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Archiv "Bundeshaushalt: Fortsetzung der Sparpolitik Ausgaben für Sozialpolitik zum Großteil gesetzlich festgelegt" (26.07.1996)

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DÄ: Die Arznei- mittelkommission gibt seit Jahren mehrere Pu- blikationen heraus (sie- he Kasten). Wie werden sie genutzt?

Müller-Oerling- hausen: Darüber wüß- ten wir gerne mehr – was der Arzt tatsäch- lich mit unseren Infor- mationen anfängt.

DÄ: Aber es ist schwierig für Sie, das herauszufinden?

Müller-Oerling- hausen: Verbindliche Informationen darüber

haben wir nicht. Wir planen deshalb eine Befragung. Andererseits regi- strieren wir, daß es zu bestimmten In- formationen eine Vielzahl von Rück- fragen gibt. Es gehen dann teilweise auch mehr Meldungen ein zu uner- wünschten Arzneimittelwirkungen.

Oder wenn wir die Ärzte einmal et- was direkter angehen, dann klingelt bei der Arzneimittelkommission das Telefon. Daran merken wir: Unsere Veröffentlichungen werden gelesen.

Die „Therapieempfehlungen“ zum Beispiel haben sofort eine große Re- sonanz gefunden, weil das offenbar etwas war, das die Ärzteschaft erwar- tet hat.

DÄ: Stichwort „Befragung“: Ist das ein konkretes Projekt?

Müller-Oerlinghausen: Ja. Wir werden vermutlich im September-Heft der Beilage „Arzneiverordnung in der Praxis“ die Ärzte befragen, wie sie zu

dem Bulletin stehen: ob es ihnen gefällt, ob sie es regelmäßig lesen usw. Wir wollen später Fragen zu den „The- rapieempfehlungen“

nachschieben.

DÄ: Sie greifen in der letzten Zeit auch aktuelle Themen auf.

Müller-Oerling- hausen: Die Ärzte kön- nen inzwischen be- stimmte Informationen über Fax-Polling abru- fen. Außerdem geben wir Pressemitteilungen heraus, beispielsweise zum Thema Pillen der 3. Generation oder Schlankheitsmittel. Im letzten Fall haben wir uns sozusagen direkt an die Bevölkerung gewandt, und das möchten wir auch in Zukunft.

DÄ: Was heißt das konkret?

Müller-Oerlinghausen: Wir ha- ben vor, uns mit Verbraucherverbän- den zusammenzutun. Diese Möglich- keit haben wir bisher nicht sehr inten- siv genutzt. Es könnte die Stiftung Warentest oder eine andere solche Organisation sein.

DÄ: Zurück zu Ihren aktuellen Aktivitäten. Sie hatten während der jüngsten Sitzung der Arzneimittel- kommission über die Neuauflage des Buchs „Arzneiverordnungen“ be- richtet, die in Vorbereitung ist. Zwei Jahre bis zur Neuerscheinung sind ein langer Zeitraum. Braucht man ein sol- ches Buch noch, wenn es andere Publi- kationen gibt, zum Beispiel Beilagen?

Müller-Oerlinghausen: Doch, die

„Arzneiverordnungen“ braucht man, weil wir uns nicht nur an die Ärzte- schaft wenden, sondern auch an Me- dizinstudenten. Das Buch wird oft im pharmakologischen Unterricht be- nutzt. Ein Arzt sitzt auch nicht wie ein Sachbearbeiter den ganzen Tag an seinem Computer und surft durchs In- ternet. Wir denken schon über CD- ROM-Versionen für Ärzte mit Praxis- PC nach, ja. Aber ein Arzt ist nach wie vor jemand, der schnell etwas nachlesen will. Von daher ist ein Buch immer noch sinnvoll – aber es muß er- gänzt werden.

DÄ: Im Fall von neu zugelasse- nen Medikamenten sind die Ärzte doch besonders an Informationen in- teressiert. Wenn Sie industrieunabhän- gige Information bieten wollen, müß- ten Sie hier doch schnell reagieren.

Müller-Oerlinghausen: Wir müß- ten sicher in „Arzneiverordnung in der Praxis“ häufiger zu neuen Medi- kamenten Stellung nehmen. Das ist aber auch ein finanzielles Problem, denn wir können die Beilage nur in vier bis sechs Ausgaben pro Jahr her- ausbringen. Wir überlegen, ob die Ärzte so interessiert sind, daß sie die- se Mitteilung abonnieren würden.

Dann ginge manches schneller.

Noch mal zum Buch. Also, so groß ist der Fortschritt bei Arzneimit- teln in zwei Jahren aus der Sicht des Allgemeinmediziners nun auch nicht.

Und wir arbeiten ja für die niederge- lassene Ärzteschaft und nicht für den hochspezialisierten Kliniker. Neue Substanzen müssen sich in der Praxis erst mal bewähren.

DÄ: Aber zu neuen Medikamen- ten gibt es wohl die meisten Fragen ...

Müller-Oerlinghausen: Wir wol- len nicht einfach die Informationen der pharmazeutischen Hersteller ab- drucken, sondern geben fast immer Informationen heraus, die innerhalb der Arzneimittelkommission in ei- nem Konsensusverfahren entstanden sind. Dafür müssen wir dann mehrere Fachmitglieder befragen, erkundigen uns bei den Fachgesellschaften, der Vorstand selbst und die Geschäftsstel- le bringen ihren Input ein. Wir geben immer bewertete Information heraus.

Darin liegt unsere Stärke.

DÄ: Was sagen Sie zu dem Vor- wurf, das dauere alles viel zu lange?

A-1940 (16) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 30, 26. Juli 1996

P O L I T I K INTERVIEW

Publikationspolitik der Arzneimittelkommission

„Bewertete Information – das ist unsere Stärke“

Im Interview: Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen Foto: privat

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft informiert regelmäßig zu Fragen der Arzneimitteltherapie und -sicherheit – vor allem in Bekanntgaben und Beilagen. Im Interview erläutert ihr Vorsitzender, Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen, die Pu- blikationspolitik des Gremiums: weshalb man auf ein Buch wie „Arzneiverordnungen“

auch im Zeitalter elektronischer Medien nicht verzichten kann und warum man in „Arz-

neiverordnung in der Praxis“ keine Leserbriefe findet. Müller-Oerlinghausen (60) ist als

Klinischer Pharmakologe an der Psychiatrischen Klinik der Freien Universität Berlin tätig.

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Müller-Oerlinghausen: Die Arti- kel für „Arzneiverordnung in der Pra- xis“ – also das ist teilweise schon ein sehr langwieriges Verfahren. Das kann auch mal ein Jahr dauern oder mehr, weil wir Artikel hin- und her- schicken, bis wir alle zufrieden sind.

Wir stimmen nicht mehrheitlich ab, weil wir es uns nicht leisten können, etwas bekanntzugeben, und ein Vor- standsmitglied sagt dann später: Also damit bin ich nicht einverstanden.

Ich glaube aber, gerade weil wir uns Zeit nehmen und qualifizierte In- formation herstellen, erzielen wir ei- ne Wirkung. Und wir haben bei der Ärzteschaft, zumindest bei dem Teil, bei dem sie überhaupt etwas bewegen können, doch eine hohe Reputation.

DÄ: Aber ginge es nicht doch manchmal etwas schneller?

Müller-Oerlinghausen: Wenn man meint, wir sollten mehr arbeiten oder schneller, dann soll man uns auch mehr Personal zur Verfügung stellen. Und letztlich können wir ein- fach nicht die Rolle einer Bild-Zei- tung spielen – wir sind die FAZ.

DÄ: In der Sitzung der Kommis- sion haben Sie gesagt: Wir bekommen Leserbriefe, aber wir sehen nicht ein, daß wir eine Leserbriefseite einrichten.

Wie schlagen sich dann Rückmeldun- gen in Ihrer Arbeit nieder?

Müller-Oerlinghausen: Zum Bei- spiel in Briefen und in Telefonanru- fen. Zu der ersten Ausgabe der „The- rapieempfehlungen“ beispielsweise haben wir eine Fülle von Briefen be-

kommen. Da hatten wir den Ein- druck, daß es sich gelohnt hat, die Aufmachung zu verbessern. Die

„Therapieempfehlungen“ waren ein- fach auch inhaltlich so gut, daß auch ganz kritische Kollegen sie hervorra- gend fanden. Andere schrieben so in etwa: Wir haben gar nicht gemerkt, daß es die Arzneimittelkommission und ihre Beilagen überhaupt noch gibt. Das war dann natürlich ein Schlag ins Kontor.

DÄ: Aber warum kein Abdruck von Leserbriefen?

Müller-Oerlinghausen: Daß wir keinen Leserbriefkasten in den „Arz- neiverordnungen“ einrichten wollen, hat etwas mit unserem Selbstver- ständnis zu tun und mit der Verbind- lichkeit unserer Information. Wir wollen nicht, daß der Eindruck ent- steht, man könne das beliebig so oder so sehen. Wir reagieren schon, wenn jemand eine andere Meinung hat – aber nicht in der Beilage selbst.

DÄ: Setzen Sie sich nicht der Ge- fahr aus, daß die Ärzte das für arro- gant halten? Vergrätzen Sie nicht Le- ser, weil die das Gefühl haben, mit Ein- wendungen nicht durchzudringen?

Müller-Oerlinghausen: Das Risi- ko nehmen wir dann in Kauf. Jeder, der sich an uns wendet, bekommt persönlich eine Antwort. Nach der Diclofenac-Bekanntgabe beispiels- weise haben wir Hunderte Telefonate geführt und Briefe beantwortet. Da ging ein Sturm der Entrüstung durch die Lande, wir wollten den Orthopä-

den die Voltaren-Injektion madig ma- chen. Wir haben damals geduldig er- klärt, was genau unsere Meinung ist.

Ein anderes Beispiel: Wir haben viele Reaktionen auf eine bestimmte Bekanntgabe im Deutschen Ärzte- blatt bekommen. Daraufhin haben wir in einer Ausgabe der „Arzneiver- ordnung“ das Thema noch einmal aufgegriffen mit der Einleitung „Auf- grund der vielen Reaktionen zu ...“.

Das Ganze hat auch wieder einen ökonomischen Aspekt: Wir kämpfen um jede Seite Text, die ja Geld kostet.

Deshalb können wir kein Diskussi- onsforum bieten.

DÄ: Sie hatten ja betont, daß Ver- öffentlichungen auch Zeit brauchen, weil man den Konsens sucht. Ich kann nicht glauben, daß bei Ihnen immer al- le zu einer Meinung finden.

Müller-Oerlinghausen: Deswe- gen dauert es oft lange, bis wir zu ei- nem gewissen Konsens kommen. Da muß der eine oder andere Kollege auch mal Federn lassen und mal nach- geben – und das tut er auch. Wir ha- ben aber als Ziel, daß wir den nieder- gelassenen Kollegen, die ratlos oder total verwirrt sind, eine verbindliche Information geben wollen.

DÄ: Werden Ihre Publikationen denn eher aus dem wissenschaftlichen Lager heraus angegriffen oder eher von den praktisch tätigen Ärzten?

Müller-Oerlinghausen: Beides.

Wir werden aber manchmal von Kli- nikern angegriffen, die zum Beispiel einwenden, mit einem potenten Me- dikament müsse man nur richtig um- gehen können. Das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist: Kann man dem Arzt draußen, dem Allge- meinmediziner, dieses spezifische Mittel zumuten? Kann er damit um- gehen? Es gibt Medikamente, die gehören nicht in die Hand des nieder- gelassenen Allgemeinarztes.

DÄ: Eine weitere Publikations- form sind die Mitteilungen und Be- kanntgaben im Deutschen Ärzteblatt.

Müller-Oerlinghausen: Bei den Bekanntgaben und Mitteilungen ist auch wichtig, daß wir sozusagen der Vermittler der Informationen sind, die das Bundesinstitut für Arzneimit- tel und Medizinprodukte den Her- stellern gibt und die wir dann der Ärzteschaft weitergeben. Im Rahmen des Stufenplans sind wir ja quasi be- A-1942

P O L I T I K INTERVIEW

(18) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 30, 26. Juli 1996

Publikationen der Arzneimittelkommission

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, ein Fachausschuß der Bundesärztekammer, gibt regelmäßig verschiedene Publikationen heraus:

1In unregelmäßigem Abstand erscheinen Bekanntgaben im Deutschen Ärzteblatt, insbesondere Warnungen über aktuelle Arzneimittelrisiken.

1Etwa vier- bis sechsmal pro Jahr wird die Publikation „Arzneiverordnung in der Praxis“ (AVP) dem Deutschen Ärzteblatt beigelegt. Die Kommission geht darin in mehr zusammenfassender Weise auf bestimmte Probleme der Arznei- mitteltherapie und auf Fragen der Arzneimittelsicherheit ein.

1Etwa alle zwei Jahre erscheint eine Neuauflage des Buchs „Arzneiver- ordnungen“. Im Moment ist die 18. Auflage in Vorbereitung. In dem Kompendi- um werden Ratschläge zur rationalen Arzneimitteltherapie gegeben.

1Seit Anfang dieses Jahres werden dem Deutschen Ärzteblatt zudem kon- krete „Therapieempfehlungen“ beigelegt. Die erste behandelte das Thema

„Fettstoffwechselstörungen“. Die Kommission plant, weitere Empfehlungen zu wichtigen Indikationsgebieten herauszugeben.

1Aktuelle Themen werden in Form von Fax-Polling-Angeboten zur Infor- mationsabfrage und gelegentlich in Pressemitteilungen aufgegriffen. th

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auftragt, den Ärzten zu vermitteln, was die Meinung des Amtes ist.

DÄ: Um diese Informationswei- tergabe hat es ja unlängst Ärger gege- ben. Die Firma Knoll hatte eine einst- weilige Verfügung gegen das Erschei- nen einer Ausgabe des Ärzteblattes er- wirkt aufgrund einer Mitteilung der Kommission zu Cordichin – und vor Gericht auch recht bekommen.

Müller-Oerlinghausen: Um die Sicherung dieser Aufgabe muß in Zu- kunft verstärkt gestritten werden, das hat uns das Urteil in Sachen Cordi- chin gezeigt. Da müssen die gesetzli- chen Grundlagen etwas präzisiert werden. Es geht nicht an, daß wir der Ärzteschaft die Informationen vor- enthalten sollen, die eigentlich von ihr stammen. Die Ärzte liefern doch die Informationen über das Risiko eines Arzneimittels. Daraus ergeben sich unter Umständen bestimmte Maß- nahmen – und wir werden daran ge- hindert, die Ärzteschaft frühzeitig darüber zu informieren, daß mögli- cherweise ein Risiko vorliegt.

DÄ: Sind sich bei Ihnen in der Kommission alle einig, ab wann man die Ärzteschaft über Arzneimittelrisi- ken informieren sollte?

Müller-Oerlinghausen: Also in der Kommission sind wir uns da rela- tiv einig, auch im Vorstand. Der Kurs ist sicher ein bißchen anders als zu früheren Zeiten.

DÄ: Inwiefern?

Müller-Oerlinghausen: Wir sind sicher kein Vorstand, der dazu ten- diert, die Öffentlichkeit aufzuscheu- chen, wenn man noch gar nichts Rich- tiges weiß. Auf der anderen Seite meinen wir, daß wir andere Aufgaben haben als die Behörde. Wir alle in der Kommission wollen die Freiheit be- halten, die Ärzteschaft dann infor- mieren zu können, wenn wir das für richtig halten.

Ein Beispiel: Wenn wir einen To- desfall infolge einer Medikation ge- meldet bekommen, dann wissen wir, daß die Behörde noch gar nichts un- ternehmen kann. Das dauert dort sei- ne Zeit. Wir meinen, daß wir ruhig darüber berichten sollten, damit die Ärzte stimuliert werden, besonders aufmerksam zu sein: sich vielleicht bestimmte Laborwerte eines Patien- ten genauer anzuschauen oder ähnli- ches. (Die Fragen stellte Sabine Dauth) A-1944

P O L I T I K INTERVIEW/AKTUELL

(20) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 30, 26. Juli 1996

M

it einer großen Kraftan- strengung hat sich Bundesfi- nanzminister Waigel gegen die Widersacher in den eige- nen Reihen durchgesetzt und für 1997 einen Etatentwurf vorgelegt, der den formalen Anforderungen an den Bun- deshaushalt entspricht und der den Kriterien des Maastricht-Vertrages für die Einführung des Euro Rech- nung trägt.

Der Kanzler will, daß im Früh- jahr 1998, wie in Maastricht beschlos- sen, auf der Basis der Daten für 1997 über die Einführung des Euro von 1999 an entschieden wird. Das setzt voraus, daß Deutschland nicht nur Preisstabilität nachweist, sondern auch das Defizit-Kriterium des Maas- tricht-Vertrages erfüllt, nach dem die gesamtstaatliche Neuverschul- dung drei Prozent des Bruttoinlands- produkts nicht übersteigen darf. Eine gewisse Überschreitung des Schul- denstandes von 60 Prozent des Brut- toinlandsprodukts dürfte wohl dann toleriert werden, wenn das Land er- kennbar Stabilitäts- und Konsolidie- rungspolitik betreibt. Darum geht es dem Kanzler und Waigel. Dieser Allianz hatten sich alle Minister zu fügen. Aber am Ende müssen auch die Länder mitziehen.

Waigels Etatentwurf für 1997 ver- mittelt den Eindruck, daß der mit den Spargesetzen eingeleitete Konsolidie- rungskurs verstärkt werden soll. Die Ausgaben sollen 1997 wie schon 1996 gegenüber den Etatansätzen des Vor- jahres um 2,5 Prozent gekürzt werden.

Dennoch muß eine Neuverschuldung von 56,5 Milliarden Mark eingeplant werden. Diese liegt über den Ansät- zen der alten Finanzplanung, aller- dings noch knapp unter dem Ansatz

für 1996. Wenn sich damit die Haus- haltslage gegenüber dem Vorjahr trotz der inzwischen beschlossenen Einsparungen weiter verschlechtert hat, so liegt dies daran, daß der Bund im Vergleich zum Vorjahr Steueraus- fälle von 30 Milliarden Mark und kon- junkturell bedingte Mehrausgaben für Sozialleistungen von rund 15 Milliar- den Mark zu verkraften hat.

Optimistische Annahmen Doch hinter die Planzahl für die Neuverschuldung ist ein großes Fra- gezeichen zu setzen. Ihr liegen sehr günstige Annahmen über die wirt- schaftliche Entwicklung zugrunde.

Das Kabinett unterstellt, daß 1996 ein reales Wachstum von 0,75 Prozent und in den Folgejahren bis 2000 ein reales Wachstum von jeweils 2 bis 2,5 Prozent erreicht wird und die Be- schäftigtenzahlen schon 1997 wieder zunehmen. Die Risiken dieser Projek- tion sind hoch zu veranschlagen.

Auch basiert der Etatentwurf auf der Annahme, daß alle noch im Gesetzes- verfahren befindlichen Spargesetze mit einem Entlastungseffekt von rund 18 Milliarden Mark verabschiedet werden. Mehr als zweifelhaft er- scheint dagegen, daß Waigel, wie im Etatentwurf unterstellt wird, den Zu- schuß an die Nürnberger Bundesan- stalt für Arbeit ganz streichen kann.

Solche Rechnungen sind schon in den Vorjahren nicht aufgegangen. Der Etatansatz für die Arbeitslosenhilfe ist mit 16,5 Milliarden Mark knapp bemessen worden.

Auch hat Waigel kaum eine Chance, die im letzten Jahr beschlos- sene Erhöhung des Kindergeldes, des

Fortsetzung der Sparpolitik

Bundeshaushalt

Ausgaben für Sozialpolitik zum Großteil gesetzlich festgelegt

Bundesfinanzminister Theo Waigel will 1997 rund 440 Milliarden Mark ausgeben; das

sind 2,5 Prozent weniger als im laufenden Jahr. Der Minister hat also zum zweiten Mal

hintereinander einen Haushaltsentwurf präsentiert, dessen Ausgabenplafond unter dem

des Vorjahres liegt. Korrekturen von Bundestag und Bundesrat sind freilich zu erwarten.

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Kinderfreibetrages und des Grund- freibetrages, wie vorgesehen, um ein Jahr zu verschieben. Die SPD-regier- ten Länder haben ihr Veto angekün- digt. Wenn es dabei bleibt, fehlen Waigel 3,5 Milliarden Mark.

Auch kann er nicht damit rech- nen, daß ihm die Länder Anteile von den Umsatzsteuereinnahmen in Höhe von 1,3 Milliarden Mark zurückgeben, um die erste Senkung des Solidaritäts- zuschlages mitzufinanzieren. Die von der Koalition angestrebte Abschaf- fung der Vermögensteuer wird wohl nur dann durchzusetzen sein, wenn der Bund den Ländern dafür eine

Kompensation für die Steuerausfälle von mehr als acht Milliarden Mark an- bietet. Die SPD erwartet, daß der Bund am Ende die Neuverschuldung um annähernd 12 Milliarden Mark und damit auf annähernd 70 Milliar- den Mark anheben muß. Mit Blick auf die Maastricht-Kriterien spricht mehr dafür, daß es spätestens im nächsten Frühjahr zu einer weiteren Sparrunde kommen wird.

Waigels Sparetat provoziert die Frage, ob dadurch nicht der erhoffte Aufschwung verhindert wird. Richtig ist, daß auch bei den investiven Ausga- ben kräftig gestrichen wird. Auch wird

die Konsumentennachfrage gedämpft.

Mittelfristig ist es aber wichtiger, mit einer glaubwürdigen Konsolidierungs- politik die Voraussetzungen für Steu- ersenkungen und die Verbesserung der Standortbedingungen zu schaffen.

Die Politik hat im übrigen keine ver- nünftige Alternative. Auch wenn es die Maastricht-Entscheidungen nicht gäbe, so müßte konsequent konsoli- diert werden. Obwohl die Ausgaben auch mittelfristig nur wenig steigen, muß der Bund bis 2000 jährlich Kredi- te von über 50 Milliarden Mark auf- nehmen. Die Zinsausgaben erreichen bald 100 Milliarden Mark; ihr Anteil an den Ausgaben des Bundes wird bis 2000 auf 22,5 Prozent steigen. Der Bund steckt also in der Schuldenfalle;

er kann sich daraus nur befreien, wenn es ihm gelingt, die Neuverschuldung kontinuierlich zurückzuführen und dies zugleich mit einer Politik der Ab- gabenentlastung zu verbinden, um Wachstumsimpulse zu setzen.

Bundesarbeitsminister Blüm, der mit den Spargesetzen einen erhebli- chen Beitrag zur Begrenzung des ge- samtstaatlichen Defizits leisten muß, ist in den Haushaltsberatungen mit ei- nem blauen Auge davongekommen.

Sein Etat wird um 2 Prozent und damit unterdurchschnittlich gekürzt. Das liegt daran, daß der Großteil der Aus- gaben gesetzlich gebunden ist. So wird der Zuschuß, den die Rentenversiche- rungen erhalten, auf 81 Milliarden Mark erhöht. Gestrichen wird dafür bei der Arbeitsförderung. Ob das durchzuhalten ist, bleibt abzuwarten.

Vor allem in Ostdeutschland meldet sich Widerstand. Der Kriegsopfer- haushalt bindet weiterhin annähernd 12 Milliarden Mark. Aus dem Etatent- wurf für das Bundesarbeitsministeri- um ist jedenfalls nicht der Vorwurf des Sozialabbaus abzuleiten. Mit 122 Milli- arden Mark verfügt Blüm noch immer über 28 Prozent aller Ausgaben des Bundes und damit über den mit wei- tem Abstand höchsten Etat. Nimmt man die Sozialausgaben aus anderen Ministerien hinzu, so bleibt es dabei, daß der Bund fast jede dritte Mark für Soziales ausgibt. Finanzielle Spielräu- me, darüber hinaus noch Fremdlasten der Sozialversicherung zu überneh- men, wie dies weithin gefordert wird, sind im Bundeshaushalt aber nicht zu erkennen. Walter Kannengießer A-1946

P O L I T I K AKTUELL

(22) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 30, 26. Juli 1996 Tabelle

Entwurf zum Bundeshaushalt 1997

Einzelplan Soll Entwurf Veränderung

1996 1997 gegen

Vorjahr – in Mio. DM – – v. H. –

01 Bundespräsidialamt 29,7 32,7 +9,9

02 Bundestag 928,3 913,4 –1,6

03 Bundesrat 28,2 27,2 –3,6

04 Bundeskanzleramt 583,6 582,0 –0,3

05 Auswärtiges Amt 3 782,6 3 634,0 –0,7*)

06 Inneres 9 118,2 8 809,8 –2,3*)

07 Justiz 698,5 701,8 +0,5

08 Finanzen 9 760,8 8 302,2 –3,0*)

09 Wirtschaft 18 585,5 17 026,0 –8,4

10 Ernährung, Landwirtschaft,

Forsten 12 134,8 12 060,0 –0,6

11 Arbeit und Sozialordnung 124 555,1 122 118,4 –2,0

12 Verkehr 51 031,8 45 050,0 –9,9*)

13 Post und Telekommunikation 364,9 358,2 +0,7*)

14 Verteidigung 48 237,1 48 500.0 –1,3*)

15 Gesundheit 789,8 751,8 –2,3*)

16 Umwelt, Naturschutz,

Reaktorsicherheit 1 317,5 1 319,5 +0,2

17 Familie, Senioren,

Frauen und Jugend 12 523,0 11 725,9 –6,4

19 Bundesverfassungsgericht 28,5 29,8 +4,4

20 Bundesrechnungshof 78,2 77,2 –0,1*)

23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit

und Entwicklung 8 144,7 7 803,1 –1,2*)

25 Raumordnung, Bauwesen,

Städtebau 9 937,1 10 450,2 +6,2*)

30 Bildung, Wissenschaft, Forschung

und Technologie 15 699,9 15 000,0 –2,5*)

32 Bundesschuld 86 007,5 89 221,9 +3,7

33 Versorgung 15 510,1 15 927,9 +2,7

60 Allgemeine Finanzverwaltung 21 423,7 21 777,1 +1,7

Gesamtsumme 451 300,0 440 200,0 –2,5

*) Steigerung gegenüber verfügbarem Soll 1996, soweit bisher Pauschalvereinbarungen zur Haushaltsperre 1996 getroffen sind

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