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Archiv "Pharmazeutische Industrie: Verwirrende Signale und Ideen aus Bonn" (28.11.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

P

rofessor Dr. Hans Rüdiger Vogel, der Hauptgeschäfts- führer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Indu- strie (BPI), steht der gegenwärtigen Diskussion um die Kostendämpfung im Gesundheitswesen ziemlich kon- sterniert gegenüber. "In der Gesund- heitspolitik ist niemand vor Überra- schungen sicher", weiß der kampfer- probte Verbandsfunktionär zwar aus eigener langjähriger Erfahrung,

"doch derzeit empfangen wir aus dem Gesundheitsministerium derart verwirrende Signale, daß es nahezu unmöglich ist, eine politische Linie zu erkennen."

.. Vogel verfolgt die immer neuen Uberlegungen aus dem Hause Has- selfeldt mit offenbar schwindender Hoffnung auf eine positive Entwick- lung, auf eine Abkehr von dirigisti- schen Maßnahmen. Das Gegenteil scheint der Fall. "Das Ministerium ist jetzt auf die Idee verfallen, die Zulassungsfristen für Arzneimittel, die derzeit maximal sieben Monate betragen, einfach zu verlängern", nennt er beispielhaft. Damit, so Vo- gels Interpretation, schlage man der Industrie das einzige Instrument aus der Hand, auf eine zügige Entschei- dung über Arzneizulassungsanträge zu drängen. "Man hofft offenbar, auf diese Weise weiteren Untätigkeits- klagen oder gar Schadenersatzanfor- derungen zu entgehen. Der Stau nicht bearbeiteter Anträge liegt immer noch bei rund 10 000 Vorgängen."

Was für den BPI aber noch weit- aus schlimmer wiegt: In den neuen Überlegungen der Bundesgesund- heitsministerin zur Festbetragsrege- lung (Deutsches Ärzteblatt, Heft 46/1991), sehen die pharmazeuti- schen Unternehmen die Einführung einer staatlichen Preiskontrolle für nahezu alle Arzneimittel auf kaltem Wege. Die von Hasselfeldt geleitete Arbeitsgruppe der Regierungskoali- tion plant eine Vereinfachung der Gruppenbildung in den Festbetrags- stuten zwei und drei: bei Arzneimit- teln mit pharmakologisch-therapeu- tisch vergleichbaren Wirkstoffen und solchen mit vergleichbaren Wirkun- gen. Danach sollen künftig "Ge- meinsamkeiten hinsichtlich ihrer hauptsächlichen Indikationen oder Wirkungsweisen" ausreichen, um

AKTUELLE POLITIK

Pharmazeutische Industrie

Verwirrende Signale und Ideen aus Bonn

Festbetragsgruppen bilden zu kön- nen. Für den BPI läuft das auf die Bildung von "Jumbo-Gruppen" hin- aus- ohne Rücksicht auf therapeuti- sche Besonderheiten.

"Als großen Schlag" gegen die pharmazeutische Industrie wertet Professor Vogel indes die Idee, auch therapeutische Solisten mit einem Festbetrag zu belegen: mit dem Ab- gabepreis zu einem bestimmten

Phanna-Untemelunen fürchten eine

staatliche Preiskontrolle auf kaltem Wege

Stichtag als Festbetrag. Die Konse- quenz laut Professor Vogel: "Die Hersteller können de facto die Prei- se nicht mehr ohne Genehmigung er- höhen, sondern lediglich senken."

Die freie Marktwirtschaft werde hier außer Kraft gesetzt, doch an der Tendenz der Ausgabenentwicklung ändere sich dadurch nichts.

Nach wie vor hält der BPI eine Selbstbeteiligung der Versicherten für den besseren Weg. Der "gesunde Egoismus jedes einzelnen" müsse zur Steuerung der Krankenversiche- rungsausgaben nutzbar gemacht werden. Will heißen: Dem einzelnen könne durchaus die finanzielle Mit- verantwortung für seine Gesundheit in jenen Bereichen aufgebürdet wer-

den, die ihn nicht existentiell bedro-

hen. Selbstbeteiligungen seien nicht per se unsozial, sagt der BPI- Hauptgeschäftsführer, dirigistische Rezepte nicht per se sozial-und er- folgreicher schon gar nicht.

Der Erfolg an sich scheint für die pharmazeutische Industrie inzwi- schen schon zu einem Dilemma ge- worden zu sein. "Wirtschaftlicher

Erfolg ist politisch ausgesprochen gefährlich", lautet die Einsicht von Dr. Ulrich Vorderwülbecke, beim BPI für Wirtschafts-, Gesundheits- und Sozialpolitik zuständig. Gefäh- lich deshalb, weil sofort der Ruf nach weiteren Reglementierungen laut werde. Und just in einer solchen Si- tuation befinde sich die Branche ge- genwärtig wieder einmal.

Der Arzneimittelmarkt in den alten Bundesländern ist nämlich durch stattliche Zuwachsraten ge- kennzeichnet. So stieg in den ersten drei Quartalen der Umsatz auf dem westdeutschen Apothekenmarkt um 12 Prozent auf 13,3 Milliarden Mark.

Der Preisentwicklung, so Vorder- wülbecke, komme dabei mit einem Plus von 1,5 Prozent weitaus weniger Gewicht zu als der Mengenentwick- lung mit einem Anstieg um 6 Prozent und der Einführung neuer Arznei- mittel, die mit rund 4,1 Prozent zu Buche schlage. Allerdings, der BPI sieht Gründe für die Mehrverord- nungen durch die Kassenärzte:

.... Seit Anfang des Jahres habe sich die Wohnbevölkerung der alten Bundesrepublik um mehr als eine halbe Million Menschen erhöht.

.... Das Krankheitsgeschehen spiele eine wichtige Rolle. In den naßkalten Monaten Mai und Juni seien überdurchschnittlich viele Arz- neimittel gegen Atemwegserkran- kungen verkauft worden, und auch lebenswichtige Medikamente wie et- wa Zytostatika, ACE-Hemmer oder Antidiabetika seien im verstärkten Maße abgegeben worden.

Innerhalb der 20 umsatzstärk- sten Arzneimittelgruppen hatten die ACE-Hemmer (

+

38,9 Prozent), die Zytostatika (

+

22 Prozent) und die

Lipidsenker ( + 20,2 Prozent) die

höchsten Steigerungsraten. Diese und drei weitere Arzneimittelgrup- pen zur Bekämpfung der Erkältungs- krankheiten verursachten knapp ein Dt. Ärztebl. 88, Heft 48, 28. November 1991 (21) A-4245

(2)

Ärzte-

Einkommen:

„Billige Polemik

und Stimmungsmache"

Drittel des gesamten Umsatzwachs- tums in den ersten drei Quartalen dieses Jahres.

Überraschende Zahlen legte der BPI zur Marktentwicklung in den neuen Bundesländern vor. Während auf dem sogenannten Apotheken- markt, der auch freiverkäufliche Me- dikamente umfaßt, westdeutsche und ostdeutsche Pharmaunterneh- men jeweils die Hälfte des Umsatzes auf sich vereinen konnten, dominie- ren die pharmazeutischen Betriebe der ehemaligen DDR eindeutig den Arzneimittelmarkt innerhalb der ge- setzlichen Krankenversicherung Ost.

Das Verhältnis ist hier 70 zu 30. „Bei den niedergelassenen Ärzten in Ost- deutschland registrieren wir so etwas wie eine neue Loyalität zu den alten Arzneien", kommentiert Gerald

Hennig, der beim BPI für die neuen ostdeutschen Mitgliedsfirmen zu- ständig ist. Andererseits seien die Ärzte mit den Problemen der Nie- derlassung zu stark gefordert, um sich zugleich über neue Arzneimittel informieren zu können.

Mit besonderer Aufmerksam- keit beobachtet die pharmazeutische Industrie den Markt in den neuen Ländern vor allem aber wegen der besonderen rechtlichen Rahmenbe- dingungen. Der im Einigungsvertrag verankerte 58prozentige Preisab- schlag ist von April 1991 an durch Rechnungsabschläge abgelöst wor- den. Die Hersteller müssen 25 Pro- zent nachlassen, die Apotheker nochmals 22 Prozent. Nach Angaben des BPI mußten die Kassen im er- sten Quartal dieses Jahres rund 860

Millionen Mark für verordnete Arz- neimittel aufwenden. Im zweiten Quartal waren es knapp mehr als ei- ne Milliarde DM, wobei im Monat Juni eine außergewöhnlich hohe Steigerung zu verzeichnen war. Ein Vorwegnahme-Effekt, wie der Bun- desverband der pharmazeutischen Industrie vermutet, denn ab Juli muß in den neuen Ländern eine Zuzah- lung geleistet werden.

„Mit aller Vorsicht", so das Fazit von Vorderwülbecke, „wird man jetzt schon vermuten dürfen, daß sich die Arzneimittelausgaben der Ost-GKV in der von uns prognosti- zierten Größenordnung halten wer- den." Der Rechnungsabschlag von 25 Prozent liege damit wohl weder deutlich zu hoch noch erkennbar zu niedrig. Josef Maus

ME7

„Unerträgliche Stimmungsma- che" haben die Kassenärztliche Bun- desvereinigung (KBV) und die Bun- desärztekammer (BÄK) der Parla- mentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Dr.

Sabine Bergmann-Pohl (CDU), vor- geworfen. Sie hatte in einer Frage- stunde des Deutschen Bundestages gesagt, daß westdeutsche Ärzte etwa viermal so viel wie abhängig beschäf- tigte Arbeitnehmer verdienen und damit international an zweiter Stelle hinter den US-Medizinern liegen.

Der Reinertrag je Praxisinhaber ha- be bei Ärzten mit 176 500 DM im Jahr das 3,7fache Durchschnittsein- kommens der Arbeitnehmer (47 541 DM) betragen. Die Zahnarztein- kommen hätten mit 195 064 DM so- gar das 4,1fache betragen.

Die Staatsekretärin wies aller- dings darauf hin, daß „zwischen und innerhalb der einzelnen Arztgrup- pen erhebliche Unterschiede beste- hen." Radiologen und Nuklearmedi- ziner lagen mit 259 800 DM an der Spitze, Pädiater bildeten mit 138 800 DM das Schlußlicht. Sabine Berg- mann-Pohl stützte sich auf Angaben des Statistischen Bundesamtes über das Jahr 1987.

Eine im Jahr 1989 veröffentlich- te Untersuchung des Max-Planck-In- stituts für Gesellschaftsforschung für ausgewählte OECD-Länder, bezo- gen auf das Jahr 1982, zeige, daß amerikanische Ärzte 5,1mal soviel einnahmen wie durchschnittliche Einkommensbezieher, die westdeut- schen Ärzte 4,9mal soviel. In Frank- reich lagen die Einkommen der Ärz- te 3,3mal höher als Durchschnittsbe- züge, in Dänemark 2,8mal, in Groß- britannien 2,4mal, in Schweden 2,1mal und in Belgien 1,8mal.

Neidkomplexe

In einer gemeinsamen Presseer- klärung von KBV und BÄK heißt es zu den von Dr. Bergmann-Pohl wie- dergegebenen Kritiken: „Wer Durchschnittseinnahmen vor Steu- ern nur der niedergelassenen, freibe- ruflich tätigen Ärzte den Durch- schnittseinkommen von Arbeitneh- mern gegenüberstellt, vergleicht noch nicht einmal ‚Äpfel' mit ‚Bir- nen', da das Einkommen eines Frei- beruflers aus den verschiedensten Gründen, insbesondere aber wegen der von ihm selbst zu tragenden Fi-

nanzierung der Alters- und Hinter- bliebenenversorgung, eine gänzlich andere Größe darstellt als das Durchschnittsgehalt eines Arbeit- nehmers." Schon allein das Einbe- ziehen der durchschnittlichen Ein- kommen aller angestellten und be- amteten Krankenhausärzte in die Berechnung ärztlicher Einkommen rücke das Bild im Vergleich zu den relevanten Durchschnittsgehältern der wesentlich größeren Gruppe lei- tender Angestellter wieder zurecht.

Wer trotzdem solche Vergleiche anstelle, betreibe „billige Polemik", betonte der Vorsitzende der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, Dr.

Ulrich Oesingmann. Die Reaktionen der Politiker auf die laufenden Ver- handlungen mit den Krankenkassen- verbänden beruhen nach seiner Auf- fassung weitgehend auf Unkenntnis der vorgesehenen Vereinbarungsin- halte. Die Politik solle anerkennen, daß auch der freiberufliche Kassen- arzt — wie jeder andere Arbeitneh- mer oder Freiberufler — einen An- spruch auf angemessene Vergütung seiner Leistung haben müsse.

Durch unverantwortliche Aussa- gen zur Höhe von Ärzte-Einkommen würden Neidkomplexe geschürt, so BÄK und KBV, die von den eigentli- chen Ursachen der Probleme für die finanzielle Sicherung eines leistungs- fähigen Gesundheitswesens ablen- ken sollten. Kli A-4246 (22) Dt. Ärztebl. 88, Heft 48, 28. November 1991

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