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Archiv "Gesundheitsökonomen: Keine Angst vor dem bösen Wort" (19.03.2010)

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A 474 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 11

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19. März 2010

GESUNDHEITSÖKONOMEN

Keine Angst vor dem bösen Wort

Im Gegensatz zu den Politikern sind Gesundheitsökonomen der Meinung, über die Priorisierung von medizinischen Leistungen müsse offen diskutiert werden.

W

eshalb denn ausgerechnet er, der doch oft und ein- dringlich vor der Ökonomisierung der Medizin warne, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Ge- sundheitsökonomie (dggö) gewor- den sei, wollte eine Journalistin von Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe wissen. Nach wie vor sei er gegen eine Ökonomisierung, antwortete der Präsident der Bundesärztekam- mer (BÄK). „Aber gerade deshalb ist es sinnvoll, sich zu beteiligen.“

Die junge, erst im Herbst 2008 ge- gründete Fachgesellschaft mit in- zwischen 330 Mitgliedern will sich mit den Fragen im Spannungsfeld zwischen Medizin und Ökonomie befassen, „nicht gegen, sondern mit

den Ärzten“, wie ihr Vorstandsvor- sitzender Prof. Dr. J.-Matthias Graf von der Schulenburg von der Uni- versität Hannover zur Eröffnung der 2. Jahreskonferenz der Gesell- schaft hervorhob. Das Motto der Veranstaltung Anfang März in Ber- lin: Money meets medicine.

Rationierung ist Realität Die Sorge vor einem Diktat der Ökonomie sei ernst zu nehmen, sagte Kongresspräsident Prof. Dr.

med. Stefan Willich, Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epide- miologie und Gesundheitsökono- mie der Charité – Universitätsmedi- zin Berlin. Aber die Medizin habe auch profitiert vom wirtschaftlichen Druck, der zum Beispiel erst die Anstrengungen zur Qualitätssiche- rung ausgelöst habe. „Vor 20 Jahren hatten wir ein Dorado, in dem alles, was machbar war, auch bezahlt wurde.“ Heute müsse die gesund- heitliche Versorgung auch unter dem Gesichtspunkt der Finanzier- barkeit gestaltet werden. Konse- quenterweise hat Willich keine Scheu vor dem Begriff „Priorisie- rung“, er gab vielmehr Hoppe die Gelegenheit, seine Vorstellungen zu erläutern.

Wenn in einer Krankenhausab- teilung die Ärzte – vom Chef und dem Oberarzt abgesehen – nur so eben Deutsch verstünden, wenn ei- ne Krankenschwester statt 35 nun 70 Patienten versorgen müsse, wenn niedergelassene Ärzte ein Arzneimittel nicht mehr verordnen dürften, dann müsse man von heim- licher Rationierung sprechen, unter- strich der Präsident der Bundesärz- tekammer. Für die medizinische Versorgung von 92 Prozent der Be- völkerung (die gesetzlich Versicher-

ten) ständen 6,4 Prozent des Brutto- inlandsprodukts zur Verfügung – weniger als in den Niederlanden, in Großbritannien, Frankreich oder den skandinavischen Ländern. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Poli- tik mehr Geld bereitstellen wird.

Bevor wir weiter heimlich rationie- ren, brauchen wir deshalb eine offe- ne Debatte, wie wir das Geld ge- recht verteilen“, forderte Hoppe.

Er verwies darauf, dass die Zen- trale Ethikkommission bei der BÄK schon 2007 Kriterien für eine Priori- sierung von Gesundheitsleistungen vorgeschlagen habe. Auf der ersten Stufe der medizinischen Bedürftig- keit (Lebensschutz und Schutz vor schwerem Leid und Schmerzen) und der zweiten (Schutz vor dem Ausfall oder der Beeinträchtigung wesentlicher Organe und Körper- funktionen) müsse dabei eine Diffe- renzierung nach Art und Umfang des Versicherungsschutzes oder der Zahlungsfähigkeit des Patienten aus- geschlossen sein. Auf Rang drei folgt der Schutz vor weniger schwer- wiegenden oder nur vorübergehen- den Beeinträchtigungen des Wohl- befindens, und die vierte Stufe schließlich umfasst Leistungen zur Verbesserung und Stärkung von Körperfunktionen. Hoppe wieder- holte seinen Vorschlag, einen unab- hängigen, interdisziplinären Gesund- heitsrat einzurichten, der Priorisie- rungsentscheidungen vorbereiten und den Gesetzgeber beraten solle.

Plädoyer für Pauschalbeitrag Ob die Wirtschaftswissenschaftler Hoppe voll zustimmen und wie sie eine Priorisierung medizinischer Leistungen angehen würden, wurde leider nicht diskutiert. Die vorge- stellten Arbeiten stammten fast aus- nahmslos aus der empirischen For- schung. Ordnungspolitische Fragen der Finanzierung der Krankenversi- cherung oder der Arzneimittelpreis- bildung befanden sich nicht darun- ter – keine gute Basis für die Poli- tik beratung. Immerhin hat die dggö dafür plädiert, die GKV-Finanzie- rung langfristig auf einkommens- unabhängige Arbeitnehmerbeiträge mit einem steuerfinanzierten Sozial- ausgleich umzustellen. ■ Heinz Stüwe Deutsche Krankenhäuser arbeiten zu deutlich geringeren

Kosten als amerikanische, ohne dass die Qualität der Be- handlung schlechter ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Tom Stargardt vom Helmholtz-Zentrum Mün- chen auf der 2. Jahreskonferenz der Deutschen Gesell- schaft für Gesundheitsökonomie in Berlin vorgestellt hat.

Die Ökonomen haben Daten über die Behandlung des aku- ten Myokardinfarkts von 130 Kliniken der Veteran Health Administration in den USA und von 18 deutschen Kranken- häusern, die 2005 an der Kostenstudie des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus teilnahmen, ausgewer- tet und vergleichbar gemacht. Es zeigte sich, dass es bei der Mortalität der Herzinfarktpatienten nach stationärer Aufnahme keine signifikanten Unterschiede gibt. Die Be- handlungskosten in den USA sind allerdings doppelt so hoch wie in Deutschland. Die US-Kliniken arbeiteten tech- nologieintensiver, sie verwendeten beispielsweise häufiger Stents, sagte Stargardt zur Erklärung. Vor allem aber setzten die Amerikaner mehr Personal ein, insbesondere in der Verwaltung und in der Pflege. So liegt der Personalschlüs- sel in der Pflege im amerikanisch-deutschen Vergleich bei 4 : 1. Die Amerikaner stöhnen über noch mehr Dokumen- tationspflichten als die Klinikbeschäftigten hierzulande.

GÜNSTIGER ALS IN DEN USA

P O L I T I K

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