A3218 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4723. November 2007
A K T U E L L
In den USA wurde der größte Ver- gleich der Pharmabranche wegen gravierender Nebenwirkungen eines Medikaments beschlossen. Der Pharmakonzern Merck & Co. hat sich mit Anwälten auf die Summe von 4,85 Milliarden Dollar geeinigt, um einen Großteil der Klagen wegen vermeintlich tödlicher Nebenwirkun- gen des Schmerzmittels VIOXX® außergerichtlich beizulegen. Die Einigung umfasse 95 Prozent der Klagen gegen Merck, meldete der Konzern. Ein Schuldeingeständnis sei mit der Zahlung allerdings nicht verbunden.
Nachdem Merck das Medika- ment im September 2004 vom Markt genommen hatte, haben Zehntausende ehemalige Patienten und Versicherungen den Konzern auf Schadensersatz verklagt. Bisher hatte der Konzern elf Gerichtsver- fahren gewonnen; in fünf Verfahren wurde zugunsten der Kläger ent- schieden.
Alle bisher in den USA einge- reichten Klagen deutscher Betroffe- ner wurden abgewiesen. Gerade weil die Gerichte so unterschiedlich geurteilt hatten, wurde nun die außergerichtliche Einigung ange- strengt. Zunächst wollte Merck je- den Fall einzeln verhandeln. Der Gang durch die Instanzen hätte sich möglicherweise über Jahrzehnte hingezogen ohne Aussicht auf einen klaren juristischen Erfolg für das US-Unternehmen.
Laut US-Medienberichten wird das finanzielle Angebot von Merck verbindlich, wenn mindestens 85 Prozent der fast 27 000 Kläger den Schadensersatz-Vertrag unter- schreiben. Versicherungsgesellschaf- ten, ehemalige Patienten und An- gehörige von Opfern dürfen sich
dann das Geld – je nach Behand- lungsdauer und dem Grad der durch VIOXX verursachten Schädigungen – aufteilen. Nach der außergericht- lichen Einigung in den USA, stre- ben nun auch deutsche Betroffene einen Vergleich an. Wie der Berliner Anwalt Andreas Schulz dem Tages- spiegel berichtete, habe seine Kanz- lei bisher rund 100 Fälle vor deut- sche Gerichte gebracht und vertrete weitere 850 Betroffene.
Die deutsche Tochter des Kon- zerns, MSD Sharp & Dohme GmbH, weist in einer Presseer- klärung darauf hin, dass sich die US-Vereinbarung nicht auf An- sprüche außerhalb der USA bezieht, die sich in unterschiedlichen Ver- fahrensstadien befinden; zudem un- terlägen sie länderspezifischen Re- geln. „Das Vorgehen des Unterneh- mens in Bezug auf Produkthaf- tungsklagen außerhalb der USA ist unverändert. Wir werden uns wei- terhin entschieden gegen sämtliche dieser Klagen verteidigen“, so MSD. Nach Angaben des Unterneh- mens wurden in Deutschland bisher mehr als 30 Verfahren abgewiesen oder von den Klägern zurückgezo- gen, sechs von diesen Fällen seien derzeit in Berufung. Mehr als 100 weitere Klagen sind anhängig. zyl
Foto:picture alliance/ZB – Fotoreport
VIOXX
US-Pharmariese Merck stimmt Vergleich zu
KLONERFOLG ERSTMALS BEI PRIMATEN
Von erfolgreichen Versuchen, aus den Körper- zellen von Rhesusaffen Embryonen zu klonen und daraus Stammzelllinien zu gewinnen, be- richtet der russischstämmige Amerikaner Shoukhrat Mitalipov vom Oregon National Pri- mate Research Centre (US-Bundesstaat Oregon) in der Onlineausgabe des US-Fachmagazins
„Nature“ vom 14. November. Die Publikation erregt großes Aufsehen, denn das Klonen von Primaten war bislang immer gescheitert.
Dem Bericht zufolge wandte das Forscher- team um Mitalipov die Methode des somati- schen Zellkerntransfers an, mit der bereits an- dere Säugetiere erzeugt wurden: Sie überführ- ten Zellkerne von Fibroblasten der Haut eines neun Jahre alten männlichen Rhesusaffen in entkernte Eizellen weiblicher Tiere. Ein Affen- baby wurde nicht geboren; in 35 Fällen sind jedoch Embryonen in einem sehr frühen
Stadium entstanden. Ferner ist es gelungen, aus den Embryonen (unter Verwendung von 304 Eizellen) zwei pluripotente embryonale Stammzelllinien zu gewinnen und diese zu Herz- und Nervenzellen reifen zu lassen.
DNA-Analysen hätten zweifelsfrei ergeben, dass die Zellkern-DNA der isolierten Stamm- zellen identisch mit der DNA der verwendeten Fibroblasten ist. Die mitochondriale DNA soll nachgewiesenerweise von den verbrauchten Oozyten stammen.
Warnung vor verfrühter Euphorie Mitalipovs Ergebnisse wecken nun vielfach Hoffnungen, dass künftig mit der Technik auch maßgeschneiderte menschliche Stammzell- linien etabliert und degenerative Erkrankungen, wie Diabetes mellitus oder Morbus Parkinson, geheilt werden können. Anderen erscheinen
Heilungsversprechen noch verfrüht. Die Funkti- onsfähigkeit der gezüchteten Zellen sei noch nicht nachgewiesen. Zudem sei die Methode ineffektiv und teuer.
Vorsicht ist auch aus einem anderen Grund geboten: Bereits 2004 hatte der südkoreani- sche Forscher Woo Suk Hwang in dem Fach- blatt „Science“ verkündet, patientenspezifische Stammzelllinien durch Zellkerntransfer gewon- nen zu haben. Seine Ergebnisse stellten sich jedoch als gefälscht heraus. „Klon-König“
Hwang trat 2005 zurück.
Angesichts Mitalipovs Publikation warnen auch einige Organisationen: Wissenschaftler in aller Welt könnten sich versucht fühlen, geklonte Babys zu erschaffen, denn noch immer exis- tiere kein weltweites Klonverbot von Menschen zu Fortpflanzungszwecken.
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann