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ntihistaminika sind we- gen ihrer guten Wirk- samkeit gegen allergi- sche Symptome von Atem- wegen und Haut in der The- rapie fast unverzichtbar. Mo- derne Substanzen sedieren praktisch nicht mehr und ha- ben fast keine Nebenwirkun- gen. Die Welt der Antihista- minika ist jedoch inzwischen nicht mehr ganz so heil, wie sich auf einer Pressekonfe- renz der Deutschen Gesell- schaft für Allergie- und Im- munitätsforschung in Mün- chen zeigte.Vor allem der letzte Punkt – das Fehlen von Nebenwir- kungen – muß heute relati- viert werden. Der Grund dafür ist, wie Prof. Johannes Ring (München) in seiner Einführung betonte, daß ver- einzelte schwere Herzrhyth- musstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod durch
Antihistaminika induziert wurden. Laut Prof. Claus Ba- chert (Mannheim) sind welt- weit bisher etwa 350 Fälle bekanntgeworden. Als Ursa- chen nannte er Überdosie- rung des Antihistaminikums, Vorerkrankungen von Leber, Herz oder Niere und vor al- lem Interaktionen mit ande- ren Medikamenten.
Die bisher bekannten Fäl- le traten meist bei Einnahme von lipophilen Antihistamini- ka auf, zum Beispiel Terfena- din oder Astemizol. Diese
„Prodrugs“ werden in der Le- ber mit Hilfe eines speziellen
Zytochrom-P450-Isoenzyms zur eigentlichen Wirksub- stanz metabolisiert.
Andere Substanzen wie Ketokonazol, Erythromyzin, oder auch Klasse-Ia- oder Klasse-III-Antiarrhythmika, die auch über das gleiche En- zym (Isoenzym 3A4) ver- stoffwechselt werden, kön- nen die Metabolisierung der Antihistaminika verzögern.
Dadurch steigt der Plasma- spiegel des Prodrugs an, wel- ches durch Hemmung des Kaliumeinstroms gravieren- de Rhythmusstörungen aus- lösen kann. Hydrophile Anti-
histaminika wie zum Beispiel Acrivastin und Cetirizin sind nicht mit diesem Problem be- lastet, da sie nicht metaboli- siert werden. Sie sind bereits selbst pharmakologisch aktiv und werden zu 90 Prozent di- rekt über die Nieren ausge- schieden. Alle anwesenden Referenten beurteilten we- gen der Gefahr der Überdo- sierung und Medikamenten- Interaktionen deshalb den re- zeptfreien Verkauf von Anti- histaminika sehr kritisch.
Vielmehr muß der nieder- gelassene Arzt hier eine wich- tige Beratungsfunktion wahr- nehmen. Er muß dem Patien- ten klarmachen, welches indi- viduelle Risiko bei ihm wegen seiner Grundkrankheiten und Komedikation vorliegt und daß „mehr (Antihistamini- kum) nicht mehr hilft, son- dern dieses Risiko weiter er- höht“. Martin Bischoff
A-2963 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 45, 8. November 1996 (73)
V A R I A AUS UNTERNEHMEN