DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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eshalb sollten nicht die Prinzipien, denen die Marktwirtschaft ihre konkurrenzlos guten Er- gebnisse verdankt, auch für an- dere Bereiche des gesellschaft- lichen Lebens gelten? So fragen Wirtschaftswissenschaftler, die es nicht mehr im angestammten Gebiet hält. Dem Gesundheits- wesen dienen sich somit Ge- sundheitsökonomen an, dem Bildungswesen die Bildungs- ökonomen. Soeben erst hat der Bund Freiheit der Wissenschaft ein marktwirtschaftliches Mo- dell für die Hochschul- und Stu- dienfinanzierung vorgelegt, ver- treten von dem Siegener Ordi- narius für Volkswirtschaftslehre Artur Woll.Sowohl im Gesundheits- wie im Bildungswesen bewegen sich die Marktwirtschaftler auf tückischem, fremdbesetzten Terrain. Und so dürfte es den Gesundheitsökonomen von der reinen Lehre wohl kaum gelin- gen, bei der in Rede stehenden Reform des Gesundheitswesens eine Umstrukturierung in ihrem Sinne zu erreichen. Den Bil- dungsökonomen wird es in ih- rem Bereich schwerlich anders ergehen. Bildungswesen und
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in Kollege, dessen Ehe- frau vor kurzem im Alter von 82 Jahren gestorben ist, berichtet über das folgende Telefongespräch mit einer west- deutschen Stadtverwaltung. Zur Vervollständigung der Akten der Verstorbenen wurde er um einige Auskünfte gebeten:„Herr Doktor, wo ist Ihre Frau geboren?" Antwort: „In Berlin". Zusatzfrage der offen- bar jungen Dame am anderen Ende des Drahtes: „In Ost- oder Westberlin?" Darauf der Kollege: „Hören Sie, meine Frau ist 82 gewesen." — „Hm;
wo ist sie denn geboren?" — „In der Charite." Pause. „Also doch in Ostberlin!" — „Nein, Fräulein, sie ist in Berlin zur Welt gekommen!" Unverständ-
Bildungs- und
Gesundheitsökonomen
Warten auf
die Katastrophe
Gesundheitswesen haben sich nun einmal historisch anders entwickelt; die Strukturen sind fest zementiert, allenfalls in Randgebieten kann Neues er- probt werden.
Dennoch lohnt es, sich mit bildungsökonomischen Gedan- ken für die Hochschul- und Stu- dienfinanzierung auseinander- zusetzen, zeigt das Modell des Bundes Freiheit der Wissen- schaft doch, wie es aussehen könnte, wenn Angebot und Nachfrage nach Ausbildungs- plätzen vernunftgemäß ausgegli- chen würde. Das Modell ist in der Theorie einfach:
• Kostenabhängige Gebüh- ren je nach Studiengang und je nach Universität. Gefragte Uni- versitäten könnten demnach höhere Gebühren verlangen als weniger gefragte. Anderer-
Zeitgeschichte
750 Jahre Berlin
nis und hörbare Verschnaufpau- se. Dann, offenbar um abzulen- ken, neuerliche Frage: „Wann und wo haben Sie geheiratet?"
Antwort: „1927 in Kreuzberg."
— „Aha, also in Westberlin." —
„Aber, liebes Fräulein, verste- hen Sie denn nicht? Die Heirat erfolgte in Berlin." Verzweifel- te Antwort der städtischen Da- me: „Nun, dann weiß ich auch nicht." Abruptes Ende des Ge- spräches.
Ob vielleicht hier das Sein das Bewußtsein ein wenig ver- wirrt hat? F. Sp.
seits könnten kostengünstigere Hochschulen sich preiswerter anbieten.
• Freie Wahl der Studien- bewerber unter den Universitä- ten; die Universitäten würden sodann selbst unter den Bewer- bern ihre Auswahl treffen: gute Unis hätten gute Studenten, schlechtere den Rest, einige würden schließen müssen.
• Finanzierung der Stu- diengebühren und des Lebens- unterhaltes allein durch Darle- hen. Das würde die Studienbe- werber dazu anhalten, Nutzen und Risiken sorgfältig miteinan- der abzuwägen und nicht ein- fach darauflos zu studieren.
Ein vierjähriges geisteswis- senschaftliches Studium würde laut Woll 20 000 DM, ein Medi- zinstudium etwa das Vierfache kosten. Ein gewaltiger Darle- hensbetrag käme da zusammen.
Studenten aus Bevölkerungs- schichten, die es nicht gewohnt sind, mit großen Summen umzu- gehen, könnten abgeschreckt werden. Um ihnen eine zusätz- liche Chance zu geben, müßte, so der Bund Freiheit der Wis- senschaft, das Stipendienwesen gewaltig ausgeweitet werden.
Der Bund Freiheit der Wis- senschaft macht sich keine Illu- sionen: Die Realisierungschan- cen sind zur Zeit gleich Null.
Aber, so erklärt Professor Woll, es sei immerhin gut, ein solches Gedankenmodell in die Welt zu setzen. Wenn einmal das System der Bildungsfinanzierung zu- sammenbreche, dann werde die Alternative dankbar aufgegrif- fen.
Möglicherweise warten auch die Gesundheitsökono- men, deren Modelle nicht so bald in die Tat umgesetzt wer- den können, genau wie ihr Kol- lege Artur Woll auf die Kata- strophe. Die Wirtschaftswissen- schaftler, so tröstet Woll, hätten da ihre Erfahrungen. Beispiels- weise in der Währungspolitik.
Flexible Wechselkurse hätten die Praktiker jahrzehntelang für unmöglich gehalten; inzwischen aber gebe es sie, und das System funktioniere. NJ
Dt. Ärztebl. 84, Heft 36, 3. September 1987 (1) A-2277