kläger bei einer Rückkehr erneut aufzuspüren, erschließt sich für das Gericht nicht. Dies auch insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der Kläger seine Tätigkeit beim Militär aufgrund eigenen Entschlusses im Dezember 2014/Januar 2015

eingestellt hat.

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Der Kläger verfügt darüber hinaus über einen Familienverbund in Afghanistan, auf den er nach seiner Rückkehr zurückgreifen kann. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Afghanistan durchaus sichern kann. Im Übrigen verweist das Gericht auf mögliche Rückkehr- und Starthilfen für freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan nach dem REAG/ GARP-Programm.

Darüber hinaus werden Leistungen nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ gewährt (vgl. Auskünfte der Regierung von Schwaben vom 17. August 2016 und des Bundesamtes vom 12. August 2016 an das Verwaltungsgericht Augsburg).

51

4. Das von der Beklagten verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Einwände hiergegen hat der Kläger auch nicht erhoben.

52

5. Nach allem erweist sich die Klage zwar als zulässig, aber unbegründet. Sie war daher mit der

Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

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