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oraussichtlich bereits am 9. Ok- tober wird sich das Bundeskabi- nett mit den Regelungen in ei- nem vorgezogenen Gesetzent- wurf der Koalition als Regierungsent- wurf befassen. Parallel dazu soll ein Fraktionsentwurf am 10./11. Oktober in erster Lesung im Bundestag beraten werden. In einem zweiten, ebenfalls zu- stimmungsfreien Gesetz sollen weitere Elemente zur Weiterentwicklung der Krankenversicherung und zur Struk- turreform geregelt werden. Hier ist der zeitliche Rahmen nicht so eng wie beim Vorschaltgesetz, das bereits zum 1. Ja- nuar 1997 in Kraft treten soll. Das zwei- te Gesetz soll zum 1. April oder späte- stens zum 1. Juli 1997 starten.Die Krankenkassen sollen auf mehr Wirtschaftlichkeit getrimmt werden, und sie sollen für stabile Beiträge sorgen. Gleichzeitig sollen die Versicherten mehr Wahlrechte er- halten, aber auch zusätzlich direkt be- lastet werden. Erhöhen die Kassen die Beiträge, werden sie verpflichtet, die Zuzahlungen der Versicherten entsprechend zu erhöhen.
Wird der Beitragssatz um 0,1 Prozentpunkte erhöht, erhöhen sich gleichzeitig die Zuzahlungen im Arz- neimittelbereich um eine DM oder bei prozentualen Zuzahlungen um ei- nen Prozentpunkt. Dies gilt auch für die Zuzahlungen im Krankenhaus- und Rehasektor. Geprüft wird, ob ei- ne Ausnahme von diesem Automatis- mus Platz greifen soll, wenn die Bei- tragssatzerhöhungen allein durch den Risikostrukturausgleich verursacht werden. Beitragssatzanhebungen bleiben ausgeschlossen, wenn sie durch Aufwendungen für „Gestal- tungsleistungen“ bedingt sind. Auch
das Kündigungsrecht der Versicherten soll erleichtert werden: So kann außer- ordentlich mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden, wenn die Krankenkasse den Beitragssatz er- höht. Gleichzeitig soll den Kranken- kassen mehr Freiraum auf der Lei- stungsseite eingeräumt werden.
Versicherten- Wahlrechte
In zwei Punkten sollen die Versi- cherungsrechte „gestärkt“ werden:
« Sie sollen die Wahl zwischen Sachleistung und Kostenerstattung haben (diese gibt es jetzt bereits im Bereich des Zahnersatzes). Die Ko- stenerstattung soll auf die zugelasse- nen Leistungserbringer beschränkt bleiben;
¬ Die Versicherten sollen auch gegenüber den Leistungserbringern ei- nen Anspruch haben, über die Behand- lungskosten unterrichtet zu werden.
Das Verhältnis von Pflicht- zu Satzungsleistungen der Krankenkas- sen soll mit dem Ziel neu geordnet werden, Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung auszuweiten.
Als neue Satzungsleistungen können die Krankenkassen beschließen:
l Bei Entscheidung der Versi- cherten für die Kostenerstattung:
Selbstbehalt mit entsprechender Bei- tragsermäßigung;
l Beitragsrückzahlung und l Erhöhung bestehender Zu- zahlungen (die Einführung neuer Zu- zahlungen ist zulässig).
l Leistungen können die Kran- kenkassen durch Satzung erweitern und Leistungen der Gesundheitsför-
derung und Prävention sowie für be- stimmte Hilfsmittel einführen. Diese Leistungen sollen ausschließlich von den Versicherten finanziert werden.
Die Leistungen werden nicht im Risi- kostrukturausgleich berücksichtigt.
l Gestaltungsleistungen kön- nen bei häuslicher Krankenpflege, bei Fahrkosten (mit Ausnahme von Flug- rettung, Rettungswagen sowie Not- arztwagen), bei Kuren und Rehabili- tation, bei Heilmitteln und bei Aus- landsleistungen festgelegt werden.
l Spätestens zum 1. Juli 1997 sollen die Zuzahlungen dynamisch er- höht und die Härtefallregelungen mo- difiziert werden. Alle festen DM-Be- träge sollen im Abstand von zwei Jah- ren (erstmals zum 1. Juli 1997) erhöht werden; bei Arzneimitteln erfolgt dies erstmals zum 1. Juli 1999.
l Die Belastungsgrenzen im Rahmen der Härtefallregelungen von vier Prozent der Einnahmen zum Le- bensunterhalt sollen auf zwei Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig soll der Schutz chronisch Kranker im Rah- men der Härtefallregelung (Überfor- derungsklausel) verbessert werden.
l Erprobungsregelungen und Modellvorhaben sollen forciert wer- den. Die Krankenkassen müssen die Projektdurchführung mit den KVen und/oder den Krankenhausträgern beziehungsweise Krankenhausgesell- schaften vereinbaren.
Die Pflegepersonalregelung wird gekippt. Die Personalbemessung soll von der Selbstverwaltung festgelegt werden. Klinikbudgets sowie Preise für Fallpauschalen und Sonderentgel- te steigen 1997 höchstens um 1,3 Pro- zent und sollen damit im Grundlohn- limit bleiben. Dr. Harald Clade A-2519 LEITARTIKEL
Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 40, 4. Oktober 1996 (15)